Soziobiologie (Besprechung von Elmars Artikel, Teil 1)

Elmar hat eine kurze Zusammenfassung über Thesen aus der Soziobiologie geschrieben, die sich für eine Besprechung anbietet, weil in ihr eine Vielzahl von Problemen aufgeworfen werden und auch einige typische Verständnisproblemeauftauchen.

Niemand will wertvolle Zeit damit verschwenden, sich mit dummen und falschen Ideen auseinander zu setzen, aber dennoch muß man verstehen, was der Gegner behauptet. Und dafür reicht es in der Regel nicht, ihm zuzuhören: Bedauerlicherweise gehört die Soziobiolgie, deren Verzerrungen den Biologismus hervorgebracht haben, in weiten Teilen des Maskulismus zum Standard – was auch daran liegt, daß es z.B. in Sachen Geschlechterrollen an anderen Alternativen zum Feminismus fehlt. Der post referiert lediglich in kompakter Form, was es zu wissen gibt.

Dass sich die Soziobiologie immer mehr durchsetzt liegt nicht daran, dass es keine Alternativen gibt, sondern eher daran, dass sie einfach gegenwärtig die Theorie ist, die wissenschaftlich am besten belegt ist.

 Das soziobiologische Paradigma

1948 wurde anläßlich eines interdisziplinären Symposiums in New York nach Verbindungslinien zwischen den verschiedenen. verhaltenserklärenden Disziplinen gesucht und dabei die Idee einer Soziobiologie geboren, die durch vergleichende Arbeiten Verhaltensgesetzmäßigkeiten finden sollte, welche für alle Lebewesen gültig sind. Das erste bahnbrechende Buch dazu war Sociobiology – The New Synthesis (1975) des Zoologen E. O. Wilson, der behauptete, daß die menschlichen Sozialstrukturen im wesentlichen den tierischen isomorph und selbst das Moralverhalten auf evolutionäre und genetische Grundlagen zurückzuführen seien. In On Human Nature (1978) hat er seine Thesen weiter ausgebaut.

Wilson hat einiges an Aufsehen mit diesem Buch erreicht und er wurde für seine Thesen, die viele aufgrund der biologischen Kränkung als einen Angriff auf das Besonere des Menschen sahen, stark angegriffen. Dabei ist der Gedanke eigentlich recht schlicht und liegt auf der Hand: Wenn wir durch Evolution entstandene Wesen sind, dann müssen wir viele Parallelen zu unseren Verwandten, also zu anderen Tieren bei uns finden. Wilson zeigte sie in seinem Buch systematisch auf und das erstchreckte die Leute. Wie jeder weiß, der solche Theorien vertritt, ist das auch noch heute der Fall. Es beängstigt Leute, wenn man ihnen das Tierische im Menschen zeigt und zeigt, dass viele Strukturen noch vorhanden sind, sie fallen uns nur nicht so stark als die gleichen tierischen Strukturen auf, weil wir uns über diesen stehend sehen.

Die Soziobiologie sieht sich danach selbst als eine genetische Theorie des Verhaltens und damit als Subdisziplin der Verhaltensbiologie (siehe: T. Weber, Soziobiologie, 2003). Sie beruht auf der Annahme, daß das Sozialverhalten eine wesentliche Rolle in den Selbsterhaltungs- und Fortpflanzungsbemühungen der einzelnen Organismen spielt, und daher der optimierenden Kraft der natürlichen Evolution unterliegt – weshalb die Evolutionsbiologie der größere Rahmen für die Soziobiologie ist.

Es ist eigentlich erstaunlich, dass diese Theorie so viel Widerstand hervorruft. Wir sehen für eine Spezies typisches Verhalten bei allen Tieren und akzeptieren dort weitestgehend, dass es dort Biologie und allenfalls zu einem geringen Teil Kultur ist. Einem Tier nicht zu ermöglichen, dass es „seiner Natur nach“ lebt, gilt als grausam genau aus diesem Grund. Uns ist auch bewusst, dass an diese Natur durchaus kulturell formen und ausgestalten kann, was zum Beispiel bei jeder Zirkusnummer mit Löwen geschieht, bei denen der Dompteur als das neue Alphamännchen das Rudel übernimmt und von den anderen bestimmte Handlungen aufgrund dieser Rangfolge und aufgrund von Belohnungen verlangt.

Wir sehen viele Verhaltensweisen, die wir auch bei uns feststellen können, bei Tieren und ordnen sie da recht unproblematisch der Biologie zu. Ein wirklicher Grund dafür, dies dann nicht auch beim Menschen zu machen, besteht nicht.

Die Annahme, dass Verhalten ihr Grundlage in der Biologie hat, ist auch keine rein theoretische. Sie wird in vielen anderen Bereichen der Biologie und auch der Medizin bestätigt. Die Verhaltensgenetik beispielsweise hat über beispielsweise Zwillingsstudien oder Adoptionsstudien entsprechendes herausgefunden und in der Medizin haben gerade eine Vielzahl von „Sonderfällen“ wie beispielsweise auch CAH-Mädchen vieles zum Verständnis der Biologie des Menschen beigetragen und auch deutlich gemacht, dass hier die gleichen Modelle angewendet werden können, die man auch bei anderen Tieren vorfindet.

Die Selbsterhaltung und die Fortpflanzungsbemühungen als wesentlichen Faktor anzugeben ist dabei etwas irreführend. Denn oberster Grundsatz ist eben, worauf Elmar auch später noch eingeht, die Weitergabe der Gene in die nächste Generation bzw. in viele weitere Generationen. Evolution spielt sich nur dann ab, wenn es um genetische Faktoren geht, die diesen Umstand betreffen. Selbsterhaltung ist damit kein absoluter Faktor, sondern steht in einer gewissen Konkurrenz mit anderen günstigen Faktoren: Es kann sich zwar nur fortpflanzen, wer lebt, aber vorsichtig zu sein kann einem andere günstige Chancen nehmen. Ebenso ist daher „Fortpflanzungsbemühungen“ ein ungünstiges Wort, weil das Verhalten nur dann relevant ist, wenn es auf genetischen Faktoren beruht oder wenn es zu einer Konkurrenz führt, die einen genetischen Selektionsdruck hervorbringt.

Die Folge ist, daß der Umstand, daß viele Lebewesen in Gruppen leben und ein gruppenspezifisches Verhalten entwickeln, ebenso wie das Verhalten der Individuen nach nichts weniger als einer Erklärung durch natürliche Kausalrelationen verlangt – ohne jedoch einem genetischen Determinismus zuzustimmen, emergente Phänomene zu leugnen oder dem Reduktionismus zuzustimmen.

Elmar hat leider die Tendenz zu solchen Sätzen, bei denen er Behauptungen aufstellt, die seiner Theorie dienlich sind und die bestimmte Richtungen für diese Theorien vereinnahmen, ohne sie wirklich zu begründen. Er arbeitet sehr stark mit einem Gruppendenken, welches nahezu alle seine Ausführungen durchzieht. Auf der einen Seite seine Theorien, die er unter immer neuen Namen vertritt, sei es der fundamentalistische oder der analytische Maskulismus, auf der anderen Seite die, die keine Ahnung haben und deren Theorien mit der Wahrheit unvereinbar sind, beispielsweise die Maskulisten. In seiner Darstellung sind die tatsächlichen Wissenschaften immer auf seiner Seite, stellt man dar, dass diverse Ansichten anderer Wissenschaftler nicht mit seinen Auffassungen in Einklang zu bringen sind, dann werden auch diese zu den Bösen.

Man sieht das beispielsweise an der Weise, wie er Dawkins in diesem Text darstellt. Momentan scheint mir Elmar in der Biologie auf der Suche nach etwas zu sein, was er in dieses Schema einordnen kann. Mitunter scheint er mir dabei schlicht nach „Gegenstimmen“ zu der in der Biologie etablierten Meinung zu suche, deren Gegenargumente er verwenden kann. Eine wirkliche Beschäftigung mit diesen Meinungen und ein wirklicher Abgleich, welche seiner Positionen er aufgeben müsste, wenn er sich auf diesen neuen Weg begibt, scheint er mir dabei nicht vorzunehmen, er greift eher bestimmte Argumente heraus, die er dann stichwortartig entgegenhält ohne sie wirklich darzustellen oder ihre Stellung in der Diskussion zu ermitteln, also sich wirklich damit zu beschäftigen, was für und was gegen sie spricht. Einige von ihnen tauchen auf, man bringt die Gegenargumente, und man hört nie wieder von ihnen. Das Neueste war das nur angedeutete Argument zur Anzahl der Gene. Das die andere Seite darauf bereits erwidert hatte, dass es ein eher schwaches Argument ist, dass alles interessiert ihn gar nicht oder hindert ihn jedenfalls nicht daran, dass Argument entsprechend als absolutes Argument darzustellen. Das ist in gewisser Weise ein Vorteil seiner Texte, weil es mir so Material bietet, bestimmte Punkte klar zustellen, es macht Diskussionen mit ihm aber sehr mühsam, weil eine Vielzahl seiner Argumente eben nur angedeutet werden und er selbst sie nie ausführt. Es kommen nur vage Andeutungen, dass beispielsweise „das X-Projekt das bereits widerlegt hat“, die auch auf Nachfrage nicht weiter ausgeführt werden.Weitere typische Elemente sind Sätze wie der Satz oben, die folgenden Schema folgen „Es ist hier so und so, was die von mir dargelegten wichtigen Grundsätze nicht verletzt“. Eine Begründung, warum diese wichtigen Grundsätze hier unangetastet bleiben, kommt aber nicht. Dabei wäre es in vielen Fällen durchaus interessant: Mir beispielsweise ist keineswegs klar, wie Elmar diese Prinzipien in der Soziobiologie eingehalten sieht.

Der Soziobiologie geht es beispielhaft um folgende Fragen:

Welche Vorteile z.B. haben die Arbeitsteilung im Insektenstaat und der Verzicht fast aller Mitglieder auf eigene Fortpflanzung? Wie kommt es, daß die Individuen einer Gruppe in oft erstaunlichem Maße kooperieren und einander helfen, gleichzeitig aber auch wiederholt in Konflikte miteinander geraten? Warum überhaupt schließen sich Individuen vieler Arten zu Gruppen zusammen, während Individuen anderer Arten als Einzelgänger leben?

Das sind in der Tat sehr spannende Fragen, auf die aus meiner Sicht die Evolutionsbiologie die besten Antworten gefunden hat.

Das Erkenntnisinteresse von Soziobiologen richtet sich auf die Aufdeckung derjenigen Kausalfaktoren und ihrer dynamischen Wechselbeziehungen, die für die Ausprägung jeweils spezifischer sozialer Verhaltenstendenzen verantwortlich sind. Aber die Aussagen der Soziobiologie sind im wesentlichen Wahrscheinlichkeitsaussagen: Soziobiologen behaupten nicht, daß sich jedes Lebewesen stets exakt nach einem bestimmten Muster verhalten muß, sondern daß es sich unter gegebenen Randbedingungen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit so-oder-so verhalten wird.

Natürlich ist mit steigender Intelligenz von Lebewesen und je nach Handlung auch immer weniger eine Berechenbarkeit tatsächlichen Verhaltens gegeben. Was schon daran liegt, dass in einem Red Queen Race zwischen Jäger und Gejagtem eine absolute Berechenbarkeit ein entscheidender Nachteil wäre. Gleichzeitig sind Verhaltensspielräume vieler Insekten naturgemäß eingeschränkt. Sie haben bereits nicht die nötige Rechenleistung für „raffiniertere“ Gedanken.

Die Soziobiologie erhebt den Anspruch, tiefere stammesgeschichtliche Wurzeln und genetische Dispositionen im menschlichen Sozialverhaltens als letztbegründende Antwort auf grundsätzlichen Fragen nach dem Warum-überhaupt des menschlichen Verhalten aufzudecken – und erfüllt auf diese Weise metaphysische Sehnsüchte.

Die Erfüllung gewisser Sehnsüchte bedeutet allerdings nicht, dass die Theorien nicht zutreffend sind.

Denn der Soziobiologie geht es nicht um die Mechanismen der Verhaltenssteuerung und der Verhaltensentwicklung, die proximaten Ursachen des Verhaltens, sondern um die Funktionen von Verhaltensweisen oder ihre biologischen Angepaßtheit an evolutionäre Unabhänderlicchkeiten, die ultimaten Ursachen.

Ich finde die Abgrenzung da gar nicht so einfach: Natürlich sind evolutionäre Anpassungen unseres Denkapparates auch Mechanismen der Verhaltenssteuerung. Weil unser Gehirn auf eine bestimmte Weise aufgebaut ist und arbeitet, denken wir auch auf eine bestimmte Weise und Verhalten uns auch auf eine bestimmte Weise. Die Entschlüsselung, wie überhaupt ein bestimmter Gehirnaufbau unser Denken beeinflusse kann und wie das Gehirn in diesem Zusammenhang funktioniert, ist dann sicherlich wieder Gegenstand anderer wissenschaftlicher Disziplinen, wie etwa der Neurobiologie. Und natürlich kommt auch aus dieser ein Feedback zu evolutionären Theorien und ein besseres Verständnis der Neurobiologie wird uns auch eine Verfeinerung biologischer Theorien ermöglichen.

Natürlich muss man aber bei dem Verständnis von menschlichen Verhalten auch seine Funktion beziehungsweise seinen evolutionären Vorteil ermitteln, wenn man diese aus Sicht der Evolutionsbiologie betrachtet. So hat beispielsweise das menschliche Streben nach Status verschiedene Funktionen: Etwa die Reduzierung von internen Kämpfen durch Errichtung einer Hierarchie, die eine Einschätzung des anderen ermöglicht ohne ihn direkt angreifen zu müssen. Oder das Signalisieren wichtiger Eigenschaften, die einen auch als Verbündeter oder als Sexualpartner interessanter machen. Oder auch nur die Möglichkeit Ressourcen zu sichern, die einem aufgrund des Platzes in der Hierarchie eher zufallen. Aus dieser Funktion ergeben sich Handlungsmotivationen, die Thesen zu erhöhten Wahrscheinlichkeiten für bestimmtes Verhalten ermöglichen. Beispielsweise wird eben Signalling einer hohen Position bei Männern in der Anwesenheit interessanter Frauen eher zunehmen.

Diese metaphysischen Wünsche der Soziobiologie schlagen sich in ihrer Sichtweise auf das Verhältnis von Evolution und Individuum wie folgt nieder:

Hier wird es etwas konkreter:

methodologischer Individualismus: Das zentrale Problem aller Organismen ist das eigene, genetische Überleben. Es geht nicht um die evolutionäre Erhaltung der eigenen Art oder der eigenen Gruppe (i.e. eine früher verbreitete These der Gruppenselektion vgl. V. Wynne-Edwards: Animal Dispersion, 1962), sondern um die reproduktive Eignung jedes einzelnen Individuums nach einer evolutionären Kosten-Nutzen-Kalkulation – und zwar ohne Rücksicht auf die Konsequenzen für die eigene Art oder Gruppe: Individuen, nicht Gruppen bilden in den Augen der Soziobiologie die Angriffsziele der natürlichen Selektion.

Richtig ist, dass das „egoistische Gen“ der Ausgangspunkt der Überlegungen ist und damit auch das Individuum eine wesentlich höhere Bedeutung bekommt. Die Weitergabe von Kopien der eigenen Gene, sei es über einen selbst oder durch Verwandte, ist der Weg über den Evolution stattfindet. Dazu habe ich auch bereits einiges ausgeführt ARTIKEL ERGÄNZEN

Es wäre hier sogar noch etwas präziser zu sagen, dass nicht Individuen, sondern die Gene des Einzelnen das „Angriffsziel“ bilden, denn ein Mensch kann einem beliebigen Selektionsdruck unterliegen, stellt sich bei seinen Genen keine Mutation ein, die selektiert werden kann, dann wirkt sich dieser schlicht nicht aus. Erforderlich für eine evolutionäre Veränderung ist damit zunächst eine Mutation in einem Gen, die Vorteile bietet, aufgrund denen das mutierte Gen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit weiter gegeben wird. Das macht auch deutlich, warum eine Selektion immer bei einem Gen ansetzen muss, also bei einem Individuum.

Richtig ist, dass Gruppenselektion in der Hinsicht nur eine Rolle spielt, wenn sie eine Folge des egoistischen Genes ist. Ein Gen, welches eine unkontrollierbare Mordlust gegenüber jedem Mitglied der eigenen Spezies zur Folge hätte, würde eine sehr geringe Chance haben, sich im Genpool anzureichern und damit eher eine negative Selektion erleben. Ein Gen für Zusammenhalt und Zusammenarbeit hingegen kann, wenn man einer Ausbeutung vorbeugt, durchaus für den Genträger selbst Vorteile bieten, die dazu führen, dass dieses Gen sich im Genpool anreichert. Ein egoistischen Gen kann daher höchst soziale Geschöpfe hervorbringen.

Organismen sind zwar Träger evolutionärer Angepasstheiten, nicht aber deren Nutznießer, denn der evolutionäre Nutzen phänotypischer Angepasstheit zeigt sich im Replikationserfolg der Erbinformation und nicht etwa unbedingt im Wohlergehen der Individuen oder gar Gruppen oder ganzer Arten (siehe E. Voland: Grundriss der Soziobiologie, 2013 p.10).

Hier stellt sich bereits die Frage, wie man „Nutznießer“ definiert. Natürlich ist ein Organismus mit einer Mutation, die ihm erlaubt beispielsweise als Beutetier schneller zu laufen durchaus der Nutznießer. Ebenso vielleicht ein Mensch, der eine Mutation hat, die ihn intelligenter macht und ihm erlaubt in der Gruppe aufzusteigen und soziale Vorteile zu erlangen. Allerdings hat evolutionär gesehen das Leben keinen Sinn, Mutationen treten zufällig auf und Selektionen sind die zwangsläufige Folge des Systems der Vererbung innerhalb einer Konkurrenz. Ob ein Mensch ein gutes Leben hat ist einem zufällig stattfindenen Prozess mit nachfolgender Selektion mangels Bwußtsein egal, allerdings ist das Überleben der Art genauso egal. Das Überleben der Art spielt allerdings in dem Selektionsprozess eine geringe Bedeutung, weil die Selektion schlicht nicht in die Zukunft schauen kann und daher zB bei einer Überweidung auf einer Insel nicht einplanen kann, dass man zum Wohle der Art anders handeln sollte. Evolutionär setzt sich durch, was weiterhin eigene Gene in die nächste Generation bringt, eine Selektion zugunsten fremder Gene, seien sie auch innerhalb der selben Art, ist bereits als Prozess letztendlich nicht darstellbar. Wie sollen Gene dafür angereichert werden?

Ein klassisches Beispiel dazu wäre eine Mutation zu einem „perfekten Menschen“, die aber Sterilität zur Folge hat. Selbst der glücklichste Mensch könnte (abseits der Verwandtenselektion) damit nur eine (seine eigene) Generation weit kommen.

