Steven Pinker, Alt-right und die „rote Pille“

 

Steven Pinker zum Verhältnis von evolutionärer Psychologie und Feminismus

Leszek hatte angeführt, dass Steven Pinker männerfeindliche Passagen in seinen Werken hat. Er zitierte dazu einen Abschnitt, den ich leicht erweitert auch hier noch einmal zur Diskussion stellen möchte:

I wish I could have discussed the evolutionary psychology of sexuality without the asides about feminist theory, but in today’s intellectual climate that is impossible.

The Darwinian approach to sex is often attacked as being antifeminist, but that is just wrong. Indeed, the accusation is baffling on the face of it, especially to the many feminist women who have developed and tested the theory. The core of feminism is surely the goal of ending sexual discrimination and exploitation, an ethical and political position that is in no danger of being refuted by any foreseeable scientific theory or discovery. Even the spirit of the research poses no threat to feminist ideals. The sex differences that have been documented are in the psychology of reproduction, not in economic or political worth, and they are invidious with regard to men, not women. The differences should heighten awareness of incest, exploitation, harassment, stalking, battering, rape (including date rape and marital rape), and legal codes that discriminate against women. If they show that men are especially tempted to commit certain crimes against women, the implication is that the deterrents should be surer and more severe, not that the crimes are somehow less odious. Even evolutionary explanations of the traditional division of labor by sex do not imply that it is unchangeable, “natural” in the sense of good, or something that should be forced on individual women or men who don’t want it.

Seine Aussage ist hier meiner Meinung nach: “Wenn man feststellen sollte, das Leute (hier zB Männer) aus biologischen Gründen besonders zu bestimmten Taten neigen, dann muss man eben Leute (in dem Fall hauptsächlich Männer) besonders abschrecken, damit diese Taten nicht trotz der Disposition in diese Richtung begangen werden (was wir ja auch machen: Vergewaltigung hat einen außerordentlich hohen Strafrahmen). Falsch wäre es dagegen im Rahmen eines naturalistischen Fehlschlusses diese Taten für moralisch gut weil natürlich zu erklären.

Er will also kein Sonderstrafrecht für Männer, sondern er will, dass die Abschreckung der potentiellen Versuchung angepasst wird, weil Menschen eben nicht blind ihren Trieben folgen. es ist also ein Versuch darzustellen, was eigentlich aus biologischen Grundlagen folgen sollte: Eben keine moralische Wertung, sondern die Frage, wie man unliebsame Folgen etwaiger biologischer Dispositionen in den Griff bekommt.

Er hat aus meiner Sicht gleichzeitig unrecht und recht, wenn er anführt, dass diese Aussagen sich nicht per se gegen den Feminismus wenden. Sie richten sich nicht gegen einen Feminismus, der tatsächlich Ungerechtigkeit aufgrund sozialer Normen etc abbauen will, denn dazu wäre es ja gerade erforderlich deren Umfang zu bestimmen und sich mit den biologischen Grundlagen auseinanderzusetzen.

Leider ist allerdings ein solcher Feminismus gegenwärtig bei Feministinnen quasi nicht vorhanden, da ihm zu sehr das Opferelement fehlt. Der gegenwärtige Feminismus baut auf anderen Grundlagen auf, wozu letztendlich Pinker ja auch etwas schreibt:

What evolutionary psychology challenges is not the goals of feminism, but parts of the modern orthodoxy about the mind that have been taken up by the intellectual establishment of feminism.

  • One idea is that people are designed to carry out the interests of their class and sex, rather than to act out of their own beliefs and desires.
  • A second is that the minds of children are formed by their parents, and the minds of adults are formed by language and by media images.
  • A third is the romantic doctrine that our natural inclinations are good and that ignoble motives come from society.

The unstated premise that nature is nice lies behind many of the objections to the Darwinian theory of human sexuality. Carefree sex is natural and good, it is assumed, so if someone claims that men want it more than women do, it would imply that men are mentally healthy and women neurotic and repressed. That conclusion is unacceptable, so the claim that men want carefree sex more than women do cannot be correct. Similarly, sexual desire is good, so if men rape for sex (rather than to express anger towards women), rape would not be as evil. Rape is evil; therefore the claim that men rape for sex cannot be correct. More generally, what people instinctively like is good, so if people like beauty, beauty would be a sign of worth. Beauty is not a sign of worth, so the claim that people like beauty cannot be correct. These kinds of arguments combine bad biology (nature is nice), bad psychology (the mind is created by society), and bad ethics (what people like is good). Feminism would lose nothing by giving them up

Dieser Absatz ist aus meiner Sicht hoch interessant. In seinem 5 Jahre später erschienenen Werk „The blank Slate“ hatte Pinker ebenfalls Grundannahmen im Feminismus zur menschlichen Natur dargestellt, nämlich:

Gender feminism is an empirical doctrine committed to three claims about human nature.

