Ein interessanter Artikel beleuchtet Teilzeitarbeit:
Jedes zweite Unternehmen in Deutschland kann nicht so arbeiten, wie es gerne möchte. Es fehlen zu viele Fachkräfte. Unserem Land droht der Wohlstandsverlust. Woran das liegt? Vor allem am schwachen Produktivitätswachstum, antwortet KfW-Volkswirt Martin Müller in einer Analyse, die sich mit dem Fachkräftemangel beschäftigt.
Seit 2012 erhöhe sich die Produktivität je Erwerbstätigen um lediglich 0,3 Prozent, sagt Müller. Dazu kommt, dass aus dem Inland immer weniger Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Bis zum Jahr 2035 müsste die Erwerbsquote der 15- bis 64-Jährigen von derzeit 79 auf 89 Prozent steigen, um die altersbedingt aus dem Berufsleben scheidenden Fachkräfte zu kompensieren, so die Rechnung des KfW-Volkswirtes.
Das wäre dann die Einleitung dazu, warum wir weniger Teilzeit brauchen. Und die nächste Grafik erläutert das:
Aber da sind wir wieder bei dem Problem, dass ein abstraktes Gruppenziel wie „Wir brauchen mehr Arbeitszeit qualifizierter Kräfte um unseren Wohlstand zu erhalten“ für den einzelnen und seine persönliche Lebensplanung relativ egal ist. Denn ihre Erhöhung der Arbeitszeit wäre ein so geringer Beitrag, dass dieser kaum ins Gewicht fällt, so dass es leicht fällt andere Punkte im eigenen Leben, wie Zeit mit den Kindern oder deren bessere Betreuung, höher zu gewichten. Dem kann man entgegen wirken, in dem man einen gesellschaftlichen Druck aufbaut mehr zu arbeiten und Teilzeit abwertet (etwa wie in der DDR) und das geschieht teilweise natürlich auch, hat aber Konkurrenz von dem Konzept der „Rabenmutter“.
Vor allem Frauen sind die stille Arbeitsmarktreserve, die mobilisiert werden müsste. Würden 2,5 Millionen erwerbstätige Mütter, deren jüngstes Kind unter 18 Jahre alt ist und die weniger als 28 Wochenstunden arbeiten, ihre Arbeitszeit um je eine Wochenstunde erhöhen, entstünden so bei einer Wochenarbeitszeit von 36 Stunden 71.000 neue Stellen. Dies hat das Baseler Beratungsunternehmen Prognos in einer Szenariorechnung ermittelt.
Wenn die Kinder älter werden, steigt die Erwerbstätigkeit der Frauen. Doch arbeiten nur 23 bis 26 Prozent der Teenagermütter in Vollzeit – 54 bis 57 Prozent sind in Teilzeit, 20 Prozent sind komplett aus dem Berufsleben ausgestiegen. Bei den Männern liegt die Teilzeitquote dagegen bei 12 Prozent. Von den 49 Prozent der Mütter, die im Schnitt in Teilzeit arbeiten, entscheiden sich nur 17 Prozent mit der großen Teilzeit für eine vollzeitnahe Wochenarbeitszeit von mehr als 28 Stunden.
Auch die Frage, wie lange man wegen der Betreuung der Kinder in Teilzeit arbeiten sollte ist ja durchaus interessant. Und sie wird vergleichsweise wenig gestellt. Wer eine Studie dazu kennt: ich wäre interessiert.
Ich baue mal zwei denkbare Positionen auf:
- ab einem gewissen Alter brauchen Kinder keine direkte Betreuung mehr. Sie können sich zur Not selbst etwas zu essen machen und man kann auch auf ein gemeinsames Essen am Abend ausweichen. In sofern kann die Mutter dann wieder Vollzeit arbeiten
- Bis die Kinder Abitur haben brauchen sie jemanden, der aufpasst, dass sie die Hausaufgaben machen, der ihnen durch die Wirren der Pubertät hilft, der sie empfängt, wenn sie aus der Schule kommen und bei dem sie was anständiges zu essen bekommen. Und natürlich haben sie auch noch außerschulische Aktivitäten, etwa in einem Sportverein, Musikunterricht und ähnliches. Dort muss sie jemand hinbringen und wieder abholen
Man könnte hier anführen, dass ein warmes Essen in der Schule und eine Betreuung, die nicht nur eine Aufbewahrung dort ist, sondern evtl für die Kinder interessante Aktivitäten umfasst, da zudem viele Freiräume schaffen könnte.