Diese Idee, daß der Erfolg eines Gens in der Evolution nicht davon abhängt, daß es seinem Träger nützt, sondern nur davon, daß es sich selbst nützt, geht bereits auf ein paper von 1964 von W.D. Hamliton zurück und wurde von ihm voll entwickelt in Selfish and Spiteful Behaviour in an Evolutionary Model (1970). Diesen methodologischen Individualismus haben die Verhaltensökologie nach N. Tinbergen und die Evolutionspsychologie nach J. Bowlby übernommen (Smith & Borgerhoff Mulder & Hill: Controversies in the evolutionary social sciences: a guide for the perplexed. in: Trends in Ecology & Evolution, vol.16 pp. 128– 135).

Der Gedanke ist aus meiner Sicht absolut zentral für die Evolutionsbiologie und taucht insoweit bereits bei Darwin auf, wenn er auch mangels Gene als solche noch nicht kannte. Die Kombination der Evolutionsbiologie mit der Kenntnis von Genen erlaubte dann ein wesentlich besseres Verständnis der dabei stattfindenden Vorgänge und ein besseres Verständnis, dass dies die Informationen sind, die weitergegeben werden und damit sie Basis darstellen, die wichtig ist. Der Gedanke, dass es lediglich die Gene sind ist denke ich für viele im Grundsatz klar, wenn man die genaue Bedeutung aber häufig noch einmal bewußt machen muss:

Es bedeutet, dass das Leben und deren persönliche Errungenschaften des Einzelnen sich nur sehr eingeschränkt auswirken: Der Sohn eines sehr starken Schmiedes wird nur dann ebenfalls eine Veranlagung zur Stärke haben, wenn der Schmied diesen Beruf seinerseits ergriffen hat, weil er eine genetische Veranlagung für körperliche Stärke hat. Hat er sie sich schlicht hart erarbeitet ohne das sonstige Faktoren genetischer Art hier mit hineinspielten, dann fängt der Sohn erneut bei Null an und muss es sich ebenfalls erarbeiten.

Soweit ist das erst mal eine naturwissenschaftliche These zum Verständnis der Evolution und sie ist von evolutionsbiologischer Seite auch unter Feuer genommen worden z.B. von D. S. Wilson, S. J. Gould, R. Lewontin und E. Sober. Damit ist belegt, daß die wichtigen Grundgedanken der Soziobiologie schon da waren, bevor der bei Tinbergen promovierte Dawkins ab 1976 begann, popularisierte Entstellungen der Soziobiologie als Biologismus in die Welt hinaus zu posaunen.

Es sind für mich solche Wertungen, die Elmars Texte vergleichsweise schlecht machen. Elmar hat erkannt, dass er die Ausführungen von Dawkins nicht mit seiner Meinung in Übereinstimmung bringen kann und damit müssen sie für ihn inhaltlich schlecht sein. Auf eine saubere Abgrenzung inwiefern bestimmte Gedanken zu Genen als wesentlichen Bezugspunkt „popularisierte Entstellungen“ sind oder wie sich die Ausführungn von Dawkins von anderen Vordenkern unterscheiden (die ja Dawkins auch ausführlich in „Das egoistische Gen“ in Bezug nimmt) verzichtet er und ich bezweifele, dass er sie vornehmen kann oder die Unterschiede wirklich durchdacht hat. Denn in vielen Bereichen sind die Unterschiede von zB Gould zu Dawkins marginal und beide stimmen in vielen Bereichen überein, die Elmar ebenso ablehnen würde.

Für Elmar reicht das wahrscheinlich,um Dawkins damit als „widerlegt“ anzusehen. Tatsächlich angeführt hat er lediglich, dass es hier einen wie auch immer aussehenden Unterschied in der Auffassung gibt ohne irgendwie inhaltlich geworden zu sein.

Die analoge Übertragung des methodologischen Individualismus auf die Kognition durch Dawkins Mem-Begriff wird u.a. von Scott Attran kritisiert.

Der Meme-Begriff ist aus meiner Sicht auch auch eine separate Theorie von Dawkins, mit dem er evolutionäre Prinzipien der „Informationsweitergabe“ auch abseits von Genen andenkt. Es geht dabei darum, dass auch erdachte Theorien sich leichter verbreiten, wenn sie Eigenschaften haben, die ihre Weitergabe in das nächste Gedächtnis erleichtern. Das zeigt sich beispielsweise bei Reimen oder bei Geschichten, die uns interessierende Inhalte haben: Es ist das ewige Problem, dass wir uns den Inhalt unsere Lieblingssoap leichter merken können als den Zitronensäurezyklus oder andere relativ abstrakte Sachinformationen. Sie hat mit eigentlicher Evolutionbiologie schlicht nichts zu tun und ist davon ohne Probleme zu trennen. Eine Kritik dieser Gedanken bleibt damit ohne Auswirkungen auf Dawkins restliches Werk. Wer den Mem-Begriff nicht kennt mag aufgrund der Schreibweise von Elmar hier eine fundierte Kritik vermuten, die etwas mit der Sache zu tun hat, was allerdings nicht der Fall ist.

Damit stellt sich die Frage, wie die Evolutionstheorie den Übergang in die Sphäre des Sozialen schaffen kann und

die Soziobiologie löst diese Aufgabe wie folgt:

Die Evolutionsbiologie schafft zunächst den Sprung in das soziale, indem darauf abgestellt wird, dass unser Gehirn ebenso ein Produkt der Evolution ist und die Art und Weise, wie es arbeitet ebenfalls dazu dient die Weitergabe der Gene in die nächste Generation zu ermöglichen. Das ist ein Gedanke, den wir unterhalb der Menschenebene auch ohne Probleme akzeptieren.

Ein Beispiel dazu:

Löwen leben in Rudeln, bei denen auf viele Weibchen üblicherweise ein Männchen, mitunter auch 2, häufig Brüder, kommen. Diese schirmen das Rudel der Weibchen gegen andere Männchen ab, Monopolisieren also die Weibchen. Demnach kann eine Genweitergabe nur dann erfolgen, wenn ein Männchen sich in der Konkurrenz durchsetzt. Da er sich in ständiger Konkurrenz befindet und täglich ein stärkerer Löwe ihn von „seinem“ Weibchen verjagen könnte muss er sich so schnell wie möglich fortpflanzen. Da aber stillende Weibchen nicht fruchtbar sind lohnt es sich für Löwen ein Verhalten zu entwickeln, bei dem er Löwenkinder anderer männlicher Löwen tötet. An diesem Beispiel kann man wunderbar durchspielen, ob man Evolutionsbiologie verstanden hat:

Es kann zweifellos ein Nachteil für die Art sein, wenn Löwenkinder getötet werden, die ansonsten gesund sind und sich ihrerseits fortpflanzen könnten. Eine Gruppenselektion würde wohl eher gegen in solches Verhalten arbeiten.

Es ist gleichzeitig für die Genweitergabe beim männlichen Löwen ein großer Vorteil, dass er auf diese Weise handelt, auch wenn es ebenso ein großer Vorteil für ihn wäre, wenn andere männliche Löwen nicht auf diese Weise handeln würden. Weil es aber auf seine Gene ankommt und das Handeln der anderen männlichen Löwen einsetzt, wenn er von einem Rudel vertrieben ist und damit ein Verzicht keine Vorteile für ihn bringt, erfolgt eine Selektion eher auf die egoistischen Interessen des jeweiligen Löwen. Dieser muss also insoweit lediglich die Kosten für die Mutter einkalkulieren, die sich in einer Gegenwehr niederschlagen, die für ihn gefährlich sein kann. Denn ihren genetischen Interessen muss es keineswegs entsprechen, wenn Löwenkinder, in die sie bereits Ressouren investiert hat, sterben. Allerdings sind männliche Löwen auf Kampf untereinander selektiert und weibliche Löwen weitaus weniger und bei Jagd etc könnte sie ohnehin die Jungen nicht dauerhaft beschützen. Zudem setzen (wahrscheinlich auch deswegen) Löwen auf einen vergleichsweise hohe Wurfzahl mit kurzer Tragezeit. Eine Selektion darauf, dass eher die Kinder früh lernen sich gut zu verstecken ist damit . effektiver und da es nur einen männlichen Löwen (evtl zwei, aber sie nehmen sich nichts) im Rudel gibt und der nächste ebenso mörderisch sein wird lohnt es sich auch nicht ihm böse zu sein und ihn zu meiden.

Hier werden wenige anführen, dass dieLöwen diese Kalkulationen bewusst durchführen oder erlernen, sie sind schlicht eine Folge ihres biologischen Programms. Auch hier kann es sich durchaus um eine komplexere Entscheidung handeln, die von vielen Faktoren abhängt und ein aktives Handeln erfordert, welches abzugleichen ist mit anderen wichtigen Aktivitäten, wie etwa Jagd etc.

Wir kommen in noch höhere Ebenen, wenn wir das Verhalten von Primaten beobachten. Schimpansen beispielsweise bilden Hierarchien aus und bilden komplizierte Allianzen, um nach oben zu kommen. Sie bestechen, sie handeln sozial, sie nehmen Bündnisse anderer zur Kenntnis und planen diese mit ein. Sie führen Kriege um Reviere und Ressourcen. Sie haben Vorstellungen von Gerechtigkeit oder etwa der Vergleichbarkeit von Entlohnungen für bestimmte Dienste.

Wenige Menschen haben Probleme damit, bei diesen Verhaltensweisen evolutionäre Erklärungen zu akzeptieren. Beim Menschen werden bei durchaus vergleichbaren Vorgängen hingegen weitaus schwierigere Probleme gesehen ohne das wirklich begründet werden kann, wo der wesentliche Umbruch geschieht. Wer meint, dass das Verhalten von Löwen oder Affen durch Biologie erklärt werden kann, das der Menschen aber nicht, der sollte zumindest seine eigenen Theorien daraufhin überprüfen, ob er damit seine Auffassung, dass das Verhalten von Löwen und Affen erklärt werden kann, aufrechterhalten kann oder nicht. Er muss also prüfen, ob seine Gegenargumente tatsächlich etwas urtümlich menschliches herausstellen oder er damit letztendlich Grundprinzipien der Evolutionsbiologie angreift. Wohlgemerkt: Dass diese Theorien falsch sind kann natürlich sein. Allerdings sollte man sich dann eben damit beschäftigen, ob die eigenen Theorien die entstandene Lücke füllen können oder ob nicht eher die eigenen Theorien die wackeligeren sind.

genetischer Verhaltensbegriff: Für die Übertragung der Verhaltensmuster – verstanden als Dispositionen zu einem Verhalten – sind im wesentlichen die Gene verantwortlich.

Korrekter müsste es hier heißen: Für die Übertragung von Verhaltensmustern, die auf einer biologischen Grundlage beruhen, sind im wesentlichen die Gene verantwortlich. Natürlich gibt es Verhalten abseits genetischer Grundlagen, also einen sozialen Anteil. Verschiedene Verhalten können auch darauf beruhen, dass sie in dieser Situation aus den jeweiligen Verhaltensanlagen aller entstehen. Einem Dieb die Hand abzuhacken oder ihn zu brandmarken wird in einer primitiven Gesellschaft, in der Informationen nicht oder allenfalls mit zeitlicher Verzögerung oder enormen Aufwand und geringer Qualität übertragen werden können eine geeignetere Abschreckung sein als beispielsweise in einer modernen Gesellschaft, die eine Erfassung von Personen und eine relative Kontrolle dieser erlaubt und die genug Ressourcen für anderweitige Bestrafungsmöglichkeiten hat. Beides hat seine Ursache darin, dass wir „Besitz“ kennen und verstehen und auch „Konkurrenz um Ressourcen“ „Lernen durch Strafe“ und „Signalling asozialen Verhaltens“ verstehen und dies Teil unserer Biologie ist. Wie diese Komponenten genutzt werden um ein soziales System zu errichten ist wieder eine andere Sache.

In die evolutionäre Gesamtfitness eine Individuums (z.B. W.D. Hamilton in: The Genetical Evolution of Social Behaviour, 1964) geht deshalb nicht nur die Fitness der eigenen Nachkommen ein, sondern auch derjenige Beitrag, den das jeweilige Individuum in die Pflege von Verwandten investiert, soweit dies deren Fitness steigert und in Abhängigkeit davon, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie die gleichen Gene tragen.

Das wäre aus meiner Sicht ein Punkt, der sich nicht lediglich auf das Verhalten bezieht. Verwandtenselektion ist etwas, was theoretisch alle Aspekte betrifft, wie man beispielsweise an Theorien zur Heterosexualität und höherer Fruchtbarkeit bei zB weiblichen Verwandten sieht oder beispielsweise an der Vererbung eines ausdrucksvollen Kinns, welches männliche Verwandte attraktiver, weibliche Verwandte aber unattraktiver macht.

In Bezug auf das Verhalten wird also der gleiche Grundsatz ausgebildet, der auch sonst zum Tragen kommt, er ist nicht verhaltensbezogen. Natürlich kann sich dieser Punkt aber gerade bei dem Verhalten besonders stark auswirken.
Natürlich gilt auch hier: Es geht nicht schlicht um Verhalten, sondern lediglich um solches Verhalte, welches aufgrund einer biologischen Disposition erfolgt. Wer also einfach aufgrund einer bestimmten sozialen Praxis Verwandten fördert, dies aber beispielsweise aufgrund einer genetischen Disposition auf Egoismus ungern und nur unter sozialen Zwang macht, der gibt keine entsprechenden Gene weiter, es wäre allenfalls ein kurzfristiger Erfolg, der aber bei Betrachtung längerer evolutionärer Zeiträume durchaus ohne Auswirkungen bleiben kann. Theoretisch kann eine solche Praxis sogar zu einer genetischen Selektion auf das Gegenteil, also einen Egoismus, führen, wenn die Vorteile bei der besseren Weitergabe eigener Gene die Vorteile der Weitergabe der Gene über Verwandte überwiegt. Dabei muss man sich bewußt machen, dass Verwandtenselektion sehr schnell an seine Grenzen stößt: Das eigene Kind trägt nur ½ der eigenen Gene, dessen Kind wiederum nur ¼ (zumindest bei hinreichender Größe des verfügbaren genetischen Pools).

Daraus folgt: Allein viele Nachkommen zu haben, bedeutet noch keineswegs Fitness, wenn diese im sozialen und sexuellen Wettbewerb der nächsten Generation nicht bestehen können.

Hier wäre zunächst zu ergänzen, dass das zum einen zwar richtig ist, aber schnell falsch verstanden wird: Evolution erfolgt durch zufällige Mutationen, die selektiert werden. Eine Zukunftsbetrachtung ist nicht möglich, eine Auswertung der Vergangenheit auch nur sehr eingeschränkt. Ein gutes Beispiel dafür ist der Dodo, bei dem eine planende Instanz evtl darauf hingewiesen hätte, dass es vielleicht jetzt besser ist, stabilere Knochen zu haben und die teuren Flugmuskeln abzubauen und Fluchtinstinkte zu verlieren, das aber in der Zukunft teuer sein kann, weil evtl ein in der Vergangenheit bereits einmal vorhandener Vorteil des Fliegens und des Angst haben eine dauerhafte Weitergabe der Gene ermöglicht. Eine solche Instanz gibt es aber nicht, weswegen die Beachtung von Nachteilen für die nächste Instanz sich nur auf in vergleichsweise kurz Zeitabständen sich wiederholenden Umständen, die keinen zu starken Selektionsdruck gegen sich haben, erfolgen kann. Der Dodo war insofern Fit für die vorhandene Situation, aber nicht für die Zukunft.

Begriffe wie evolutionäre Angepasstheit und evolutionäre Fitness werden bestimmt durch eine kontextabhängige Vermehrungsrate, die ihrerseits abhängt von Fruchtbarkeit, Brutpflegeaufwand und Überlebenschancen der Nachkommen. Der Anpassungswert einer Verhaltensweise kann auch davon abhängen, wie viele andere Mitglieder der Population dasselbe Verhalten zeigen.

Auch hier schreibt Elmar wieder sehr knapp und scheint mir dabei die Prinzipien nicht verstanden zu haben.

Wesentlich für das Verständnis ist dabei zum einen der bereits oben dargestellte Ansatz, dass Evolution bei den Genen des Einzelnen ansetzt. Eine Spezies ist nicht gleich, sondern hat einen Genpool, mit einer Vielzahl von Unterschieden, die in Konkurrenz zueinander stehen.
Damit können evolutionär auch verschiedene Strategien innerhalb einer Spezies innerhalb verschiedener Situationen verschieden erfolgreich sein.
Dawkins führt dies beispielsweise mit dem in der Evolutionsbiologie bekannten Beispiel der „Falken“ und der „Tauben“ aus:

Dabei stehen diese Bezeichnungen für Vertreter innerhalb einer Spezies, die verschiedene Dispositionen zu bestimmten Verhalten haben:

  • Falken kämpfen um bestimmte Ressourcen und müssen daher die Kosten eines Kampfes tragen aber können auch deren potentielle Vorteil für sich gewinnen.
  • Tauben fliehen vor einer Auseinandersetzung und verlieren die Vorteile (etwa bestimmte Ressourcen), tragen aber auch keine Kosten (beispielsweise Verletzungen).

Es leuchtet ein, dass eine Mutation zu einem Falken in einer Kolonie von Tauben sehr lukrativ ist: Alle weichen einem Kampf aus, man hat also keine Kosten und alle Nutzen. In einer Kolonie von Falken sind hingegen die Kämpfe so erbittert, dass es sinnvoll sein kann, eher zu fliehen und etwa möglichst schnell Ressourcen wie Futterquellen zu vereinnahmen, bevor man vertrieben wird. Jedes vorteilhafte Verhalten reichert sich innerhalb der Spezies an, wodurch sich aber die Kosten verändern können: Wenn die Mutation hin zu einem Falken einem eine höhere Vermehrung erlaubt, dann verschwindet dieser Vorteil, um so mehr sich das Gen aufgrund dieser höheren Vermehrung innerhalb der Kolonie durchsetzt. Irgendwann werden die Kosten durch beständiges Kämpfen evtl so hoch, dass nunmehr die Tauben im Vorteil sind und sich damit stärker vermehren.

Interessant ist, dass sich hier bestimmte Gleichgewichte bzw evolutionär stabile Strategien herausbilden können, bei denen keine der Strategien im Vorteil ist.

Mit diesem zweiten Punkt begibt sich die Soziobiologie bereits in Teufelsküche. Denn einerseits besteht kein Zweifel daran, daß genetisch vererbtes Verhalten nicht erst erlernt werden muß. Andererseits aber will die Soziobiologie eine große Klasse sozialer Verhaltensweisen erfassen, die zweifelfrei erst erlernt und vor allem richtig gemacht werden müssen, damit sie sich evolutionär auszahlen können wie z.B. Babypflege, Erziehung, sexuelles Werbungsverhalten oder sozialer Einsatz für die Familie.

