Brutale und unmenschliche Kriegsverbrechen: Was bringt Menschen dazu anderen Menschen zu töten, zu foltern etc?

Jeder Krieg, gerade ein solcher, der teilweise als Partisanenkrieg geführt wird, führt zwangsweise zu Grausamkeiten gegen andere Menschen, die über das hinausgehen, was eh schon in einem Krieg an Gewalt erforderlich ist.

Das ist nichts Neues, die Geschichte kennt schon von Krieg, sei es römische Feldzüge, die napoleonische Kriege auf der Iberischen Halbinsel, die Weltkriege , Vietnam oder auch jetzt der Krieg in der Ukraine erhebliche grausame Taten.

Gerade gibt es wieder Berichte über Erschießungen von Zivilbevölkerungen, etwa Söhnen vor den Augen der Eltern oder Folterungen und Vergewaltigungen etc.

Auf Twitter gab es einen interessanten Thread dazu:

Wie kann es zu solchen Gewaltexzessen wie in #Bucha kommen? Es wurde gemordet, vergewaltigt und geschändet. Wie können Soldat*innen anderen Menschen das Unvorstellbare antun? Ein aus psychiatrischer Sicht:

Krieg bedeutet eine Aneinanderreihung von extremen Situationen. Hinzu kommen Entbehrungen im Alltag: Kälte/Hitze, kaum Schlaf, bescheidene hygienische Verhältnisse, Hunger. Oftmals ist das eigene Leben oder das Leben der Kamerad*innen bedroht. 2/

Gerät der Mensch ist eine Situation der Bedrohung, kommt es zur Ausschüttung von Adrenalin und Cortisol. Die Herzfrequenz steigt, die Pupillen weiten sich, man schwitzt. Der Körper bereitet sich auf Kampf oder Flucht (Fight or Flight) vor. Gewalt wird zur „Notwehr“ eingesetzt. 3/

Gewalt als Folge der empfundenen Bedrohung wird auch als Reaktive Aggression bezeichnet. Vorherrschendes Gefühl (Affekt) ist Angst und Panik. Ist die Bedrohung überwunden stellt sich idR Erleichterung ein, die innere Anspannung (Arousal) sinkt wieder. 4/

Die reaktive Aggression findet in der Regel in Übereinstimmung mit dem eigenen und gesellschaftlichen Werte- und Moralvorstellungen statt und wird akzeptiert. Immerhin geht es hier ja um Verteidigung 5/

In Kriegen lässt sich seit jeher aber auch eine andere Form der Gewalt beobachten, die Appetitive Aggression Die Ausübung der Gewalt wird als Lust bringend empfunden. Lust als psychodynamischer Begriff ist hier nicht sexuell zu sehen, eher im Sinne von Freude. 6/

Es kommt zur Ausschüttung von Endorphinen und der Aktivierung des Belohnungssystems. Je häufiger es zum positiven Affekt kommt, um heftiger und häufiger werden die Gewaltexzesse. Eine Spirale des Unvorstellbarem. 7/

Diese Form der Gewalt ist u.a. bei kleinen Kindern zu beobachten. Sie wird aber früh mit Werte- und Moralvorstellungen reguliert und steht diesen im Grunde entgegen. Menschen, welche Gewalt als lustvoll empfinden, sind zur Gesellschaftsbildung nicht sinnvoll. 8/

Um in eine Spirale der appetitiven Gewalt zu kommen, müssen die moralischen und kulturellen Hemmungen also außer Kraft gesetzt werden. Am effektivsten erreicht man dies über die Entmenschlichung der potenziellen Opfer. 9/

U.a. über Sprache: die Gegner werden als Bastarde, Hunde, Ratten, Ungeziefer bezeichnet. Aber auch mit Ideologien, die die Gegner als minderwertig kennzeichnen. 10/

Begünstigend ist auch, dass es unter Stress zu untersch. Aktivität in Gehirnarealen kommt. Die Amygdala, als Kern der Emotionen ist aktiver. Im Gegensatz zum präfrontalen Kortex, welcher Affekte reguliert und als Sitz unserer Werte- und Moralvorstellung gilt. 11/

