#ichgebab

Eine neue feministische Aktion machte auf Twitter die Runde. Diesmal anscheinend zu Geschlechterrollen:

Der Anfang war wohl hier:

Und hier wurde es auch noch mal erklärt:

Inzwischen hat sich einiges angesammelt:

Weitere Tweets findet man hier

Ich hatte meine Meinung zu Geschlechterrollenzwang beispielsweise hier einmal dargestellt:

Die einfachere Lösung präsentiert sich meiner Meinung nach, wenn man den sehr einfachen Gedanken verfolgt, dass es Häufungen gibt, Abweichungen davon aber auch kein Grund sind, die Person abzuwerten.

Die genderfeministischen Theorien verkennen insofern, dass wir durchaus in der Lage sind in differenzierteren Regeln zu denken als „Eine Frau oder ein Mann muss sich genau so oder so verhalten, sonst ist er kein Mann oder keine Frau und damit falsch“. Wir erleben häufig graduell abweichendes Verhalten ohne das jemand damit per se den Status einer Gruppe abgesprochen bekommt. Wir kennen besonders große Frauen oder besonders kleine Männer, oder auch diese typische kumpelhafte Frau, mit der man Pferde stehlen kann, was häufig ein Synonym dafür ist, dass sie kein klassisch weibliches Verhalten zeigt. Das muss aber nicht dazu führen, dass man sie abwertet, sondern häufig erfährt sie dadurch eher eine Aufwertung als unkomplizierte Frau. Gleichzeitig kann man aber auch eine sehr weibliche Frau schätzen, die diese Aspekte in die Dynamik abgrenzt. Nur weil ich heterosexuell bin muss ich auch nicht im Abgrenzung zur Homosexualität stehen, denn das andere Männer lieber mit Männern schlafen oder andere Frauen lieber mit Frauen hat schlicht keinen Bezug zu mir, ich kann trotzdem weiterhin mit Frauen schlafen. Das Gegensatzpaar, dass dort aufgebaut wird, besteht demnach häufig nicht.

Insofern ist lediglich eine allgemeine Toleranz nötig, ohne das man damit das eine oder das andere unterbinden muss: Man kann insoweit schlicht darauf verzichten, eine der beiden Verhaltensweisen abzuwerten, wenn man akzeptiert, dass es eine Frage des Individuums ist, auch wenn gleichzeitig Häufungen entstehen.

Sprich: Geschlechterrollen kann man schlicht nicht abschaffen, weil Männer und Frauen unterschiedlich sind. Aber man kann Leuten zugestehen, dass sie eben selbst nicht so sind wie die meisten und gleichzeitig auch akzeptieren, dass viele gerne Männer oder Frauen sind.

 

„Geschlechterrollen aufheben“ als Alleinstellungsmerkmal des Feminismus

Gerne wirbt der Feminismus damit, dass man eben auch als Mann Feminist sein soll, weil die Geschlechterrollen auch für Männer nachteilig sind.

In der Vorstellung von Feministen scheint damit der Feminismus die einzige Möglichkeit zu sein, etwas gegen starre Geschlechterrollen zu haben, sie sehen die Geschlechterrollenbekämpfung insofern als Alleinstellungsmerkmal des Feminismus, also als etwas, was man nur erreichen kann, wenn man Feminist ist.

Dass starre klassische Geschlechterrollen Nachteile auch für Männer bringen, dass würde ich durchaus auch so sehen, gerade wenn sie eben essentialistisch gesehen werden, also als verbindlich für alle Männer und Frauen ohne Berücksichtigung des Umstandes, dass es eben auch hier fließende Übergange gibt.

Allerdings ist in dem Paket „Geschlechterrollen aufheben“ für Männer im Feminismus eben noch einiges an „Beiwerk“ dabei, was einem nicht gefallen muss

  • Eine Schuldzuweisung an „Männer“ oder „Männlichkeit“ und ein Framen aller Handlungen in diesem Kontext als Unterdrückung der Frauen
  • Ein Ignorieren von Fakten, die bestimmte Unterschiede erklären
  • Die Zuweisung von „Definitionsmacht“ an Frauen je nach Radikalität bis hin zur Abkehr von wesentlichen Rechtsstaatsgrundsätzen wie der Unschuldsvermutung
  • Sofern man sich dort beteiligen will: Die Aberkennung einer eigenen Möglichkeit der Beteiligung und ein Verweis auf eine „Ally-Position“.
  • Eine Abwertung von geschlechterrollentypischen Verhalten soweit man es mag

Diese Nachteile muss man keineswegs zwangsläufig mitkaufen. Die Idee, dass nur mit Feminismus, geschweige denn mit radikalen Genderfeminsmus eine Auflockerung der Geschlechterrollen erfolgen kann, ist nicht zutreffend.

Man kann auch einfach ohne diese Ideen ein lockeres Verhältnis dazu entwickeln und Leute akzeptieren, die sich dort nicht wiederfinden. Dazu muss man insbesondere keinen Hass auf Leute entwicklen, die sich darin wiederfinden. Wer als Mann nicht nach den Geschlechterrollen leben möchte aber anderseits auch nicht die obigen Nachteile haben möchte, der kann dies durchaus machen. Was ebenso für Frauen gilt. Der Feminismus mag gegenwärtig die Ideologie sein, die damit am meisten wirbt, allerdings macht es ihn gerade in der gegenwärtigen Form deswegen nicht unbedingt zu einer vorzugswürdigen Ideologie.

vgl. auch:

 

Feminismus als Verbreitung negativer Stereotype zu Lasten von Frauen

Nach feministischer Theorie wirken sich gerade Stereotype und Vorurteile zu Lasten von Frauen aus. Weil Frauen gesagt wird, dass sie etwas nicht können oder etwas nicht sollen verinnerlichen sie diese Regeln und akzeptieren sie als Teil des Frauseins.

Mich verwundert es daher immer, wenn man sieht, wie viele negative Stereotype der Feminismus selbst vertritt und wie wichtig es ihm zu sein scheint, die Unterdrückung der Frau hervorzuheben:

  • Frauen verdienen 23% weniger (statt einer Betonung, dass der reale Unterschied eher bei 5% bis 8% liegt und schon bei passender Berufswahl stark sinken kann)
  • Männerbündnisse verhindern jeden Aufstieg von Frauen
  • Das Patriarchat ist überall und übermächtig
  • die hegemoniale Männlichkeit hat die Macht.
  • Männer werden dich sabotieren wo sie können.
  • überall lauern Vergewaltiger
  • befördert werden dann doch nur Männer
  • sie werden dich nie als gleichwertige Kollegin akzeptieren
  • etc.