Auch hier scheint mir das Problem weitaus eher darin zu bestehen, dass Elmar sich nur oberflächlich mit den Theorien beschäftigt hat, die er hier bespricht. Und es ist denke ich auch ein gutes Beispiel dafür, dass er in seiner Besprechung der Evolutionsbiologie nur vom Menschen her denkt und nicht zunächst erst einmal versucht, die Prinzipien auch bei Tieren nachzuvollziehen.
Ein Löwenjunges muss beispielsweise zweifellos die Jagd lernen und seine Fähigkeiten in dem Bereich kalibrieren, hat aber die biologischen Voraussetzungen dafür und deren Grundlagen, wie die Art, wie man schleicht oder die Lust am Verfolgen von Objekten ererbt. Die Art und Weise, auf die er lernt, ist Imitation, Beobachtung, Ausprobieren etc. Und auch hier gibt es Lernmechanismen, die das Verstehen und Aneignen dieser Fähigkeiten begünstigen.

Etwas alltäglicher als der Löwe kann man das bei einer Hauskatze beobachten, die mit Katzenfutter versorgt vielleicht nie eine Maus oder andere typische Beute gesehen hat. Man wird sie dennoch dabei beobachten, wie sie schleicht, wie sie einen Laserpointerpunkt oder einen Faden jagt oder anderweitige Tätigkeiten übernimmt, die unter anderen Bedingungen dazu dienen würden, dass sie das jagen erlernt. Bei allen lernfähigen Tieren ist die Kindheitsphase dazu da, dass sie bestimmte Fähigkeiten in Übereinstimmung mit ihrer Biologie ausbilden und verfeinern, sprich: durch ihre Dispositionen zu verhalten verleitet werden, mit welchem sie Fähigkeiten für das Erwachsenenleben ausbilden sollen.

Bei Babypflege beispielsweise gibt es Studien, die nachweisen, dass Östrogen eine stärkere Affinität für das Kindchenschema bewirkt, positive Reaktionen des Kindes werden damit auch stärker aufgenommen, was eine Beschäftigung mit dem Kind stärker belohnt. Im Prinzip würden hier stärkere Dopaminausschüttungen, die das Belohnungsssytem auf bestimmte Reize hin stimulieren ausreichen.

Sexuelles Werbeverhalten muss auch nicht als solches bewusst ausgebildet sein, es reicht, wenn bestimmtes Verhalten sich gleichzeitig gut anführt und einen begehrenswert macht, etwa einen hohen sozialen Status zu haben oder viele Ressourcen zu besitzen. Und bei sozialen Einsatz für die Familie ist ebenfalls recht gut bekannt, dass eine bestimmte Bindung in den ersten Lebensjahren erfolgt, die ebenfalls über das Belohnungssystem eine Form von Sucht bewirkt.

Das Zauberwort für die Soziobiologie heißt an dieser Stelle Disposition. Wer nun erwartet, daß die Soziobiologie als seriöse, interdisziplinäre Wissenschaft eine eigenständige Theorie zur Analyse von Dispositionen vorlegt, der wird enttäuscht.

Wie bestimmte evolutionäre Vorgänge ablaufen wird durchaus erforscht. Es ist Bestandteil derr Neurologie, Psychologie und der Medizin. Gerade im Geschlechterbereich sind bestimmte Ausgestaltungen in ihren Grundlagen anhand verschiedenster Sonderkonstellationen wie Transsexualität, CAH etc. in der Forschung bekannt, auch wenn man die genaue Art und Weise, wie das Gehirn in der Hinsicht funktioniert, noch nicht entschlüsselt ist.

Was auch immer in diesen Diskussionen ausgeblendet wird: Selbst wenn man nicht wüsste, wie diese Mechanismen funktioniern, bedeutet das nicht, dass die evolutionären Theorien falsch sind. Das ist etwas, was Elmar immer wieder vorbringt, aber es bleibt ein Argument vom Nichtwissen, was ein reines Scheinargument ist.

Das ist um so bedauerlicher, weil Elmar die Kriterien, die er hier an andere Theorien anlegt noch nicht einmal ansatzweise selbst erfüllen kann. Soweit dieser anscheinend auf „Freien Denken“ aufbaut dürfte dies an Komplexität kaum zu überbieten sein. Eine eigenständige Theorie dazu, wie dies tatsächlich funktionieren soll hat er nicht ansatzweise. Langt ihm die von ihm bisher mitgeteilten Informationen, dann wäre „es ist durch evolutionäre Selektion entstanden“ auch in diesem Fall vollkommen ausreichend.

Stattdessen appelliert man hoffnungsfroh an den unreflektierten Alltagsverstand, der eben nicht intuitiv widerlegen kann, daß Dispositionen anders als Begabungen funktionieren, welche aber zweifellos eine genetische Komponente haben.

Auch so ein Satz, wo man nicht wirklich weiß, was Elmar eigentlich genau an Kritik vorbringt. Was meint er denn wie Begabungen funktionieren und warum sollten diese möglich sein, aber Dispositionen nicht? Warum ist eine Begabung, die einen etwas leichter lernen lässt, denkbar, eine Disposition, die einen etwas lieber machen lässt, aber undenkbar? Nach Elmar wohl einfach, weil das eine in das freie Denken eingreift und das andere nicht. Dabei ist ein Belohnungssystem über Dopamin etc recht unzweifelsfrei vorhanden und wäre recht einfach mit einem „Begabungssystem“ zu verküpfen.

Auch die unterschiedliche Ausprägung von „Begabungssystemen“ je nach Hormonen ist insoweit gut in Studien nachgewiesen.

Das zweite Problem liegt darin, daß nicht alles intentionale Verhalten von Indivuduen auf diese Weise erfaßt wird. Hier muß sich die Soziobiologie etwas Besonderes einfallen lassen.

Niemand behauptet, dass alle intentionalen Verhalten auf diese Weise erfasst wären. Aber auch hier scheint Elmar nicht zu verstehen, dass es nicht für jedes einzelne Verhalten eine komplette Disposition geben muss, sondern es ausreicht, wenn bestimmte Grunddispositionen vorliegen, die dann in verschiedensten Situationen und auch im Zusammenspiel ein typisches Verhalten bewirken. Beispielsweise reicht eine Disposition dafür einen hohen Status zu haben und in intrasexueller Konkurrenz Herausforderungen anzunehmen, um ein Verhalten zu bewirken, welches sich nach einem bestimmten Schema in vielen Bereichen auswirkt und auch entsprechend ausgenutzt werden kann.

Theorie der Gen-Kultur-Koevolution: Phänotypen inklusive ihrer Verhaltensmerkmale entstehen immer aus einer Wechselbeziehung zwischen dem Genom und seiner Umgebung. Die Gene bestimmen dabei die Reaktionsnorm auf äußere Entwicklungsbedingungen. Das Sozialverhalten wird daher entsprechend durch den Mechanismus der natürlichen Selektion evolutionär angepasst, weshalb nur die tendentiell erfolgreichen Sozialstrategien via Sexualität an die nächste Generation weitergereicht: Soziobiologen begreifen eine Verhaltensstrategie als eine evolvierte Regelsammlung, die festlegt, mit welcher Wahrscheinlichkeit welches Verhalten unter welchen Bedingungen gezeigt wird. Es setzen sich folglich nur diejenigen individuellen Verhaltensmuster durch, die die besten individuellen Reproduktionschancen realisieren. D. P. Barash z.B. formuliert das in Soziobiologie und Verhalten, p. 85 so: „Eine genetisch bedingte Neigung zur Kinderlosigkeit hätte keine große evolutionäre Zukunft.“.

Der letzte Satz ist jedenfalls sehr richtig und man wird ihm auch kaum widersprechen können.

Richtig ist zunächst, dass soziales Verhalten auch eine Selektion bewirken kann, und diese Selektion wiederum das soziale Verhalten.

Ein klassisches Beispiel wäre die Laktosetoleranz, also die Verträglichkeit von Milchzucker. Diese hat sich nur in einigen Völkern und verhältnismäßig spät entwickelt, weil sie die kulturelle Praxis erfordert, einen gewissen Viehbestand zu haben und sich der Vorteil wohl auch insbesondere bei Nomaden zeigt, die schwerer Ackerbau betreiben können. Hier könnten einige zunächst einen Nischenvorteil durch eine Mutation gehabt haben, die ihnen in bestimmten Zeiten über das Nutzen der Milch oder die bessere Verträglichkeit der Milch einen Vorteil brachte. Dieser Vorteil kann zu einer Anreicherung der entsprechenden Gene geführt haben, was auch bedeutete, dass immer mehr Menschen Milchprodukte nutzen konnten und diese damit ein größerer Bestandteil der verfügbaren Nahrung bildeten und sie damit nicht verwerten zu können auch einen immer größeren Nachteil darstellte. Hier haben sich Kultur und Biologie gegenseitig beeinflusst.

Ein anderes Beispiel wäre das Kochen/Braten von Speisen. Dazu schrieb ich schon einmal:

Hätte unser früher Vorfahre, der vor rund einer Million Jahren lebende Homo erectus, sich genauso ernährt wie die heutigen Menschenaffen, hätte auch er mindestens neun Stunden täglich für die Nahrungssuche benötigt, so die Forscherinnen. Für andere Tätigkeiten wie das Werkzeugmachen oder soziale Kontakte wäre dann kaum mehr Zeit geblieben. „Unsere Daten sind eine direkte Bestätigung der Theorie von Wrangham“, konstatieren Fonseca-Azevedo und Herculano-Houzel. Allein mit Rohkost hätten unsere Vorfahren ihr großes Gehirn nicht entwickeln können. „Wenn Nahrung gekocht wird, liefert sie mehr Kalorien, weil die Nährstoffe besser verdaut und vom Körper aufgenommen werden können.“

Hier sieht man auch ein gutes Beispiel zwischen Kultur und Umwelt. Weil eine Kulturtechnik wie das Kochen des Essens Zeit schafft, um andere Tätigkeiten zu übernehmen. Zudem waren dadurch auch weitere Möglichkeiten für eine weitere körperliche Veränderung vorhanden. Weil Nahrung leichter verdaut werden konnte, wenn sie gekocht war, konnte die Verdauung anders gestaltet werden und das Abkochen dürfte auch die Krankheitserreger eingeschränkt haben. Inbesondere aber konnte man sich damit ein so kostspieliges Organ wie das Gehirn leisten. Selbst wenn man nicht den ganzen Tag für die Nahrungsaufnahme verwendete, konnte man das Gehirn mit hinreichend Nahrung versorgen.

Auch hier liegt eine Koevolution vor. Kochen erlaubte weniger Zeit auf Nahrungssuche zu verwenden und damit ein größeres Gehirn zu entwickeln. Um so mehr sich dadurch der Magen anpasste, um so mehr musste gekocht werden, da der Magen rohes Fleisch etc nicht mehr in der gleichen Weise verarbeiten konnte. Heute ist Kochen nicht mehr wegzudenken aus der menschlichen Gesellschaft.

Soziale Strategien in die nächste Generation weiterzugeben ist dabei relativ unwesentlich. Sie werden nur dann relevant, wenn sie sehr lange anhalten, was wohl meist einen bestimmten Vorteil bieten muss. Eher werden bestimmte Gene, die ein bestimmtes Verhalten günstiger machen, in die nächste Generation weitergegeben, zB die Fähigkeit Milchzucker zu verdauen. Natürlich könnte eine Kultur dennoch das Leben als Nomade mit Vieh aufgeben, welches dadurch begünstigt wird. Vielleicht sind dann – wie bei uns heute durch moderne Viehzucht und Kühlmöglichkeiten – dennoch Milchnutzungen auf andere Weise sinnvoll. Die Gen-Kultur-Koevolution oder Dual inheritance Theory legt erst einmal nur einen Entwicklungsweg dar. Aus ihm kann folgen, dass auch bestimmte Verhaltensweisen attraktiver werden.

Man kann sicherlich sagen, dass auch soziale Verhaltensweisen insoweit einer Art Evolutionsprozess unterliegen: Sie werden selten vollkommen gleich weitergegeben und Verbesserungen setzen sich dann häufig durch. Da sie jedoch nicht wie Gene „verfestigt“ sind, sind sie relativ leicht zu ändern, wenn damit nicht Vorteile verbunden sind oder bereits eine besondere Selektion auf bestimmte Vorteile davon sie nach wie vor besonders attraktiv macht.

Eine wesentliche Selektion auf soziale Prozesse dürfte auch auf einer „Metaebene“ bestehen, nämlich den Routinen für das  Erkennen von sozialen Regeln und dem Einschätzen von deren Wichtigkeit, zB indem man erkennt, welche Regeln als Tabu ausgestaltet sind, so dass ein Verstoß erhebliche Folgen hat.

Besteht der unterschiedliche Reproduktionserfolg der Individuen zumindest zu einem Teil auf genetischen Unterschieden, kommt es zu Verschiebungen von Genfrequenzen in einer Population, und evolutionärer Wandel einer Art findet statt. Die Erbinformation mit den besseren Selektionseigenschaften ist vermehrt an der Herausbildung der anatomischen, physiologischen und ethologischen Merkmale ihrer Mitglieder, der Phänotypen, beteiligt, während die Erbinformation der Verlierer in der Darwinischen Konkurrenz abnimmt.

Es ist dabei noch einmal wichtig darauf hinzuweisen, dass sich nicht die Gene der Art ändern, in dem Sinne, dass nunmehr alle Wesen dieser Art die Änderung übernehmen, sondern das sich Einzelwesen aus der Art mit einer vorteilhaften Mutation  aufgrund dieser Vorteil stärker fortpflanzen und damit in jeder weiteren Generation mehr von diesen Genen im Genpool vorhanden sind. Gut vorstellen kann man sich das zB bei einer Umgebung in der Milchzucker zu verwerten vorteilhaft sind: Der erste Mensch hat eine entsprechende Mutation, die er an seine Kinder weitergibt. Er kann evtl bereits mehr Kinder zeugen oder die Kinder sterben seltener, weil sie eine neue Nahrungsquelle haben und auch bei deren Kindern ist es wiederum so. Bei anderen Menschen, die Milchzucker nicht verdauen können, sterben vielleicht mehr Kinder oder sie haben eine schwächere Konstitution oder sie sind anderweitig im Nachteil und deswegen werden sie nicht mehr oder jedenfalls nicht im gleichen Maße. Bei Mischehen überleben dann vielleicht eher die Kinder, die Milchzucker verdauen können, also das passende Gen erhalten haben oder sie entwickeln sich besser, werden größer und stärker, während ihre Geschwister ohne dieses Gen eher sterben und kleiner und schwächer sind (etwa vereinfacht dargestellt). Entsprechend wird das Gen für die Verwertung von Milchzucker entsprechend zahlreicher im Genpool.

Diese Ansicht ist zunächst mal wenigstens missverständlich. Denn erstens findet Evolution nicht durch Selektion, sondern durch Mutation statt, zweitens ist Selektion nicht primär sexuelle Selektion und drittens diskutieren Biologen schon seit Langem, welche besonderen Bedingungen erfüllt sein müssen, damit ein Merkmal selektiert wird – ein Problem, das einen eigenen post verschlingen wird.

Evolution findet durch Mutation und Selektion statt. Ein Mutation, die keinen Vorteil bringt, kann sich nicht durchsetzen. Eine Mutation, die einen Vorteil bringt, aber aus anderen Gründen aus dem Genpool verschwindet (der Träger des Milchzuckerverwertungsgens wird von einer zahlenmäßig überlegenen Gruppe angegriffen und mit seiner Familie ausgelöscht) wird sich ebenso wenig durchsetzen. Nur wenn eine Selektion ansetzen kann, kann auch eine Anreicherung im Genpool stattfinden. Und verschiedene Formen der Selektion erzeugen auch wiederum selbst einen gewissen Selektionsdruck, etwa sexuelle Selektion, die zu einer run-away-selection, einem Selbstläuferprozess, führen kann. Das ist etwa der Fall, wenn eine Selektion dazu führt, dass ein „Mehr“ als sexuell attraktiv wahrgenommen wird, etwa bei einer langen Schwanzfeder eines Goldfasans. Da dann rein aufgrund dieser genetischen Fixierung, den männlichen Vogel mit der längsten Feder attraktiv zu finden, ein Selektionsdruck gestartet ist, wären verschiedene Formen der Evolution ohne die Berücksichtigung von Selektion gar nicht vorstellbar. Ein reines Abstellen auf Mutation ist ein typisches Fehlverständnis etwa von Kreationisten, die anführen, dass ein Wirbelsturm auf einem Schrottplatz nicht einfach zu einer Boing 747 führen kann und daher Evolution nicht der Grund für komplexere Wesen sein kann. Sie unterschätzen dabei die Bedeutung von Selektion und deren Möglichkeit durch eine Form von „Trial and Error“ günstige und komplexe Ergebnisse zu erreichen.

Was Elmar damit sagen will, dass Selektion nicht primär sexuelle Selektion ist verstehe ich nicht. Wie man am Milchzucker sieht können bestimmte Koevolutionen auch abseits sexueller Selektion stattfinden. Die Bedingungen für eine Selektion sind in ihren Grundsätzen auch nicht gerade sehr umstritten: Ein Merkmal mit genetischen Grundlagen wird dann selektiert, wenn es Vorteile bei der Weitergabe von diesen Genen in die nächste Generation bringt und sich so im Genpool anreichern kann. Hier wird man wohl Elmars nächsten Artikel abwarten müssen.

Das zweite Problem besteht – wie erwartet – darin, daß die Soziobiologen als Verhaltenswissenschaftler versagen: Denn zweifellos gibt es Verhalten, daß nichts anderes als die Instantiierung einer Regel darstellt. Wer z.B. an einem Stopschild im Verkehr anhält, macht das genauso regelhaft, wie jemand, der eine monoton wiederholte Tätigkeit als Mittel einsetzt, um einen Zweck zu erreichen.

Niemand behauptet, dass es eine genetische Regelung für Stopschilder gibt. Allenfalls sind wir darauf evolviert bestimmte Regeln der Gesellschaft zu erlernen und haben zusätzlich ein „Sparprogramm“ entwickelt, welches uns bei immer wiederkehrenden Handlungen kein logisches Denken abverlangt, weil diese anderweitig abgespeichert werden und einem gewissen Automatismus unterliegen. Das es hierfür einen eigenen biologischen Apparat gibt kann man beispielsweise auch daran sehen, dass Leute, die ihr Langzeitgedächtnis dauerhaft verloren haben, also nur noch über ein Kurzzeitgedächtnis verfügen, häufig dennoch noch bestimmte Handlungen, die Gewohnheit waren, ausführen können, beispielsweise die ewig gleiche Runde mit ihrem Hund gehen können auch wenn sie sich ansonsten ihn der Stadt, in der sie 20 Jahre gewohnt haben, nicht mehr zurechtfinden.

Doch ein Großteil unseres Verhaltens sieht völlig anders aus: Wer z.B. einen abgenudelten Dosenöffner samt Raviolidose unter erbostem Knurren „Dir zeige ich es!“ lustvoll aus dem Fenster schleudert, der folgt keiner Regel.

