Die Große Koalition: Ministerposten, insb. Manuela Schwesig

Die große Koalition scheint zu stehen und die Ministerposten besetzt zu werden. Da sind natürlich auch für eine Geschlechterpolitik interessante Fragen dabei:

Der Spiegel berichtet zu den Personalien:

Allen voran ist natürlich die Frage interessant, wer das Ministerium für „alles außer Männern“ übernimmt:

Die mecklenburg-vorpommerische Sozialministerin Manuela Schwesig übernimmt das Ressort Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Sie ist mir bisher noch nicht wesentlich aufgefallen, ich habe also mal etwas gegoogelt:

Manuela Schwesig

Manuela Schwesig

Sie ist wohl für eine recht umfassende Quotenregelung, auch in der Wirtschaft:

Über Gaywest kam ich dann auf diese Aussagen von ihr:

So viel Unsinn im Zusammenhang mit Frauenpolitik habe ich lange nicht mehr gelesen”, sagt SPD-Vizechefin Manuela Schwesig. “Frau Schröder hat keinerlei Verständnis für die historische Bedeutung des Feminismus.” Auch Schwesig, Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern, ist sauer auf die Familienministerin: “Es tut der Sache der Frauen heute überhaupt nicht gut, wenn die jungen Frauen und die Frauenbewegung von damals gegeneinander ausgespielt werden.”

Von den tatsächlichen Problemen der Frauen von heute habe die Ministerin “offenbar keine Ahnung”, sagt die SPD-Politikerin. Ungleiche Bezahlung, mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie, wenig Frauen in Führungspositionen – da gebe es “einen riesigen Handlungsbedarf”. Dass Frauen mit guter Ausbildung deutlich weniger verdienen als Männer, “ist nicht fair und muss geändert werden”. Auch beim Thema Managerinnen-Quote kritisiert sie Schröder: “Freiwillige Vereinbarungen zwischen Politik und Wirtschaft haben zu nichts geführt, wir brauchen eine Quote von mindestens 40 Prozent für Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten.”

Das macht nicht sehr optimistisch, sie scheint eine klar feministische Position zu vertreten und die dortigen Mythen zum Gender Pay Gap nicht zu hinterfragen, sondern es schlicht unter „Diskriminierung“ zu verorten. Ich verweise da noch einmal auf ein paar Artikel dazu:

Sie scheint, wie man diesem Interview entnehmen kann, auch einen gewissen Handlungsauftrag für Frauen zu sehen:

Wichtig ist für mich, dass Frauen, wenn sie in Führungspositionen sind, nicht vergessen, wie schwer es war, gegen die noch vorhandenen Vorurteile dorthin zu kommen. Ich vermisse manchmal, dass Frauen in Führungspositionen auch ihrerseits Frauen fördern.

Haben Sie da schlechte Erfahrungen gemacht?

Natürlich, wie die meisten anderen Frauen auch. Sehen Sie sich unsere Bundeskanzlerin an. Auch wenn sie in der Union ist, hätte sie doch was für die Frauen tun können. Aber sie übergeht ihr Frausein und macht keine offensive Frauenpolitik. Ich bin davon schon sehr enttäuscht.

Wir können uns also, wenn sie sich durchsetzt, auf eine offensivere Frauenpolitik freuen.

Zu ihre Positionierung:

Frau von der Leyen hat sich mal als konservative Feministin bezeichnet. Wie würden Sie sich denn nennen? Alphamädchen?

Ich habe Schwierigkeiten mit diesen Labels. Frau von der Leyen nutzt eins – aber de facto hat sie für die Gleichstellung nichts getan. Konservativ und Feministin, das passt nicht zusammen. Die Union denkt, wenn wir eine Kanzlerin haben und noch ein paar Ministerinnen, dann ist das Gleichberechtigung. Das ist es aber nicht. Das muss ich als junge Frau in einer Führungsposition ganz deutlich sagen: Es gibt diese Gleichberechtigung in der Arbeitswelt nicht. Die Union betreibt reine Schaufensterpolitik.

Sind Sie Feministin?