  • The first is that the differences between men and women have nothing to do with biology but are socially constructed in their entirety.
  • The second is that humans possess a single social motive — power — and that social life can be understood only in terms of how it is exercised.
  • The third is that human interactions arise not from the motives of people dealing with each other as individuals but from the motives of groups dealing with other groups — in this case, the male gender dominating the female gender.

Seine obigen Annahmen gehen in eine ähnliche Richtung, sind aber auch eine Besprechung wert:

1. One idea is that people are designed to carry out the interests of their class and sex, rather than to act out of their own beliefs and desires.

Das ist im wesentlichen die spätere dritte Annahme und ein häufig Punkt in der Kritik am Feminismus: Wenn dargestellt wird, dass Männer die Macht hätten, weil bestimmte Männer in bestimmten Machtpositionen sitzen, dann ist es eben genau diese Annahme, die das eigentliche Argument bildet.

Und die Gegenmeinung ist eben, dass Männer in Machtpositionen keine Vorteile für Männer an sich bilden, weil der einzelne Mann nicht mehr Macht hat, wenn der Vorstandsvorsitzende von VW ein Mann ist. Es bringt ihm schlicht nichts und sein Leben verändert sich nicht, wenn es eine Frau ist.

Auch eine große Zahl männliche Politiker muss nicht vorteilhaft für Männer sein, wenn es im Interesse dieser Politiker ist, das sie bei den überwiegend weiblichen Wählern gut ankommen.

Dieser Punkt wird auch unter dem Stichwort „Apex-Fallacy“ oder Gipfeltrugschluß diskutiert

2. A second is that the minds of children are formed by their parents, and the minds of adults are formed by language and by media images.

Das wäre im Prinzip der Poststrukturalismus, also die Annahme eins in seiner späteren Betrachtung, wobei hier noch die Ergänzung dazu kommt, dass Kinder durch ihre Eltern und später durch Sprache und Medien geformt werden. Tatsächlich allerdings haben wir allerdings keinen Blank slate, gerade im Geschlechterbereich. Es wird hier auch gerne übersehen, dass Kinder nicht nur die Erziehung von ihren Eltern erhalten, sondern auch ihre Gene. Gleiches Verhalten kann damit auch eine Ausprägung gleicher Gene sein. Auch kann der Einfluss der Peergroup größer sein als der der Eltern.

Es wird auch nicht berücksichtigt, dass ein Transfer in die andere Richtung stattfindet: Zuschauer entscheiden, was im Fernsehen kommt, indem sie ein- oder abschalten und Sendungen sich damit lohnen oder nicht lohnen. Verhalten, welches auf klassischen Rollenbildern aufbaut, kann damit auch schlicht deswegen erfolgreich sein, weil diese Rollenbilder gut zu bestimmten biologisch geprägten Grundlagen der Menschen passen und sich die Leute daher in diesen wiederfinden bzw. die Charaktere daher verständlich finden.

3. A third is the romantic doctrine that our natural inclinations are good and that ignoble motives come from society.

Da spielt der naturalistische Fehlschluss hinein, dass natürliches gut sein muss und gutes natürlich. Die Theorie vom „Edlen Wilden„, also der guten Natur, die durch die Gesellschaft verdorben wird.

Dieser Trugschluss kommt sehr gerne als Gegenargument. Die Beispiele, die Pinker dort aufzählt finde ich ganz interessant. Man sieht das beispielsweise in der Fatacceptance-Bewegung, die sich auch dagegen wehrt, dass es so etwas wie ein „Normalgewicht“ gibt oder das es bestimmte Attraktivität an sich gibt, alles soll auch hier ein soziales Konstrukt sein und jeder schön.

Steven Pinker zu Equity Feminismus und Genderfeminismus

Das Buch von Steven Pinker „The Blank Slate“ sei jedem noch einmal ausdrücklich empfohlen. Ich habe ja bereits häufiger daraus zitiert. Gerade bin ich noch einmal auf eine interessante Stelle gestoßen, die sich mit Genderfeminismus und Equityfeminismus auseinandersetzt:

Feminism is often derided because of the arguments of its lunatic fringe — for example, that all intercourse is rape, that all women should be lesbians, or that only 10 percent of the population should be allowed to be male.

Feminists reply that proponents of women’s rights do not speak with one voice, and that feminist thought comprises many positions, which have to be evaluated independently. That is completely legitimate, but it cuts both ways. To criticize a particular feminist proposal is not to attack feminism in general.