Elmar wählt immer Beispiele für seine Widerlegungen aus, bei denen nie jemand angeführt hat, das sie als solche genetisch verankert ist. Dass wir aber dazu neigen Objekte zu personifizieren und bei dem Stück Metall und Plastik, welches für uns einen Dosenöffner darstellt, einen Verrat zu sehen, also ein vollkommen unlogisches und widersinniges Verhalten zu praktizieren, folgt keiner Regel, ist aber ebenfalls ein (übereifriges) biologisches Programm, welches immer versucht „Motive“ zu finden. Elmar scheint sich einfach mit Dispositionen und Motivationen nicht wirklich anfreunden zu können, er versucht daher immer evolvierte Handlungen als eine Form von aktiv geschriebenen Code für genau diesen Prozess zu sehen, was gar nicht diskutiert wird. Eher müsste man sich den Menschen als teilweise schlecht programmierten Roboter vorstellen, bei dem ein Unterprogramm die „Handlung“ des Dosenöffners als „Verrat“ erkennt und bestimmte Handlungsoptionen unter diesem Aspekt eingeblendet werden (teminatorstyle, wenn man ein entsprechendes Bild haben will), die einem unter der Annahme, dass der Dosenöffner „schuld“ ist logisch erscheinen. Der Betreffende in Elmars Beispiel entscheidet sich anscheinend für die Option „bestrafen“.

Noch bedeutend kritischer wird es, wenn man sich Verhalten vornimmt, daß man nicht verstehen kann, ohne diejenigen Sätze zu berücksichtigen, die davor und während dem zu erklärenden Verhalten geäußert werden. Auch darüber wird man also noch ausführlich nachdenken müssen.

Was auch immer nicht verstanden wird: Die Gene entscheiden nicht, sie müssen nicht komplexe Handlungsweisen für Raviolidosen vorsehen. Sie haben ein hochkomplexes System geschaffen, dessen Ressourcen sie nutzen können, um Informationen aufzunehmen und zu bewerten. Natürlich auch vorherige Sätze. Nehmen wir den Satz „Gehen wir raus“. Dieser mag von einem bärtigen Rocker, den man aus Versehen ein Glas Bier über den Kopf gegossen hat und der dies mit deutlichen Anzeichen für Verärgerung sagt, einen Fluchtreflex auslösen, den Schließmuskel lockern und einen dazu bewegen den Kopf einzuziehen, sich kleiner zu machen, die Augen aufzureißen und sich tausendmal zu entschuldigen. Der gleiche Satz ins Ohr gehaucht von der Dame an der Bar, mit der man die letzte Stunde geflirtet hat, mag das Erregungsprogramm aktivieren, so dass man fortan weitere Aktionen unter diesem Gesichtspunkt sieht. Das Gene einen Einfluss auf das Denken haben, bedeutet nicht, dass die Gene denken müssen. Das Gehirn kann diese Aufgabe natürlich übernehmen und wertet beispielsweise Daten wie Bedrohlichkeit einer Situation oder Wahrscheinlichkeit für Sex aus, ohne das dies logisch durchdacht werden muss. Je nach dem werden wir auch andere Handlungsoptionen interessanter finden.

Ein anderes Beispiel wäre Hunger, wenn wir leckeres Essen riechen oder sehen, in Abhängigkeit davon, ob wir länger nichts gegessen haben. Unser Gehirn wertet die Erkenntnis aus, dass Essen in der Nähe verfügbar ist und es kann bei längeren Zeiten seit der letzten Mahlzeit eine Motivation entstehen, ebenfalls essen zu können. Also wertet unser Verstand aus, welche Optionen dafür bestellen, beispielsweise den Kellner in der Kneipe, der an den Nebentisch gerade Speisen gebracht hat, herüberzurufen und eine Bestellung aufzugeben. Die Frage „Soll ich etwas bestellen“ ist dabei eine, die als Folge der Erkenntnis, dass Essen verfügbar ist und wie man es erlangen kann, aufgrund der Weise, wie unser Gehirn arbeitet, in uns aufgetaucht und kann dringender oder weniger dringend (in dem Terminatormodell klein im unteren Bildschirmrand oder in blinkenden sehr großen Buchstaben in der Mitte des Displays) ausgestaltet sein. Unser Verstand mag dann einwenden, dass wir eigentlich eine Diät machen wollen, aber der Rest unseres Gehirns signalisiert uns, welche Glücksgefühle uns die Aufnahme von Fett und Zucker und Kohlehydraten machen würden, unser Gehirn stellt uns tadellos arbeitend auch bereits Auswahlmöglichkeiten für interne Ausreden bereit: Hatte man zum Mittagessen nicht etwas kleines? Hatte man heute nicht einen harten Tag, bei dem man eine Ausnahme verdient hat? Soll man sein Leben nicht auch Leben und reicht es nicht die Diät morgen zu starten? Die Vernunft mag dann siegen oder nicht siegen, wir haben unsere aus der Biologie stammende Motivation bemerkt.

Dieses Zusammenspiel von Aufnahme und Auswertung von Daten und Aktivierung bestimmter Verhaltungspräferenzen wird dabei gerne ausgeblendet und so getan als wäre unser Gehirn nicht zu komplexen Berechnungen im Dienste der Gene in der Lage (aber dennoch zu den komplexen Berechnungen, die „freies Denken“ erfordert).

Zunächst mal aber geben wir der Soziobiologie Gelegenheit, ihre eigene Reichweite erkennbar zu machen:

IV) genetische Priorität: Da die Gene biologische Merkmale und Verhaltensweisen des Phänotyps des Genträgers während der Ontogenese in Abhängigkeit von den Lebensumständen und der jeweiligen Umwelt generieren, ist das Verhalten niemals nur rein genetisch bestimmt, sondern immer auch durch die Umwelt geprägt. Verhaltensmuster und Verhaltesnneigungen können also nicht generell in erbliche und erworbene eingeteilt werden, sondern die neurobiologisch begründeten Verhaltenstendenzen haben erbliche Anteile.

Da wird einiges durcheinander geworfen, was man vielleicht klar stellen muss.

  • Gene sind erst einmal ein Wachstumsplan. Genau wie bei einer Pflanze hängt das Wachstum natürlich auch von anderen Faktoren ab, bei einer Pflanze etwa von dem Boden, der Lage, der Sonneneinstrahlung, dem Dünger, dem Regen und dem Vorhandensein von Fressfeinden ab. Gene, die einen mächtigen Eichenbaum hervorgebracht hätten, werden in einem schlechten Boden, ohne Wasser und mit wenig Sonne, vielleicht nur ein recht kümmerliches Exemplar hervorbringen, selbst wenn sie unter idealen Umständen einen sehr schönen Baum hervorgebracht hätten.
  • Das ist bei Menschen natürlich noch extremer, weil sie anderen Einflüssen unterliegen als eine Pflanze.
  • Zum einen ist zu bedenken, dass wir als Säugetiere in einer Gebärmutter starten, in er uns die Mutter die Umgebung stellt, in der wichtige Entwicklungen stattfinden. Dies betrifft die Versorgung mit Nahrung aber auch die Zuführung bestimmter Hormone etc. Hier spielen auch die in diesem Blog häufig erwähnten pränatalen Hormone eine erhebliche Rolle. Aber auch ohne die richtigen Nährstoffe kann das Gehirn nicht entsprechend ausgebildet werden und auch ein Gehirn, welches seitenes der Mutter bestimmte Stressbotenstoffe erhält bildet sich anders aus

Zum anderen wird auch ein Kind, welches nach seiner genetischen Ausstattung friedlich ist, eben nicht friedlich sein, wenn man es im starken Maße in eine andere Richtung erzieht. Wie so etwas aussehen kann sieht man beispielsweise auch sehr gut in der regelmäßigen Lesern des Blogs gut bekannten Studie von Udry, aus der ich hier eine Grafik kurz einfügen möchte:
Udry Testosteron und Erziehung
Hier sieht man gut, wie sich verschiedene biologische Dispositionen zu einem Verhalten (oder einem Bündel bestimmter Verhalten, hier männlicher und weiblicher) und Erziehung gegenseitig beeinflussen: Hier haben die Mädchen bestimmte Gene, die ihren Körper auf auf eine bestimmte Weise aufgebaut haben. Deswegen produzieren sie auch eine bestimmte Menge von Hormonen. Auch die Umwelt spielte eine Rolle, zum einen darüber, wie viele Hormone über die Mutter in der Gebärmutter bereit gestellt worden sind, aber auch, wie sich das Kind ansonsten dort entwickeln konnte. Später beim Aufwachsen kommen eine Vielzahl weiterer Umweltaspekte dazu, natürlich auch die Erziehung. Die Frauen mit einer sehr starken Disposition zu einem weiblichen Verhaltens, bedingt durch die Hormone, reagieren hier sehr stark auf diese Einflüsse, Frauen mit einer starken Disposition (für Frauen) in die andere Richtung reagieren hingegen sogar mit verstärkter Ablehnung auf entsprechende Erziehungsversuche. Berücksichtigt ist noch nicht, dass hier weitere genetische Einflüsse vorliegen könnten, da Mütter, die besonders weiblich sind, ihre Töchter vielleicht auch besonders weiblich erziehen, und ihre Töchter einen Teil ihrer Gene haben und insofern auch abseits er Erziehung weiblicher sind. Man sieht, dass hier eine große Spannbreite vorhanden ist, die allerdings insbesondere in eine bestimmte Richtung und wesentlich weniger in die andere besteht.

Denn weil die individuellen Verhaltensmerkmale durch Anpassung an die Umwelt während der Ontogenese ausgebildet werden, müssen sie durch erbliche Anlagen vorbereitet werden. Die während der Ontogenese erworbenen z.B. kulturellen Verhaltensmerkmale selbst vererben sich nicht. Die Erblichkeit misst daher nur denjenigen Anteil der Varianz eines Merkmals, der durch unterschiedliche genetische Ausstattungen zustande kommt.

Und das Wort „unterschiedliche“ ist hierbei das zentrale Wort. Es geht darum, inwiefern die Unterschiedlichkeit eine genetische Grundlage hat.

Doch daraus folgt natürlich nicht, daß ein invariantes Merkmal mit Erblichkeit nahe Null – wie z.B. die Fünffingerigkeit – in einer Population nicht vererbt werden würde.

Das ergibt sich eben damit, dass mit Vererblichkeit hier der Unterschied erfasst wird und nicht die Frage, zu welchem Anteil die Gene für ein bestimmtes Merkmal verantwortlich ist. Das wäre häufig auch schon deswegen schwierig, weil es zB bei Verhalten schwierig ist, einen Nullpunkt zu bilden, ab dem man einen Anteil bestimmen kann. Was ist zB „Aggressivität 0“?

Insgesamt ist es unter Soziobiologen Standard (vgl. z.B. W. Irons in: Natural selection, adaptation, and human social behavior – An anthropological perspective, 1979) Verhaltensunterschiede in erster Linie durch flexible Reaktionen ähnlicher Genotypen auf verschiedenartige Lebenskontexte zu verstehen. Und kein Organismus reagiert auf ausnahmslos alle Aspekte seiner Umgebung oder in jedem Punkt seines Verhaltens. Die Folge ist, daß evolvierte Mechanismen der Verhaltenssteuerung nur insoweit biologisch funktionale Ergebnisse liefern, wie die Umwelt, in der sie wirksam werden, identisch ist mit derjenigen Umwelt, in der sie entstanden sind.

Ich bin nicht ganz sicher, dass ich es richtig verstanden habe, was Elmar hier meint, weil er es sehr kurz fasst. Ich vermute aber, dass sich sein Fehlverständnis von weiter oben hier fortsetzt. Es ist natürlich auch gar nicht notwendig immer auf alle Aspekte einer Umgebung zu reagieren, aber gleichzeitig haben wir ein Gehirn, welches beständig die Umgebung auf wichtige Informationen auswertet. Ein einfaches Beispiel wäre, dass Bewegung unser Auge stark anzieht, weil das früher ein Überlebensvorteil war. Ebenso werten wir andere Signale aus, etwa schätzen wir den Partnerwert, also unter anderem die Schönheit der Menschen um uns herum ein , ebenso wie ihren sozialen Status und ihre potentielle Gefährlichkeit. Natürlich machen wir das mit mehr oder weniger Intensität, befinden wir uns gerade in einem intensiven Gespräch mit unserem Gegenüber, dann wird weniger Aufmerksamkeit auf die übrige Umgebung gerichtet sein.

Zudem ist es auch keineswegs erforderlich, dass die Umgebung identisch ist, es reicht vollkommen, wenn die Situationen ein gleiches Muster aufweisen. Das ist etwas, was als Gedanke vielen schwerfällt, auch wenn es eigentlich recht einfach ist. Es hängt häufig mit der Denkweise zusammen, dass ein auf Biologie beruhendes Verhalten in Bezug auf seinen biologischen Anteil quasi auf sich selbst gestellt ist und alle Informationen seiner „Programmierung“ entnehmen können muss, ohne das es ausreicht bestimmte Muster zu aktivieren in Abstimmung mit Auswertungen aus der Umgebung.

Ein weiterer Umstand, der oft nicht bedacht wird, ist, dass die Gen-Umwelt-Koevolution, eben auch dazu führt, dass sich die Kultur auch nach der Biologie richtet. Das ist vergleichbar damit, dass sich die Mode zumindest dem Grunde nach nach dem Körper richten muss. Das Muster einer Hose mag sich dem Grund nach ändern, hat aber üblicherweise zwei Beine. Ebenso gibt es beim Menschen Muster, die man immer wieder dem Grunde nach erkennt. Beispielsweise haben menschliche Gesellschaften eben bestimmte soziale Hierarchien, Menschen zeigen Status auf bestimmte Weise an, beispielsweise durch Ressourcen oder durch bestimmte Kleidung. Angesichts der Kurzlebigkeit von Mode kann in den Genen nicht abgespeichert werden, welche Kleidung Status ausdrückt. Es kann aber eine Mustererkennung darauf ausgebildet werden, dass man erkennt, welche Leute einen hohen Status haben und was diese tragen oder sonst als Zeichen angesehen wird.

Für primitive Lebewesen oder schlicht physische Merkmale des Phänotyps ist das eine ziemlich plausible Hypothese. Doch je stärker man in Richtung Primaten und ihr soziales Verhalten geht, desto fraglicher ist es, ob man die zunehmende Komplexität der Verhaltensentstehung durch die neu hinzukommenden, kognitiven Fähigkeiten einfach so unter den Tisch fallen lassen kann.

Ich hatte an anderer Stelle schon einmal das Bild der „Führung durch Auftrag statt Befehl“ verwendet. Dabei geht es darum, dass einem Soldaten nicht genau vorgeschrieben wird, was er zu tun hat, sondern er einen Auftrag erhält, den er dann aufgrund seiner Erfahrung und seine Intelligenz und den in dem Training erworbenen Fähigkeiten umsetzt. Dieser Auftrag kann Zwischenziele enthalten und muss auch nicht das tatsächliche Endziel „Gewinne den Krieg“ umfassen, sondern kann dazu notwendige Etappen zum Ziel haben.

Ein tatsächlicher Befehl, der alle einzelnen Handlungen vorwegnimmt wäre, gerade bei einer komplexeren Kommandoaktion kaum zu geben, wenn er alle Schritte und alle Handlungen der Gegenseite vorwegnehmen würde. Und so etwas schwebt Elmar anscheinend vor.

Bei einem Handeln nach Auftrag bleibt das eigentliche Ziel hingegen gleich, egal wie intelligent  der Soldat ist und wie clever seine Gegner. Vermutlich könnte man das Ziel sogar kürzer fassen, wenn er entsprechend intelligent ist, weil er die Zusammenhänge versteht.

Die Biologie gibt in vielen Fällen die Bewertungen vor und lässt bestimmte Ziele attraktiv, andere als unattraktiv erscheinen. Mit dem alten Satz „Der Mensch kann tuen, was er will, aber nicht wollen, was er will“ ist das entsprechend wiedergegeben. Es ist demnach nicht so, dass komplexere Denkvorgänge zwangsläufig dazu führen müssen, dass Befehle komplexer sind oder nicht mehr wirksam werden.

Dieses Problem haben Soziobiologen ebenfalls bemerkt und suchen daher in diesem Punkt die Nähe zur evolutionären Psychologie:

V) radikale Komplexitätsreduktion: Bei Menschen ist es genauso wie bei allen anderen Tieren. Kulturelle Traditionen können generell nur dort entstehen und von Eltern auf die Kinder durch Lernen weitergegeben werden, wo sie gleichzeitig den reproduktiven Erfolg unterstützen.

Langfristig mag das so sein, kurzfristig ist das nicht der Fall. Wir können beispielsweise heutzutage kulturelle Praktiken wie Verhütung aufrechterhalten und mit hohen und langen Ausbildungszeiten kombinieren, die dazu führen, dass sich eine Vielzahl von Kindern, die eine Familie sicherlich ernähren könnte, sich schlicht nicht lohnt. Eine Vielzahl von Familien liegt unterhalb der Reproduktionsgrenze von 2 Kindern. Natürlich: Wenn die Menschheit insgesamt dies übernimmt, dann wird dies zu einer Reduzierung der Menschen führen, aber angesichts der Überbevölkerung würden wir das durchaus eine Zeit lang durchhalten und es könnte dennoch den einzelnen damit gut gehen.

Kulturelle Anpassungen bewirken auf diese Weise immer auch einen biologischen Reproduktionsteilerfolg, von der einzelne Gene indirekt profitieren (multilevel selection). Der Mensch kann also immer nur soviel Kultur produzieren, wie seine genetische und hormonelle Natur es ihm erlaubt.

Hier driftet Elmar ab in einen Bereich, der in der Evolutionären Biologie eher umstritten ist, nämlich „Multi-Level-Selektion“ auch besser bekannt als Gruppenselektion.

Diese Theorie ist zunächst erst einmal ein Widerspruch zu der Theorie der egoistischen Gene, weil sie eine weitere Ebene neben den egoistischen Genen errichtet, die hier wirksam sein soll. Das Fehlverständnis ist, dass der Effekt des Zusammenlebens in der Gruppe ebenfalls auf die egoistischen Gene reduziert werden kann.

Aus der Wikipedia ein Beispiel, was Wilson für diese Multi-Level-Selection anführt:

Wilson beschreibt an einem anderen Beispiel, wie man ein Gehege von 20 Hennen erhält, die in der Summe die meisten Eier legen (Wilson 2007,33f). Früher suchten Züchter die produktivsten Hennen aus einer größeren Gruppe heraus, selektierten wiederholt die Auswahl der ein oder zwei Dutzend besten Legehennen einige Generation lang bis nach einer Reihe von Generationen die besten bestimmt waren. Dies hatte jedoch den unter Züchtern bekannten unliebsamen Effekt, dass die verbleibenden besten Legehennen in der Gruppe keinerlei Konkurrenz duldeten und sich töteten. Die Zusammenhänge hat der Amerikaner William Muir [4] entdeckt: Wenn jeder sein Bestes gibt im Staat, dann ist das nicht zwingend das Beste für alle.

Wilson führt hier an, dass deswegen die Gruppe eine eigene Selektionsebene wäre, tatsächlich hat er aber lediglich zwei verschiedene Selektionen auf das egoistische Gen betrachtet, die einen verschiedenen Selektionsdruck betreffen. Einmal wird nur auf Legeleistung selektiert und das soziale spielt keine Rolle. Bei der anderen Selektion wird der bessere und sozialere Umgang mit den anderen Hennen selbst zu einem Selektionsdruck für die egoistischen Gene. Es ist damit keine weitere, auch keine kulturelle Ebene, vorhanden, auf der die Selektion stattfindet.