Vieles, was einem der Feminismus als Bild vorhält, kann eine Frau eigentlich nur abschrecken. Sicherlich werden auch empowernde Nachrichten hinterher geschickt, aber letztendlich wird ein sehr düsteres Bild für Frauen gezeichnet.

Nimmt man die feministischen Theorien ernst, dann müsste all dies die Rollenbilder stärken. Denn auch wenn man jemanden sagt, dass er all diese Hindernisse niederkämpfen sollte, würde er ja immer noch die Hindernisse wahrnehmen. Und eine Frau, die vor der Entscheidung steht, ob sie oder ihr Mann für Kindererziehung aussetzen will, würde bei Akzeptanz all dieser Hindernisse fast schon logischerweise eher ihren Mann in Vollzeit arbeiten lassen als dies selbst zu machen und bei der Studienwahl entsprechendes einplanen.

Ein positiver Feminismus müsste, wenn nicht negative Stereotype dargestellt und verstärkt werden sollen, also versuchen die Probleme als möglichst kleine und überwindbar darzustellen. Eine Frau, die davon ausgeht, dass sie bei richtiger Berufswahl lediglich 5% weniger verdient und die davon ausgeht, dass die meisten modernen Chefs ihr Potential nutzen wollen, statt ihr eigenes Geschlecht zu fördern, würde sicherlich eher Karriere machen als eine Frau mit der obigen Einstellung

Soziale Rollen

Ich habe mir mal etwas zu den Rollentheorien auf Wikipedia durchgelesen, was ich als Übersicht ganz interessant fand:

In der Soziologie wird unterschieden zwischen:

  • kulturellen Rollen, die die jeweilige Kultur dem Individuum zuschreibt (die Priesterin, der Patriarch),
  • sozialen Differenzierungen (die Physiklehrerin, der Industriemeister),
  • situationsbezogenen Rollen wie Augenzeugin, Aufzugfahrer und
  • biosoziologisch begründeten Rollen, z. B. die Dicke, der Albino.
  • Geschlechterrollen werden je nach Standpunkt als soziale Rollen oder biosoziologische Rollen oder eine unterschiedlich gewichtete Verbindung beider Rollenmodelle beschrieben.

Soziale Akteure befinden sich ihr Leben lang in unterschiedlichen sozialen Rollen; mitunter agieren sie in mehreren Rollen gleichzeitig in sozialen Umfeldern, die sich nur in geringem Maße überschneiden. Im Laufe der Sozialgeschichte entstehen neue soziale Rollen, wandeln sich und gehen unter.

Das Rollenhandeln wird von folgenden Aspekten beeinflusst:

  • Die Normen, die eine Position determinieren,
  • eine Reihe von fremden oder eigenen Erwartungen, die an einen Akteur in einer bestimmten sozialen Position gestellt werden siehe auch Rollenerwartung,
  • die positiven und negativen sozialen Sanktionen, mit denen andere Akteure einen Rollenspieler beeinflussen wollen und können. An diesen drei sozialen Tatsachen orientieren Akteure offen oder verborgen ihre eigenen Handlungen und bewerten Beobachter sowie
  • die Handlung anderer.

Heinrich Popitz definiert soziale Rolle entsprechend als Bündel von Verhaltensnormen, die eine bestimmte Kategorie von Gesellschafts- bzw. Gruppenmitgliedern im Unterschied zu anderen Kategorien zu erfüllen hat. Verhaltensnormen sind dabei Verhaltensweisen, die von allen oder einer bestimmten Kategorie von Gesellschafts- oder Gruppenmitgliedern in einer bestimmten Konstellation regelmäßig wiederholt und im Fall der Abweichung durch eine negative Sanktion gegen den Abweichler bekräftigt werden.[18] Die Rolle klassifiziert somit die Stellung des Rolleninhabers in einem sozialen Gefüge mit bestimmten Rollenerwartungen, die sich von den Bezugsgruppen (Peergroups) ableiten. Die verschiedenen Bezugsgruppen stehen dabei ebenfalls in Interaktion miteinander, und deren Rollensegmente (Erwartungen einer Bezugsgruppe) können miteinander harmonisieren oder im (Rollen-)Konflikt miteinander stehen. Eine große soziale Kompetenz einer Rolle ist die Empathie, welche das Einfühlungsvermögen und somit die Berechenbarkeit einer anderen Rolle nutzbar machen kann. Das Ausmaß individueller Ausgestaltungsmöglichkeiten und Freiheitspielräume innerhalb von sozialen Rollen wird in der Forschung kontrovers diskutiert. Die soziale Einbindung und wechselseitige Abhängigkeit spiegelt sich auch im Menschenbild der Psychotherapie: Der Mensch, der „Hauptakteur auf der Bühne des Lebens [,…] kann seine Geschichte nicht spielen ohne seine Mitspieler, die ihm seine Rolle zugestehen“.[19]

Interessant dabei aus meiner Sicht der Bereich der biotischen Rolle als Schnittstelle zwischen Biologie und Soziologie

Grenzbereich zwischen Soziologie und Biologie

Es gibt Rollen, die eng mit der (bio)soziologischen Tierhaftigkeit des Menschen verquickt sind, auch „biotische“ Rollen genannt. So kennen auch andere Primaten als der Mensch offenbar „den Großen“ oder „den Lauten“ und entwickeln in Gruppen besondere Verhaltensformen ihm gegenüber, wie auch er gegenüber den Anderen. Solche Rollen wurden in der Soziologie selten thematisiert, eine Ausnahme war Dieter Claessens in Rolle und Macht[23] und Das Konkrete und das Abstrakte.[24] Für das Verhalten des Kleinkindes sind solcherlei Rollen vermutlich besonders bedeutsam, denn es hat die sozialen Rollen im engeren Sinn – also die kulturellen, differenzierten oder situationalen Rollen – noch gar nicht internalisiert; „ein Fremder neben/über mir“ (der „Schwarze Mann“) erscheint ihm vermutlich einfach in der biotischen Rolle des gefährlichen Fressfeindes.

Hier würde ich den Bereich wohl deutlich weiter ziehen als dies in der Soziologie gemacht wird. Die biotische Rolle ist aus meiner Sicht wohl die entscheidenste Rolle bzw. die, die dringend mehr Beachtung innerhalb der Soziologie bekommen sollte.