Wer Lust an der Gewalt empfindet, hat ein geringeres Risiko an einer Traumafolgestörung zu leiden. Allerdings ist das psychosoziale Funktionsniveau niedriger, was in Schwierigkeiten mit den Mitmenschen in der Heimat resultiert. 12/

Potentiell lässt sich Lust an exzessiver Gewalt bis hin zum Blutrausch in jedem wecken. Wenn die äußeren Bedingungen günstig sind und eine breite moralische Enthemmung in der kriegerischen Umwelt stattfindet. Ist die Spirale erst mal angestoßen, ist die Eindämmung schwierig. 13/

Lasst mich klar sagen: Die psychologischen Hintergründe entbinden Niemandem der Verantwortung. Weder im Individuellen, noch im Kollektiv. Insbesondere kein Regime, welche durch entmenschlichende Narrative diese Gewalt fordert und fördert. 14/

Einiges ist wohl aus diesem Beitrag übernommen:

Zwei wesensverschiedene Formen von Aggression lassen sich beschreiben (z. B. Fontaine, 2007; McEllistrem, 2004): Reaktive Aggression versucht sich einer Bedrohung zu erwehren. Letztere führt zu hohen Arousalwerten bei negativer affektiver Valenz, die durch Emotionen wie etwa Furcht, Ärger, Wut oder Feindseligkeit bestimmt wird. Ist die Bedrohung überwunden, so stellt sich zunehmend Erleichterung ein, das physiologische Arousal geht zurück (linke Seite Abb. 1). Eine andere Art der Aggression kennzeichnet die des ‚Räubers‘. In der Ausführung ist sie häufig pro-aktiv und geplant. Sie erwartet Gewinn, sei es materieller Art (Beute) oder soziales Ansehen und Dominanz (Macht). Vielleicht kann die Vorfreude auf die erwartete Beute einen Teil der Motivation dafür erklären, dass neben der Angst vor negativen Folgen des Kampfes auch positive Gefühle entstehen – aber in vielen Fällen reicht dies nicht aus, um das Verhalten damit zu erklären. Wo etwa bleibt der materielle Gewinn beim Ego-Shooter-Spiel im Vergleich zu einem unblutigen, sozialeren Computerspiel? Oder betrachten wir den steinzeitlichen Jäger auf seinem oft langwierigen und anstrengenden Unterfangen, ein Tier zu verletzen und ihm dann nachzujagen um es endlich zu erledigen: Die Belohnung scheint zu weit entfernt, um Jagdverhalten aufrechtzuerhalten. Die Jagd muss vielmehr selbst motivieren, das Belohnungssystem aktivieren, Entbehrung und Schmerzen muss mit Endorphin-Ausschüttung begegnet werden (rechte Seite Abb. 1). Wenn eine Katze dem Wollknäuel hinterherjagt, ein Fußballmannschaft dem Ball oder ein Jäger auf die Pirsch geht, dann geht es nicht primär um die Wolle, den Ball oder die Beute, dann geht es um den genuin damit verbundenen Spaß, um Kampf- und Jagdlust eben. Diesen aber setzt die jeweilige Kultur und Gesellschaft moralische Grenzen. Bereits Hooligans, obwohl sie sich selbst Regeln unterwerfen (keine Hilfsmittel, keine Waffen, wer am Boden liegt ist tabu) überschreiten die von unserer Gesellschaft akzeptierten Grenzen. „Nun, die Leidenschaft, für Deinen Club zu kämpfen und der damit verbundene Adrenalin-Rausch waren unglaublich. Aber ich glaube nicht, dass man diese Sucht verstehen kann …“ berichtet Fußball-Hooligan Brown in seinem Buch Villains (Brown und Brittle, 2006). Philip Winkler beschreibt in seinem Roman Hool, das besondere Gefühl dieser Vorfreude, das schon vor dem