Soziobiologen behaupten aber nicht, jedes einzelne Verhaltensmerkmal eines individuellen Menschen erklären zu können: Individuelle Vorlieben und Abneigungen können viele Ursachen haben, die aus der persönlichen Biographie von Menschen – aus bestimmten Erlebnissen, Assoziationen und so weiter – verständlich sind. Allerdings formuliert E. Voland: Grundriss der Soziobiologie, 2013 p.215 es für einzelne Individuen sogar so: „Lernen ist ein biologisch detailliert geregelter und häufig eng gebahnter (»bereichsspezifischer«) Vorgang, und deshalb kann der Mensch auch nicht unbegrenzt formbar sein. Man lernt nur, was man [in einem teleonomen Sinne] lernen soll (Heschl 1998, Tooby et al. 2005)!“.

Ein klassisches Beispiel dafür wäre der Versuch, Affen die Angst vor Blumen beizubringen. Forschung zeigt, dass man Affen, die noch nie im Leben eine Schlange gesehen haben, Angst vor Schlangen beibringen kann, indem man ihnen einen zusammengeschnittenen Film zeigt, in dem andere Affen auf eine Schlange mit Angst und Warnrufen reagieren. Filme nach dem gleichen Prinzip bewirken aber keine Angst vor Blumen, auch wenn diese Affen diese ebenfalls noch nicht gesehen haben.

Das Lernen ebenso ein biologischer Vorgang ist, den man erklären muss und der erst einmal sehr kompliziert ist, hatte ich hier auch bereits häufiger angeführt. Leute, die sich gegen eine biologische Grundlage aussprechen machen sich darüber häufig keine Gedanken.

Es wäre eine interessante Frage an Anthropologen, Historiker und Kulturwissenschaftler, ob die kulturellen Entwicklungen tatsächlich so gleichförmig verlaufen sind. Noch interessanter wäre es, zu untersuchen, ob die kognitiven Fähigkeiten von Menschen oder Primaten in dieses simple Bild hinein passen – eine Sache, der ich auf jeden Fall eingehend nachgehen werde.

Wir dürfen gespannt sein

II. Elterninvestment

Im Paradigma der Soziobiologie (F.M. Wuketits: Was ist Soziobiologie? 2002) gibt es drei große Themenfelder:

a) soziale Kooperation innerhalb und zwischen Gruppen: Die Antwort auf die Frage, wie in der Tierwelt durch natürliche Auslese soziale Verbände mit fremdnützigen Verhalten entstehen können, wird durch das Prinzip der Verwandtenselektion beantwortet, das ebenfalls von W.D. Hamliton stammt. Durch Altruismus gegenüber der genetischen Verwandtschaft erhöhen die Verwandten die evolutionären Überlebenschance der eigenen Gene oder zumindest für Genesätze, die den eigenen sehr ähnlich sind. Zwischen Gruppen hingegen herrscht evolutionäre Konkurrenz auf genetischer Ebene, was z.B. den Fremdenhass erkläre.

Dazu hatte ich oben bereits etwas geschrieben: Verwandtenselektion ist lediglich ein Faktor, aufgrund dessen Altruismus entstehen kann. Es lohnt sich auch gegen über Fremden altruistisch zu sein, wenn man dadurch einen Kooperationsgewinn erhält oder annehmen kann, dass diese einen bei entsprechender Gelegenheit ebenfalls unterstützen oder aber wenn man damit anderen gegenüber signalisieren kann, dass es sich lohnt mit einem Zusammenzuarbeiten, weil man zu einem Altruismus bereit ist. Gleichzeitig muss jeder Altruismus vor Ausbeutung geschützt werden und ähnlich wie bei den Falken und den Tauben gibt es hier verschiedene Ansätze, wie man vorgehen kann, härter oder weicher, mehr auf Signalling setzend oder mehr auf Bestrafung von Trittbrettfahrern und Parasiten. Eine wesentliche Bedeutung hat hier zum einen unser Gedächtnis, das Anzapfen von Wissen Dritter (Ruf) und die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Interaktion. Um so wahrscheinlicher es ist, dass man nur einmal in Kontakt ist um so geringer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass der andere die Großzügigkeit erwidern kann. Gleichzeitig kann aber auch hier noch Signalling betrieben werden, es kann insofern sogar ein stärkeres Signal sein (seht, ich helfe jedem, also könnt ihr auch mir helfen, ich werde erwidern und auch „ich kann es mir leisten, dass auch bei Fremden zu machen“).

Hier bringt Elmar zudem wieder die Gruppenselektion hinein, die recht überwiegend abgelehnt wird. Es herrscht keine evolutionäre Konkurrenz zwischen Gruppen, sondern nur zwischen Genen an sich, die Umstände, die dort wahrgenommen werden sind nur Folgen des egoistischen Gens und der Verwandtenselektion.

Es ist etwas ungünstig, dass Elmar einen Überblick über die Evolutionsbiologie geben möchte und dann  in diesem stark auf Meinungen, die dort kaum Anhänger haben, abstellt. Eigentlich sollte ein solcher Überblick ja gerade die Meinungen darstellen, die hauptsächlich vertreten werden, aber das war wahrscheinlich mit Elmars Hass auf Dawkins und Co nicht vereinbar.

b) Geschlechterrollen (inklusive Fortpflanzung): Sie entstehen nach dem – weiter unten diskutierten – Prinzip der elterlichen Investition.

Deswegen wird es auch dort besprochen

c) sozialer Altruismus: Er wird im Grunde konplett geleugnet.

Sozialer Alturismus wird nicht geleugnet, er hat nur keine Bedeutung für evoltuionäre Theorien, weil es dort um die biologoischen Grundlagen des Verhaltens geht. Natürlich kann aber der soziale Altruismus nach diesen Grundsätzen betrachtet werden, wie jede soziale Ausformung biologischer Grundlagen.

Stattdessen wird versucht, in den üblichen Fällen altruistischen Verhaltens einen versteckten Eigennutz im Hinblick auf evolutionäre Vorteile für die eigenen Gene zu finden. Dies geschieht entweder als reziproker Altruismus nach R.L. Trivers oder als indirekter reziproker Altruismus, bei dem die Gegenleistung nicht um Altruismus-Adressaten, sondern von anderen Mitglieder der gleichen sozialen Gruppe kommt, die ihrerseits aus reziprokem Altruismus handeln.

Dieser „Versteckte Eigennutz“ lässt sich ja auch gut in Experimenten nachweisen. Es ist im wesentlichen ein Problem der Spieltheorie und daher auch in diesem Bereich erforscht worden. Sehr bekannt geworden ist eine Computersimulation dazu:

Computerturnier von Axelrod
Der amerikanische Politologe Robert Axelrod veranstaltete zum mehrmaligen Gefangenendilemma zu Beginn der 1980er Jahre ein Computerturnier, in dem er Computerprogramme mit verschiedenen Strategien gegeneinander antreten ließ. Die insgesamt erfolgreichste Strategie, und gleichzeitig eine der einfachsten, war besagte Tit-for-Tat-Strategie, entwickelt von Anatol Rapoport.[22] Sie kooperiert im ersten Schritt (freundliche Strategie) und den folgenden und „verzichtet auf den Verrat“, solange der andere ebenfalls kooperiert. Versucht der andere, sich einen Vorteil zu verschaffen („Verrat“), tut sie dies beim nächsten Mal ebenfalls (sie lässt sich nicht ausbeuten), kooperiert aber sofort wieder, wenn der andere kooperiert (sie ist nicht nachtragend).[23]

Evolutionsdynamische Turniere
Eine Weiterentwicklung des Spiels über mehrere Runden ist das Spielen über mehrere Generationen. Sind alle Strategien in mehreren Runden gegeneinander und gegen sich selbst angetreten, werden die erzielten Resultate für jede Strategie zusammengezählt. Für einen nächsten Durchgang ersetzen die erfolgreichen Strategien die weniger erfolgreichen. Die erfolgreichste Strategie ist in der nächsten Generation am häufigsten vertreten. Auch diese Turnier-Variante wurde von Axelrod durchgeführt.

Strategien, die zum Verraten tendierten, erzielten hier zu Beginn relativ gute Resultate – solange sie auf andere Strategien stießen, die tendenziell eher kooperierten, also sich ausnutzen ließen. Sind verräterische Strategien aber erfolgreich, so werden kooperative von Generation zu Generation seltener – die verräterischen Strategien entziehen sich in ihrem Gelingen selbst die Erfolgsgrundlage. Treffen aber zwei Verräter-Strategien zusammen, so erzielen sie schlechtere Resultate als zwei kooperierende Strategien. Verräter-Strategien können nur durch Ausbeutung von Mitspielern wachsen. Kooperierende Strategien wachsen dagegen am besten, wenn sie aufeinandertreffen. Eine Minderheit von miteinander kooperierenden Strategien wie z. B. Tit for Tat kann sich so sogar in einer Mehrheit von verräterischen Strategien behaupten und zur Mehrheit anwachsen. Solche Strategien, die sich über Generationen hin etablieren können und auch gegen Invasionen durch andere Strategien resistent sind, nennt man evolutionär stabile Strategien.

Tit for Tat konnte erst 2004 von einer neuartigen Strategie „Master and Servant“ (Ausbeuter und Opfer) der Universität Southampton geschlagen werden, wobei dazugehörige Teilnehmer sich bei gegenseitigem Aufeinandertreffen nach einem Initial-Austausch in eine Ausbeuter- bzw. eine Opferrolle begeben, um dem Ausbeuter (individuell) so eine Spitzenposition zu ermöglichen. Betrachtet man das Ergebnis des Ausbeuters und des Opfers zusammen (kollektiv), so sind sie bei den o. g. Auszahlungswerten schlechter alsTit for Tat. Nötig für die individuell guten Ergebnisse ist aber eine gewisse kritische Mindestgröße, d. h., Master and Servant kann sich nicht aus einer kleinen Anfangspopulation etablieren. Da die Spielpartner über ihr anfängliches Spielverhalten codiert kommunizieren, besteht der Einwand, dass die Master-and-Servant-Strategie die Spielregeln verletzt, wonach die Spielpartner isoliert voneinander befragt werden. Die Strategie erinnert an Insektenvölker, in denen Arbeiterinnen auf Fortpflanzung gänzlich verzichten und ihre Arbeitskraft für das Wohlergehen der fruchtbaren Königin aufwenden.

Notwendige Bedingungen für das Ausbreiten von kooperativen Strategien sind: a) dass mehrere Runden gespielt werden, b) sich die Spieler von Runde zu Runde gegenseitig wiedererkennen können, um nötigenfalls Vergeltung zu üben, und c) dass nicht bekannt ist, wann sich die Spieler zum letzten Mal begegnen.

Das reale Leben ist komplexer als die Computersituation und bezieht damit auch andere Faktoren wie Ruf und Wahrscheinlichkeit, dass jemand etwas merkt mit ein. Die entsprechenden Modelle zum Verständnis der Evolution von Altruismus sind insoweit in der Spieltheorie vorhanden,

Erklärungen durch einen ausschließlichen Nutzen für die eigene Art werden abgelehnt.

Gruppentherorie kann nicht funktionieren, das sie das Trittbrettfahrerproblem nicht in den Griff bekommt (wenn die Gruppe einen Nutzen hat, dann ist es immer besser derjenige aus der Gruppe zu sein, der den Nutzen, aber nicht die Kosten hat) und daher entsprechende Selektionen dagegen stehen.

Dabei geht es Soziobiologen keineswegs um Bewertungen, sondern nur darum zu zeigen, daß evolutionäre Letztbegründungen die komplizierte Annahme edler Motive überflüssig macht (Wickler & Seibts: Das Prinzip Eigennutz, 1977).

Es geht ihnen insbesondere darum, dass Gruppenselektion nicht funktioniert.

Letzteres ist übrigens ebenfalls keine neue Idee: Bereits der englische Philosoph H. Spencer – von dem Darwin den slogan survival of the fittest übernahm – sprach von ego-altruistischen Gefühlen und brachte damit zum Ausdruck, daß auch der Altruist allein eigennützige Motive haben kann.

In der Tat war das Buch des Philosophen Spencer zu Darwins Zeiten sehr populär, es hatte allerdings eher einen Standpunkt, den man heute als Vorläufer eines Sozialdarwinismus sehen würde.

Wir verfolgen nun die Theorie der elterlichen Investition weiter, die 1972 ursprünglich von R.L. Trivers in Parental Investment and Sexual Selection vorgeschlagen wurde, um Geschlechterrollen und Mechanismen der sexuellen Selektion vorherzusagen. Mit Elterninvestment wird in der Soziobiologie die Gesamtheit der Maßnahmen bezeichnet, die Lebewesen jeweils ergreifen, um Nachkommen zu zeugen und deren eigene reproduktive Eignung zu gewährleisten. Diese Theorie besagt, daß zwar beide Geschlechter ihre indivduelle Nachkommenschaft sichern wollen, für dieses Ziel aber unterschiedlich viel Aufwand treiben müssen. Die unterschiedlichen Verhaltensmerkmale der beiden Geschlechter seien zudem verbunden und begründbar durch ein unterschiedliches Investment (z.B. E. Voland: Grundriss der Soziobiologie, p.127ff, 2013):

Der Brutpflegeaufwand für das weibliche Geschlecht ist größer als für das männliche. Schon die Produktion der viel größeren und wenig zahlreichen Eier kostet mehr Energie als die Erzeugung einer Unzahl von Spermien, die daher als billig gelten können. Hinzu kommen bei Säugetieren Schwangerschaft und die anschließende Versorgung des Nachwuchses. Während dieser langen Zeitspanne kann das Weibchen keinen weiteren Nachwuchs bekommen, wodurch ihre Reproduktionschancen und damit ihr evolutionärer Erfolg verringert sind. Das Männchen hingegen kann während dieser Zeit theoretisch unbegrenzt weitere Nachkommen zeugen. Weibchen sind daher bezüglich ihres Sexualpartners besonders wählerisch und an Treue mehr interessiert als Männchen. Sie achten insbesondere auf Kriterien, die die Bereitschaft eines Männchens signalisieren, in den gemeinsamen Nachwuchs mehr als nur die Samenspende zu investieren. Männchen, die sich als gute Verteidiger und Ernährer präsentieren, dem Weibchen wertvolle Ressourcen bieten, werden bevorzugt. Bei Säugetieren herrscht durch lange Tragzeiten und die alleinige Versorgung des Nachwuchses durch die Weibchen ein besonders großes Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern.

Studien ergeben, daß für Menschen insofern nichts anderes gilt, als Frauen weltweit dazu tendieren, eher ältere, gesellschaftlich und beruflich erfolgreiche Männer mit guten finanziellen Ressourcen bevorzugen, die häufig einen höheren Status als sie selbst haben. Männer jeden Alters wählen hingegen mit größerer Wahrscheinlichkeit jüngere und körperlich attraktive Frauen, die noch eine lange Fruchtbarkeit signalisieren.

Das sind in der Tat so ziemlich zentrale Gedanken. Mal sehen, was Elmar daraus macht.

Vom Standpunkt der Soziobiologen ist damit geklärt, daß große Abweichungen des bisher von Männern und Frauen gezeigten Verhaltens unwahrscheinlich, weil evolutionär disfunktional sind. Männerbewegungen wie sie vom Maskulismus unterstützt werden, sind daher eher von kosmetischer Bedeutung und „biologistischer Maskulismus“ im Grunde ein Widerspruch in sich.

Ich vermute mal, dass das aus Elmars Sicht ein Gegenargument ist: Wenn man gewünschte Ziele wegen bestimmter Fakten nicht erreichen kann, dann müssen die Fakten falsch sein.

Eine Änderung wäre im übrigen nicht unwahrscheilich, weil sie evolutionär dysfunktional ist, sondern weil bestimmte Grundlagen abgespeichert sind, insbesondere Partnerwahlkriterien. Ob etwas dysfunktional aus evolutionärer Sicht wäre, wäre relativ egal, da nicht der Grund oder das Ziel abgespeichert wird, sondern nur die eigentliche Funktion.

Warum das einen „biologistischen Maskulismus“ ausschließen soll erschließt sich mir nicht. Man kann nicht änder, dass Frauen Männer mit Status und Männer schöne, junge Frauen attraktiv finden, aber man kann natürlich trotzdem für ein allgemeines Sorgerecht ab Geburt auch bei unverheirateten Eltern sein, man kann deswegen dennoch andere Regelungen im Zugewinn und im Unterhalt  für richtig halten, man kann dennoch darauf hinweisen, dass auch Männer Opfer häuslicher Gewalt sein können, man kann auch dagegen sein Männer zu verteufeln und man kann besonders effektiv dagegen argumentieren, dass die Geschlechterrollen vom Patriarchat künstlich angelegt worden sind um Frauen zu unterdrücken.

(weiter in der Besprechung demnächst in Teil 2)

Was müssen wir machen, wenn wir tatsächlich Gleichberechtigung wollen?

In meiner Besprechung des Artikel dazu, ob Frauen tatsächlich Gleichberechtigung wollen fand ich den Schluss auch noch sehr interessant, weil er einiges beleuchtet, was in der Geschlechterdiskussion zu kurz kommt.

Es heißt dort:

Ultimately, if we actually wanted equality we would be asking men what life is really like for them. Because as long as male roles are limited, female roles will be limited, too. If we actually wanted equality, we would be talking about equal responsibilities alongside equal rights; we would be having honest conversations around biological differences and attraction. Until we do these things, we will find ourselves in a continual gridlock, complaining about such trivial things as manspreading and wondering why we can’t have it all while mistakenly believing men do.

Im Einzelnen:

Ultimately, if we actually wanted equality we would be asking men what life is really like for them.

Das ist meiner Meinung nach der einzige Weg Geschlechterprobleme zu lösen: Man muss beide Geschlechter fragen und nicht nur die Frauen. Erst wenn man beide Seiten kennt kann man überlegen, warum auf eine bestimmte Weise gehandelt wird und wie sich die beiden Verhalten jeweils beeinflussen. Wer hingegen die Linie ausgibt, dass Männer die Privilegierten sind und damit die Klappe zu halten haben und lieber Frauen zuhören sollen, der weigert sich eine wichtige Perspektive mit einzubeziehen.

Because as long as male roles are limited, female roles will be limited, too.

Die Rollen bedingen sich eben gegenseitig. Wenn Frauen den Versorger anfordern, dann werden eben Männer mehr verdienen. Wenn Männer alles für Sex machen, dann werden sie Frauen bekommen, die ihnen auf der Nase herumtanzen.

If we actually wanted equality, we would be talking about equal responsibilities alongside equal rights;

Ein wichtiger Satz und eigentlich ein Kernstück der Kritik am Feminismus: Nur auf die eigenen Nachteile abstellen, aber nicht die Vorteile sehen, die oft Spiegelbilder der Nachteile sind, geht nicht (zB weniger Verdient vs. mehr Zeit mit der Familie oder weniger Stress. Passivität beim Flirten gleich Verlagerung der aktiven Rolle auf den Mann etc)

we would be having honest conversations around biological differences and attraction

In der Tat halte ich es für absolut unmöglich in dem Geschlechterthema weiterzukommen, wenn man sich weigert, biologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu diskutieren und damit in Verbindung stehen auch das, was uns an dem anderen Geschlecht interessiert, was wiederum ohne Kenntnisse von Punkten wie sexueller Selektion und Signalling nicht zu verstehen ist. Begehren und dessen Faktoren ist ein absolut wichtiger Bestandteil davon und alles deutet darauf hin, dass dort biologische Grundlagen zu beachten sein werden.