Ich habe längst verinnerlicht, dass Männer und Frauen gleichberechtigt zusammen leben können. Deswegen muss ich das nicht betonen, aber mit dem Begriff kann ich schon gut leben. Ich bin in einer Position, in der ich über Diskriminierungen hinwegsehen könnte, wenn ich wollte. Ich will das aber nicht. Das unterscheidet mich vielleicht von manch anderen Frauen in Führungsjobs.

Einen Alphamädchenfeminismus, dass würde ja sogar noch gehen. Mal sehen, wie es sich auswirkt.

In dem Interview steht auch noch kurz etwas zu ihr persönlich:

Manuela Schwesig, 35, ist seit sechs Jahren SPD-Mitglied und wurde im Oktober 2008 zur Ministerin für Soziales und Gesundheit des Landes Mecklenburg-Vorpommern ernannt. Frank-Walter Steinmeier hat sie als Familienministerin in sein Schattenkabinett für die Bundestagswahl 2009 berufen. Manuela Schwesig ist verheiratet und hat einen Sohn.

„Ein Sohn“ ist ja eigentlich etwas positives, da wird sie vielleicht auch eine gewisse Perspektive für die dort entstehenden Schwierigkeiten mit bringen.

Des weiteren werden wir auch eine Verteidigungsministerin bekommen:

Ursula von der Leyen, Verteidigungsministerin: Sie gilt als Allzweckwaffe von Merkel. Von der Leyen verantwortete bereits das Familien- und Arbeitsministerium, jetzt soll sie Deutschlands erste Verteidigungsministerin werden. Als Ärztin war sie lange für das Gesundheitsressort gehandelt worden, dann war sie als Superministerin für Gesundheit und Rente im Gespräch. Zuletzt hatte es auch geheißen, von der Leyen werde Innenministerin.

Eine ganz überwiegend männlich besetze Armee, aber eine Verteidigungsministerin, zudem eine, die keinerlei Erfahrungen auf dem Gebiet hat. ich bezweifele, dass wir in naher Zukunft einen Mann auf der Position des Familienministers sehen werden, dabei wäre ja auch dies eine mutige Durchbrechung. Gut, faktisch spielt das Verteidigungsministerium aus meiner Sicht eine sehr geringe Rolle und ich kann mir auch durchaus vorstellen, dass es Frauen gibt, die den Job dort sehr gut machen würden, das Geschlecht muss da nicht der wichtigste Faktor sein. Ob von der Leyen dies sein wird, da bin ich allerdings eher skeptisch.

Kanzlerin bleibt Andrea Merkel. Insoweit nichts neues im Deutschen Patriarchat.

Die Grünen, der Frauenanteil in der Politik und die Quote

Die Grünen wollen gerade ihren Frauenanteil erhöhen und starten eine Kampagne deren Slogan wohl sein soll:

„Besser Du als irgendein Kerl.“

Das ist meiner Meinung nach erst einmal eine Abwertung von Männern. Und auch eine Abwertung der Männer, die nach oben kommen, denn die haben meist hart dafür gearbeitet, vielleicht nicht unbedingt am Thema, aber auf jedem Schützenfest und bei jedem Kaninchenzüchterverein.

Es ist auch ein schlechter Spruch: Wer einem Gruppenbestandteil indirekt erklärt, dass er Verantwortung für die Gruppe übernehmen soll, der wird meist wenig Erfolg haben, weil jeder meint, dass es ja der andere für die Gruppe tun könnte. Denn der Einzelne müsste ja die Last tragen, damit die Gruppe Vorteile hat, was unter Betrachtung von Game Strategie meist eher dazu führen wird, dass jeder hofft, dass es der andere tut, um so größer und unabgrenzbarer die Gruppe und um so anonymer die Gruppe, um so wahrscheinlicher wird sich niemand melden, insbesondere wenn das Ziel so abstrakt ist wie „irgendeinen Kerl“ zu verhindern.

Vielleicht sollte man eine direktere Taktik verwenden, beispielsweise über Beschämung:

Eine Frau, die nicht in einer Partei mitarbeitet, ist unemanzipiert

So könnte man wenigstens sozialen Druck aufbauen.

