Wie bereits in dem Artikel bezüglich der Gegenargumente zur Queer Theorie geschrieben ist es für Lebewesen sehr hilfreich, wenn sie fest abgespeicherte Schönheitsideale haben, die „gute Gene“ und damit eine hohe Wahrscheinlichkeit auf gesunden, erfolgreichen Nachwuchs anzeigen. Das ist beim Menschen nicht anders. Hätten wir solche Merkmale nicht abgespeichert, so wäre es nur sehr schwer möglich einen biologisch „guten“ Partner zu finden. Das wiederum würde die Evolution erheblich verlangsamen oder in ungünstige Richtungen führen (zu einer entsprechenden Diskussion zwischen mir und Heinz vergleiche hier).
Es verwundert insofern nicht, dass diese Auffassung auch in der Attraktivitätsforschung weit verbreitet ist:
Die Antwort der Wissenschaft lautet klipp und klar: Schönheit ist alles andere als relativ. Quer durch alle Schichten der Gesellschaft, durch alle Kulturen und Kontinente, unabhängig von Alter, Beruf oder Geschlecht – überall werden dieselben Gesichter als attraktiv wahrgenommen.“ Renz zufolge gibt es zwar geschmackliche Unterschiede bei unserem Attraktivitätsempfinden, diese unterliegen aber allgemeinen, kulturübergreifenden Grundschemas. Denn das Aussehen liefert einen schnellen und gut einschätzbaren Hinweis darauf, ob sich der andere als Partner für gemeinsame Kinder eignet.
Dies ist meiner Meinung nach auch der wesentliche Fehler in den Gender-oder Queerbetrachtungen des gleichen Themas. Die kleinen Unterschiede werden überbewertet, die großen Zusammenhänge die kulturübergreifend sind daher nicht wahrgenommen.
Wenig überraschend werden zudem Gesichter als attraktiv empfunden, die nicht zu kindlich wirken, sondern bereits auf eine sexuelle Reife schließen lassen. Ebenso wirkt ein breites markantes Kinn attraktiver als ein kindliches Gesicht.
Bei Frauen schwanken die Vorlieben mit dem Zyklus: An fruchtbaren Tagen möglichst männlich, an nicht so fruchtbaren Tagen kann es dann auch etwas mehr Versorgertyp sein. Wie man dies angesichts der verdeckten Ovulation mit einer gesellschaftlichen, kulturellen Prägung erklären will leuchtet mir nicht ein.
In der Wikipedia ist es noch etwas vorsichtiger formuliert:
Jüngere Forschungen deuten darauf hin, dass Schönheitsempfinden eine deutliche genetische Komponente besitzt. Die evolutionsbiologische Erklärung für Schönheitsideale ist, dass empfundene Schönheit mit evolutionär vorteilhaften Eigenschaften korreliert. So wurde in Experimenten gezeigt, dass in allen Kulturen Frauen mit einem bestimmten Taille-Hüft-Verhältnis von den Testsubjekten als schön angesehen werden, und gleichzeitig höhere kognitive Fähigkeiten aufweisen. Symmetrie wird als schön empfunden und ist gleichzeitig ein Indiz für Gesundheit. Auch gibt es Hinweise, dass hinsichtlich der Schönheit von Gesichtern ein goldener Schnitt existiert. So sei ein vertikaler Abstand zwischen Augen und Mund von 36% der Gesichtslänge und ein horizontaler Abstand zwischen den Augen von 46% der Gesichtsbreite ideal. Diese Proportionen entsprechen dem durchschnittlichen Gesicht, welches zudem, ähnlich wie Symmetrie, Gesundheit signalisiert.
Warum sich die Menschheit aus Kulturgründen gerade auf diese Maße einigen sollte und nicht gerade bei teilweise sehr entfernten Kulturen unterschiedliche Vorlieben auftreten sollten erschließen sich nicht.
Dies macht deutlich, dass es eine Vielzahl von Schönheitsfaktoren gibt, die gleichbleibend sind.
Üblicherweise der größte Streitpunkt in solchen Debatten ist das Gewicht. Dabei wird gerne auf den Barock oder den Orient oder afrikanische Länder verwiesen und darauf abgestellt, dass dort wesentlich üppigere Formen modisch sind, so dass dieser Faktor nur eine Kulturfrage sein konnte.