Until we do these things, we will find ourselves in a continual gridlock, complaining about such trivial things as manspreading and wondering why we can’t have it all while mistakenly believing men do.

Und das wäre dann der gegenwärtige Stand des Feminismus

 

Weiblicher intrasexuelle Konkurrenz = internalisierte Frauenfeindlichkeit, Männliche intrasexuelle Konkurrenz = Toxische Männlichkeit

Ist das die Kurzformel für die feministische Theorie?

Richard Dawkins und Steven Rose

Zu Steven Rose und seiner Kritik an Dawkins:

Steven Rose seems to have a rather different worry about neo-Darwinism. The main message discernible through his polemic is that thinkers like Dawkins fail to appreciate the complexity of biological processes. Rose, a biochemist who works on memory, describes some of the intricate chemical arrangements by which strings of DNA influence the development of adult organisms. In particular, he gives us an idea of the elaborate feedback mechanisms that allow our bodies to develop and maintain stable structures.

Much of this is of interest in its own right, but it is hard to see why Rose thinks it amounts to an objection to neo-Darwinism. It is scarcely as if his opponents deny that genes work through complicated mechanisms. The reason they skip the chemical details is simply that they don’t think they are crucial to our understanding of natural selection. You don’t need to know about gasoline molecules to be a good car mechanic. Rose seems to be missing his target. It is one thing to argue, as Gould does, that neo-Darwinism fails in its ambitions. But Rose is pointing to ambitions his opponents never had.

A rather different reason for caring about biochemical complexity emerges in his penultimate chapter, where Rose takes issue with public announcements that scientists have now identified the gene “for“ criminality, or homosexuality, or alcoholism, or what you will. He is rightly outraged by the moronic political thinking that normally accompanies these declarations. He knows that the influence of DNA chemistry is far too fragile and environmentally mediated for any simple gene-character determinism. However, this point again misses his ostensible opponents. While there are too many vulgar sociobiologists ready to hold forth about “criminal genes“ and so on, it is striking that no leading neo-Darwinian theorist is quoted by Rose as doing so. This is no accident. Dawkins and his associates are not genetic determinists, nor does their theory require that they be. But the fervor of Rose’s political commitments makes him impatient with such nice distinctions. “Genes bad, environment good“ seems to be the slogan, and anybody who thinks that genes matter to evolution is lumped together with Nazi eugenicists.

Perhaps there is another reason for Rose’s antipathy to the neo-Darwinians. Theoretical biologists sometimes seem to be divided by esthetic considerations as much as scientific ones. Where purists like Dawkins thrill to the cold logic of mathematical rigor, pluralists like Gould get their pleasures from the tangled bank of biological diversity. I suspect this is why the debate often seems so intangible. They aren’t arguing about the facts, but about which is more fun — the ingenious equations of population genetics or the curious contrivances of the flamingo’s beak and the panda’s thumb. Given this, it is not surprising that the two sides can’t agree. Who is to say if there is more value in the lucidity of mathematics or in the variety of nature?

Even though he earns his living as a hard scientist, Rose is clearly not someone who is inspired by mathematical lucidity. Halfway through the book he explains, in presumed sympathy with his readers, that he is among those who “hate equations and find these algebraic representations hard to follow.“ A number of other comments confirm his aversion to mathematical science. High school students may well be puzzled by his claim that it has only recently become possible to model mathematically “what might be happening when several variables alter at the same time,“ or by his assertion, three pages later, that “today both heat and light are seen as forms of electromagnetic radiation.“

In the end it may be this impatience with mathematical abstraction, rather than his political commitments, that explains Rose’s antagonism to the neo-Darwinians. He repeatedly starts off toward some technical issue, only to veer away as the crucial point looms near, as if it would be improper to allow mathematical niceties to cloud our judgment. Some readers may sympathize. But those who find pleasure in mathematical clarity as well as in biological oddity are likely to find this a frustrating book. If you want to find out about the logic of modern Darwinian theory, you will do better to look elsewhere.

Und zu seinem Buch „Darwins gefährliche Erben

Als der Abt Gregor Mendel seine revolutionären Kreuzungsexperimente machte, hatte er wohl nur eines im Sinn: die Evolutionstheorie zu widerlegen. Die Grundeinheiten der Vererbung, auf die er dann stieß, hielt er fälschlich für unveränderliche Teilchen, von denen jedes für die Ausprägung eines einzigen Merkmals zuständig sein sollte.

Heute gibt es Biologen, die alles auf das Wirken bestimmter Gene zurückführen – von Gewalttätigkeit und Drogensucht bis hin zu Homosexualität und politische Gesinnung. Der englische Neurobiologe Steven Rose macht hierfür eine Ideologie des Reduktionismus und Ultra-Darwinismus verantwortlich. Für ihren rigorosesten Verfechter hält er Richard Dawkins: „Johannes der Täufer der Soziobiologie“.

In Dawkins‘ Soziobiologie dreht sich alles um das isolierte, „ egoistische“ Gen: der Organismus als Überlebensmaschine, die dazu dient, die Reproduktion der Gene zu gewährleisten. In allem, was er ist und tut, zeigt sich, daß er der Diktatur der Gene unterworfen ist.

Für Steven Rose hingegen ist nicht das Gen, sondern der Organismus die elementare Einheit des Lebens. Und für den Organismus ist charakteristisch, daß er permanent auf seine Umgebung einwirkt, sich dadurch selbst formt und verändert. Dabei lassen ihm seine Gene durchaus einen Freiheitsspielraum. Den gesteht Dawkins nur dem Menschen zu. Er beruft sich dabei auf eine Metaphysik des freien Willens, die jedoch nach Auffassung von Rose in der Biologie nichts zu suchen hat.

Hier wird eigentlich schön deutlich, dass er gar nicht versteht, warum das egoistische Gen so elementar ist: Einwirkung auf die Umwelt durch den Organismus ist bei evolutionärer Betrachtung unwesentlich, weil diese Informationen nicht langfristig an die nächsten Generationen weitergegeben werden, weitergegeben werden eben nur die Gene. Allenfalls wird die Veranlagung auf die Umwelt weiterzugeben, soweit sie auf Genen beruht, in die nächsten Generationen übertragen. Die Idee des egoistischen Gens ist eigentlich recht einfach zu verstehen, scheint aber für einige Leute schlicht nicht ins Weltbild zu passen. Sie verschließen sich damit selbst dem Verständnis dieses Konzepts. Notgedrungen muss ihre Kritik daran entsprechend schwach ausfallen.

Die Auswirkungen von Erregung auf unser Denken

Eine interessante Studie untersucht, wie sich bestimmte Einstellungen unter der Wirkung sexueller Erregung verändern:

Despite the social importance of decisions taken in the ‘‘heat of the moment,’’ very little research has examined the effect of sexual arousal on judgment and decision making. Here we examine the effect of sexual arousal, induced by selfstimulation, on judgments and hypothetical decisions made by male college students. Students were assigned to be in either a state of sexual arousal or a neutral state and were asked to: (1) indicate how appealing they find a wide range of sexual stimuli and activities, (2) report their willingness to engage in morally questionable behavior in order to obtain sexual gratification, and (3) describe their willingness to engage in unsafe sex when sexually aroused. The results show that sexual arousal had a strong impact on all three areas of judgment and decision making, demonstrating the importance of situational forces on preferences, as well as subjects’ inability to predict these influences on their own behavior.

Quelle:  The heat of the moment: the effect of sexual arousal on sexual decision making (Abstract / Teilweiser Volltext/Volltext)

Viele werden jetzt sagen, dass das ja nun eigentlich ein Effekt ist, für den man nicht wirklich eine Studie braucht: Natürlich Verhalten wir uns anders, wenn wir erregt sind. Aber was ist Erregung eigentlich? Es ist in gewisser Weise die Aktivierung eines gewissen Programms durch zB die Stimulierung bestimmter Körperregionen. Es ist insofern etwas, was uns auf Sex vorbereitet und dessen Durchführung in gewisser Weise attraktiver macht. Es verändert also bestimmte Parameter in Richtung Sex und verleiht diesen eine stärkere Bedeutung. Nur: Wie genau soll man sich dies abseits einer Wirksamkeit innerhalb unserer Biologie, abseits einer Veränderung bestimmter Parameter, die unser Denken beeinflussen, erklären? Wir denken nicht logischer, im Gegenteil, häufig machen wir erhebliche Dummheiten unter der Wirkung sexueller Erregung.

Das zeigt auch die Studie in den Ergebnissen:

Sexuelle Erregung Denken

Sexuelle Erregung Denken

Unter dem Einfluss der „Erregung“ erscheint uns also sexuelles Sexueller und sexuelle Handlungen erscheinen uns attraktiver. Wir können uns in dem Moment beispielsweise wesentlich eher vorstellen, dass wir Sex mit jemanden haben, den wir hassen und Männer würden eher einen „Teufels“-Dreier, also 2 Männer und eine Frau mitmachen. Analsex scheint plötzlich wesentlich attraktiver und diverse andere Praktiken ebenfalls. Es erscheint auch frustrierender einfach nur rumzuknutschen und nicht weiterzukommen. 

Wie sich die Einstellung verändert zeigt auch die Beantwortung weiterer Fragen:

 

Sexuelle Erregung Denken2

Sexuelle Erregung Denken2

Wie man sieht wird es hier wesentlich bösartiger gegenüber der Nichterregung. Was auch ein interessantes Licht auf die Frage wirft „Geht es bei der Vergewaltigung um Macht oder um Sex?“. Wie man an der Steigerung im Zusammenhang mit der Erregung sieht ist diese ein sehr wesentlicher Faktor.

Auch ein anderer interessanter Aspekt der Studie: Wie steht es um Verhütung

Sexuelle Erregung Verhütung

Sexuelle Erregung Verhütung

 

Es zeigt gut, warum das Predigen von Enthaltsamkeit als Vorbeugen gegen jugendliche Schwangerschaften wenig hilft: Solange sie im Klassenraum sitzen mag ihnen der Gedanke ganz logisch erscheinen. Wenn sie aber erregt sind, dann erscheint eben der Sex wesentlich attraktiver als vorher im Klassenraum und es kommt eher dazu, dass man die guten Vorsätze über Bord wirft. Dann wiederum wäre es besser, wenn die Jugendlichen ein Kondom zur Hand hätten, da sonst eher die Gefahr einer Schwangerschaft droht.

Aus der Studie:

This study examined the effect of high levels of sexual arousal on the subjective attractiveness of different activities, on self-reported willingness to take various morally dubious measures to procure sex, and on willingness to engage in risky sexual activities. Our results on attractiveness of activities suggest that sexual arousal acts as an amplifier of sorts. Activities that are not perceived as arousing when young males are not sexually aroused become sexually charged and attractive when they are, and those activities that are attractive even when not aroused, become more attractive under the influence of arousal. By showing that, when aroused, the same individual will find a much wider range of activities sexually appealing than when not aroused, these findings weigh in against the view of sexual preferences as being purely an individual difference variable—i.e., as dispositionally rather than situationally determined. Certainly, there are robust individual differences in sexual preferences and in the likelihood of engaging in various behaviors, but there also seem to be striking intra-individual differences caused, in our study, by externally caused variations in arousal level.
Our results further suggest that the change in attractiveness influences the intensity of motivation to have sex relative to other goals. Specifically, the increase in motivation to have sex produced by sexual arousal seems to decrease the relative importance of other considerations such as behaving ethically toward a potential sexual partner or protecting oneself against unwanted pregnancy or sexually transmitted disease. Like other drive-states (Loewenstein, 1996), and also somewhat analogous to the effects of alcohol (Ditto et al., 2005; Steele & Josephs, 1990), sexual arousal seems to narrow the focus of motivation, creating a kind of tunnel-vision where goals other than sexual fulfilment become eclipsed by the motivation to have sex (c.f., Blanton & Gerrard, 1997).
As noted in the introduction, a secondary implication of our findings is that people seem to have only limited insight into the impact of sexual arousal on their own judgments and behavior. Such an under-appreciation could be important for both individual and societal decision making. At the individual level, there is a considerable research showing that one’s meta-understanding of one’s own preferences can in many situations be almost as important as the preferences themselves. For example, as O’Donoghue and Rabin (2003) show, the impact of hyperbolic time discounting on actual intertemporal choice behavior depends critically on whether one is naı¨ve or sophisticated about the fact that one will face self-control problems in the future. Ariely and Wertenbroch (2002) likewise found, in a study of students taking a class, that those who were aware of their own tendency to procrastinate, and hence voluntarily set deadlines for themselves, got higher course grades than those who did not. Self-insight when it comes to sexual arousal and sexual behavior is similarly likely to be important for decision making. For example, the most effective means of self-control is probably not willpower (which has been shown to be of limited efficacy), but rather avoiding situations in which one will become aroused and lose control. Any failure to appreciate the impact of sexual arousal on one’s own behavior is likely to lead to inadequate measures to avoid such situations. Similarly, if people under-appreciate their own likelihood of having sex, they are likely to fail to take precautions to limit the potential damage from such encounters. A teenager who embraces ‘‘just say no,’’ for example, may feel it unnecessary to bring a condom on a date, thus greatly increasing  the likelihood of pregnancy or transmission of STDs if he/she ends up getting caught up in the heat of the moment.

The same logic applies interpersonally. If people judge others’ likely behavior based on observing them when they are not sexually aroused, and fail to appreciate the impact of sexual arousal, then they are likely to be caught by surprise by the other’s behavior when aroused. Such a pattern could easily contribute to daterape.

Indeed, it can create the perverse situation in which people who are the least attracted to their dates are most likely to experience date-rape because being unaroused themselves they completely fail to understand or predict the other (aroused) person’s behavior.
At a social level the failure to appreciate the influence of sexual arousal when one is unaroused can have diverse consequences. For example, judges and jurors, who are generally unaroused when making decisions of guilt and punishment, may be excessively condemnatory and punitive toward sexual offenders because they make their decisions in a sexually unaroused state and fail to appreciate how intense sexual arousal would alter even their own decision making in potentially compromising circumstances. The result is that decisions will be stigmatized as immoral misbehavior even by people who would themselves make the same choice when in an aroused state. It should be clear that such effects of arousal cannot justify any sexual exploitation, but they can make such behaviors somewhat more understandable. From the perspective of the legal system it is possible that sexual arousal should be given more credit as a partially mitigating factor than it would normally receive. Moreover, understanding these effects can help guide individuals (sex offenders for example) such that they will be less likely to sexually exploit or re-exploit. Finally, as alluded to in the discussion of individual decision making, the failure to appreciate sexual arousal by those who are not
themselves immediately aroused can also help to explain the enactment of misguided and ineffective policies such as ‘‘just say no’’, leaving young adults unprepared to limit the potential damage from their own behavior in the heat of the moment.

Wir können also nur sehr schwer einschätzen, wie wir reagieren, wenn wir nicht in unserem „normalen Modus“ sind, sondern erregt. Deswegen unterschätzen wir unser Verhalten und bewerten das Verhalten anderer härter.

Wie unser Denken um Besitz durch evolutionäre Regeln beeinflusst wird

Hier war bereits die These diskutiert worden, dass wir evolutionär geprägte Regeln in uns haben, die unser Denken beeinflussen. Diese werden insbesondere dann deutlich, wenn wir uns unlogisch verhalten, obwohl wir der Meinung sind rational zu handeln.

Ein gutes Beispiel dafür ist, dass wir ein besonderes Verhältnis zu Besitz haben.

Ein Beispiel dafür ist der Besitztumseffekt (Endowment Effect). Dabei geht es darum, dass wir etwas, was wir besitzen, einen höheren Wert zumessen als wir es sonst tun würden.

Ein Beispiel dafür ist, dass große Fans einer Fußballmannschaft an einer Verlosung teilnehmen, bei der sie Tickets für ein wichtiges Spiel bekommen können. Einige gewinnen, einige verlieren.

Fragt man jetzt diejenigen, die das Ticket nicht gewonnen haben, was sie für ein Ticket zahlen würden, dann nennen sie einen bestimmten Preis, sagen wir 200 Euro. Diejenigen, die das Ticket zu dem Spiel erhalten haben, würden es aber auch für 1.000  Euro nicht verkaufen.

Die Wikipedia dazu:

Bekannt ist ein Experiment mit Tassen, das Daniel Kahneman 1990 durchführte. Dabei bildete er zwei Gruppen. Der ersten Gruppe (den Verkäufern) gab er Tassen und fragte sie, welchen Preis zwischen $ 9,25 und $ 0,25 sie fordern würden, um die Tasse zu verkaufen. Die Teilnehmer der zweiten Gruppe wurden gefragt, welchen Preis sie zahlen würden, um die Tasse zu erhalten. Der Preis der „Verkaufsgruppe“ lag im Mittel bei $ 7,12, während der Preis der „Kaufgruppe“ gerade mal bei $ 2,87 lag.

In einem anderen Experiment ging es um ein Ticket für ein Basketballspiel. Da die Universität und auch die Basketball-Halle der Universität klein sind, erhält regelmäßig eine große Zahl Anstehender trotz langem Anstehen kein Ticket. Die Mitarbeiter von Dan Ariely und Ziv Carmon gaben sich dann als Ticket-Schwarzhändler aus und fragten Ticketbesitzer, für welchen Betrag sie ihr Ticket verkaufen würden – durchschnittlich wurden $ 2400 genannt. Die Studenten ohne Ticket waren im Durchschnitt bereit, $ 170 für ein Ticket zu bezahlen. Die Ticketbesitzer rechtfertigten die hohen Preise oft mit der Bedeutung des Spiels (z.B. dass sie sich damit ein wichtiges Erlebnis gönnten, von dem sie noch ihren Kindern erzählen könnten). Die angefragten Personen ohne Ticket setzten die Geldbeträge eher in Relation zu anderen Geldbeträgen, wie zum Beispiel die Ausgaben beim Ausgehen oder Bier trinken.

Dieser Effekt findet sich in vielen Bereichen: Es ist der Grund, warum viele Geschäfte anbieten, dass man gekaufte Ware zB innerhalb von 2 Wochen zurückbringen kann. Weil man sie dann aber bereits besitzt wollen sie die wenigsten zurückbringen.

Es ist vielleicht auch der Grund, warum viele eine eigentlich bereits nicht mehr funktionierende Beziehung nicht aufgeben können. Sie wollen ihren „Besitz“ nicht verlieren.

Ein Grund, der zu diesem Effekt beiträgt könnte auch unsere Verlustaversion sein. Wir bewerten Verluste höher als Gewinne. Für uns ist es also erheblicher, 5 Euro zu verlieren als 5 Euro zu gewinnen.

Das kann man durch Studien ermitteln, in denen einmal etwas als potentieller Gewinn und einmal als potentieller Verlust formuliert wird.