Das ist aus meiner Sicht einer der sehr großen Vorteile, wenn man differenziert und nicht per se davon ausgeht, dass Feminismus per se nur bösartig sein kann. Man schneidet der Gegenseite damit das Argument ab, dass man gegen Frauenrechte ist, denn hierauf kann man eben einfach antworten, dass man einen humanistischen Feminismus durchaus unterstützt, aber eine Ausrichtung des Feminismus, die zu radikal ist und von Männerfeindlichkeit geprägt ist ablehnt.

Anyone familiar with academia knows that it breeds ideological cults that are prone to dogma and resistant to criticism. Many women believe that this has now happened to feminism. In her book Who Stole Feminism? the philosopher Christina Hoff Sommers draws a useful distinction between two schools of thought.

  • Equity feminism opposes sex discrimination and other forms of unfairness to women. It is part of the classical liberal and humanistic tradition that grew out of the Enlightenment, and it guided the first wave of feminism and launched the second wave.
  • Gender feminism holds that women continue to be enslaved by a pervasive system of male dominance, the gender system, in which ―bi-sexual infants are transformed into male and female gender personalities, the one destined to command, the other to obey. It is opposed to the classical liberal tradition and allied instead with Marxism, postmodernism, social constructionism, and radical science. It has became the credo of some women’s studies programs, feminist organizations, and spokespeople for the women’s movement.
  • Equity feminism is a moral doctrine about equal treatment that makes no commitments regarding open empirical issues in psychology or biology.
  • Gender feminism is an empirical doctrine committed to three claims about human nature.
    • The first is that the differences between men and women have nothing to do with biology but are socially constructed in their entirety.
    • The second is that humans possess a single social motive — power — and that social life can be understood only in terms of how it is exercised.
    • The third is that human interactions arise not from the motives of people dealing with each other as individuals but from the motives of groups dealing with other groups — in this case, the male gender dominating the female gender.

In embracing these doctrines, the genderists are handcuffing feminism to railroad tracks on which a train is bearing down.

Die drei Grundannahmen des Feminismus nach Pinker hatte ich bereits hier besprochen.

As we shall see, neuroscience, genetics, psychology, and ethnography are documenting sex differences that almost certainly originate in human biology. And evolutionary psychology is documenting a web of motives other than group-against-group dominance (such as love, sex, family, and beauty) that entangle us in many conflicts and confluences of interest with members of the same sex and of the opposite sex.

Einfache Gruppentheorien bieten in der Tat nicht die notwendige Komplexität um menschliches Verhalten zu verstehen. Sie bieten allerdings eine hervorragende Grundlage für Theorien, die ein einfaches Feindbild und ein Opfer brauchen.

Gender feminists want either to derail the train or to have other women join them in martyrdom, but the other women are not cooperating. Despite their visibility, gender feminists do not speak for all feminists, let alone for all women.

Das ist aus meiner Sicht ein sehr wesentlicher Punkt: Den meisten Frauen sind die genderfeministischen Theorien auch nicht geheuer.

To begin with, research on the biological basis of sex differences has been led by women. Because it is so often said that this research is a plot to keep women down, I will have to name names. Researchers on the biology of sex differences include the neuroscientists Raquel Gur, Melissa Hines, Doreen Kimura, Jerre Levy, Martha McClintock, Sally Shaywitz, and Sandra Witelson and the psychologists Camilla Benbow, Linda Gottfredson, Diane Halpern, Judith Kleinfeld, and Diane McGuinness. Sociobiology and evolutionary psychology, sometimes stereotyped as a ―sexist discipline,‖ is perhaps the most bi-gendered academic field I am familiar with. Its major figures include Laura Betzig, Elizabeth Cashdan, Leda Cosmides, Helena Cronin, Mildred Dickeman, Helen Fisher, Patricia Gowaty, Kristen Hawkes, Sarah Blaffer Hrdy, Magdalena Hurtado, Bobbie Low, Linda Mealey, Felicia Pratto, Marnie Rice, Catherine Salmon, Joan Silk, Meredith Small, Barbara Smuts, Nancy Wilmsen Thornhill, and Margo Wilson.

Auch das ist aus meiner Sicht ein wichtiger Hinweis gegen das feministische Argument der „patriarchischen Wissenschaft“. Die Biologie und auch die evolutionäre Psychologie haben jeweils einen hohen Frauenanteil. Sie sind in der Hinsicht sehr „unpatriarchische Wissenschaften“. Genug Frauen haben in dem Bereich mitgeforscht und ihre Meinung einfließen lassen.