Die Grafik ist interessant:
Noch immer ist hier die Vereinbarkeit von Beruf und Familie der Knackpunkt. Ja, Deutschland hat Fortschritte gemacht: Viel mehr Frauen als früher stehen im Berufsleben. Ihre Arbeitskraft ist der Motor für den Anstieg der Erwerbsbeteiligung. Laut der KfW-Analyse ist die Erwerbsquote von Frauen von 1991 bis 2019 von 62 auf 74 Prozent gestiegen. Die der Männer dagegen stagnierte in dem Zeitraum mehr oder weniger bei 83 Prozent.
Aber: Der Trend zur Teilzeitarbeit hält an und schwächt die Wirkung der höheren Erwerbstätigkeit der Frauen ab. Laut der KfW-Analyse ist die jährlich geleistete Zahl der Arbeitsstunden je Erwerbstätigen vor allem durch die steigende Teilzeitquote in den vergangenen Jahrzehnten stetig gesunken. Könne es sich Deutschland als Gesellschaft und Volkswirtschaft leisten, Frauen aus der Voll- in die Teilzeit oder ganz aus dem Arbeitsmarkt zu drängen?, fragt etwa Timm Bönke vom DIW.
EU-Erhebungen zeigen, dass mindestens ein Viertel der Teilzeitbeschäftigten mit reduzierter Stundenzahl arbeiten, weil sie Kinder oder zu pflegende Angehörige betreuen. „Ein Großteil auch hoch qualifizierter Frauen arbeitet in Deutschland aufgrund von Fehlanreizen oder familiären Verpflichtungen oft in Teilzeit oder auf Arbeitsplätzen, deren Anforderungen unterhalb ihrer Fähigkeiten liegen“, konstatiert Müller von der KfW. „Viele verzichten deshalb auch komplett auf eine Erwerbstätigkeit.“
Zu dem fett markierten das Folgende: Ich kenne auch einige hochqualifizierte Frauen, die vorher in Unternehmen auf hohem Niveau gearbeitet haben und sich dann mit den Kindern eine andere Stelle gesucht haben, gerne im öffentlichen Dienst, in der sie weit weniger verdient haben, die aber dafür auch weit weniger Stress und Überstunden bedeutete. Sie haben den Schritt üblicherweise nicht bereut. Sie verdienen häufig immer noch gut, haben aber einfach viel mehr Zeit für andere Sachen.
Und natürlich ist es auch eine beständige Forderung in allen Bereichen Jobs „frauenfreundlicher“ zu machen und es gilt eher als Sexismus, wenn man sich dem entgegen stellt. Aber das bedeutet in der Regel auch, dass man die Möglichkeit für Teilzeittätigkeiten verbessern soll.
Auch das eine interessante Grafik. Sie bezieht sich auf Kinderbetreuung der unter dreijährigen die nur durch ihre Eltern betreut werden, also nicht in einen Kindergarten gehen. Die liegt in Deutschland sehr hoch, auch interessant, dass die Länder in der Mitte da geradezu einen gewissen Korridor bilden, während die südlicheren Länder alle deutlich niedrigere Zahlen haben. Die Niederlande mit 13,8% sind meine ich der Spitzenreiter. Ich schaue mir das vielleicht in einem anderen Artikel noch mal näher an, wie die das organisieren.
Generell stelle sich meist heraus, dass die Frauen sich im Vergleich zu ihrer Arbeitssituation vor der Kinderpause verschlechterten, stellt Eric Thode, Arbeitsmarktexperte der Bertelsmann Stiftung, fest.
„Teilzeit passt aus Sicht vieler Unternehmen nicht zu höherwertigen, spezialisierten oder verantwortungsvollen Tätigkeiten. Es gibt Anzeichen dafür, dass Führungspositionen sowie Spezialistentätigkeiten seltener in Teilzeit ausgeschrieben werden.“
Wäre interessant, wie das in anderen Ländern ist, aber es bringt aus meiner Sicht auch eine Vielzahl von Problemen mit sich.
Die Hebel, die es für eine Trendumkehr zu bewegen gilt, sind klar und jahrelang viel diskutiert: Kinderbetreuung und Pflege ausbauen, Fehlanreize im Steuer- und Transfersystem wie das Ehegattensplitting abbauen und die kostenlose Mit-Krankenversicherung von Ehegatten sowie die weitgehende Abgabefreiheit von Minijobs, die für Geringverdienende eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit höherer Stundenzahl unattraktiver machen, abschaffen.