Ein Beispiel aus der Wikipedia:

In Deutschland beträgt der gesetzliche Urlaubsanspruch 24 Tage, in Amerika hingegen nur 14 Tage. Die meisten Deutschen wären nicht bereit, auf ihren gesetzlichen Urlaubsanspruch zu verzichten, wenn sie dafür einen höheren Lohn bekommen würden. Amerikaner hingegen sind nicht bereit, weniger Geld zu verdienen um mehr Urlaubstage zu bekommen. Für viele Deutsche ist die Anzahl der gesetzlichen Urlaubstage der „Status quo“, daher wird die Aufgabe der Urlaubstage als Verlust angesehen. Bei den Amerikanern ist auch die Anzahl der gesetzlichen Urlaubstage der „Status quo“. Mehr Urlaub würde für die Amerikaner einen Gewinn darstellen.

Vermutlich ist es auch die Verlustangst, die die besondere Bedeutung der Zahl „Null“ oder „umsonst“ für uns ausmacht. Wenn etwas umsonst ist, dann haben wir keinen Verlust, der ansonsten auch bei einem vergleichsweise geringen Preis entsteht. Wir müssen nichts von uns weggeben und bekommen noch etwas dazu. Deswegen wird in der Werbung auch gerne mit einer Form von „Umsonst“ gearbeitet. Etwa „Wer 2 kauft bekommt das dritte umsonst“ statt es als Reduzierung des Preises auf die Ware insgesamt auszudrücken.

Ebay hatte wohl beispielsweise einen großen Erfolg damit, dass es bestimmte Angebote damit beworben hat, dass man, wenn man noch ein thematisch passendes Buch dazu kauft, keine Versandkosten zahlen muss (der Versand also umsonst ist). Die Umsätze stiegen sehr stark. Ebay Frankreich hatte aber wohl statt eine Reduzierung auf Null vorzunehmen in der gleichen Zeit lediglich die Versandkosten stark ermäßigt, auf einen Franc (also etwa 0,15 Euro) statt auf Null. Dort blieb der Werbeeffekt vollkommen aus, weil die Verlockung der Null nicht eingetreten ist.

Auf das ganze Thema bin ich durch das Buch „Predictably Irrational“ gekommen, der Autor erklärt zu dem letzten Punkt auch etwas in einem Video:

Interessant fand ich auch den ebenfalls dort erwähnten Ikea-Effekt:

Als IKEA-Effekt wird in der Verhaltensökonomik der Zuwachs an Wertschätzung bezeichnet, der selbst entworfenen oder zumindest selbst zusammengebauten Gegenständen im Vergleich zu fertig gekauften Massenprodukten entgegengebracht wird. Die Benennung nach dem Möbelhersteller IKEAund dessen durch den Kunden zu montierenden Produkten wurde 2009 durch den Wirtschaftswissenschaftler Michael Norton geprägt. Quantitativ erreicht die gesteigerte Wertschätzung durch die selbst durchgeführte Montage eines Massenartikels fast die Wertschätzung für ein individuell durch einen Handwerker gefertigtes Einzelstück.

In dem Buch wurde angesprochen, dass dieser Effekt, nämlich der, dass man etwas, in das man viel direkte Arbeit gesteckt hat (statt der indirekten Arbeit, die man erst in Geld steckt und dann in das Möbelstück), mit einem höheren Wert für sich selbst belegt, auch in die Geschlechterdiskussion mit hineinspielen könnte:

Es wurde dort das Beispiel gebracht, dass deswegen die Mutter, die mehr „direkte Arbeit“ in das Kind gesteckt hat, dieses eben auch eher als seinen Besitz ansieht, vergleichbar dem Ikeamöbel, weil sie es häufiger gefüttert, gewickelt und mehr für seine Erziehung zuständig war und daher auch weniger bereit ist zu teilen oder diesen „Besitz“ aufzugeben.

Auch interessant fand ich den dort erwähnten Decoy-Effekt, der zwar nicht direkt Besitz betrifft, aber auch zeigt, dass unsere Entscheidungsfindung mitunter nicht sehr logischen Regeln entspricht.

Der Decoy-Effekt geht davon aus, dass wir Vergleichbarkeit lieben und uns ein Produkt, bei dem wir eine solche Vergleichbarkeit haben, als höherwertiger erscheint.

Ein Beispiel dazu:

Jemand muss sich zwischen zwei hochwertigen Geräten entscheiden, die jeweils andere hochtrabende Bezeichnungen für bestimmte Parameter haben. Es ist schwer zu sagen, welches letztendlich besser ist. Wenn es nun das Gerät A gibt und von dem anderen Hersteller die Geräte B1 und B2, wobei man klar erkennen kann, dass B2 etwas schlechter ist als B1, dann neigen viele Kunden dazu, dass Gerät B1 zu nehmen, einfach weil sie wissen, dass es da bessere Gerät dieses Herstellers ist. Das ist dann unabhängig davon, ob nicht eigentlich Gerät A die bessere Wahl gewesen wäre. Deswegen kann es sich für den Hersteller lohnen, das Gerät B2 als „Decoy“ zu platzieren, da dann sein Gerät insgesamt attraktiver erscheint.

Ein weiteres Beispiel:

Dan Ariely machte dazu einen interessanten Test. Er bat Studenten für ein Datingexperiment Fotos von ihnen machen zu können. Dann wurden aus den Fotos Gruppen gleich attraktiver Studenten gebildet. Dann modifizierte Dan Ariely mit Photoshop die Fotos so, dass er etwas hässlichere Versionen davon erzielte. Er verrückte Beispielsweise die Nase oder die Augen leicht aus der Symmetrie.

Dann bat er Studentinnen sich dafür zu entscheiden, mit wem sie lieber ein Date wollten, wobei er drei Fotos vorlegte. Dabei handelte es sich jeweils um 2 Fotos von verschiedenen Studenten und ein weiteres Foto eines der Studenten, welches modifiziert war.

Die hübsche Version des „doppelten Fotos“ bekam dabei jeweils deutlich höheren Zuspruch, ich meine etwa 75% entschieden sich für dieses, einfach weil sie einen Vergleich hatten.

Aus meiner Sicht alles gute Beispiele, die aufgrund ihrer weltweiten Verbreitung zeigen, dass wir Bewertungen nach bestimmten Regeln vornehmen, die nicht logisch sind, aber gleichzeitig einer gewissen Logik folgen:

Verlust mehr zu fürchten als Gewinn zu wollen kann beispielsweise ebenso evolutionär sinnvoll sein, wie bei unbekannten Lagen lieber die zu wählen, bei denen man zumindest weiß, dass sie besser ist als eine der anderen Alternative.

 

Kausalität, Biologie und Evolution

Elmar hat einen Artikel über Prognosen und Erklärungen geschrieben, der irgendwie mal wieder darlegen soll, das biologische Theorien falsch, Biologismus, und geradezu unmöglich sind.

Seine Zusammenfassung lautet:

In den Naturwissenschaften gilt: Erklärungen erzeugen keine Prognosen und Prognosen erklären nichts. Und die Güte einer Erklärung kann auch nicht durch die Treffsicherheit einer Prognose gemessen werden. Argumentformen erzeugen keine Erklärungen, aber Erklärungen ohne Argumente gibt es nicht. Erklärungen benötigen keine Gesetze und keine Kausalaussagen. Der Kausalbegriff ist in der Physik nicht eindeutig, wird aber an alle anderen Naturwissenschaften vererbt. Kausalaussagen oder kausale Prozesse können manchmal, müssen aber nicht immer etwas erklären und eine analysierende Vereinheitlichung allein genügt nicht immer für das Zustandekommen einer Erklärung. Vor allem aber betreffen Erklärungen immer Behauptungen, deren Wahrheit wir bereits mit guten Gründen akzeptiert haben: Erklärungen, die systematisieren, erzeugen zwar ein spezielles Wissen, aber ob es sich wirklich um Erklärungen handelt, messen wir unter anderem in Termen von unabhängig verfügbaren Wissen. Wenn es in den Naturwissenschaften offenbar so überraschend kompliziert ist, welchen Grund haben wir dann zu glauben, daß das Verhalten der Personen so viel einfacher zugänglich ist? Und woher kommen eigentlich die Prognosen in Biologismus und evolutionärer Psychologie, wenn sie nicht von den Erklärungen über die Ursprünge des Verhaltens geliefert werden?

Es kann gut sein, dass ich das Ganze falsch verstehe, es scheint mir aber eine recht willkürliche Aufteilung zu sein, die an den tatsächlichen Gegebenheiten vorbeiredet.

Wenn man Biologie verstehen will, dann muss man zunächst Evolution verstehen. Man muss verstehen, dass es dort um Mutationen und Selektionen geht, dass dieses ein zielloser Prozess ist, der ohne Steuerung auskommt, der aber dennoch unglaublich komplexe Gebilde und Strukturen schaffen kann.

Sie haben beispielsweise unser Gehirn geschaffen, welche unzweifelhaft eine äußerst komplexe Struktur ist.

Soweit werden sicherlich die meisten noch zustimmen.

Jetzt kommt der Punkt, an dem die Philosophen wohl einige Probleme haben:

Dieser Prozess kann Denkregeln schaffen, ebenso wie Vorlieben, instinkthaftes Verhalten, das Unterbewußtsein etc und klassische Formen von Erklärung und Kausalität greifen hier nicht mehr.

Denn es kommt hier zum einen eine zufällige Mutation und zum anderen ein Selektionsprozess zusammen, der nicht so abgelaufen sein muss, der nicht zwingend ist, der auch hätte in eine andere Richtung verlaufen können und der dennoch bestimmten Regeln folgt, die man in einer Ex-Post-Betrachtung, also eine Betrachtung im Nachhinein nachvollziehen und zuordnen kann.

Das Ergebnis dieses Selektionsprozesses kann dabei ein Horn zur Verteidigung sein oder aber auch eine Denkroutine, die zB die Fähigkeiten eines Angreifers zB seine Größe etc in Flucht oder Kampf umrechnet, und das im Verhältnis zu dem, was es zu bewahren gilt (die äußeren Grenzen eines großen Reviers? Der Nachwuchs, der sonst deinem Fressfeind ausgeliefert ist?)

Ich verstehe wie gesagt vielleicht auch nicht die dort aufgemachte aus meiner Sicht sehr theoretische Differenzierung:

Wenn ich weiß, dass ein Hammer zum Schmieden von Schwertern konstruiert worden ist und der andere Hammer dazu, den Kniesehnenreflex zu testen, dann kann ich deswegen natürlich auch eine gute Prognose abgeben, welcher wohl mehr aushält, selbst wenn ich die Hammer nicht gesehen habe.

Ebenso kann ich aus den mir bekannten Daten zur Kostenverteilung menschlicher Fortpflanzung überlegen, wie wohl das Gehirn konstruiert sein wird und daraus Thesen zum Verhalten ableiten. Es ist zB sehr wahrscheinlich, dass das Geschlecht, welches die geringeren Fixkosten  der Fortpflanzung trägt weitaus eher zu „casual Sex“ bereit sein wird.

Oder man müsste genauer formulieren: Das Gehirn wird eher so eingerichtet sein, dass es Gelegenheiten zu Casual Sex als attraktiv wahrnimmt und es wird die Erkennung entsprechender Muster eher mit der Aktivierung von „Belohungsgehirnarealen“ verbunden sein. Diese evolutionär entstandene Bewertungsroutine des Gehirns führt dann dazu, dass dieses Verhalten attraktiver ist und ein entsprechender Handlungsimpuls, dessen Stärke je nach Gelegenheit und anderen Faktoren variiert, schwerer von dem logisch denkenden Teil unseres Gehirns ausgebremst werden kann.

Natürlich sind das erst einmal Theorien, ob sie plausibel sind, kann durch Experimente, Studien etc festgestellt werden.

Dazu gibt es ja auch eine Menge Möglichkeiten: Nahezu jedes „System“ am Menschen kann ausfallen, sei es durch eine Mutation oder eine Gehirnverletzung, solange es nicht für das Überleben wichtig ist. Es gibt Leute ohne Kurzzeitgedächtnis, ohne Langzeitgedächtnis, ohne die Fähigkeit Emotionen zu erkennen oder Entscheidungen zu treffen (weil zB ihr Filter für „wichtig“ und „unwichtig“ nicht funktioniert. Es gibt Leute, die sexuelle Anziehung nicht verstehen oder wie man überhaupt sexuelles Begehren empfinden kann. Es gibt Leute, die unter der Einwirkung von Gehirnverletzungen ihr Verhalten und ihre Persönlichkeit verändern.

Beispielshaft sei hier der berühmte Fall des Phineas Gage angeführt:

Phineas P. Gage (* wahrscheinlich am 9. Juli 1823 in Lebanon, New Hampshire; † 21. Mai 1860 in San Francisco, Kalifornien) arbeitete als Vorarbeiter bei einer amerikanischen Eisenbahngesellschaft bei Cavendish, Vermont, und erlitt dort am 13. September 1848 einen schweren Unfall. Bei einer von ihm durchgeführten Sprengung schoss eine etwa 1,10 m lange und 3 cm dicke Eisenstange von unten nach oben durch seinen Schädel und verursachte einen großen Wundkanal. Die Stange trat unterhalb des linken Wangenknochens in den Kopf ein und oben am Kopf wieder aus (Läsion im orbitofrontalen und präfrontalen Kortex). Während des Unfalls blieb Gage bei Bewusstsein und war auch später in der Lage, über den gesamten Hergang des Unfalls zu berichten. Er überlebte den Unfall, und die Wunden heilten, lediglich sein linkes Auge wurde durch den Unfall irreversibel zerstört.

Der Unfall des Phineas P. Gage ist für die neurowissenschaftliche Forschung von großer Bedeutung: Nach Angaben seines Arztes, John D. Harlow, war er nach wenigen Wochen körperlich wiederhergestellt, und auch seine intellektuellen Fähigkeiten, einschließlichWahrnehmung, Gedächtnis, Intelligenz, Sprachfähigkeit, sowie seine Motorik waren völlig intakt. In der Zeit nach dem Unfall kam es jedoch bei Gage zu auffälligen Persönlichkeitsveränderungen. Aus dem besonnenen, freundlichen und ausgeglichenen Gage wurde ein kindischer, impulsiver und unzuverlässiger Mensch. Dieses Krankheitsbild ist heutzutage in der Neurologie als Frontalhirnsyndrom bekannt.

Gage litt nach dem Unfall immer wieder an epileptischen Anfällen und Fieberschüben, verlor nach einem heftigen Krampfanfall das Bewusstsein und erlangte es nach einer Reihe von weiteren Krämpfen nicht wieder. Er starb am 21. Mai 1860. António Damásio ist der Ansicht, dass er einem Status epilepticus zum Opfer fiel.

1867 wurde der Körper exhumiert. Der Schädel sowie die seinerzeit mitbeigesetzte Eisenstange wurden im Museum der Harvard Medical School ausgestellt. 1994 wurde der Schädel an der Universität Iowa von Hanna Damasio gescannt und am Computer ein Gehirn simuliert, das in diesen Schädel passte. Anhand der Löcher im Schädel konnte so festgestellt werden, welche Hirnareale durch die Stange beschädigt wurden.

Das Frontalhirnsyndrom zeigt eine gewisse Nähe zum „Computermodell“:

Allgemein schreibt man diesen Hirnteilen, die auch als präfrontaler Cortex bezeichnet werden, eine Analyse- und Überwachungsfunktion zu. Daher wurde für ihn auch der Begriff „supervisory attentional system“ (SAS) eingeführt. Es besteht ein dichtes Netzwerk zu vielen anderen Hirnteilen. Auf diese Weise können unterschiedlichste Informationen analysiert, bewertet, „verrechnet“ und die Ergebnisse wieder zurückgesendet werden – ähnlich dem zentralen Prozessor (CPU) eines Computers. Aufgrund der zahlreichen präfrontalen Verbindungen („Projektionen“) zu anderen Gehirnstrukturen können auch Läsionen in anderen Hirnabschnitten zu einem Dysexekutiven Syndrom führen, z. B. Thalamus, kortikale oder subkortikale limbische Strukturen,Basalganglien. (…)

Das Supervisory Attentional System (SAS) ist nicht mehr dazu in der Lage, Handlungen des Menschen flexibel auf neue Situationen einzustellen (kognitive Flexibilität). Das problemlösende Denken und eine vorausschauende Handlungsplanung sind z. T. massiv gestört. Irrelevante (Umwelt-)Reize können nicht mehr von relevanten unterschieden werden. Es findet keine ausreichende Analyse mehr statt. Bei Routinehandlungen dagegen zeigen sich in der Regel keinerlei Probleme. Personen mit einer Schädigung des Frontalhirns sind hier zumeist unauffällig: z. B. Einkaufen von alltäglichen Dingen, Frühstück- oder Abendessenrichten, Wahrnehmen von Arztterminen usw.

Folgende kognitive Störungen können im Rahmen eines dysexekutiven Syndroms auftreten und mit unterschiedlichen Tests erfasst werden:

  • Unzureichende Problemanalyse
  • Unzureichende Extraktion relevanter Merkmale
  • Unzureichende Ideenproduktion (Verlust von divergentem Denken und Einfallsreichtum)
  • Verringerte Wortflüssigkeit und Reduktion der „Spontansprache“
  • Haften an (irrelevanten) Details
  • Mangelnde Umstellungsfähigkeit und Hang zu Perseverationen
  • Ungenügende Regelbeachtung und Regelverstöße (auch im sozialen Verhalten)
  • Einsatz planungsirrelevanter Routinehandlungen
  • Verminderte Plausibilitätskontrollen
  • Keine systematische Fehlersuche
  • Alternativpläne werden kaum entwickelt
  • Handlungsleitendes Konzept geht verloren
  • Schwierigkeiten beim gleichzeitigen Beachten mehrerer Informationen (Arbeitsgedächtnis)
  • Kein „Multi-Tasking“ mehr möglich
  • Handlungskonsequenzen werden nicht vorhergesehen
  • Kein Lernen aus Fehlern
  • Unbedachtes und vorschnelles Handeln (erhöhte Impulsivität)
  • Rasches Aufgeben bei Handlungsbarrieren (reduzierte Beharrlichkeit und Willensstärke)
  • Wissen kann nicht mehr in effektive Handlungen übersetzt werden („Knowing-doing-dissociation“)

Das Faszinierende daran ist auch, dass es zeigt, dass wir einen Teil unserer Tätigkeiten nicht durch „logisches Denken“, sondern quasi auf dem Autopilot unserer Gewohnheiten erledigen und dieser Teil biologisch abgrenzbar ist (ein gutes Beispiel für die „Modultheorie“ der Evolutionsbiologie). Das ist der Teil unseres Gehirns wegen dessen wir uns plötzlich vor einer geöffneten Kühlschranktür finden und uns wundern, dass wir ja gar nichts essen wollten oder bei der wir gedankenverloren von zu Hause losfahren und statt in die eigentlich gewollte Richtung in Richtung der Arbeit abbiegen, weil wir diese Strecke sonst immer fahren.

