Pornofizierung der Gesellschaft, Madonna-Whore-Komplex und Attraktivitätsmerkmale

Eine Debatte, die gerade umgeht ist die um eine Pornofizierung unserer Gesellschaft. Junge Frauen würden immer mehr den Sex betonen. Die Begründungen sind vielfältig.

  • Die Frauen fühlen eigene Machtlosigkeit und unterwerfen sich den Kriterien der Männer
  • die Medien betonen (evt. in unserer patriarchischen Gesellschaft) Sex und die jungen Frauen übernehmen das Bild
  • Sex gilt als Ausdruck von Freiheit
  • Frauen leben nur so, wie sie schon immer leben wollten, sie haben sich nur von den Einschränkungen der Gesellschaft freigemacht
  • Frauen fühlen den Druck sich sexuell betätigen zu müssen, als Sexobjekt zu funktionieren und handeln so obwohl sie dies eigentlich nicht wollen

Ich denke, dass sich durch moderne Verhütungsmittel und darauf aufbauend Feminismus einfach die Wertung der Attraktivitätskriterien verschoben hat.

Bei der männlichen Partnerwahl spielen in Bezug auf diesen Bereich mehrere Punkte eine Rolle:

  • Es macht Sinn, dass Männer die Betonung von Sex und körperlicher Attraktivität mehr interessiert als Frauen. Sex bedeutet zunächst einmal für Männer die Möglichkeit auf Nachkommen mit einem geringen Aufwand, ein guter Körper spricht dabei für gute Gene. Aber weil eine Schwangerschaft beim Mann nicht zwangsläufig eine hohe Ressourcenbindung verlangt ist jeglicher Sex für Männer interessanter als für Frauen, die bei einer Schwangerschaft mehr Ressourcen binden.
  • Gleichzeitig haben Männer aber gerade bei langfristigen Bindungen, wie sie bei Menschen üblich sind ebenfalls ein erhebliches Risiko, dass sie die Energien in den Aufzug von Kindern investieren, die nicht ihnen gehören, also fremde Gene durchbringen. Es besteht also ein evolutionärer Druck für Männer Gegenmaßnahmen zu finden. Welche Möglichkeiten bleiben hier dem Mann:
    • Er kann auf Anzeichen einer Schwangerschaft achten. Dies ist im übrigen eine Begründung dafür, warum ein flacher Bauch für Männer aus biologischen Gründen attraktiv sein könnte.
    • Er kann aus ihrem bisherigen Verhalten Schlussfolgerungen ziehen
    • Er kann aus ihrem Ruf Schlussfolgerungen ziehen
    • Er kann aktiv verhindern, dass sie ihn in der Beziehung fremdgeht durch entsprechende Kontrolle
  • Gleichzeitig würde es sich biologisch nicht lohnen Frauen nur deswegen nicht attraktiv zu finden, weil sie bereits sexuell aktiv sind. Denn solange Sex ohne Verpflichtung stattfindet lohnt es sich für den Mann jede diesbezügliche Möglichkeit zu nutzen um mit minimalen Einsatz Nachkommen zu zeugen (lohnen bedeutet hier: die Gene verbreiten sich in der Bevölkerung). Selbst wenn man der zehnte Mann ist der mit einer Frau an dem Tag Sex hatte können es die eigenen Spermien sein, die das Ei befruchten. Das Kind hat dann vielleicht ohne Unterstützung durch einen Versorger geringere Überlebenswahrscheinlichkeiten, aber aufgrund der geringen Kosten ist es für den Mann sinnvoll auch Kinder zu zeugen, die nur vielleicht überleben. Für ihn ist der Wert eines weiteren Kindes („Replikationswert“ oder „replication value“) wichtiger als der Wert eines sicher überlebenden Kindes („Überlebenswert“ oder „survival value“) (zu einer ähnlichen Darstellung)
  • Hier zeigen sich die Anlangen des „Madonna Whore Komplex„. Der Mann findet sexuell sehr aktive Frauen erregend („Huren“), weil sie im eine einfache Möglichkeit bereitstellen seine Gene zu verbreiten und es biologisch nachteilhaft wäre nicht erregt zu sein und er findet Frauen gut, die an schnellen Sex nicht interessiert sind („Madonna“), weil sie die Gefahr eines Seitensprunges verhindern und damit die Gefahr Nachwuchs, der nicht die eigenen Gene trägt weiterzugeben
  • Zu Bedenken ist, dass auch Verwandte des Mannes ein biologisches Interesse daran haben, dass der Mann keine mit ihm nicht verwandten Kinder erzieht und versorgt, denn ein Teil ihrer Gene sind auch seine Gene. Zudem haben auch Verwandte der Frau ein biologisches Interesse daran, dass sie keinen wahllosen Sex hat, weil der eigene Genanteil besser bei möglichst guten Genen und einem möglichst guten Versorger weitergeben wird. Des weiteren hatten auch andere Mitglieder der Gruppe ein Interesse: Mehr Kinder bedeutet, dass es mehr potentielle Mäuler zu stopfen gab, was die Essensverteilung schwieriger machte. Zudem bedeutet eine Frau mit Kind ohne Versorger auch eine Verknappung bzw. eine „Verteuerung“ der Frauen für andere Männer, die diese dann nur mit der „Auflage“ bekommen konnten ein fremdes Kind mit zu ernähren.