Schlagabtausch einsetzt: „als würde im Bauch irgendetwas zu schweben beginnen“ (Winkler, 2016). Philosophen, Naturwissenschaftler und Psychologen beschrieben das Ausüben von ‚Gewalt nur um der Lust willen’ als psychopathologisch. „Krank“ oder „radikalisiert“, das sei, wer dieses moralische Tabu nicht einhalten kann oder will. Diese Form der Gewaltbereitschaft zählt zu den „niederen Instinkten“, über die nicht gesprochen wird – mit hoher Dunkelziffer. Juristisch als besonders niederträchtig bewertet, bleibt sie zu allen Zeiten aber latent hochattraktiv und lässt sich bei entsprechender Vorbedingung schnell wecken, wenn die Legitimation da ist. Daten aus diversen Kontexten zeigen, dass potenziell in allen Menschen die Lust an Attacke, Kampf und Menschenjagd geweckt werden kann, sogar bis hin zum Blutrausch ,zum „Combat High“. Wir bezeichnen dies als ‚Appetitive Aggression‘ (Elbert et. al., 2010; Weierstall und Elbert, 2011; Elbert et. al., 2017); ein Konzept, das sich aus unseren Studien mit Kämpfern in Konfliktregionen, aus Untersuchungen von Gangstern in Townships und von Kindersoldaten und Straßenkindern entwickeln lässt: Krieger in allen Szenarien berichten, dass nach einer Gewöhnungs- und Übergangsphase, in der Kampf und Töten zunächst als schrecklich und mit körperlichen Übelempfindungen wahrgenommen werden, wiederholte Gewaltausübung mit zunehmend positivem Affekt besetzt erlebt wird: „Es ist mir ein Bedürfnis geworden, Bomben zu werfen. Das prickelt einem ordentlich, das ist ein feines Gefühl. Das ist ebenso schön, wie einen abzuschießen“ (berichtet ein Soldat der Wehrmacht, zitiert nach Neitzel und Welzer, 2011). Solche Aussagen finden wir mit hoher Frequenz in allen Kriegsszenarien wieder, so auch bei Untersuchungen des Genozids in Ruanda: „Je mehr wir töteten, desto mehr kamen wir auf den Geschmack, weiter zu machen. Wenn man die Gier ungestraft ausleben kann, lässt sie einen nie los. Man konnte sie uns an unseren vom Töten hervorquellenden Augen ablesen. […] Es war ein unvorhergesehenes Volksvergnügen.“ (aus Zeit der Macheten, Gespräche mit den Tätern des Völkermordes in Ruanda von Hatzfeld, 2004). In unseren repräsentativen Interviews bei den Kämpfern im Osten Kongos, im Norden Ugandas oder in Kolumbien sind immer wieder Aussagen wie diese zu hören: „Wir saßen zusammen, mein Onkel und ich, wir sprachen über unsere Heldentaten und dann kam das Verlangen nach Kampf, ein drängendes Bedürfnis. Es konnte 7 Uhr nachts sein, also wenn es schon dunkel war, dass wir die Gewehre nahmen und hinausgingen zum Töten.“ (Interview Schauer; aus Elbert et al., 2013). Die Berichte positiven Affekts während Jagd, Kampf und Töten und auch schon bereits in der Vorbereitung darauf, finden sich auch außerhalb kriegerischer Auseinandersetzungen, so z. B. bei unseren klinischen Interviews mit Gangstern in den Townships Südafrikas (Weierstall et al., 2013). Auch dort betrifft es nicht nur einen kleinen Bruchteil von Personen, vielmehr schließt sich die Mehrheit der Jungs den Gangs an. Sicherlich vielfach eine situative Notwendigkeit, aber die jungen Männer berichten auch vom Thrill des gemeinsamen Angriffs und der Lust am Jagen der anderen Gangs.