It is not just gender feminism’s collision with science that repels many feminists. Like other inbred ideologies, it has produced strange excrescences, like the offshoot known as difference feminism. Carol Gilligan has become a gender-feminist icon because of her claim that men and women guide their moral reasoning by different principles: men think about rights and justice; women have feelings of compassion, nurturing, and peaceful accommodation. If true, it would disqualify women from becoming constitutional lawyers, Supreme Court justices, and moral philosophers, who make their living by reasoning about rights and justice. But it is not true.

Many studies have tested Gilligan’s hypothesis and found that men and women differ little or not at all in their moral reasoning.14 So difference feminism offers women the worst of both worlds: invidious claims without scientific support. Similarly, the gender-feminist classic called Women’s Ways of Knowing claims that the sexes differ in their styles of reasoning. Men value excellence and mastery in intellectual matters and skeptically evaluate arguments in terms of logic and evidence; women are spiritual, relational, inclusive, and credulous.15 With sisters like these, who needs male chauvinists?

Das wäre dann die Annahme, dass man weiblichen Wesen die Welt genesen soll, während die männliche Art eigentlich nur die Gesellschaft vergiftet. Deswegen wird dort ja auch die Auffassung vertreten, dass der Genderfeminismus nichts gegen Männer hat. Er will ihnen ja auch nur helfen, ihre schlechte, die Welt zerstörende Männlichkeit loszuwerden. Die vielen Unstimmigkeiten in dieser Ansicht scheinen Feministinnen dabei gar nicht aufzufallen: Weder das Fehlen der positiven Seite von Männlichkeit noch die Folgen solcher Theorien werden wirklich durchdacht.

Gender feminism’s disdain for analytical rigor and classical liberal principles has recently been excoriated by equity feminists, among them Jean Bethke Elshtain, Elizabeth Fox-Genovese, Wendy Kaminer, Noretta Koertge, Donna Laframboise, Mary Lefkowitz, Wendy McElroy, Camille Paglia, Daphne Patai, Virginia Postrel, Alice Rossi, Sally Satel, Christina Hoff Sommers, Nadine Strossen, Joan Kennedy Taylor, and Cathy Young.16 Well before them, prominent women writers demurred from gender-feminist ideology, including Joan Didion, Doris Lessing, Iris Murdoch, Cynthia Ozick, and Susan Sontag.17

And ominously for the movement, a younger generation has rejected the gender feminists‘ claims that love, beauty, flirtation, erotica, art, and heterosexuality are pernicious social constructs. The title of the book The New Victorians: A Young Woman’s Challenge to the Old Feminist Order captures the revolt of such writers as Rene Denfeld, Karen Lehrman, Katie Roiphe, and Rebecca Walker, and of the movements called Third Wave, Riot Grrrl Movement, Pro-Sex Feminism, Lipstick Lesbians, Girl Power, and Feminists for Free Expression.

Auch hier halte ich den Hinweis darauf, dass viele Frauen dem Genderfeminismus widersprechen für durchaus wichtig.

The difference between gender feminism and equity feminism accounts for the oft-reported paradox that most women do not consider themselves feminists (about 70 percent in 1997, up from about 60 percent a decade before), yet they agree with every major feminist position.19 The explanation is simple: the word ―feminist‖ is often associated with gender feminism, but the positions in the polls are those of equity feminism.

Das ist auch noch einmal ein schönes Argument dafür, warum man deutlich machen sollte, dass man gegen einen vernünftigen Feminismus nichts hätte. Es erlaubt einem genau diese Gruppe derjenigen, die ebenfalls den Genderfeminismus ablehnen, mit einzubeziehen, indem man ihnen verdeutlicht, dass man genau wie sie für eine andere Form des Feminismus ist.

Vernunft, Friedfertigkeit (und etwas Feminismus)

 

In „The better angels of our nature“ stellt Pinker als befriedenden Faktor dar, dass der zivilisatorische Prozess immer mehr dazu führt, dass als Kriterium für ein Handeln Logik im Gegensatz zu Unrationalen Verhalten, etwa aufgrund von Gefühlen wie Stolz, Rache etc herangezogen wird.

Dies soll zu einer Verminderung der Gewalt führen, weil jemand, der sich auf Rationalität beruft diese auch gegen sich selbst gelten lassen muss.

Wer logisch argumentiert, der muss sich auf einen abstrakten Standpunkt begeben, losgelöst von seiner eigenen Perspektive, weil ein Argument aus der Ich-Perspektive kaum einen logischen Wahrheitsanspruch haben kann. Um so abstrakter und universeller eine Idee formuliert ist, um so logischer kann ihr Inhalt betrachtet werden.