  • Auch die Frau selbst hat ein biologisches Interesse daran zu betonen, dass sie eine gute Wahl ist. Denn da sie nicht nur an den Genen, sondern bei Menschen auch an einem Versorger interessiert ist, hat sie ein Interesse über den Sex hinaus für eine langfristige Partnerschaft interessant zu sein. Das dies Einfluss gehabt hat zeigt sich zB daran, dass Frauen Fett im weitaus geringeren Maße am Bauch anlagern als Männer, was nichtschwangeren Frauen erlaubt genau dies zu demonstrieren. Demnach liegt auch auf Frauen ein evolutionärer Druck zum einen sexy zu erscheinen um Männer mit dem Versprechen von Sex anzulocken, gleichzeitig aber auch zu betonen, dass sie kein erhöhtes Risiko für die Aufzucht eines fremden Kindes bieten. Ich hatte hierzu bereits etwas in „Slut shaming – Männer, die viel Sex haben sind Helden, Frauen die viel Sex haben sind Schlampen?“ geschrieben.
  • Es fragt sich damit, wie die Natur den „Schutz vor Schlampen-Faktor“ mit dem „Sex soll man nicht ausschlagen-Faktor“ vereinbart. Die Wege hierzu sind wie oben dargestellt vielfältig. Biologisch könnte der Mann allerdings auch einfach darauf vertrauen, dass der evolutionäre Druck auf Frauen, Sex nicht einfach an jeden Mann zu verteilen, groß genug ist und er keine eigenen Wege finden muss. Dieser Weg ist aber für die meisten Männer, die nicht ganz oben auf der Attraktivitätsskala stehen, gefährlich, weil es für Frauen keinen Nachteil bedeutet, sie mit einem genetisch besseren Mann zu betrügen und die Kinder von ihm versorgen zu lassen, sondern dies vielmehr einen Vorteil für sie darstellt. Effektiver könnten hingegen Unterscheidungen zwischen Langzeit und Kurzzeitinteresse sein. Dies hat allerdings den Nachteil, dass sich bei Kurzzeitinteressen Bindungen einstellen könne, die die Langzeitpläne verhindern und zudem die Kriterien nur schwierig zu bewerten sind.
  • Eine Möglichkeit das „Treuekriterium“ einzuspeichern wäre die allgemeine Wertung der Frau als sexuell aktiv oder nicht aktiv zu berücksichtigen. Da viele aus einer Gruppe ein Interesse daran haben die Treue der Frau einzuschätzen (die beiderseitigen Verwandten, doe anderen Männer um Möglichkeiten zu erforschen und die anderen Frauen um ihre Männer bei sich zu halten) kann diese Bewertung vergleichbar dem Status des Mannes oder dem Faktor „Preapproved by women“ eine Einschätzung aufgrund der Erfahrungen anderer ermöglichen. Hier spielt dann sicherlich auch die Medienkultur und Internetpornografie mit hinein: Wenn man nur einen Mausklick von Frauen entfernt ist, die Sex haben, dann erscheint Sex als normal und die Bewertung innerhalb der Gesellschaft was „schlampiges Verhalten“ ist sinkt.
  • Durch die Einführung moderner Verhütungsmittel sind verschiedene Faktoren, die zur Einschränkung der Sexualität der Frau führen weggefallen. Dies ist insbesondere das Interesse an der Verhinderung einer ungewollten Schwangerschaft sowohl bei der Frau als auch ihren Verwandten. Diese können sich insoweit entspannen, was zu einer geringeren Absicherung der Sexualität der Frau führt. Hinzu kommt, dass unsere Gesellschaft wesentlich anonymer ist als in der Steinzeit. Während in der steinzeitlichen Gruppe die Gefahr recht hoch war, dass jeder aus der Gruppe ziemlich genau wusste, was man bisher gemacht hatte, ist der Anteil an Personen, die dies aus dem persönlichen Umfeld mitbekommen geworden (Eltern und Verwandte gehen nicht unbedingt mit jungen Frauen aus). Zudem leben wir in einer gut versorgten Gesellschaft, so dass auch der Kampf um Nahrung kein Kriterium mehr ist. Es würde biologisch Sinn machen, die Abwertung von „schlampigen Verhalten“ an die Versorgungslage zu knüpfen, da dies sowohl für die Gruppe als auch für die Mutter von Relevanz sein kann. Vielleicht erklärt dies, warum es einen Zusammenhang zwischen der Kürze des Rockes der Frauen und der Wirtschaftslage gibt: Um so besser es der Wirtschaft geht um so modischer sind kurze Röcke.
  • Im Gegenzug ist eine „gesunde Sexualität“ der Frau keine Abwertung mehr, so dass das oben geschilderte Kriterium für eine Ablehnung der Frau als Langzeitpartner immer geringer wird. Demnach können Frauen ihre Sexualität wesentlich mehr betonen. Die Waage des „Madonna-Whore-Komplexes“ ist so gesehen auf der einen Seite weniger sensibel geworden. Daraus folgt eben auch, dass Sex nicht mehr den besonderen Status hat, der durch die Einschränkungen des Sexes bei Frauen zuvor vorhanden war. Wer dies ändern will müsste wohl die Sexualität der Frauen einschränken.

Andere Links zur „Pornofizierung“ bzw. zu „Mc Sex“