Nach Einbruch der Dunkelheit noch in einem Township unterwegs – gegenüber eine Gruppe düsterer Gestalten – eine bedrohliche Situation. Das emotionale Arousal steigt, das negative Gefühl auch – man stellt sich auf Kampf oder Flucht ein (linke Seite). Die Gangmitglieder auf der anderen Seite denken darüber nach: geht heute noch was? Mit zunehmender Lust an Auseinandersetzungen steigt bei dieser Gruppe der positive Affekt wie auch das emotionale Arousal. Jetzt bedarf es nur noch einer Rechtfertigung um zuzuschlagen – das zu erwartendes Diebesgut kann aber auch nur einfach eine als beleidigend interpretierbare Geste des Gegenübers sein. In den meisten realen Begegnungen tritt eine Mischung von reaktiver und appetitiver Form der Gewalt auf (Bushman & Anderson, 2001), doch die Gang-Mitglieder berichten uns durchgehend, dass spätestens mit Beginn des Kampfes die Angst, selbst verletzt werden zu können, vollständig schwindet und damit der negative Affekt. Der Blutrausch regiert und macht positive Gefühle. POMC ist das Precursorprotein für Endorphine als auch für ACTH, das seinerseits Cortisolausschüttung triggert. Aktivierung der Stressachse ist also gekoppelt mit der Schmerzmodulation – beides ist für Jagd und Kampf notwendig. Hecker et al. (2016) zeigen, dass Gewalterfahrung während der Kindheit die Methylierung von POMC verstellt und damit die Sensitivität dieses Systems: Jungen, die während ihrer Entwicklung Gewalt erfahren, werden auch später gewaltbereiter.
Die Fähigkeit zur Jagd in der Gruppe und einzeln, die Prädisposition zur appetitiven Aggression, ist biologisch angelegt, sie ist Teil unserer menschlichen Natur und geplanter Angriff und Tötung kann unter gegebenen Umständen massiv hervortreten und das Verhalten ganzer Volksgruppen bestimmen. Im Menschen ist aber auch die Fähigkeit zur Moral, zur Regulation unserer Belohnungssysteme genetisch angelegt. Das sich entwickelnde Kind will moralische Regeln lernen, will im Spiel erfahren, was „fair-play“ und was nicht erlaubt ist. Während also appetitive Aggression eine biologisch angelegte Verhaltensweise ist, die durch moralische Einschränkungen, durch Gebräuche und Gesetze geregelt wird, so ist diese Kontrolle doch komplexer als eine Hobbesian Gegenüberstellung von Individuum und Gesellschaft: So manifestiert sich die evolutionär ausgebildete Fähigkeit zu Moralität und Sozialverhalten bereits in früher Kindheit (Tomasello und Vaish, 2013). Die Auflösung des Konflikts zwischen dem Wunsch nach kooperativem prosozialem Verhalten und dem Drang nach appetitiver Aggression ist somit schon beim Kind eine Aufgabe für Individuum als auch Gesellschaft.