Wer also sagt, „Es ist gerecht, wenn wir die Nachbarn angreifen“, der stellt kein logisches System auf. Eine logische Regel wäre es, wenn man sagt „in dieser oder jener Situation darf man den Nachbarn angreifen“. Eine solche Regel erlaubt die Abstraktheit von der eigenen Position, weil sie bei gleicher Lage dann ebenfalls dem Nachbarn das Recht geben würde, einen anzugreifen. Wer damit Regeln aufstellt, innerhalb derer er Krieg führen kann muss dabei stets im Auge behalten, dass diese auch ihm gegenüber gelten. Da die wenigsten Menschen rationale Gründe zulassen wollen, die nicht mit einem eigenen Fehlverhalten in Verbindung steht, werden abgesehen von dem Recht auf Selbstverteidigung wenig tatsächliche Eroberungskriege mehr geführt. Kriege werden vielmehr unter Oberbegriffen wie „Humanitöär erforderlich um andere zu schützen“ betrachtet. Sicher: Inoffizielle Gründe wie „er hatte halt Öl“ mögen dann eine Rolle spielen, aber auch insoweit muss zunächst ein darüber hinaus bestehender Grund gefunden werden, aus dem man ein allgemeines Handeln rechtfertigen konnte.

Pinker meint, dass durch die immer stärkere Einbeziehung solch logischer Betrachtungen in den modernen Zivilisationen ein zivilisatorischer Prozess eingetreten ist, der die Hemmschwelle für eine kriegerische Auseinandersetzung immer höher werden lässt.

Bei dem Lesen dieser Stelle bei Pinker kam mir der Gedanke, dass es vielleicht genau dieser Grund ist, aus dem heraus im Feminismus subjektive Positionen, die Standpunkttheorie und die Definitionsmacht so beliebt sind.

Subjektive Regeln für die Gruppe zu erstellen ist wesentlich einfacher als rationale Betrachtungen, gerade wenn man eigentlich das Ziel schon genau kennt.

Auch hier wäre der richtige Satz nicht „Frauen sind unterdrückt, wenn“, sondern „Eine Gruppe von Menschen ist unterdrückt, wenn“. In einer rein rationalen Betrachtung wäre es wesentlich schwieriger eine Benachteiligung einer Gruppe einmal Diskriminierung zu nennen und bei einer anderen Gruppe darauf abzustellen, dass sie nicht diskriminiert sind, sondern viel mehr die ihr gegenüber bevorzugte Gruppe wohlwollenden Seximus erleiden muss  (auf maskulistischer Seite wird es ähnliches geben)

Eine einseitige Betrachtung wird erschwert, wenn man die Ergebnisse möglichst rational und objektiv heranziehen muss und sie insbesondere nicht einfach nur aus der Sicht der eigenen Gruppe sehen kann.

Der Mythos des puren Bösen („Myth of pure evil“)

Roy Baumeister vertritt die Ansicht, dass es einen Mythos des puren Bösen gibt, also die Vorstellung, dass Böses einfach aus reiner Schlechtigkeit heraus begangen wird.

Dabei zeigt sich ihm zufolge, dass der Böse sich selten als solcher sieht, sondern üblicherweise eher das Opfer als den Bösen sieht und glaubt gute Gründe zu haben.

Der Mythos hat demnach drei wesentliche Grundlagen:

  1. the intentional harming of another person
  2. the perpetrators of evil are typically portrayed as enjoying the harm they inflict
  3. the victim is typically depicted in accounts of evil as innocent and good.
  4. the perpetrators of evil are often seen as not like us
  5. evil is usually presented as having always been that way
  6. Alongside intentional harm, a second meaning of evil is chaos.
  7. perpetrators of evil often have inordinate egotism and poor self-control.

Es wird vermutet, dass es sich um eine Eigenart des menschlichen Geistes handelt, sich solche Lagen zurecht zu denken. Denn moralisch als richtig und gut darzustehen und seine Handlungen als gut rechtfertigen zu können ist für ein sozial lebendes Wesen wichtig und der beste Weg andere zu überzeugen ist zunächst es zumindest auf einer gewissen Eben selbst zu glauben, wenn auch wohl andere Tests ergeben, dass dieses Ausblenden nicht absolut ist.

Demnach würden beide Seiten eines Streits meist den anderen als den Übertäter sehen, sich selbst hingegen als denjenigen, der gerecht gehandelt hat und zumindest nicht anders handeln konnte. Der andere wird dann bis zu einem gewissen Grad über die obigen Kriterien dämonisiert um so eine Schuldzuweisung zu ermöglichen.