Ist hingegen eben das „Aufsichtssytem“ gestört, dann denken wir anders. Wir haben keine Willensstärke und folgen unseren unterbewußt errechneten Handlungswünschen. Eben weil unser Gehirn in diesem Moment auf diese Weise funktioniert. Das wäre aber unmöglich, wenn wir nicht ein durch Evolution entstandenes Gehirn hätten, bei dem sich immer mehr entwickelt hat und unsere unterbewußten Wünsche und Handlungsmotivationen immer mehr durch eine Kontrollorgan einer Prüfung unterzogen worden ist, die sich teilweise durchsetzt und ein entsprechendes Handeln verhindert, bei besonders starken Reizen aber eben der Versuchung nicht widerstehen kann. Wir haben eben durch langsame Evolution nicht unsere biologisch vorgegebenen Wünsche und Handlungsmotivationen verloren, wir setzen sie nur intelligenter um und sortieren unvernünftige Wünsche eher aus.

In dem Modell von Elmar wären diese Wünsche, die auf Gehirnroutinen beruhen, die durch Mutation und Selektion entstanden sind, durchaus Erklärungen für unser Handlen („weil Fette und Zucker gute Nährstofflieferanten sind schmecken sie uns gut und das Erkennen solcher Nahrungsmittel, sei es optisch oder durch Geruch und (im Gedächtnis gespeicherten) Geschmack löst daher über den Hunger eine Handlungsmotivation aus“). Wenn aber der entdeckte Schokoriegel gegessen wird, dann würden wir dennoch im Vorfeld keineswegs eine sichere Prognose aufstellen können, dass dieser gegessen wird. Weil wir eben keine simplen Reiz-Reaktion Automaten sind. Eine strikte Kausalität in dieser Hinsicht liegt insofern nicht vor, aber das ist auch nicht erforderlich um solche Faktoren dennoch als wichtige Faktoren im menschlichen Handeln zu bewerten. Wir können gut nachvollziehen, warum uns der Schokoriegel oder das Glas Nutella mehr in Versuchung führt als eine Fenchelstaude oder ein Becher Sand. Unter dem Aspekt, dass wir bestimmte Geschmacks- und Geruchsvorlieben entwickelt haben, die unserem Gehirn mitteilen, dass etwas Nähstoffreich ist, können wir sogar Täuschungen wie Süßstoffe verstehen, auch wenn uns logisch bewusst ist, dass wir unseren Körper gerade täuschen: Wir wollen das Glücks- und Geschmackserlebnis der Süße als sinnentleertes Gefühl und – in der heutigen Zeit – nicht dessen „Nachteile“. Wir können dies verstehen, weil wir verstehen, dass im Rahmen der Evolution kein perfektes System, welches durch Süßstoffe nicht zu täuschen ist, entstehen musste. Es reichte ein damals sicheres System.

Menschliches Verhalten ist insofern nicht verständlich, wenn wir uns nicht mit den unterbewussten Wünschen, Ängsten, Verhaltenssystemen beschäftigen, die evolutionär entstanden sind. Denn diese bilden in vielen Punkten überhaupt erst die Grundlage, auf der wir dann zur Umsetzung scheinbar logische Entscheidungen treffen. Es macht keinen logischen Sinn Sex mit Verhütungsmitteln zu haben ohne Verständnis der Biologie. Es macht keinen logischen Sinn bei diesem Sex mit Verhütungsmitteln einen nach unser Vorstellung attraktiven Partner zu bevorzugen ohne die Biologie. Es  macht keinen Sinn zu lieben, eifersüchtig zu sein, sich zu schämen oder Angst vor Statusverlust und Peinlichkeit zu haben ohne die Biologie. Psychopathen handeln in dieser Hinsicht vielleicht wesentlich logischer, nur nehmen wir dies in unser biologisch bedingten Unlogik nicht als Logik war. Verständlich wird dies alles erst, wenn man die evolutionären Hintergründe des Verhaltens versteht. Das gilt um so mehr im Geschlechterbereich.

Wenn es um Biologie geht, dann muss es insofern auch gar nicht per se um Kausalität im strikten Sinne gehen. Das ist eine viel zu monokausale Betrachtung, bei der nur eine Motviation vorherrscht und umgesetzt wird. Es werden aber beständig verschiedene Motivationen ausgelöst, von dem Wunsch nach Sex verbunden mit dem Wunsch nicht vor anderen abgelehnt zu werden und soziale Abwertung zu erfahren, dem Wunsch Ressourcen zu besitzen und dem Wunsch als großzügig wahrgenommen zu werden. Der Wunsch sicher zu sein und der Wunsch aus der Menge hervorzustechen im positiven Sinne. Nicht nur zwei Seelen wohnen ach in unserer Brust, sondern unsere tatsächliche Handlung ist das Ergebnis einer Vielzahl von Wünschen, Motivationen, Ängsten etc, die aussortiert und logisch bewertet werden, deren Dringlichkeit und Gewicht in dieser Bewertung aber keineswegs rein logisch sein muss, sondern gegebenfalls nur logisch innerhalb unserer Biologie ist (ein normalgewichtiger Mensch verhungert nicht, wenn er einen Tag nichts ist, aber Hunger kann nach einem Tag ohne Essen trotz dieses Umstandes ein sehr hohes Gewicht in der Entscheidung zwischen der Erfüllung verschiedener Motivationen haben, die uns „etwas essen“ als logische Entscheidung erscheinen lässt.

Ist es jetzt von Belang, dass wir die Entscheidung des Menschen nicht sicher vorhersagen können? Aus meiner Sicht nicht. Hier wird schlicht ein Strohmann aufgebaut, der mit bestimmten Begriffen, die auf das Modell nicht passen, eine scheinbar logische Ablehnung dieser Theorien ermöglichen soll.

Was auch wichtig zu verstehen ist: In vielen Punkten wird gar nicht per se auf evolutionäre Erklärungen abgestellt, sondern auf biologische. Wenn Testosteron zB die Risikobereitschaft erhöht, dann wirkt sich das auf das Verhalten aus. Ob das der Fall ist, kann man durchaus schlicht testen. Wie dann die evolutionäre Erklärung dazu ist, das wäre dann noch nicht einmal wichtig.

Das die Biologie unser Denken beeinflusst ist allerdings in der heutigen Zeit wirklich nicht mehr zu leugnen.

Was war zuerst da, das Huhn oder das Ei? (Evolutionäres Denken)

Eine scheinbar schwierige, bei vielen als unlösbar geltende Frage ist die Folgende:

Was war zuerst da, das Huhn oder das Ei?

Das vermeintlich Kniffelige daran ist, dass man meint, dass ein Ei von einem Huhn gelegt wird, ein Huhn aber aus einem Ei schlüpft.

Tatsächlich ist es recht einfach zu lösen, wenn man darauf abstellt, dass das Huhn durch Evolution entstanden ist und insofern die mit der Frage verbundene essentialistische Denkweise ablegt und erkennt, dass unter Hinzunahme der Zeit als weiterer Komponente das Rätsel leicht zu lösen ist.

Die Vorfahren der Hühner haben bereits Eier gelegt und mit jeder dazwischen liegenden Mutation, die sich durchgesetzt hat, schlüpfte etwas aus Eiern, was immer eher „huhnähnlicher“ war (und auch das Ei selbst mag sich immer mehr in Richtung eines Hühnereis verändert haben). Schließlich haben wir sowohl ein Hühnerei als auch ein Huhn, das aus diesem schlüpft, wobei auch hier zu bedenken gibt, dass der Begriff „Huhn“ ein Sammelbegriff für etwas ist, was sich untereinander fortpflanzen kann, aber genetisch keineswegs vollkommen gleich ist, sondern einen Genpool hat und dieser wird vor 8.000 Jahren am Anfang seiner Domestizierung noch anders ausgesehen haben als heute nach langer Züchtung als Fleisch und Eierlieferant.

Dieses Denken, dass es evolutionäre Vorgänger gegeben hat, die zu einer Entwicklung führten und das sich diese über einen sehr langen Zeitraum erstreckt hat, fehlt denke ich bei vielen Betrachtungen, auch gerade zum Menschen bzw. zu Mann und Frau. Wir sind eben nicht einfach geschaffen worden, wir sind das Ergebnis eines langen Prozesses von Mutation und Selektion. Dieser Prozess ist nicht einfach wegzudenken, da vieles davon nach wie vor in uns steckt.

Wie man Geschlechterunterschiede mit Statistik verschwinden lässt

Eine interessante Besprechung zur „Gehirnmosaik Studie“ (eine Studie, die einem aus Genderkreisen sicherlich noch häufiger entgegengehalten wird) findet sich hier:

In der Einleitung stellt er erst einmal ein paar Zahlen dar und erläutert was aus diesen folgt:

Sexual diversity researchers sometimes focus on the ways men and women differ in their affects, behaviors, and cognitions. There are many reasons for this. One is that knowing about psychological sex differences is actually quite important for improving men’s and women’s sexual health (de Vries & Forger, 2015; Lawrence & Rieder, 2007; Morrow, 2015). But determining how “big” a psychological sex difference is, and even whether it is a “real” and “important” sex difference, is not all that simple. How do we know when a sex difference is so? What metric should we use?

Probably the most common metric for evaluating a psychological sex difference involves looking at the “effect size” of the difference. Effect sizes are often expressed in terms of a “d” statistic. A positive d value of +0.50 typically indicates men are moderately higher on a psychological measure, a negative value of -0.50 indicates women are moderately higher. Below are some d values of varying sizes reliably observed in empirical studies of men and women:

d = -0.20 has been observed for sex differences in trust (Feingold, 1994). This size of sex difference is considered “small” and indicates 58% of women are higher than average man in trust (based on Cohen’s U3).

d = +0.50 has been observed for sex differences in spatial rotation skills (Silverman et al., 2007). This size of sex difference is considered “moderate” and indicates 69% of men are higher than average woman in spatial rotation skills.

d = +0.80 has been observed for sex differences in physical aggression (Archer, 2004). This size of sex difference is considered “large” and indicates 79% of men are higher than average woman in physical aggression.

d = -1.00 has been observed for sex differences in tender-mindedness (Feingold, 1994). This size of sex difference indicates 84% of women are higher than average man in tender-mindedness.

d = +2.00 has been observed for sex differences in throwing distance among children (Thomas & French, 1985). This size sex difference indicates 98% of boys throw farther than the average girl.

Was sagen nun diese Unterschiede aus:

Which of these sex differences should qualify as a “real” sex difference? All of them, none of them, only those beyond ±0.20? How do we know when sex differences are so?

As I have noted in earlier posts (see here and here), sex differences with larger d values are not “more real” than smaller-sized sex differences. All men do not have to be taller than all women for a sex difference in average height to be “real” and have important social consequences (Prentice & Miller, 1992). Sex differences with larger dvalues also are not necessarily more attributable to evolution or biology, and smaller sex differences are not necessarily more cultural or due to learning than larger sex differences. Nature does not work that way.

In psychological science, most researchers who use the d statistic have concluded (so far, new evidence can always change our views) that many psychological sex differences are small, some are moderate, and a few are large. Those are just the facts. And these facts make sense from an evolutionary perspective, as sex differences are expected only in those domains where men and women have faced different Darwinian pressures (Buss, 1995; Okami & Shackelford, 2001).

Bereits kleine Unterscheide können sich also erheblich auswirken. Ich hatte dazu auch schon einmal etwas anhand des „Cola-Pepsi“ Beispiels geschrieben.

Die weitere Forschung wird dann wie folgt dargestellt:

Empirically, Hyde (2014) reviewed 100s of studies on psychological sex differences and concluded there are relatively moderate to large sex differences in spatial rotation abilities, agreeableness, sensation seeking, interests in things versus people, physical aggression, certain sexual behaviors (e.g., masturbation and pornography use), and attitudes about casual sex. Smaller sex differences exist in measures of gregariousness, reward sensitivity, conscientiousness, negative affectivity, relational aggression, and self-esteem.

Some of these sex differences persisted or varied in size across cultures and time periods, others did not (see Lippa, 2009). Ellis (2011) examined psychological sex differences across cultures and found evidence 65 apparently universal sex differences, prevalent across all cultures. These sex differences were universal across all cultures, with not a single replication failure across 10 studies (probably too tough a criterion leading to an under-reporting of actual psychological sex differences).

Schmitt (2014) found most psychological sex differences are larger in more genderegalitarian cultures, and smaller in more patriarchal cultures, directly refuting the view psychological sex differences are learned because they emerge more strongly in patriarchal cultures that have more extreme sex-role socialization (see also Udry, 2000). Indeed, psychological sex differences seem to emerge most strongly in the most gender-egalitarian of cultures (e.g., Northern Europe), cultures that allow people to pursue the lived experiences they most want to pursue (see also, Schwartz & Rubel-Lifschitz, 2009).

 

Da finden sich einige Studien, die hier auch schon besprochen worden sind und die ein entsprechendes Bild bestätigen, nachdem biologische Unterschiede vorhanden sind, die sich auf das Verhalten auswirken.

Die eigentliche Kritik lautet dann wie folgt:

The Joel et al. (2015) study was certainly impressive, involving a remarkable collection of datasets across a wide variety of variables. Unfortunately, the specific techniques Joel et al. (2015) used for determining whether a sex difference is “real” were highly problematic. For instance, Joel et al. defined a sex difference as occurring only when it had “a high degree of internal consistency in the form of the different elements of a single brain (e.g., all elements have the “male” form).” (Joel et al., 2015, p. 1). That is, for a sex difference in the brain to “really” exist, men must have relatively masculine brains in each and everyrespect, and women must have relatively feminine brains in each and every respect. Otherwise, no sex difference. Really?

Same thing for psychological differences. In one analysis, a sex difference was only deemed to occur when men were “stereotypical” in all gender-stereotypical activities (i.e., men were in the top third of the 5 masculine activities of boxing, construction, playing golf, playing video games, and watching porn; and men were also in the bottom third of the 5 feminine activities of scrapbooking, taking a bath, talking on the phone, watching talk shows, and using cosmetics). Conversely, women had to be the bottom third of all masculine and top third of all feminine activities to count toward the existence of a sex difference. Not one deviation from gender-stereotypicality was allowed. Not one.Otherwise, no sex difference. Using this incredibly extreme criterion, only 1.2% of men and women counted as demonstrating a “sex difference” in gendered behavior (i.e., “In other words, even when considering highly stereotypical gender behaviors, there are very few individuals who are consistently at the ‘female-end’ or at the ‘male-end’” Joel et al., 2015, p. 4).

This criterion for deciding whether a sex difference exists is, quite frankly, rather strange. It is as though these authors purposefully designed their statistical analyses to allow them to declare, „these aren’t the sex differences you are looking for“ (articulated in the voice of Sir Alec Guinness).

Es freut mich, dass sich das etwas mit meiner Kritik deckt, denn auch ich fand diese Bündelung „Ein Unterschied liegt nur dann vor, wenn die Gehirne in jeder Hinsicht dem Extrem entsprechen“ arg konstruiert und auf ein bestimmtes Ergebnis abgestellt.

Weiter im Text:

Such a technique may be informative for evaluating the strawman view that all sex differences must entirely and completely co-vary together if it is a “real” sex difference (which is very unlikely given what sexual diversity researchers know about developmentalneuroscience, epigenetics, strong modularity, and so forth; see here). Logically, the Joel et al. (2015) view on real sex differences would even argue men’s and women’s faces are not really different from each other because not all men’s faces are entirely masculine and not all women’s faces are entirely feminine (and not all facial attributes perfectly co-vary together). This last finding would be interesting, implying that not all facial features are masculinized or feminized at the same time (sensitive periods vary; see Sisk & Zehr, 2005) or via the same mechanisms (e.g., organizational, activational, or direct genetic effects; McCarthy & Arnold, 2011; Ngun et al., 2011). But this interesting point should not be mistakenly viewed as suggesting men’s and women’s faces are, on average, identical. They are not.

Das wird dort noch an einer Grafik näher erläutert. In der Tat ist es ein ziemlicher Strohmann, auf den da eingedrescht wird, denn das was sie dort wiederlegen wird eben so gar nicht behauptet.

Every human being’s degree of masculinity and femininity is, indeed, a mosaic. No one is completely masculine or completely feminine in every possible way, and this is true of our brains, our bodies, and our behaviors. As Kinsey noted long ago, humans are not discrete creatures, “The world is not to be divided into sheep and goats.” These insights are a far cry, though, from the conclusion that psychological or neurological sex differences are “extremely rare” (Joel et al., 2015, p. 5) and that we should entirely abandon sex as a variable of interest in our sexual science research programs. That conclusion is, well…the word abracadabra comes to mind.

A much more useful tool for evaluating the degree (and the existence) of sex differences across a large number of variables is to use multivariate statistics designed for this very purpose (Del Giudice, 2013). Doing so has led sexual diversity researchers to conclude there are very large psychological sex differences. Del Giudice, Booth, and Irwing (2012), for instance, utilized a multivariate method to examine several personality dimensions simultaneously (controlling for collinear overlap among dimensions). From a multivariate perspective, lots of small ds can be “additive” and create “planetary-sized” sex differences when examined together. Del Giudice et al. (2012) found exactly that, with less than 10% overlap in men’s and women’s personality traits when looking across 15 personality dimensions simultaneously.

Del Giudice (2012) hatte ich hier besprochen. Viele kleine Unterschiede bewirken eben insgesamt große Unterschiede, genauso wie jemand der Hamburger etwas lieber als Gemüse, Bier etwas lieber als Wein und legere Kleidung lieber mag als sich fein herauszuputzen eben eher in ein anderes Restaurant gehen wird als jemand, bei dem dies andersherum ist.

Similarly, Conroy-Beam et al. (2015) examined sex differences across 18 mate preferences simultaneously and found only 23% overlap in men’s and women’s overall mate preference distributions. If one can think in terms of multiple regression and multidimensional space, this approach is a fairer evaluation of whether men and women differ in a particular domain (such as the domain of “personality” or “mate preference” psychology).

Diese Studie hatte ich hier besprochen.

Once again, it is probably not true that psychological sex differences should be described as extremely rare or nonexistent. Men and women are members of the same species, but psychologically there are important differences that should not be overlooked if we are to maximize everyone’s medical, mental, and sexual health (Lawrence & Rieder, 2007). As esteemed researcher Margaret McCarthy(link is external) has rightly noted about this new study, “By studying male versus female brains, we have a great tool for exploring the biological basis of those differences…[Joel’s] call for us to abandon the monikers of male and female or men and women I think is too far.”

In der Tat. Es ergibt sich schlicht nicht aus ihrer Studie, auch wenn sie in den Medien leider so gelesen wird.

Too far, statistically contrived, and scientifically dangerous. The views of Joel et al. (2015) represent the polar opposite of where sexual science is going (Cahill, 2014; Ruigrok et al., 2014), as evidenced by the National Institutes of Health’s recent declaration that biological sex differences are so large and consequential that both males and females must be included in studies involving cells and non-human animals and in preclinical research (seehere(link is external)). Let us hope sexual scientists keep their eyes on where science is really going, rather than the abracadabra analyses that misleadingly convey there are no important sex differences. Don’t be fooled, these are the droids we’re looking for.

Sehr deutliche Worte. Und das zu recht.