Das ist der Nachteil von bestimmten Maßnahmen, die man einer bestimmten Gruppe zukommen lässt: Sie sind für Politiker schwer rückgängig zu machen, weil sie dann einen Aufschrei befürchten. Und natürlich kostet es auch schlicht Geld
- Kinderbetreuung und Pflege ausbauen
- „Fehlanreize“ im Steuersystem (da soll meine ich sogar etwas gemacht werden, die Steuerklassen 3 und 5 sollen verschwinden, wobei das ja nichts an der gemeinsamen Veranlagung und ihrer Steuervorteil ändert.
- Kostenlose Mitkrankenversicherung von Ehegatten: Wäre interessant zu wissen ob das andere Länder haben
- Minijobs: Da ist der Grad, bis zu dem im „Minibereich“ gearbeitet werden kann, gerade erhöht worden
Die Grafik zeigt nichts neues, wobei sie eben die Motivationen behandelt, aber nicht die Hindernisse, wie etwa der Wunsch der Frau die Kinderbetreuung zu übernehmen.
Auch eine Erhöhung der Vätermonate, die einen längeren Bezug des Elterngeldes garantieren, wird debattiert. „Empirisch lässt sich beobachten, dass sich Väter, die sich in der Elternzeit zu Hause länger engagiert haben, auch in späteren Phasen mehr bei der Hausarbeit und in der Betreuung einbringen“, sagt Thode von der Bertelsmann Stiftung.
Theoretisch ist es für den Arbeitsmarkt wahrscheinlich egal ob ein Mann oder eine Frau aussetzt, wenn man davon ausgeht, dass es üblicherweise der ist, der weniger Geld verdient.
Doch kritische Stimmen sehen hier die Gefahr eines Fehlanreizes, da Männer meist nur ein bis zwei Monate aus dem Berufsleben aussteigen, um sich das Maximum an Elternzeit und -geld zu sichern. Bönke vom DIW stellt die provokante Frage, ob die Gesellschaft hier nicht „übergriffig“ wird und sich in persönliche Entscheidungsprozesse einmischt: „Wollen wir wirklich, dass wir die Frauen, die beim Thema Elternzeit eher indifferent sind, durch staatliche Förderung weg vom Arbeitsmarkt locken?“
den Satz verstehe ich nicht. Vielleicht kann ihn jemand erklären.
Wie man sieht ist im Osten der Betreuungsanteil größer und der Wunsch auch noch größer. Aber insgesamt besteht ein ganz erheblicher Ausbaubedarf.
Der Bundeshaushalt lag um mal einen Vergleich zu haben 2022 bei 495,8 Milliarden, der Landeshaushalt NRW 2022 bei 94,7 Milliarden Euro.
Angesichts des aktuell herrschenden Notstandes in Deutschlands Kinderbetreuungsstätten – laut einer IW-Statistik rangiert die Branche auf Platz zwei der Berufe mit dem größten Arbeitskräftemangel in Deutschland – erscheint der eigentliche Bedarf der betroffenen Eltern ein hehrer Wunsch: Sie würden die aktuelle Betreuungsquote gerne von 34,4 Prozent auf 46,8 Prozent erhöhen.
Dieser Ausbau von Plätzen und Betreuungsqualität würde knapp 14 Milliarden Euro kosten. Die Realität sieht aber ganz anders aus: Befragt nach Maßnahmen gegen die Personalnot, geben 49 Prozent der Kitaleitungen in einer VBE-Umfrage an, dass sie die Öffnungszeiten reduzierten. Also eher noch weniger Betreuungszeit als mehr.
Eine interessante Frage, wo man mehr Kindergärtner herbekommt. Und natürlich auch die Frage: Kann man Teams mit Leuten verstärken, die keine formelle Ausbildung haben, aber gut mit Kindern umgehen können?
Auch eine interessante Grafik:
Frauen wollen eher für die Familie da sein und eher Kinder haben.
Männer wollen eher Erfolg im Beruf, hohes Einkommen, Starke Erlebnisse haben, einen sozialen Aufstieg und eher eine Teilnahme am politischen Leben.
Deutschland ist es noch immer nicht gelungen, die Kinder- und Betreuungsfrage von der Entscheidung der Eltern über die eigene wirtschaftliche Unabhängigkeit zu entkoppeln. Die Formel gilt leider noch immer: Je mehr Kinder, desto geringer das Lebenserwerbseinkommen von Frauen. Das zeigt eine Berechnung des DIW-Forschers Bönke.
Bei einer durchschnittlichen Geburtenrate von 1,5 Kindern pro Frau ist es demnach „normal“, dass Frauen im Lebensverlauf im Schnitt über 45 Prozent (1 Kind) oder 64 Prozent (2 Kinder) weniger Einkommen verfügen als Männer. Die Einkommensschere öffnet sich mit der Geburt. Denn gerade wenn die Kinder noch klein sind, betreuen viele Eltern selbst.