Es findet sich auch noch ein Abschnitt zur Kritik:

Kritik des Rollen-Begriffs

In akteurbezogenen, oft mikrosoziologisch fokussierten soziologischen Theorien wird das Konzept der „sozialen Rolle“ in aller Selbstverständlichkeit angewandt (vgl. Literatur). Distanziert bis ablehnend stehen ihm hingegen kollektivbezogene Theorien – zum Beispiel der Strukturfunktionalismus oder die Ethnomethodologie gegenüber. Denn sie fassen die stets notwendigen Rollen-Kompromisse der Akteure eher als ein Fehlverhalten oder als „eurozentrisch“ auf und analysieren sie mit anderen Begriffen, etwa als „dysfunktional“ oder als „kulturimperialistisch“. Wo „Theorien der Gesellschaft“ von „soziologischen Theorien“ unterschieden werden, etwa im Marxismus oder in der Systemtheorie, da wird „Rolle“ entweder als gefährlicher Konkurrenzbegriff vehement zurückgewiesen, oder er wird einfach übergangen: Frigga Haug beanstandete als Marxistin, dass sowohl die Geschichte der Gesellschaft und ihre ökonomischen Bedingungen als auch das dialektische Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft mit dem Begriff „Rolle“ in das Individuum verlegt werden; die Theatermetapher „Rolle“ erleichtere zudem die Selbsttäuschung. Rollenforderungen stellen demnach eine äußere Übermacht dar, bei der die Gefahr besteht, dass das Individuum sich in die „innere Emigration“ zurückzieht – siehe dazu Rollendistanz. Gesellschaftliche Verhältnisse erscheinen dementsprechend fälschlich als unveränderbar.[25] Eine systemtheoretische Auseinandersetzung mit dem Begriff der „Rolle“ steht noch aus. Die australische Männerforscherin Raewyn Connell bemängelt am kulturellen Rollenbegriff, dass gerade „Männlichkeit“ gar kein Rollenverhalten, sondern eine gesellschaftliche Praxis sei.[26] In ähnlicher Weise spricht auch Pierre Bourdieu von einer „Geschlechter-Praxis“ (einem geschlechtsspezifischen Habitus)

Die „normale“ Rolle wäre also zu individualistisch, es würde zu sehr betont, dass jeder seine eigene Rolle schaffen kann, weswegen im Feminismus eher die kollektivbezogenen Rollentheorien vorherrschen.

Deswegen wird in diesen Bereichen eher auf gesellschaftliche Praxis, Strukturen etc abgestellt, wenn ich es richtig verstehe

Habitus nach Bourdieu

Ein in der Soziologie verbreiteter Begriff ist wohl der des Habitus:

Habitus (lateinisch habitus = „Gehaben“, von habere = „haben“) ist ein Ausdruck für das Auftreten oder Benehmen eines Menschen; für die Gesamtheit seiner Vorlieben und Gewohnheiten bzw. für die Art, sich zu verhalten.

In der Soziologie wurde der Begriff „Habitus“ von Norbert Elias und Pierre Bourdieu zum Fachterminus erhoben. Bei Elias bezeichnet der Begriff „sozialer Habitus“ Gewohnheiten im Denken, Fühlen und Handeln, die Mitgliedern einer Gruppe gemeinsam sind (gleichbedeutend „soziale Persönlichkeitsstruktur“: die den Mitgliedern einer Gruppe gemeinsamen psychischen Merkmale). Nach Bourdieu bezeichnet „Habitus“ das gesamte Auftreten einer Person, im Einzelnen also z. B. den Lebensstil, die Sprache, die Kleidung und den Geschmack. Am Habitus einer Person lässt sich ihr Rang oder Status in der Gesellschaft ablesen. Durchaus möglich ist allerdings auch, dass eine Person mit einem der sozialen Schicht angemessenen Habitus durch verschiedenste Einflüsse in eine tiefere oder höhere soziale Schicht absteigt bzw. aufsteigt. Der Habitus ändert sich (zumindest kurzfristig) nicht.

Soweit, so gut. Der Begriff scheint also nicht ganz einheitlich verwendet zu werden. Einmal geht es um gewisse Gemeinsamkeiten, die Mitglieder einer Gruppe haben, das andere mal um das Auftreten einer Person. Letzteres scheint mir die auch umgangssprachlich gebräuchlichere Variante zu sein, wie auch die ganz oben stehende Definition zeigt.

Habitus wäre insofern ein Verhalten, mit dem Status und Position in einer Hierarchie angezeigt werden können und die für die jeweilige Position kulturell zugeordnet werden.

Habitus wird insofern auch immer einen biologische Komponente haben, weil Statusverhalten und Auftreten auf biologischen Grundlagen beruhen und zwar verschieden kulturell ausgeprägt sein können, aber dabei im Grundsatz Gemeinsamkeiten aufweisen. Jemand wird üblicherweise als statushoch verstanden, wenn er  die Regeln macht, die Anordnungen gibt, Respekt verlangt und erhält und Zeichen von hohen Ressourcen, Intelligenz und anderen Indikatoren besitzt, die vermuten lassen, dass er einen hohen Paarungswert hat. Unsere gesellschaftlichen Regeln dienen insoweit der Abgrenzung und Personen aus einem „Höheren Stand“ werden üblicherweise die kompliziertere Sprache haben, die die „niedrigeren Stände“ nicht ohne weiteres imitieren können.

Aus meiner Sicht ein gutes Beispiel für jemand der den Habitus einer höheren sozialen Schicht zeigt, dabei aber einer niedrigeren Schicht angehören soll, ist Jack Dawson (Leonardo DiCaprio, Titanic), der einen statushohen Habitus, ein Alpamannverhalten, eine gehobene Sprache, Gelassenheit und Abgebrühtheit zeigt und sich schnell in die als überstarr dargestellten Regeln des höheren Standes einfindet und sich sogar noch über sie lustig macht und dadurch einen höheren Status anzeigt (und danach die Frau in seine viel lebensfrohere Welt zieht und sie so erobert).

Aber zurück zum Habitus nach Bourdieu:

Habitus“ umfasst für Bourdieu zunächst die objektive Kategorisierung von Angehörigen bestimmter sozialer Klassen innerhalb der gesellschaftlichen Strukturen und darüber hinaus ein auf das Subjekt bezogenes Konzept der Verinnerlichung kollektiver Dispositionen.

Der Habitus ist ein Erzeugungsprinzip von Praxisformen und Verhaltensstrategien eines sozialen Akteurs. In Bezug auf eine der drei zentralen Strukturkategorien der Gesellschaft, auf die soziale Klasse, wird die Ausprägung des Habitus unter anderem von der Teilhabe an den gesellschaftlichen Gütern abhängig. Dabei spielen das ökonomische, kulturelle, soziale und symbolische Kapital eine entscheidende Rolle.

Es scheint also um eine sozialkonstruktivistische Theorie zu handeln. Über den Habitus wird geregelt, wie sich jemand verhalten darf, wenn er einer bestimmten Klasse zugehörig sein möchte .

Um die Funktionsweise des Habitus klarzustellen, muss man erstens verstehen, was Bourdieu unter der „generativen Grammatik“ versteht und zweitens muss man den Habitus im sozialen Kontext, vor allem in Bezug auf die drei zentralen Kategorien der Gesellschaft – soziale Klasse, Geschlecht und soziales Feld betrachten.