Zu den tatsächlichen Gründen für böses Handeln schreibt Baumeister:

The first and perhaps least interesting one to a psychologist is instrumentality. Evil acts are often merely a means to an end. People turn to violence as one means of getting what they want. What they want is typically not so different from what other people want. They want money, land, power, sex, and the like. They turn to violence in some cases because they cannot get what they want by more accepted, legitimate means. (…)

the second root cause of evil and violence is threatened egotism. When I began my research I had heard the standard theory that violence is perpetrated by people with low selfesteem. As I searched for the source and evidence, however, it emerged that this was one of those things that everybody knew but nobody had really ever shown. Moreover, the facts repeatedly contradicted it. A large literature review concluded, instead, that perpetrators of violence typically had very favorable views of themselves, sometimes absurdly so (Baumeister, 11 Smart, & Boden, 1996) (…)

The third root cause of evil is idealism. In some ways this is the most disturbing and tragic, because the perpetrators are motivated by the belief that they are doing something good. Idealists of both the left and the right have sometimes believed that their noble goals justify violent means. The worst body counts of the twentieth century were perpetrated by people who believed that they were doing what was necessary to create a utopian society, whether this reflected a left-wing vision (as in the communist slaughters in China and the Soviet Union) or a right-wing one (as in the horrors perpetrated by Nazi Germany). Earlier centuries witnessed slaughters perpetrated in the name of religion, as people killed to serve their gods. To be sure, sometimes the idealism was a cover for baser motives, including instrumental ones. Some people used religious wars or persecutions to enrich themselves. Yet it is not reasonable to dismiss the sincere idealism of many of the perpetrators. In a large expedition such as the Crusades, there were some along for adventure and others hoping to get rich. But many honestly believed that they were doing God’s work by fighting the infidels in order to reclaim sacred ground for what they thought was the true faith. (…)

The fourth and final root cause is sadism, defined as sincere enjoyment from inflicting harm. Earlier I said that it may be most precise to refer to three and a half roots rather than four. Sadism would be the half

Interessant ist insoweit auch eine Anwendung auf die Geschlechterfrage. Motiv wäre hier wohl von beiden Seiten eher Idealismus, der eben über das höhere Ziel der Gleichberechtigung alles Maßnahmen rechtfertigt.

Dazu Steven Pinker in einem Interview:

There are a number of things that make particular ideologies dangerous. One of them is the prospect of a utopia: since utopias are infinitely good forever, and can justify any amount of violence to pursue that utopia, the costs are still outweighed by the benefits. Utopias also tend to demonise certain people as obstacles to a perfect world, whoever they are: the ruling classes, the bourgeois, the Jews or the infidels and heretics. As long as your ideology identifies the main source of the world’s ills as a definable group, it opens the world up to genocide.

Die Darstellung des Patriarchats als „pure evil“ scheint mir ebenfalls zu erfolgen:

  • the intentional harming of another person

Das Patriarchat schadet den Frauen und den Männern, damit die Männer, die die hegemoniale Männlichkeit leben, ihre Privilegien erhalten können

  • the perpetrators of evil are typically portrayed as enjoying the harm they inflict

Das Ausleben von Privilegien macht natürlich Spaß.

  • the victim is typically depicted in accounts of evil as innocent and good.

Die Frauen sind allenfalls insoweit schuld, dass sie zwangsläufig zum Mittäter werden müssen, weil ihnen nichts anderes übrig bleibt. Üblicherweise wird aber gerade im Feminismus vertreten, dass die Opfer absolut rein und unschuldig sind. Das zeigt sich schon an der Anwendung des Begriffs Victimblaiming,

  • the perpetrators of evil are often seen as not like us

Männer sind Menschen mit Privilegien. Sie sind zwar gleich, aber dabei vollkommen anderes. Sie sind männlich sozialisiert.

  • evil is usually presented as having always been that way

Je nach Theorie gibt es das Patriarchat schon immer (zB Beauvoir) oder aber erst seit 8.000 Jahren, jedenfalls ist es sehr alt

  • Alongside intentional harm, a second meaning of evil is chaos.

Hier könnte man vielleicht anführen, dass Machtmittel wie Gewalt und Vergewaltigung und die Rapekultur ein gewisses Chaos schaffen.

  • perpetrators of evil often have inordinate egotism and poor self-control.

Das patriarchale Männer besonders egoistisch sind, zeigt sich schon daran, dass sie die bessere Welt, in der beide Geschlechter zufrieden leben könnten, verhindern, um ihre Privilegien zu wahren und die mangelnde Selbstkontrolle kann man dann beim Sexualtrieb des Mannes anführen, bei dem die Frau  eben nie weiß, wann er zuschlägt.