Klar, wenn Frauen weitaus geringere Stunden arbeiten ergibt sich daraus ein geringer Lebenseinkommen. Das ist wenig überraschend. Aber dann müsste man eben den Frauen in der Hinsicht diesen Weg schwieriger machen. Was auch politisch schwierig wird. Es wird immer so geframed als könnten Frauen nicht. Wenn Frauen allerdings gar nicht wollen wird man mit dem Ansatz nicht weit kommen.
Zudem haben Frauen, wenn sie in einer festen Partnerschaft mit einem Mann leben und die gemeinsamen Kinder betreuen ja Anteil an dessen Einkommen. Wenn die Eltern verheiratet sind, dann haben sie Unterhaltsansprüche, Zugewinnausgleichsansprüche, Rentenansprüche
So weit die volkswirtschaftliche Betrachtung. Kommen wir zur Lebenszufriedenheit. Zugegeben ist das eine schwer messbare, sehr subjektive Größe. Oft wird hier von Work-Life-Balance gesprochen. Doch ist diese Gegenüberstellung nicht unlogisch: Arbeit ohne Leben und Leben ohne Arbeit? Das Zitat von Nicola Leibinger Kammüller, der Vorstandsvorsitzenden des Maschinenbauers Trumpf, regt zum Nachdenken an: „Das klingt wie: Der Fron der Arbeit für das Geld, danach fängt das Leben an. Den Großteil des Lebens verbringt man aber bei der Arbeit. Man sollte sie so gestalten, dass sie Freude bringt.“
Das ist ein netter Ansatz. Und in der Tat wäre das ideal. Aber nicht arbeiten kann man eben noch viel leichter so gestalten, dass es Freude bringt. Und viele Arbeit lässt sich auch schwer so gestalten, dass sie eine Quell ewiger Freude ist.
Bei dieser Gestaltung von Leben und Arbeit sind vor allem auch die Arbeitgeber gefragt. Einmal mehr angesichts des herrschenden Arbeitskräftemangels. Denn die Beschäftigten sind in der Position, sich ihren Arbeitgeber auszusuchen: Die Hälfte der Väter in Deutschland hat für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf schon einmal den Arbeitgeber gewechselt oder denkt darüber nach, belegt eine Studie von Prognos im Auftrag des Bundesfamilienministeriums. Ein nicht unerhebliches Unternehmensrisiko, das es zu adressieren gilt.
Arbeitgeber können dazu beitragen, einen kulturellen Wandel in unserer Gesellschaft voranzutreiben. Sanofi bietet Müttern und Vätern seit Anfang 2022 beispielsweise an, für die 14 Wochen nach der Geburt die finanzielle Lücke zwischen dem auf 1800 Euro gedeckelten Elterngeld und des eigenen Gehalts zu schließen. Unternehmensangaben zufolge haben im Jahr 2022 94 Väter und 72 Mütter dieses Angebot genutzt.
Natürlich kann man das machen. Aber die Frage wäre ob diese Leute dann tatsächlich eher in Vollzeit arbeiten oder sich ansonsten nicht viel ändert.
Führungskräfte sollten Vorbilder für Vereinbarkeit sein und in ihrem täglichen Handeln die Lebenssituation betreuender Eltern oder pflegender Kinder berücksichtigen. Vereinbarkeit von Beruf und Familie sollte also in jährlichen Mitarbeitergesprächen auf der Agenda stehen. Auch bei Vätern und Söhnen. Laut der Prognos-Befragung ist dies aber nicht der Fall: Jeder zweite Vater gibt an, dass dies kein Thema sei.
Das ist dann immer ein merkwürdiger Umschwung: Einerseits sollen Frauen mehr Arbeiten, damit mehr Arbeiteskräfte zur Verfügung stehen. Und dann soll man seine Arbeitskräfte quasi anregen mehr mit der Familie zu machen.
Höchste Zeit, dass sich das ändert. Damit nicht nur die Frauen, die es als Mütter zurück an den Arbeitsplatz geschafft haben, gefragt werden: „Und wie schaffst du das mit deinen Kindern?“
Ein nettes Schlußwort. Und natürlich weiß man als Elternteil eine gewisse Flexibilität des Arbeitgebers zu schätzen. Es kann zB einfacher sein das Kind mal mit auf die Arbeit bringen zu dürfen, wenn man keine Betreuungsmöglichkeit hat als sie deswegen ausfallen lassen zu müssen. Aber das geht ja auch nicht in jedem Bereich.