Hier wird also das Geschlecht eine der drei Kategorien der Gesellschaft.

Um die Funktionsweise des Habitus klarzustellen, muss man erstens verstehen, was Bourdieu unter der „generativen Grammatik“ versteht und zweitens muss man den Habitus im sozialen Kontext, vor allem in Bezug auf die drei zentralen Kategorien der Gesellschaft – soziale Klasse, Geschlecht und soziales Feld betrachten

Zur generativen Gramatik:

1. Generative Grammatik: In Anlehnung an Noam Chomskys Analyse der Sprachprozesse entwickelt Bourdieu diese Seite des Habitus. Noam Chomsky untersuchte das Sprechverhalten der Menschen und ist zu mehreren Ansichten gekommen. Das Wichtigste für das Verständnis des Habitus ist nach Bourdieu die Annahme, dass soziale Subjekte über ein System generativer Strukturen verfügen, die ihnen ermöglichen, unendlich viele Äußerungen zu erzeugen und damit auf jede mögliche Situation im Leben zu reagieren. Dies verhalf Bourdieu zur Konstruktion des Habitus als generative Grammatik.

Man muss im Zusammenhang mit Noam Chomsky klarstellen, dass Bourdieu von Chomsky nur diesen Ansatz übernahm und weiterentwickelte. Chomskys Annahme, dass Sprecher ihre persönliche Sprechweise von einer angeborenen Universalgrammatik ableiten, lehnte Bourdieu ab. Bourdieu definiert den Habitus als eine erworbene (nicht als angeborene) und als erfahrungsabhängige Konstruktion

Also Sprache, die ein bestimmtes System hat, innerhalb der mit ihr freie Konstruktionen erzeugt werden können. Bisher aus meiner Sicht keine so weltbewegende Einschätzung.

2a. Habitus und soziale Klasse: Mit der sozialen Klasse sind die vertikalen Ungleichheiten der Gesellschaft und die ungleiche Teilhabe der sozialen Subjekte an gesellschaftlichen Gütern gemeint. Man unterscheidet unter mehreren Kapitalformen, die für die Definierung der Klassen eine grundlegende Bedeutung haben. Es handelt sich um

  • ökonomisches Kapital,
  • kulturelles Kapital,
  • symbolisches Kapital und
  • soziales Kapital.

Mit dem ökonomischen Kapital sind die materiellen Ressourcen, über die ein soziales Subjekt verfügt, gemeint. Die akademischen Titel, erworbene Praktiken bilden kulturelles Kapital. Mit symbolischem Kapital sind Prestige und Anerkennung in der Gesellschaft gemeint. Die sozialen Beziehungen sind die Grundlage für soziales Kapital.

Also der Habitus bildet sich aus den Ressourcen, den akademischen Titeln als Zeichen von zum einen Intelligenz aber auch guter Ausbildung, den Praktiken, die jeweils bezeichnend für die jeweilige Klasse sind, mit Prestige und Anerkennung oder auch Ruhm oder Wertschätzung und schließlich die Beziehungen untereinander.

Meiner Meinung nach kann man das alles wesentlich präziser in einen evolutionär biologischen Zusammenhang darstellen. Ökonomisches Kapital sind auch hier Ressourcen, die Anzeigen, dass man sowohl die Möglichkeiten hat, sie zu besorgen als auch die Fähigkeiten, sie zu verteidigen, nachdem man sie erworben hat.

Kulturelles Kapital sind costly Signals für Intelligenz (eine Havardausbildung oder der Doktortitel sind gute Möglichkeiten die Qualität der eigenen Gene aufzuzeigen und werden auch beispielsweise von Geoffrey Miller in „The Mating Mind aufgeführt) und erworbene Praktiken sind Gruppenzugehörigkeiten zu einer Gruppe mit einem bestimmten Status. Prestige und Anerkennung sind ein Zeichen, dass man seinen Wert bereits früher unter Beweis gestellt hat oder zumindest aus einer Familie kommt, die dies getan hat also ein Anzeichen, dass auch andere von guten Genen ausgehen. Beziehungen untereinander stellen die Eingebundenheit in die Gruppe dar und sind damit ebenfalls ein Zeichen zum einen für den Einfluss innerhalb der Gruppe als auch für das Potential etwas in der Gruppe zu erreichen und nach oben zu kommen. Auch dies sind klassische Zeichen guter Gene.

Wenn eine Gruppe von sozialen Subjekten ähnliche Vorlieben vorweist und sich außerdem in ähnlichen sozialen Verhältnissen befindet, beobachtet man gewisse Gemeinsamkeiten. Diese gemeinsamen habituellen Strukturen sind nach Bourdieu für eine bestimmte soziale Klasse typisch. Diese gemeinsamen habituellen Strukturen bezeichnet der Begriff „Klassenhabitus“. Der klassenspezifische Habitus kann durch das Handeln der sozialen Subjekte, die einer Klasse angehören, rekonstruiert werden. Damit ist das Handeln der Klassenzugehörigen für andere Mitglieder der Gruppe leicht nachvollziehbar und erklärbar.

Die Klassen geben sich insoweit also bestimmte Rituale und Verhaltensweisen, die eine Zuordnung leichter machen. Das würde ich zum Teil auch so sehen. Man sollte allerdings auch nicht vergessen, dass bestimmte Verhaltensweisen auch bestimmte Möglichkeiten erfordern. Ein hoher Sprachschatz angereichert mit Fremdwörtern etc. setzt neben dem Zugang zu diesem Wissen auch eine gewisse Intelligenz voraus, ohne die der Sprachschatz meist nicht zutreffend eingesetzt werden kann.

Nun aber zum eigentlichen Thema des Blogs, dem Geschlecht:

2b. Habitus und Geschlecht: Mit dieser Strukturkategorie ist die Arbeitsteilung zwischen Frau und Mann gemeint. Diese gesellschaftliche Strukturierung ist in jeder Gesellschaft vorfindbar.

Diese gesellschaftliche Strukturierung ist in jeder Gesellschaft vorhanden, weil die Arbeitsteilung eines der Erfolgsmodelle der Evolution ist. Mit ihr wurde eine weitergehende Spezialisierung möglich, die auch notwendig war, da zum einen die Kinderbetreuung bei Menschen eine der aufwändigsten, wenn nicht die aufwändigste der Lebewesen ist und zum anderen der Mann sich damit weiterentwickeln konnte um sich für andere Aufgaben – intrasexuelle Konkurrenz, Schutz, Wettbewerb und Ressourcenbeschaffung über Jagd – zu spezialisieren.