Diese Frage wird sich nicht abschließend klären lassen. Ich möchte dennoch etwas spekulieren:
Fett von vorneherein zu verdammen bringt aus biologischer Sicht wenig. Schließlich sind es zunächst einmal Nahrungsreserven, die der Körper vorhält und die ihn Notzeiten überstehen lassen. Allerdings kann ein zu dicker Körper wieder erhebliche Nachteile haben. Bezüglich des Sexes habe ich das schon einmal in dem Artikel „Fett sein und die Nachteile beim Sex bei Mann und Frau“ dargestellt. Dick sein schränkt die Bewegungsfreiheit ein, macht anfälliger für Krankheiten, belastet die Gelenke etc.
Allerdings könnten andere Faktoren dennoch dazu führen, dass sich Schönheitsideale wandeln können und auch schlank aus biologischen Gründen attraktiv ist.
Als Pluspunkte für ein schlankes Schönheitsideal ist folgendes zu nennen:
- Erkennbarkeit von Schwangerschaften: Bei Frauen erlaubt ein flacher Bauch die Einschätzung, ob die Frau schwanger ist. Dies zu erkennen bietet dem Mann in jedem Fall einen Vorteil, da er sie wenn sie schwanger ist nicht selbst schwängern kann. Nichtschwangeren Frauen bietet es zudem einen Vorteil dies auch deutlich zu machen, was einer der Gründe dafür sein dürfte, dass Frauen im Gegensatz zu Männern weniger Fett am Bauch ablagern
- Erkennbarkeit von Muskeln und allgemeiner Fitness: Bei einer schlanken Frau ist besser zu erkennen, ob sie sportlich ist. Muskeln sind ein besserer Indikator für die Überlebensfähigkeiten, da Muskeln unter steinzeitlichen Bedingungen nur bei guter Versorgung aufgebaut werden können und auch dann nur erhalten werden können, insbesondere da Muskeln vor Fett abgebaut werden, wenn dem nicht durch Bewegung entgegengewirkt wird.
- Vortäuschen eines besseren Hüft-Taile-Verhältnisses: Durch den immer größer werdenden Kopf menschlicher Kinder im Rahmen der Evolution lag ein gewisser Selektionsdruck auf Frauen breitere Hüften zu bekommen, die sie ja auch jetzt noch haben. Ebenso bestand ein Selektionsdruck bei Männern genau solche Frauen zu bevorzugen. Eine schlanke, sportliche Frau wirkt aber als hätte sie ein im Verhältnis breiteres Becken, weil ihre Taile dünner wird. (Gleichzeitig wirkt das Becken im Verhältnis zum Restkörper, insbesondere den Schultern etc nicht zu breit). Darauf dürfte die Vorliebe von Männern für Frauen mit einer Stundenglasfigur resultieren.
- Gegenmaßnahme Brüste: Durch eine Vorliebe für Brüste, die bei unterernährten Frauen dementsprechend klein waren, konnte verhindert werden, dass Männer zu schlanke Frauen wählten (ein Umstand für den die Push-up-BH-Industrie und die kosmetische Chirugie heute sehr dankbar sind
Es ist also durchaus möglich, dass Attraktivitätsmerkmale sowohl für dicke als auch für dünne Körper abgespeichert sind, aber je nach Kultur und Gesellschaft und Zeit einzelne dieser abgespeicherten Merkmale entsprechend gewertet werden.
So wäre eine Vermutung, dass es in Afrika mit einem recht warmen Klima eine bessere Versorgungslage gab als im vergleichsweise kalten Europa. Eine schlechte Versorgungslage hat zur Folge, dass es weniger Dicke gibt und demnach die anderen Attraktivitätsmerkmale wichtiger sind und demnach auch eine höhere Bedeutung in der Bewertung bekommen können, weil der schlanke, aber sportliche Körper, dass heutige Schönheitsideal, mehr Informationen bereit stellt.
Zu bedenken ist auch, dass es Phasen guten Jagderfolges gegeben hat, indem dann die ganze Gruppe dick war und Phasen großen Hungers, indem die ganze Gruppe dünn war, da Nahrung geteilt wurde. Die dünnen Phasen dürften dabei überwogen haben. Dies führt dazu, dass man eine Wertung zwischen dicken und dünnen Frauen nicht vornehmen musste. Gerade in dünnen Zeiten wurde die Wahl aber entscheidender, da dann ein Überleben des Nachwuchses unwahrscheinlicher wurde, wenn die Voraussetzungen schlecht waren.
Auch gesellschaftliche Faktoren können zu einer Heranziehung einiger biologischer Faktoren und der Ausblendung anderer zu einer bestimmten Zeit beigetragen haben.