Oder:

Wer die Politik den Männern überlässt und sie nicht selbst mitgestaltet, der kann sich auch nicht beschweren. Mach mit, wenn du mitreden willst.

Oder so was in der Art. Aber das wäre wahrscheinlich schon wieder Victimblaming.

Aber gut, es wirkt immerhin herrlich emanzipiert, wir verhindern den „Kerl“ und so.

Interessanterweise wird in dem Artikel auch der Frauenanteil in den Parteien angegeben:

Von den aktuell gut 59.000 Grünen sind rund 62,6 Prozent männliche und nur etwa 37,4 Prozent weibliche Mitglieder.

Tatsächlich stehen die anderen Parteien noch viel schlechter da in Sachen Frauenanteil:

Die FDP kommt auf lediglich 23 Prozent,

die CDU auf 26, die CSU sogar nur auf rund 19 Prozent

und die SPD auf 31 Prozent.

Nur die Linke liegt mit etwas mehr als 37 Prozent weiblicher Mitglieder ungefähr bei dem Grünen-Wert.

Da haben wir also mit den Grünen eine Partei, die Frauenfragen und dem Feminismus sehr zugetan ist, in dem ein beachtlicher Teil der Parteien Frauen sind, die harte Quoten für diese Frauen hat und sogar umfangreiche Rederechtvorzüge beeinhaltet. Was hindert Frauen eigentlich daran, umfassend die Grünen zu wählen und so dem Patriarchat ein Ende zu bereiten? Naja, es ist das übliche Problem:

Doch das eigene Missverhältnis wiegt für die Grünen besonders schwer, zumal ihnen die Quote als eine Art Glaubensbekenntnis gilt. Und offenbar fällt es auf Landes- und Kreisebene oft schwer, überhaupt Frauen für die quotierten Positionen aufzubieten. Das Dilemma hat inzwischen auch die Grünen-Führung erkannt.

Die Frauen wollen also nicht nach oben. Das muss natürlich daran liegen, dass die Grünen einfach noch zu patriarchisch sind und es kann unmöglich damit zusammen hängen, dass Frauen ein geringeres Interesse daran haben, solche Ämter zu bekleiden. (vgl. auch Frauenquote in den Parteien am Beispiel der Grünen)

Der Rücktritt von Marina Weisband und Frauen in der Politik

Marina Weisband ist vom Vorstand der Piratenpartei zurückgetreten und erläutert dies in einem Spiegelinterview:

Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich nur 30 Stunden pro Woche der Partei widmen kann, doch in Wahrheit geht viel mehr Zeit drauf. Ich stehe unter enormem Druck, mache zwei Jobs gleichzeitig. Einmal die interne politische Arbeit, dann die Öffentlichkeitsarbeit. Nebenbei mache ich mein Diplom. Ich bekomme das auch gesundheitlich nicht mehr unter einen Hut. Ich kann schlichtweg physisch nicht mehr weitermachen.

SPIEGEL ONLINE: Wollen Sie das näher erklären?

Weisband: Es ist richtig, dass ich im Moment öfter mal Krankheitsphasen habe. Weiter möchte ich darauf nicht eingehen. Das ist für die Partei aber ein Unsicherheitsfaktor. In dieser Situation ist es mir erst einmal wichtiger, eine Grundlage für mein Leben zu schaffen und meinen Abschluss zu machen – und in einem Jahr zu gucken, wie es aussieht. Ein Jahr möchte ich mindestens Pause machen und mich von der Doppelbelastung erholen.

Vielleicht hat ihr Rücktritt tatsächlich einfach gesundheitliche Probleme, aber er passt auch ganz hervorragend in das Geschlechterschema. Ein von Susan Pinkers Hauptthesen in „Das Geschlechter Paradox“ ist ja, dass Frauen ein geringeres Interesse daran haben, ihr persönliches Leben einer Karriere unterzuordnen und es lieber etwas ruhiger angehen lassen, dafür aber mehr Zeit für persönliche Belange haben. Das wiederum ist eben mit den meisten Spitzenjobs nicht vereinbar, die deswegen ganz überwiegend mit Männern besetzt sind, die den Anreiz des zusätzlichen Statuserwerbs dieser Jobs höher werten.