Nach Bourdieu wird durch diese grundlegende Strukturkategorie der Gesellschaft das Herrschaftsverhältnis impliziert. Mit dem Verständnis von Zweigeschlechtlichkeit und mit der Hervorhebung der männlichen Herrschaft ist das Herrschaftsverhältnis in unserer modernen Gesellschaft besonders gut begreifbar.

Warum muss eigentlich jeder sofort in das Geschlechterverältnis ein eindeutiges Machtverhältnis hineindeuten, wenn die Beziehung der Geschlechter untereinander von einer gegenseitigen Beeinflussung bestimmt ist? Natürlich ist es einfach, eine männliche Herrschaft aufgrund der höheren Körperkraft und der häufig dominanteren Art herzuleiten aber das unterschätzt auch die Einflussmöglichkeiten der Frauen über Männer und deren Beteiligungen an der Ausgestaltung der Geschlechterverhältnisse.

Und auch da Herumhacken auf der Zweigeschlechtlichkeit ist aus meiner Sicht wenig nachvollziehbar, weil diese zwei Geschlechter nun einmal diejenigen sind, die sich evolutionär auswirken und auch den jeweiligen Hauptfall darstellen. Natürlich gibt es gewisse Mischfälle und fließende Übergänge, aber diese betreffen einen sehr kleinen Teil der Gesellschaft.

Die Zweigeschlechtlichkeit ist ein Unterscheidungsprinzip, das bei den Individuen von früher Kindheit an besonders ausgeprägt ist.

Was auch kein Wunder ist, da diese Unterscheidung einen starken biologischen Anteil besitzt

Diese Kategorie spielt eine große Bedeutung bei der Herausbildung des Habitus. Geschlechter sind als polare entgegengesetzte Kategorien, nicht wie ein Klassifikationssystem, konstruiert. Das geschlechtsspezifische Verhalten ist im Habitus besonders tief eingeprägt und beeinflusst intensiv das soziale Verhalten

Im Zusammenhang mit der Kategorie Geschlecht verwendet Bourdieu den Begriff der symbolischen Gewalt. Mit der symbolischen Gewalt ist eine mittelbare Form der Gewaltausübung gemeint. Charakteristisch für die symbolische Gewalt ist das nicht bewusste Einverständnis der Beherrschten (Frauen) gegenüber der herrschenden Ordnungsvorstellung. Beide Seiten, die Herrschenden (Männer) und die Beherrschten (Frauen), müssen dafür über ein Verhaltenssystem, über einen Habitus verfügen, in dem dieses Herrschaftsverhältnis eingeprägt ist.

Das klingt so ähnlich wie bei Foucault. Die symbolische Gewalt sind dort die gesellschaftlichen Regeln, die der Machtabsicherung dienen. Der Rest ergibt sich eigentlich schon aus den Grundlagen der Theorie.  Weil Frauen unterdrückt sind, muss über sie Macht ausgeübt werden. Deswegen muss es ein geheimnisvolle Macht geben, die es den Männern erlaubt, diese Macht aufrechtzuerhalten, ohne das die Frauen sich wirklich wehren. Die Begründung ist dann immer, dass der jeweilige Unterdrückte so in Regeln eingebunden ist, dass er nicht denken kann und deswegen die Regeln einfach akzeptiert.

Dabei gibt es eine viel einfachere Erklärung: Frauen sind einverstanden und es gibt keine geheimnisvolle Unterdrückung. Das Rätsel löst sich auf, wenn man berücksichtigt, dass Frauen anders sind als Männer und – natürlich nur im Schnitt – anderes wollen als Männer. Viel mehr Frauen als Männer wollen nicht in einem stressigen Wettbewerb stehen und um Status und Macht kämpfen. Sie bevorzugen es, wenn Männer diesen Wettbewerb unter sich ausüben und partizipieren an deren Früchten, in dem sie arbeitsteilig andere Arbeiten übernehmen, die Männer lieber ausführen wollen.

So muss man sich die Frage stellen, warum auch in unserer modernen Gesellschaft die Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann nicht vollkommen stattgefunden hat. Bourdieu erklärt dieses Phänomen damit, dass der Habitus so tief „verwurzelt“[1] ist, dass er die erlernten (patriarchalen) Verhaltensweisen und das geschlechtsspezifische Verhalten in der Praxis (oder besser in der Mehrzahl, den Praxen) des sozialen Lebens „vorstrukturiert“.[2] Dies führe dazu, dass die Frauen unbewusst die männliche Herrschaftsordnung akzeptieren und diese selbst wiederum aktiv reproduzieren.

Hier sieht man gut, dass im letztendlich die Antworten fehlen. Einfach auf eine tiefe Verwurzelung zu verweisen macht die Sache sehr einfach. Überall veränderten sich die Geschlechterrollen, Frauen sind Anwälte, Bundeskanzlerinnen oder Unternehmerinnen, aber der Habitus ist einfach ansonsten zu tief verwurzelt und das Schreckgespenst der patriarchalen Lebensweise hält die Frauen in Schach. Die Frauen fahren unbewußt auf dieser Linie und bekommen es gar nicht mit.

Es ist aus meiner Sicht eine sehr einfache Sicht der Dinge, die die Geschlechterrollen und die jeweiligen Vorteile und Nachteile, die sie jeweils haben eben so wenig berücksichtigt wie die verschiedenen Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Auch hier ist die Grundlage der Theorie die Gleichheit der Geschlechter, die durch die erlernten Vorstrukturierungen aufgehoben wird.

2c. Habitus und soziales Feld: Mit dem sozialen Feld ist die funktional-differenzierte arbeitsteilige Gliederung der Gesellschaft gemeint. Ein soziales Feld ist nach Bourdieu ein Kräftefeld, in dem die Beteiligten um Macht konkurrieren. Die Beteiligten versuchen, ihre Positionen und Repräsentationen durchzusetzen. Bourdieu vergleicht das soziale Feld mit einem Spiel. Jedes soziale Feld verfügt über eigene, für das soziale Feld typische Funktionsweisen mit spezifischen Grundsätzen. Für die Existenz eines sozialen Feldes ist die Identifizierung der Beteiligten mit diesem Funktionssystem wichtig – die Beteiligten machen es zu ihrem Beruf. Die spezifische Funktionsweise und die für das soziale Feld typischen Grundsätze sind bei den beteiligten sozialen Subjekten tief eingeprägt. Sie sind ihnen zur Natur geworden und werden im Habitus gespeichert.