Jede Gesellschaft regelt über gelernte Normen Sexualverhalten, Drogenkonsum und Aggression, Verhalten also in drei zentralen Bereichen, die unser Belohnungssystem aktivieren. In Friedenszeiten ist dann appetitiv aggressives Verhalten auf sportliche Auseinandersetzungen oder die virtuelle Welt beschränkt. Wobei selbst gewalthaltige Computerspiele attraktiver werden, wenn sie moralisch akzeptabel sind, der Spieler eine Legitimation zu Töten sieht: Zombies oder die virtuelle Bedrohung der Welt müssen natürlich bekämpft werden, das darf dann auch Spaß machen. Menschen reagieren also nicht nur in Notwehr und im wütenden Affekt auf Bedrohung und Angriff, sondern können unter bestimmten Umständen (Jugendlichkeit, Legitimation, Gruppenkonsens, Belohnung etc.) die Hemmung vor Gewaltausübung und grausamer Erniedrigung eines anderen Mensch überwinden. Studien der Yanomami, der größten indogenen Volksgruppe des Amazonas-Gebiets, deren soziale Normen kein Tötungsverbot für Mitglieder anderer Stämme verlangen, geben an, dass 4 von 10 Männern über 25 Jahre sich an Tötungen beteiligt hatten und, dass ungefähr jeder dritte Mann eines gewaltsamen Todes sterben musste (Chagnon, 1968). Auch wenn man Chagnons Klassiker wegen kolonialer Voreingenommenheit seiner Interpretationen kritisieren mag, so belegen diese wie andere Daten im gesamten Verlauf der Geschichte und für alle Kulturen und Völker, was Einstein bereits 1920 an Freud schrieb: „Die Mordlust steckt uns im Blut. Der Krieg streift uns die späteren Kulturauflagerungen ab …“ (Einstein und Freud, 2005).
Neurobiologie der Appetitiven Aggression
Wie bei allen Verhaltensformen, arbeiten auch im Bereich der Aggression viele Hirnstrukturen in Orchestrierung. Diese reichen von vegetativen Zentren, die u. a. muskuläre und Atemfunktion auf Kampfbereitschaft stellen bis hin zu höheren Funktionen der Einschätzung etwa sozialer Bedrohung. Für den Bereich der reaktiven Aggression liegen dafür ausgearbeitete und gut belegte Tiermodelle vor (Blair, 2004; Panksepp, 1998; Weiger und Bear, 1988). Zu den relevanten Strukturen gehört der Hypothalamus, der zusammen mit dem im Tegmentum gelegenen periaquäduktalen Grau den Körper auf Stressreaktionen vorbereitet. So moduliert dieser Kernkomplex auch die endophinerge (opioid-analoge), absteigende Schmerzunterdrückung – ein wichtiger Regulationsmechanismus im Kampf. Dabei sendet er Efferenzen zu den serotonergen Raphé-Kernen und koordiniert in Zusammenspiel mit der Amygdala Angst- und Fluchtreflexe (Gregg und Siegel, 2001). Die Mandelkerne erhalten dabei relevante sensorische Information teilweise vermutlich direkt vom Thalamus, um so schnellstens reagieren zu können (LeDoux, 1996). Reaktive Aggression bedeutet Verteidigung und ist daher Teil der Verteidigungskaskade, eines biologisch vorbereiteten Verhaltensrepertoires mit stereotypischen behavioralen, affektiven und kognitiven Reaktionen auf Bedrohung. Wenn der Reiz zu bedrohlich, zu plötzlich, zu nahe erscheint, dann wird von der sympathisch dominierten Kampf-Flucht-Reaktion auf eine parasympathisch dominierte, schlaffe Immobilität mit vasovagaler Synkope bis hin zur Ohnmacht umgeschaltet, um Verletzung zu minimieren (Schauer und Elbert, 2010). Im Übergang erlaubt tonische Immobilität noch die Rückkehr zu Alarmreaktion und Flucht, allerdings unter Inkaufnahme eines hohen dualen autonomen Tonus, d. h. mit dem Risiko von kardialem Versagen.

Tierstudien belegen den Unterschied zwischen defensiver, reaktiver Aggression einerseits und Jagdverhalten andererseits. Jeder Katzenbesitzer kennt den Unterschied von seinem Tier (Abb. 2). Ausgelöst kann das Verhalten auch durch Stimulation unterschiedlicher Bereiche im Hypothalamus werden: Der laterale Hypothalamus potenziert Jagen und appetitive Aggression, dagegen führt Stimulation im medialen Bereich zu defensivem Verhalten mit reaktiver Aggression. Die medialen und lateralen Nuclei des Hypothalamus spielen analoge Rollen bei anderen Säugern, einschließlich derjenigen von Ratten, Mäusen, Hamstern und Primaten (zus. fassend Haller, 2013).

Ich kann mir vorstellen, dass Gewöhnung eine sehr große Rolle spielt und das es gleichzeitig auch einen Mechanismus geben kann, der Menschen, die ja durchaus keine friedliche evoltutionäre Vergangenheit hatten, helfen in solchen Zeiten besser zurecht zu kommen.