Das passt ja auch zu der hier bereits einmal zitierten Auffassung von Baum aus der Piratenpartei (auf die Frage, warum so wenig Frauen dort in Führungspositionen sind):

„Die Frauen wollen halt nicht so in der ersten Reihe stehen, da muss man dann ja manchmal vor hundert oder tausend Leuten sprechen.“

Auch eine interessante Stelle:

Ich habe viel Hilfe bekommen, aber es gibt einiges, was ich nicht abgeben kann. Ich kann die Entscheidungen der Bundesvorsitzenden nicht wegdelegieren, ebensowenig meine Medienauftritte. Es ist teilweise so gewesen, dass ich in eine Sendung eingeladen wurde – und wenn ich Ersatz angeboten habe, wurde er nicht genommen. Sondern sie wollten nur mich.

Was eigentlich nicht recht zu einem Patriarchat oder der hegemonialen Männlichkeit passt, denn die hätten ja eigentlich einen männlichen Ersatz mit Kusshand nehmen müssen. Klar, dass sie mitunter auf ihr Aufsehen reduziert wurde,

Marina Weisband Piratenpartei

Foto: Bastian Bringenberg

dass wäre auch ein zu diskutierendes Thema. Aber ungeachtet dessen sieht man hier, dass sich die Presse auf weibliche Politikerinnen stürzt und sie in Talkshows haben will. Was ja auch wieder dagegen spricht, dass sie lediglich aufgrund Diskriminierung nicht in die Spitzenpositionen kommen.

Piraten, Frauen in der Politik und die Frage nach der Frauenpartei

Bekanntlich ist die Piratenpartei in Berlin in den Landtag eingezogen. Auf die Frage, warum so wenige der Abgeordneten weiblich sind antwortete man:

Baums Begründung, warum unter den 15 Abgeordneten seiner Fraktion nur eine Piratin ist: „Die Frauen wollen halt nicht so in der ersten Reihe stehen, da muss man dann ja manchmal vor hundert oder tausend Leuten sprechen.“ Sätze, die sich heutzutage nicht einmal ein Unionspolitiker in der tiefsten westdeutschen Provinz erlauben würde.

Er ist halt noch keine PC-Politker-Sprechweise gewohnt und das ist eigentlich durchaus sympathisch. Zumal er recht haben könnte.

Der Artikel geht dann noch weiter auf die Geschlechterdebatte bei den Piraten ein.

Einen interessanteren Ansatz als alle Zwangsquoten liefert meiner Meinung nach aber Frau Sibylle: Statt zu meckern und zu jammern einfach mal selbst machen und eine Frauenpartei gründen und wählen! Das kann ich nur unterstützen, denn ich halte es für einen sehr positiven Ansatz es dann lieber selbst machen zu wollen. Frau Sibylle dazu:

Mann müsste, die Männer müssten. Sie müssen nichts, sie haben ja schon.

Die Gründung einer Partei ist einfach. Ein wenig unglamourös, zeitraubend, Geld gibt es auch nicht. Aber die Hälfte der deutschen Bevölkerung ist weiblich. Muss man genauer werden? Was spricht gegen eine Frauenpartei, die von allen Frauen des Landes gewählt wird?

Eben, die Männer müssen nicht. Sondern die Frauen, wenn sie mehr wollen. Ich hatte das ja in dem Artikel „Wie feministische Gruppen reich werden könnten“ auch schon mal, dort allerdings nicht allgemein für Frauen, sondern unter dem Gesichtspunkt der Ausnutzung des Vermarktungspotentials für Feministinnen  vorgeschlagen.

Es muss meiner Meinung nach noch nicht einmal eine eigene Partei sein, wenn sich Frauen im gleichen Maße wie Männer bereit erklären würden in die Politik zu gehen könnten sie auch in den alten Parteien etwas erreichen. Es ist natürlich dann teilweise etwas langweilige Gremienarbeit und wer in der Öffentlichkeit steht, der setzt sich auch Kritik aus.

Aber es ist ein wesentlich positiverer Weg als einfach nur zu jammern und zu fordern.