Hier hat die Kultur einen starken Einfluss bei einem Spiel, dass sich aus der Natur ergibt. Wir kämpfen um Macht und soziale Anerkennung, weil wir im Herzen Primaten sind und als Gruppentiere die Position innerhalb der Gruppe ein wichtiges Merkmal für gute Gene ist. Die Regeln könnten dabei in den Kulturen verschieden ausgestaltet sein und unterliegen in der Tat einer starken Gewöhnung. Ein Stammeskrieger, bei dem man erst zum Mann wird, wenn man einen Gegner getötet hat, hat andere Vorstellungen von dem Spiel als jemand, der sich um eine gute Ausbildung bemüht, um dann eine hohe und gut bezahlte Position zu erhalten. Einer Frau des Typs Millionärsgattin mag hoher Status in einem eigenen Job mit vielen Überstunden weniger wichtig oder prestigeträchtig erscheinen als der Mann an ihrer Seite und die neuste Mode, die Einladung zu den wichtigsten Parties und das Gefühl gut in das soziale Leben eingebunden und von anderen wichtigen Leuten akzeptiert zu sein.

Im ganzen finde ich Bourdieu etwas „unterkomplex“. Er stellt gerade im Geschlechterverhältnis auf falsche Grundlagen ab.

Interessantes zu seiner Berücksichtigung im Feminismus:

Pierre Bourdieus Buch „Die männliche Herrschaft“ löste Ende der neunziger Jahre in Frankreich heftige Debatten aus. Feministinnen warfen ihm vor, er argumentiere einseitig und vernachlässige die Publikationen der Gender Studies. Vor allem, so der Einwand, zeige Bourdieu keinerlei Perspektive auf, um die männliche Herrschaft zu überwinden. (…)

Und nun gibt sich Pierre Bourdieu sogar als Theoretiker des Feminismus zu erkennen. In Die männliche Herrschaft träumt er von einer starken feministischen Bewegung – einer Bewegung, die sich einreiht in die Avantgarde der fortschrittlichen Kräfte. (…)

Deswegen nennt Pierre Bourdieu sein Vorgehen „objektive Archäologie unseres Unbewussten“ (S. 10). Ihr geht es um das Enthüllen von Machtmechanismen, die selbst an entlegendsten Orten Ähnlichkeiten aufweisen. Bourdieu versteht diese stillschweigenden Unterwerfungen als symbolische Gewalt: Es ist jene sanfte, für ihre Opfer unmerkliche, unsichtbare Gewalt, die im wesentlichen über die rein symbolischen Wege der Kommunikation und des Erkennens, oder genauer des Verkennens, des Anerkennens oder, äußerstenfalls, des Gefühls ausgeübt wird (S. 8). Die symbolische Gewalt findet Bourdieu in den Grundformen männlicher Herrschaft und weiblicher Zustimmung wieder. Sie manifestiert sich in einem System geschlechtlicher Unterschiede, die der französische Soziologe zu Konstanten menschlicher Verhaltensweisen erklärt. Was bedeutet es aber, wenn Bourdieu von Invarianz spricht? Findet man sie ebenso in den Sprach- und Verhaltenscodes der Kabylen und in denen westlicher Gesellschaften? Anders gefragt: Ist das konstante Schema, das Bourdieu für die Ausprägung männlicher Herrschaft verantwortlich macht, wirklich überall auffindbar? Als ein Schema, das dem Mann das Hohe, das Oben, das Gerade, das Trockene, das Harte, das Helle und das Öffentliche zuweist? Und entsprechend der Frau das Tiefe, das Unten, das Krumme, das Feuchte, das Weiche, das Dunkle und das Private? Es hat den Anschein, dass Pierre Bourdieu von einer traditionellen wissenschaftlichen Prämisse ausgeht: Er möchte zunächst eine idealtypische Geschlechterkonstellation aufzeigen. Diese ins Extreme verformte Konstellation männlicher Herrschaft und weiblicher Unterwerfung findet Bourdieu bei den algerischen Berbern, während er in den westlichen Gesellschaften die Entwicklung subtilerer Herrschaftsformen entdeckt. Diese Prämisse, die Annahme einer universellen Ausformung der geschlechtsspezifischen Gegensätze, lässt Bourdieu an eine Allmacht der Struktur glauben. Deswegen kostet es ihm einige argumentative Verrenkungen, den Gegenbewegungen den ihnen gebührenden Platz einzuräumen.

Das Problem des Feminismus ist also, dass bei Bourdieu ein Aussteigen schwierig ist. Er hat eine sehr starke Struktur, die sich nicht ohne weiteres umstürzen lässt.

Pierre Bourdieu erzählt den Ursprungsmythos der Kabylen. Er berichtet vom ersten Mann und der ersten Frau, von ihrer Begegnung an einem Brunnen und dem darauffolgenden Geschlechtsverkehr, bei dem die erfahrene Frau den unkundigen Mann in den Liebespraktiken unterweist. Bis zu diesem Zeitpunkt herrschte noch eine „verkehrte“ Welt vor, da die Frau die obere Position beanspruchte. Das sollte sich aber schnell ändern: Eines Tages sagte der Mann zur Frau: ‚Ich möchte dir auch etwas zeigen; ich weiß auch etwas. Leg dich hin und ich leg mich auf dich.‘ Die Frau legte sich auf den Boden, und der Mann legte sich auf sie. – Er empfand dasselbe Vergnügen und sagte zur Frau: ‚Am Brunnen bist du es [die das Sagen hat], im Haus bin ich es.‘ Im Kopf des Mannes sind es immer die letzten Worte, die zählen, und seither lieben es die Männer, auf die Frauen zu steigen. So kam es, dass sie die Ersten wurden und dass sie regieren müssen.

Auch ein erschreckend einfaches Weltbild. Die Sexposition entscheidet darüber, wer das sagen hat. Immerhin hätte das bei feministischen aufgreifen ja auch Vorteil, da unten liegen ja auch ganz bequem ist.

So oder ähnlich, meint Pierre Bourdieu, habe sich die männliche Herrschaft in allen Gesellschaften entwickelt. Ihr Gefüge ist deswegen so unerschütterlich, weil sie sich niemals rechtfertigen muss. Wird sie dennoch angegriffen, dann gilt dies als Verstoß gegen die Naturordnung. Gegen eine Ordnung, die biologische Geschlechtsunterschiede und gesellschaftlich sanktionierte Geschlechtsteilung zusammenschweißt. „Willkürliche Konstruktion des Biologischen“ (S. 44) nennt dies Bourdieu. Dass diese Konstruktion von den Beteiligten, von den Herrschenden und den Beherrschten, nicht durchschaut wird, liegt für Bourdieu an einem Verblendungszusammenhang. Um diesen fatalen Zusammenhang für alle durchschaubar zu machen, verlangt er eine „historische Archäologie des Unbewussten“ (S. 97). Historisierung des mythischen Verblendungszusammenhangs lautet Bourdieus Devise. Erst wenn erkannt wird, dass auch diese Herrschaft ihren Ursprung hat, dass die geschlechtsspezifischen Verhaltensweisen zu Instrumenten männlicher Herrschaftssicherung geworden sind – erst dann ist wirklicher Wandel möglich.