Natürlich gibt es auch entsprechende Bemühungen im Maskulismus, indem zB dargestellt wird, dass es Männern schon immer schlechter ging als Frauen und diese faule Ausbeuterinnen sind, wohingegen die Männer als arme Schweine ausgenutzt werden.

 

 

Steven Pinker zu Dekonstruktivismus, Gender Studies und Postmodernismus

Weil mich Khaos.Kind bei Onyx fragte, wo eigentlich gesagt wird, dass sich Biologie und (bestimmte Richtungen innerhalb der ) Soziologie widersprechen, habe ich noch mal etwas rumgelesen und dazu unter anderem diese Stelle bei Steven Pinkers „The Blank Slate“ gefunden:

According to the relativistic wisdom prevailing in much of academia today, reality is socially constructed by the use of language, stereotypes, and media images. The idea that people have access to facts about the world is naïve, say the proponents of social constructionism, science studies, cultural studies, critical theory, postmodernism, and deconstructionism. In their view, observations are always infected by theories, and theories are saturated with ideology and political doctrines, so anyone who claims to have the facts or know the truth is just trying to exert power over everyone else. Relativism is entwined with the doctrine of the Blank Slate in two ways. One is that relativists have a penny-pinching theory of psychology in which the mind has no mechanisms designed to grasp reality; all it can do is passively download words, images, and stereotypes from the surrounding culture. The other is the relativists’ attitude toward science. Most scientists regard their work as an extension of our everyday ability to figure out what is out there and how things work. Telescopes and microscopes amplify the visual system; theories formalize our hunches about cause and effect; experiments refine our drive to gather evidence about events we cannot witness directly. Relativist movements agree that science is perception and cognition writ large, but they draw the opposite conclusion: that scientists, like laypeople, are unequipped to grasp an objective reality. Instead, their advocates say, “Western science is only one way of describing reality, nature, and the way things work — a very effective way, certainly, for the production of goods and profits, but unsatisfactory in most other respects. It is an imperialist arrogance which ignores the sciences and insights of most other cultures and times.” Nowhere is this more significant than in the scientific study of politically charged topics such as race, gender, violence, and social organization. Appealing to “facts” or “the truth” in connection with these topics is just a ruse, the relativists say, because there is no “truth” in the sense of an objective yardstick independent of cultural and political presuppositions.

Naturalistischer Fehlschluß

Ein Fehler, der immer wieder gerne gemacht wird ist der naturalistische Fehlschluß.

Die Gleichsetzung von „Natürlich“ mit „Gut, Richtig oder schön“

Diese Gleichsetzung übersieht, dass Evolution und Selektion keine Moral kennen, sondern überbleibt, was sich im Genpool anreichern kann.

Beispiele für „unmoralisches Verhalten“ gibt es in der Natur genug. Katzen spielen mit ihrer Beute, Männliche Delphine vergewaltigen weibliche Delphine. Entenerpel vergewaltigen ebenfalls sehr gerne. Jungtiere werden weil sie wehrloser und unerfahrener sind, gerne als Beute genommen. Genug Tiere sind verschwenderisch und fressen in guten Zeiten nur die besten Stücke, der Rest verrottet. Kuckuckskinder werfen die anderen Eier aus dem Nest, bestimmte Vögeljungen verbessern ihre Chancen, indem sie ein Ei des Geleges aus dem Nest werfen, wenn die Eltern es nicht verhindern (sie sind eben mit ihren Geschwistern nur zu 50% verwandt, mit sich selbst aber zu 100%). Genug Eltern fressen kleine kümmerlichere Kinder auf, statt die Kosten des Nachwuchses zu tragen.

All dies würden wir nach unseren Moralvorstellungen, die wieder auf der Biologie unserer Spezies beruhen, nicht gut oder moralisch finden.

Man kann das ganze auch noch weiter ins Extrem führen: Ein Krebsgeschwür ist natürlich. Aber es ist sicherlich nicht gut oder moralisch.

Steven Pinker schreibt in „The Blank Slate“ zum Naturalistischen Fehlschluß:

Social Darwinism is based on Spencer’s assumption that we can look to evolution to discover what is right — that “good” can be boiled down to “evolutionarily successful.” This lives in infamy as a reference case for the “naturalistic fallacy”: the belief that what happens in nature is good. (Spencer also confused people’s social success — their wealth, power, and status — with their evolutionary success, the number of their viable descendants.) The naturalistic fallacy was named by the moral philosopher G. E. Moore in his 1903 Principia Ethica, the book that killed Spencer’s ethics.21 Moore applied “Hume’s Guillotine,” the argument that no matter how convincingly you show that something is true, it never follows logically that it ought to be true. Moore noted that it is sensible to ask, “This conduct is more evolutionarily successful, but is it good?” The mere fact that the question makes sense shows that evolutionary success and goodness are not the same thing.