Die Nähe zum eigenen Tod und die Notwendigkeit zu Töten können dabei sicherlich eine Haltung erzeugen, bei denen das Leben der anderen eine geringe Rolle spielt und Tötungshemmungen verloren gehen, ja Tötungen vielleicht tatsächlich ein gewisses Glücksgefühl erzeugen, vielleicht erst gespeist aus einem „Der Angreifer muss sterben, damit ich leben kann“ hin zu einem „Besser er als ich“ ohne das ein Angriff vorliegen muss bis zu „Töten hat für mich keine Konsequenzen, ich kann machen, was ich will und nichts hat Konsequenzen“ evtl damit verbunden, dass man akzeptiert hat, dass man jederzeit sterben kann, weil man genug Kameraden sterben gesehen hat.

Ein anderer Gedanke ist wahrscheinlich auch der der Vergeltung, bei dem man meint, dass man der anderen Seite um so mehr antuen kann, wenn man selbst viel abbekommen hat (was gegenwärtig sicherlich bei den russischen Soldaten sicherlich der Fall ist).

Und ein solcher Vorfall wird auch helfen, den Gegner zu entmenschlichen, ihn als Gruppe einschließlich der Zivilisten als den Feind zu sehen etc.

Das ist noch nicht mal auf eine Seite beschränkt: Auch ukrainische Soldaten werden russische Gefangene misshandelt oder getötet haben, aber für denjenigen, der sich im fremden Land befindet, umgeben von einer ihm feindlich gesonnen Zivilbevölkerung, wird natürlich schlicht mehr Möglichkeiten haben Kriegsverbrechen zu begehen.

 

Umgang im Krieg mit Plünderern etc (hier: Ukraine)

Gerade machen auf Twitter und anderen Medien Bilder und Videos aus der Ukraine die Runde, in denen Leute mit Folie an Bäume oder Pfosten gebunden werden, meist mit heruntergezogener Hose und Leute sie dann schlagen können.

zB hier von 9gag

Hintergrund dürfte sein, dass in einem Krieg ein Gerichtsverfahren wenig effektiv ist und eine schnelle und öffentliche Bestrafung eher geeignet ist die Moral hoch zu halten und Leute abzuschrecken.

Die Vorzüge sind damit ebenso leicht darzustellen, wie die Nachteile:

Pro:

  • Schnell . nicht aufwändig, billig
  • Abschreckende Wirkung durch Öffentlichkeit und das Risiko der Beschämung
  • Gemeinsame Bestrafungen verstärken die Wirkung
  • Vergleichsweise einfach zu Beenden
  • stellt Ordnung wieder her
  • kann vergleichsweise mild sein (wenn man schnell befreit wird)

Contra:

  • Kein ordentliches Gerichtsverfahren, damit auch mißbrauchsanfällig
  • Barbarisch und bei gegenwärtigen Temperaturen kann es auch durchaus zu schweren Folgen führen (wobei ich noch keine Bilder von Toten gesehen habe, ich vermute das wäre sonst der Fall gewesen, wenn sie erfroren wären, aber vielleicht besuche ich dazu zu harmlose Seiten)
  • Willkür, fehlende Angemessenheit zur Tat etc
  • kann schnell ausarten

Es ist aus meiner Sicht aber wenig erstaunlich, dass solche „Ad Hoc“-Mob-Gerechtigkeit“  in Kriegsgebieten praktiziert wird, eine andere ist ja kaum möglich. In anderen Kriegen wurden Plünderer erschossen, genauso wie „Verräter“ oder „Feiglinge“. (Ich setze es in Anführungsstriche, weil das natürlich immer Ansichtssache ist und es ein berechtigtes Interesse sein kann nicht in einem Krieg kämpfen zu müssen).

Letztendlich erscheint eine solche Form der Bestrafung durch eine Form der Selbstjustiz in einem Kriegsgebiet aber auch schlicht kaum verhinderbar. Alle „ordentlichen Verfahren“ sind oft nur eingeschränkt kriegstauglich.

Es kann sein, dass diese Art, wenn sie mit Zurückhaltung und in Kenntnis ihrer Schwächen praktiziert wird, die dann beste Art der Erhaltung der öffentlichen Ordnung ist.

Es könnte sich der Grad der Zivilisation daran zeigen, wie zivilisiert man in solchen Zeiten seine Mobgerechtigkeit ausgestaltet.