Also doch ein Ausstieg möglich. Es muss eben die Einsicht kommen, dass es alles auch anders geht. Insofern wäre Bourdieu sicherlich für den Feminismus sicherlich verwertbar. Aber auch hier wäre wohl eine Dekonstruktion vorzunehmen.

„Liebe Feministinnen, macht euch bitte mal locker und haltet junge Frauen nicht für doof.“

Farlion schreibt ausgehend von den rosa Kinderüberraschungseiern für Mädchen ein paar interessante Sachen zum Feminismus

Diese feministische Argumentation, Kinder würden durch Spielzeug und Farben in eine spätere Rolle gepresst ist in meinen Augen so ziemlich die hanebüchenste Erklärung, die es gibt. Im Gegenteil, Kinder aus elterlicher Überzeugung mutwillig von anderen Kindern abzugrenzen, das ist schädlicher für die Kinder, als jegliches angeblich rollenprägende Spielzeug.

Darüber hatten wir ja letztendlich auch in „Gleichmacherei im Feminismus“ diskutiert. Es ist eben als Kind nicht so einfach, sein Geschlecht nicht leben zu können, und eben auch dann, wenn man ein „heterosexuelle CIS-Kind“ ist. Hier kann eben der Wunsch, dass Kind von den Geschlechterrollen fernzuhalten, auch aus meiner Sicht mehr Schaden anrichten als damit eigentlich erreicht wird. Zumal Kinde eben letztendlich eh entweder einen Umweg finden (das heimlich Rauchen außerhalb des Elternhauses, das Umziehen in andere Klamotten, wenn man bei der Freundin ist, das Ausleihen der Spielzeugpistole bei einem Freund oder das Computerspielen dort) oder es sich eben wie auch in einer Anekdote von Farlion geschildert, indem man es dann später auslebt, wenn man erwachsen ist

Farlion beschreibt dann noch Diskussionen mit Feministinnen:

In diesen Diskussionen geht es oftmals ziemlich zur Sache, bis ich dann einen bestimmten Punkt anspreche: Die Frage nach der Kindheit besagter Feministinnen. Bei den meisten stellt sich heraus, dass sie selbst als Kind mit den sogenannten rollenprägenden Spielzeugen gespielt haben, in ihrer Kindheit die Farben Pink oder Rosa trugen und oftmals mit dem Puppenwagen oder Barbies gespielt haben. Auf meine folgende Frage, wie es denn sein kann, dass sie sich selbst heute als starke, emanzipierte Frauen sehen, ernte ich meistens die Antworten „Das kann man nicht vergleichen“ oder „Die Kinder heute sind leichter beeinflussbar“ oder die Diskussion wird mit einem schlichten „Das verstehst du als Mann nicht“ abgewürgt. Auch der Vorwurf, ich würde Äpfel mit Birnen vergleichen, fällt von Zeit zu Zeit.

Ja, das Gefühl habe ich auch mitunter. Es ist vielleicht ein „Ich mache das ja ganz reflektiert, da ist es was anderes“ bzw. eben die von ihm aufgeführten Argumente. Meiner Meinung nach zieht es auch viele Frauen zum Feminismus, die eher eine männlichere Ausrichtung haben und demnach tatsächlich eher mit anderen Sachen gespielt haben, aber der Gegensatz „Die anderen sind doof und erkennen nicht, in welchen Rollen sie festhängen und was eigentlich gut für sie ist, aber ich bin schlau und habe es erkannt“ ist schon häufig anzutreffen.

Die eigentlichen Gründe, aus denen heraus die Frauen früher eher nur Hausfrauen waren, werden dort so gesehen:

Was Mädchen schon früher in eine Rolle geprägt hat, das waren nicht die Spielzeuge oder die Farben ihrer Kleider, es waren Mädchenschulen, Benimmschulen für Mädchen, Hauswirtschaftsschulen für Mädchen, separater Schulunterricht für Mädchen und ähnliches.
Diese Dinge waren es, die Mädchen früher auf eine Rolle als Hausfrau und Mutter vorbereiteten und auch prägten. Diese Zeiten sind aber seit Mitte der 70er Jahre vorbei. Die wirklich prägenden Einflüsse sind weg und so brauchen viele Feministinnen ein neues Feindbild, selbst wenn sie ihre Kindheit mit den kritisierten Dingen verbracht haben, ohne Schaden dadurch zu nehmen und ohne jetzt in einer Rolle als Hausmütterchen gefangen zu sein.

Ja, die Wandlung der Rolle, die damalige Geschlechtertrennung mit fester Rollenzuweisung, ist heute in den allermeisten Fällen aufgehoben. Wir haben eine gewisse Chancengleichheit und auch Frauen planen nicht mehr die reine Hausfrauenehe, sondern wollen studieren, arbeiten und dann sicherlich auch irgendwann Kinder bekommen. Die Lebenspläne sind eben komplizierter geworden, das Muster aufgeweicht, die sozialkonstruktivistischen Regeln greifen nicht, sondern die Leute denken selbst nach, was sie wollen und wie sie das am besten umsetzen.

Eine schöne Passage dann auch später nicht in dem eigentlichen Artikel, sondern in den Kommentaren dazu:

Die eigentliche Prägung findet nicht im Kinderzimmer, sondern in der Schule statt. Das „rollenspezifische“ Spielzeug gab es schon immer. Trotzdem findest du immer mehr Frauen in Berufen und kaum noch Frauen, die ausschließlich Hausfrau und Mutter sind.
Dabei müsste es eigentlich umgekehrt sein. Die Zahl der geschlechtsspezifischen Spielzeuge ist seit den 70er Jahren massiv gestiegen. Würden die Behauptungen jener Feministinnen stimmen, die dieses rosa Ei kritisieren, hätten wir mittlerweile ein Heer von Hausfrauen und Müttern, unsere Politik würde nicht über einen Geburtenrückgang und die Zahl der Single-Haushalte klagen.
Junge Frauen sind heute nicht mehr dumm und naiv. Sie lernen u.a. in der Schule, dass sie ihren eigenen Weg gehen können. Und sie gehen ihn, das ist deutlich spürbar.

Auch das finde ich eine interessante Beobachtung, zu der natürlich leider die Daten etwas fehlen. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass heute mehr „rosa Spielzeug“ auf dem Markt ist als zu früher Zeit, weil Spielzeug eben auch immer mehr Auswahl bietet, und dennoch werden – da würde ich zustimmen – Frauen emanzipierter als früher. Man kann eben, wie Farlion anekdotisch darstellt, Rosa super finden und trotzdem eine Geschäftsfrau sein. Die Rollembilder sind hier eben weiter als der Feminismus das annimmt und umfassen eben heute die berufstätige, moderne emanzipierte Frau, die studiert und danach einen Job anfängt. Rollenbilder sind eben insoweit wandelbar und ob man Hausfrau wird macht sich nicht an der Farbe Rosa fest.

