DasNuf schreibt über Verhalten von Jungs, welches sie problematisch findet:
Vom anderen Kind höre ich, dass sich die Jungs der Klasse auf dem Schulhof treffen, um sich zu verprügeln. Sie geben sich Kopfnüsse, treten sich in die Hoden, schubsen sich. Als Spiel.
Wenn ich mich beschwere, höre ich in der Regel in Abwandlungen: „Hahahaha. So sind sie eben, diese Jungs. So wild und ungestüm. Das gehört zum Großwerden dazu.“
Nein, liebe Welt, so sind Jungs nicht. So sind Menschen, die kein Benehmen haben, die unerzogen sind, die grenzüberschreitend sind, die gemein sind, die einfach scheiße erzogen sind.
Was soll der Quark?
In der Schilderung klingt es mit Schlagen und in die Hoden treten härter als es in vielen Fällen ist. Raufen ist meist eher ein Ringen und kein Schlagen, es kann schon mal sein, dass man sich dabei auch durchaus wehtut, aber gewisse Regeln verhindern eigentlich unfaires und ein tatsächliches Schlagen und lassen mehr Raufen, Haltegriffe etc zu.
Jedenfalls kenne ich es aus meiner Jugend so. Da war es eben ein Kräftemessen und es war durchaus – in ritualisierter Form, in die Hoden treten wäre eher ein grobes Foul gewesen – etwas, was spannend war, bei dem man sich austoben konnte und was eben gemacht worden ist.
Warum Jungs das machen und sie sich häufiger als Mädchen in solche körperlichen Wettkämpfe stürzen? Es dürfte wenige überraschen, dass ich hier biologische/evolutionäre Ursachen sehe:
Die Kindheit gehört zur somatischen, also auf den eigenen Körper bezogenen Phase, der nach der Kindheit die Reproduktionsphase folgt. In der somatischen Phase soll insbesondere eine Vorbereitung auf die Aufgaben des Erwachsenenseins erfolgen und die Eigenschaften trainiert werden, die man dann später braucht.
Körperliche Auseinandersetzung und gerade auch in ritualisierter Form war etwas, was in der evolutionär relevanten Zeit, also insbesondere der Steinzeit, für viele Männer später wichtig war, denn sie mussten sich nicht nur gegen Feinde durchsetzen, sondern es gab auch Gelegenheit innerhalb der Gruppe bestimmte Hierarchien zu etablieren, Eigenschaften auszutesten und zu schulen und sich zu verbessern. Der Körper des Mannes ist mit seiner deutlich höheren Körperkraft und seinen anderen Eigenschaften, die ihn in einem Kampf begünstigen, ein Zeugnis dafür, dass unsere evolutionäre Vergangenheit auch Kampf beeinhaltete.
Es macht absolut Sinn, dass Jungs Spass an solchen Auseinandersetzungen haben, denn das wäre ein guter Weg, sie solche Sachen trainieren zu lassen, solange sie das noch als Spiel machen können, um dann später sich als Erwachsener behaupten zu können. Alle Spiele, in denen es um eine intrasexuelle Konkurrenz durch Kampf geht haben insoweit eine hohe Anziehung für Jungs, seien es Cowboy und Indianer oder schlicht Rough and tumble Play, welches sich häufiger bei Jungs, aber auch bei CAH-Mädchen oder Tomboys zeigt.
Ich kopiere einen Text, der eigentlich höher Stand noch einmal, weil er hier denke ich besser zu besprechen ist:
An manchen Tagen bin ich wirklich wahnsinnig genervt. Zum Beispiel weil ich das zehnte Mal diese Woche höre, dass bestimmte Jungs in der Klasse meines Kindes meinem Kind wieder einmal die Trinkflasche abgenommen haben, sie über irgendeinen Zaun geworfen haben, weil sie das Hausaufgabenheft zerfleddert haben oder weil sie eine Stelle, wo die Freundinnen und Freunde meines Kindes gerne zusammen sitzen, vollgerotzt haben.(..)
Als die Tochter das erste Mal erzählt hat, dass sie drangsaliert wird, haben wir im Spaß gesagt: „Sag dem Jungen doch bitte, dass er seine fehlgeleitete Zuneigung auch konstruktiver zum Ausdruck bringen kann. Zum Beispiel indem er dich fragt, was dir gefällt und ihr so Gemeinsamkeiten findet.“
Natürlich hat die Tochter mit den Augen gerollt.
Das ist glaube ich eine typische Reaktion von Kindern, wenn Erwachsene ihre Regeln auf die Welt der Kinder umlegen wollen und sich über Sachen Gedanken machen. Jede Gesellschaft von Menschen hat gewisse Regeln, nach denen sie funktioniert, ob es eine Rockergruppe oder eine Hipstergruppe oder eben Kinder sind.
Und natürlich ist mit den Eltern kommen nie wirklich Cool, schon gar nicht, wenn die dann so etwas komisches machen wollen, wie sich zusammensetzen und konstruktive Lösungen finden. Das schöne am Kindsein ist ja teilweise auch, dass man Jungs noch doof, aber irgendwie vielleicht auch schon interessant finden darf. Einfach weil sie anders sind. Und das die Jungs eben Sachen anders machen. Das kann nervig sein, aber auch bedeuten, dass man sich mit den anderen Mädchen zusammen schließt und dann auf diese Weise eine In-group ausbildet, gegen die „doofen Jungs“, ohne das es zu einer tatsächlichen Feindschaft wird, eher ist es etwas, bei dem man spielerisch etwas ausprobiert.