Und in der Wikipedia heißt es zum naturalistischen Fehlschluß:

Naturalistischer Fehlschluss (engl. naturalistic fallacy) ist ein vom englischen Philosophen George Edward Moore geprägter Begriff, mit dem der Versuch bezeichnet wird, ausgehend von den Eigenschaften eines natürlichen oder übernatürlichen Objektes zu definieren, was gut ist. Dies ist ihm gemäß nicht zulässig, da der Schluss auf eine wertende (präskriptive) Aussage mindestens eine wertende Prämisse benötigen würde. Nach Moore ist es also nicht möglich, einen normativen Begriff wie gut durch deskriptive Begriffe zu definieren.

Eng verwandt ist der naturalistische Fehlschluss mit dem moralistischen Fehlschluß:

Der moralistische Fehlschluss ist ein Fehlschluss, bei dem auf der Basis der moralischen Unerwünschtheit eines Zustands oder Verhaltens dessen Naturwidrigkeit behauptet wird. Der Begriff wurde als moralistic fallacy 1978 durch den Biologen Bernard Davis geprägt.[1] Im deutschen Sprachraum wurde das Konzept unter der Bezeichnung moralistischer Trugschluss von Bischof (1996) verwendet.[2]

Der moralistische Fehlschluss wird oft eingesetzt, um naturwissenschaftliche Forschungen, Thesen oder Befunde zurückzuweisen, die im Widerspruch zu bestehenden ethischen Normen stehen

Es handelt sich bei diesem Fehlschluss um eine ignoratio elenchi: Ob ein Zustand naturgemäß ist, also bestimmten psychologischen oder biologischen Tendenzen entspricht (etwa der evolutionären Psychologie oder der Verhaltensbiologie), wird von dem ethischen Wert, dem man ihm beimisst, ohne Weiteres nicht beeinflusst. Er ähnelt dem naturalistischen Fehlschluss darin, dass er einen starken Zusammenhang zwischen Sein und Sollen behauptet. Während im naturalistischen Fehlschluss vom Sein auf das Sollen geschlossen wird, schließt man beim moralistischen Fehlschluss vom Sollen auf das Sein. Der Schluss führt nicht zu einem formalen Widerspruch, ist aber formal unvollständig und verlangt starke zusätzliche Annahmen über den Zusammenhang von Moral und Natur.

Oder bei Pinker:

The naturalistic fallacy leads quickly to its converse, the moralistic fallacy: that if a trait is moral, it must be found in nature. That is, not only does “is” imply “ought,” but “ought” implies “is.” Nature, including human nature, is stipulated to have only virtuous traits (no needless killings, no rapacity, no exploitation), or no traits at all, because the alternative is too horrible to accept. (…) For example, in response to Thornhill’s earlier writings on rape, the feminist scholar Susan Brownmiller wrote, “It seems quite clear that the biologicization of rape and the dismissal of social or ‘moral’ factors will … tend to legitimate rape…. It is reductive and reactionary to isolate rape from other forms of violent antisocial behavior and dignify it with adaptive significance.”6 Note the fallacy: if something is explained with biology, it has been “legitimated”; if something is shown to be adaptive, it has been “dignified.” Similarly, Stephen Jay Gould wrote of another discussion of rape in animals, “By falsely describing an inherited behavior in birds with an old name for a deviant human action, we subtly suggest that true rape — our own kind — might be a natural behavior with Darwinian advantages to certain people as well.” The implicit rebuke is that to describe an act as “natural” or as having “Darwinian advantages” is somehow to condone it.

Daraus, dass ein bestimmtes Verhalten biologisch begründbar ist, folgt also nicht, dass es richtig ist oder das man es für richtig hält. Wenn man also beispielsweise anführt, dass Männer aufgrund ihres stärkeren Sexualtriebs eher eine rein sexuelle Gelegenheit zum fremdgehen ausnutzen werden, dann bedeutet dies nicht, dass sie sich damit entschuldigen können oder ihr Verhalten gerechtfertigt ist. Es bedeutet aber auch nicht, dass der Sexualtrieb und die Seitensprungwahrscheinlichkeit anders zu bewerten ist, weil man es als schlecht ansieht, wenn Männer fremdgehen.

Biologie erklärt Verteilungen über den Schnitt. Aber sie macht Verhalten nicht moralisch.