Aus dem gleichen Kommentar:

Wer das Ü-Ei kritisiert, der erklärt Mädchen und junge Frauen zu naiven Dummchen. Die „Ü-Ei-Feministinnen“ diskriminieren damit genau die, die sie doch angeblich vor Diskriminierung bewahren wollen. Einen größeren Faux pax kann man sich eigentlich gar nicht leisten.

Ich bin auch der Meinung, dass die sozialen radikalkonstruktivistischen Theorien dazu neigen den Menschen schlicht als Spielball der gesellschaftlichen Regeln zu sehen, innerhalb derer er keine Gestaltungsmöglichkeit mehr hat – ein sozialer Determinismus eben. Das liegt sicherlich auch daran, dass dort alles als ein Gruppenkampf um die Macht angesehen wird, so dass die Gruppeneigenschaften überwiegen und aus der Macht des anderen herrühren müssen. Um so starker die Einordnung in die Gesellschaftsnormen ist, um so gerechter erscheint der Kampf gegen diese.

Starke Frauen in Führungspositionen vs. zur Schwäche sozialisierte Frauen, die die Frauenquote brauchen

Ich habe mit @dieKadda, also Katrin Roenicke, eine Diskussion über Twitter geführt.

Sie hat argumentiert, dass die Piraten eine Quote bräuchten, weil die Vergangenheit gezeigt hat, dass es auch bei ihnen die Frauen nicht nach oben kommen, weil das Klima zu wettbewerbsorientiert ist.

Ich hatte auf die Grünen verwiesen, die zeigen, dass die Quote da ebenfalls nicht zu Veränderungen geführt hat, sondern immer noch nach Frauen gesucht werden muss und bei Wegfall der Quote wieder sinken würde.

Daraufhin verwies Kathrin darauf, dass die grünen Frauen eben auch noch entsprechend sozialisiert wären, sich weiblich zu verhalten und es eben ein langer Prozess wäre, man Vorbilder präsentieren müsse und das einige jahrzehnte lang.

An dieser Stelle habe ich dann nachgefragt, ob das gleiche dann nicht auch bedeuten würde, dass es wenig Frauen geben würde, die so sozialisiert sind, dass sie einen Vorstandsjob oder einen hohen Posten in der Wirtschaft ausüben können und wollen und man dann da dem Wettbewerb noch weniger entfliehen könne, weil es eben in diesem Bereich immer einen Wettbewerb zumindest mit anderen Firmenchefs gibt.

Aus meiner Sicht kann man schwer beides argumentieren:

Die Sozialisierung der Frauen in ihrer Frauenrolle macht jahrzehntelange Frauenquotenprogramme erforderlich, damit Frauen aus dieser Sozialisierung ausbrechen können.

und

Weibliche Führungskräfte stehen im gleichen Umfang wie männliche Führungskräfte zur Verfügung. Es beruht auf Diskriminierung, dass sie nicht nach oben kommen.

Denn die erste Auffassung schildert ja gerade eine Sozialisierung, die bei Frauen insgesamt wirkt und sie von wettbewerbsorientierten Jobs abhält, sie andere Jobs suchen läßt und damit genau diesen Mangel an Kandidatinnen erklären würde, auf den die Wirtschaft sich beruft. Eine weibliche Sozialisierung würde stets ein Ausbrechen aus dieser für die Übernahme solcher Jobs erfordern, was ein Risiko für den Arbeitgeber ist.

Die zweite Auffassung hingegen legt gerade dar, dass diese Sozialisierung von den starken Führungsfrauenkandidatinnen bereits abgeschüttelt wurde und diese quasi auf Abruf stehen.

Es ist letztendlich der Gegensatz zwischen einer Argumentation, die auf Schutzwürdigkeit der Frau aufbaut und diese daher als schwach und gefangen in einer starken, weiblichen Sozialisation gefangen ansieht und einer Argumentation, die auf Stärke der Frau abstellt, aus der gleiche Leistung angeboten wird, die bei einer entsprechenden Sozialisation nach der obigen Argumentation aber gerade nicht gegeben ist.

Die biologischen Theorien bieten hier darüber, dass es Normalverteilungen gibt, bei der bestimmte Frauen eben eher auf der wettbewerbsorientierten Seite Seite sind, eine eigentlich günstigere Variante, auf die sich Führungsfrauen berufen können. Es erlaubt auch schnellere Rollenwechsel als eine tiefe Sozialisierung zu „weichen weiblichen Eigenschaften“.

Wer darauf abstellt, dass Frauen auf eine bestimmte Art und Weise den fixen Gesellschaftsrollen unterliegen, die sie auf „das weibliche“ festlegen, der läuft erhebliche Gefahr, dass genau diese Sozialisierung dann auch ernst genommen wird und negativ angerechnet wird. Es verringert dann eben den Kandiatenpool an zur Verfühung stehenden Frauen für Jobs, die nicht der „weiblichen Sozialisierung“ entsprechen, deutlich.

Gegenmittel sind dann:

  1. Die Forderung, die Unternehmenskultur so zu ändern, dass sie zu einer weiblichen Sozialisierung passt (gerade an der Spitze eine schwer umsetzbare Forderung, da dort eben Wettbewerb mit der Konkurrenz herrscht)
  2. Die Sozialisierung zu ändern (was aber gleichzeitig den heutigen Frauen nicht mehr hilft und dann eben auch anerkennen muss, dass der heutige Kandidatenpool geringer ist).

An diesem Beispiel wird auch deutlich, dass Sozialisierungs-Theorien gegen biologischen Modellen mit fließenden Geschlechtergrenzen und lediglich Häufungen bei bestimmten Mittelwerten wesentlich essentialistischer und determinierter sein können.

Danach unterliegen dann eben ALLE Frauen einer bestimmten Sozialisierung, weil die gesellschaftlichen Normen, die weiblichen Identitäten, die Geschlechterrollen jeder einzelnen Frau kraft Phänoptyp zugewiesen werden und Druck auf sie in diese Richtung ausgeübt wird.

  • Wer von einer starken Sozialisation ausgeht, die Frauen und Männer betrifft, der muss auch gleichzeitig davon ausgehen, dass es eine geringere Individualität bezüglich dieses Sozialisationsaspektes gibt.
  • Wer von einer schwachen Sozialisation ausgeht, dem fehlt das Argument, warum Frauen sich nicht so leicht von dieser frei machen können.