(Natürlich haben wir dann besprochen, dass sie klar die Grenzen ziehen soll, dass so eine Trinkflasche total egal ist und sie sich keine Sorgen machen soll, dass sie sich immer Hilfe holen kann, dass sie berechtigt ist, sich zu wehren, dass Himmelherrgott das andere Kind das Problem ist, dass wir auch gerne Gespräche mit LehrerInnen, ErzieherInnen und Eltern zu dem Thema führen.)
Ich habe mich an anderer Stelle schon mal über so Kacksprüche wie „Was sich liebt, das neckt sich.“ aufgeregt. Wie kann man denn als Eltern sowas akzeptieren? Schlimm genug, wenn die Eltern eines Aggressors da mit den Schultern zucken. Die Krönung ist doch, dass das oft auch Eltern von Mädchen hinnehmen, die an den Haaren gezogen, geschubst oder beschimpft werden.
Wie krank ist das eigentlich?
Aus meiner Sicht kann es da natürlich ein „zuviel“ geben. Wenn die Kinder keine Grenze kennen und es übertreiben, gar einfach zu ihrem eigenen Vorteil anderen Kindern etwas wegnehmen und sie drangsalieren, dann sollte man schon entsprechend eingreifen.
Ansonsten, wenn es noch in einem relativ zivilen und insgesamt nicht bösartigen Rahmen bleibt, dann ist es denke ich schon wichtig, dass man Kinder auch soziale Interaktionen aufbauen und austesten lässt und auch zulässt, dass sie sich entsprechend selbst wehren. An den Haaren gezogen werden, schubsen und beschimpfen kann da natürlich evtl die Grenzen weit überschreiten und ein Kind mit einem Bully allein zu lassen kann auch nicht die Lösung sein. Wenn es aber nur Kleinigkeiten sind und das Kind damit zurecht kommt, dann sollte man es mit der Problemlösung für das Kind auch nicht übertreiben.
Warum denken Menschen, dass es etwas mit Männlichkeit zu tun hat, andere zu verletzen?
„Du Schlampe“ Höhöhö. „Ich hab nur Duschlampe gesagt“.
Warum zur Hölle denken Menschen, dass es etwas mit Weiblichkeit zu tun hat, das zu erdulden?
Ich glaube das es nicht darum geht, dass man hier tatsächlich Männlichkeit mit verletzen und Weiblichkeit mit erdulden in Verbindung bringt.
Eher werden schlicht Jungs eher ihre Grenzen austesten und provozieren wollen und Mädchen etwas passiver und vorsichtiger sein über den Schnitt betrachtet. Einfach weil sie auch später anders auftreten müssen und die Biologie sie dafür schon verschiedenes ausprobieren lässt.
Solche Worte wie Schlampe müssen dabei gar nicht in ihrer Bedeutung erfasst sein. Es reicht aus, wenn Kinder merken, dass es ein „böses Wort“ ist und einer auf die Idee kommt, sich eine Entschuldigung auszudenken über ein gleichklingendes Wort, so dass man das böse Wort ungestraft sagen darf.
Aber wie gehe ich mit meinen Kindern um, die sowas ausgesetzt sind. Mädchen wie Junge.
Denn ja, es gibt auch Jungs, die finden das total doof und denen bleibt es in einem gewissen Alter verwehrt Freundschaften zu Mädchen aufzubauen, weil wähääähä Mädchen ja doof sind und man nicht mit ihnen spielen kann, weil man ihnen die Schulranzen wegnehmen und ausschütten muss.
Auch hier zeigen ja die CAH-Mädchen, dass man das durchaus kann. Man kann lieber mit dem anderen Geschlecht spielen, auch wenn es natürlich Abgrenzungsprobleme geben kann, weil man damit natürlich auch etwas aus seiner Gruppe austritt. Soweit ich mich erinnere war es auch nicht so, dass immer nur der Schulranzen ausgekippt worden ist, es gab „Friedenszeiten“ und welche mit ausgegrabenen Kriegsbeil auf eine lustige Art. Weil Kinder häufig Unterschiede gröber wahrnehmen neigen sie eben auch eher zu einer gewissen Identitätspolitik, die zu einer Gruppenbildung führt.
So witzig! Nicht.
Es kann durchaus witzig sein. Aber eben nur bis zu einem gewissen Grad. Auch Mädchen kann der Wettkampf in dieser Hinsicht Spass machen.
Wie viel Kraft es ein Kind kosten muss, auf Freundschaften zu verzichten, weil es so einen Dreck nicht mitmachen will. Wie einsam manche Kinder sind, weil sie lieber alleine sind, als Mitläufer in solchen Gruppen zu werden.
Es bricht mir wirklich das Herz.
Es gibt immer Kinder, die nicht in eine Gruppe passen. Und Erwachsene können sie da auch nicht unbedingt reinbringen „Jetzt spiel doch mal mit ihm“ ist nichts, was Kinder überzeugt, wenn das Kind aus ihrer Sicht komisch ist.
„Jungs gegen Mädchen“ ist so ziemlich eines der ältesten Spiele vieler Kinder. Einfach weil sie die bestehenden Gruppen erkennen.
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