So war es im Barock eher üblich dicke, den Körper verhüllende Kleider zu tragen, bei denen man einen Großteil des Körpers nicht sehen konnte. Der Hintern und die Beine waren unter Röcken verborgen, der Bauch unter sehr viel Stoff, die Brüste hingegen wurden betont. Da der Körper nach dieser Mode zum Teil ausgeblendet wurde und seine Form durch Reifröcke ersetzt aber gleichzeitig unkenntlich gemacht wurde fallen eine Menge Faktoren weg, die bei einem schlanken Körper überprüfbar wären. Der flache Bauch beispielsweise war nicht erkennbar, wurde aber durch ein Kleid mir gerade Bauchpartie angedeutet. Bei einer solchen Reduzierung erlangen dann andere Attribute, wie etwa ein großer Busen höhere Bedeutung, so dass Körperformen bevorzugt werden, die diesen betonen. Wer also wieder eine Rückkehr zum Schönheitsideal des Barocks will, der müsste auch wieder die verhüllende Kleidung einführen. Zudem sollte man, bevor man sich zu einer Rückkehr zu diesem Schönheitsideal entschließt, vor Augen halten, dass das Schönheitsideal damals zwar mehr Fett zuließ, damit ein größerer Busen erreicht werden konnte, andere Folgen des Fetts, inbesondere an der Taile aber durch ein Korsett abgefangen wurden. Hier zeigt sich, dass eine schmaler Körper mit flachen Bauch und großen Brüsten vorgetäuscht werden sollte. Was zu den oben dargelegten Schönheitsidealen passt.
Auch ist es denkbar, dass bestimmte Merkmale zu bestimmten Lagen passend aktiviert werden. So hat man festgestellt, dass hungrige Menschen mit mehr Gewicht einverstanden sind, haben sie gegessen lässt dies wieder nach. Auch hier erscheint mir eine biologische Koppelung logischer als eine kulturelle Koppelung, die unabhängiger vom Hunger sein müsste.
Kultur an sich kann auch eine Überbetonung eines Merkmals hervorrufen, die eigentlich nicht verständlich ist, aber in der Regel einen biologischen Kern haben wird. Die „Lotusfüße“ in China, also die Verstümmelung der Füße junger Mädchen durch umbinden, haben einen biologischen Ursprung darin, dass kleine Füße tatsächlich etwas über eine gesunde Entwicklung aussagen, da sie auf einen normalen Hormonspiegel und eine gesunde Kindheit hinweisen. Die Natur musste keine Gegenmaßnahmen gegen das Verkrüppeln von Füßen entwickeln, weil dies unter normalen Umständen nicht zu erwarten war. Demnach konnte diese Technik als attraktiv wahrgenommen werden.
Ebenso verhält es sich mit den Maßnahmen der modernen Schönheitsindustrie: Große, feste, gleichmäßige Brüste an einem schlanken sportlichen Körper weisen auf einen guten Körper hin. Die Effekte lassen sich allerdings vortäuschen.
Auch Mode geht in diese Richtung: Das alle Anzüge Schulterpolster haben um ein breites Kreuz bei Männern vorzutäuschen und es keine Männerkleidung gibt, die die Schultern optisch verkleinert ist eine Auswirkung der abgespeicherten Schönheitsmerkmale.
Ich bin der Auffassung, dass das heutige Schönheitsideal der Männer das gesündeste Schönheitsideal ist, dass wir bisher für Frauen hatten.
Denn die Frauen, die Männer attraktiv finden sind sportlich und noch im Bereich eines relativ normalen BMI. Laut der BMI-Tabelle auf Wikipedia ist ein BMI von 18,5 noch normal, erst darunter beginnt Untergewicht. Ein paar Stars zum Vergleich:
- Nathalie Portman: BMI 18,8
- Megan Fox: BMI 18,6
- Jessica Alba: BMI 19,7
- Eva Longoria: BMI 19,5
Laufstegmodells repräsentieren eher ein weibliches Schönheitsideal. Denn Frauen halten dünnere Frauen für attraktiver, genauso wie Männer muskulösere Männer attraktiver finden. Beide Geschlechter übertreiben in ihrer Eigenwahrnehmung.
Es ist ein Schönheitsideal, dass es Frauen erlaubt Spitzensportlerin zu sein und gleichzeitig attraktiv. Es ist ein Schönheitsideal, dass eine Lebensweise mit gesunder Ernährung und viel Sport ermöglichst. Welches andere in der Geschichte verwendetes Schönheitsideal wäre besser?