Ein interessanter Artikel in der Zeit (gefunden über Arne) beleuchtet weitere Probleme des Gender Pay Gap:
Im vergangenen Jahr erhielten Männer in Deutschland für eine Stunde Erwerbsarbeit durchschnittlich 23,20 Euro brutto, Frauen dagegen nur 19,12 Euro. Ist das gerecht? Ist das Diskriminierung? Der große Unterschied zwischen den Geschlechtern bei der Bezahlung, der Gender-Pay-Gap, sorgt seit Jahren für heftige Debatten. Jetzt könnte eine noch unveröffentlichte Studie, die der ZEIT vorliegt, zu neuen Diskussionen führen. Danach trägt zu der Lohnkluft etwas bei, das bisher übersehen wurde: Frauen bewerben sich deutlich seltener als Männer auf gut bezahlte Stellen.
Das ist zwar nicht die beste Ausgangslage, es scheint ein „Working Paper“ zu sein, Titel wohl „Search and the Gender Wage Gap„. Ich werde es mal im Auge behalten.
Die Arbeitsmarktforscher Christian Merkl und Benjamin Lochner von der Universität Erlangen-Nürnberg haben umfangreiche Daten ausgewertet und festgestellt, dass sich bei jenen zehn Prozent der Firmen, die die höchsten Löhne zahlen, besonders selten Frauen um einen Job bemühen. Bei diesen Hochlohnfirmen sind 65 Prozent aller Bewerber männlich und nur 35 Prozent weiblich. Umgekehrt ist es bei Firmen mit niedrigen Gehältern, dort melden sich überwiegend Frauen auf Stellenangebote.
Wäre interessant, wenn man da nähere Daten zu hätte. Haben die Jobs mit den höheren Lohnen auch schlechtere Arbeitszeiten? Wollen sie eine höhere Erreichbarkeit, einen unbedingten Einsatz, zur Not auch am Wochende etc? Oder ist der Druck dort höher eine hohe Leistung zu bringen? ich verweise insofern mal auf diesen Artikel zu Investmentbankern.
Weniger Bewerberinnen
Eine Erklärung dafür ist, dass Frauen häufiger als Männer in schlecht entlohnten Berufen arbeiten, etwa als Friseurin, Reinigungskraft oder Verkäuferin. Doch auch wenn man nur Personen miteinander vergleicht, die in demselben Beruf und in derselben Branche auf Stellensuche sind, zeigt sich eine Tendenz: Je besser ein Job bezahlt ist, desto weniger Frauen versuchen, ihn zu bekommen.
Es ist immer wieder erstaunlich, dass Leute überrascht sind, dass der Lohn nicht der einzige Faktor in einer Berufswahl ist und der Lohn zudem oft mit weiteren Faktoren korrelieren kann, die den Job uninteressanter machen (und man deswegen auch den höheren Lohn bekommt)
Auch das ist immer wieder eine interessante Sache, die man häufiger liest und die auch Sinn macht: gerade bei Jobs im Einstiegsbereich, bei denen der Test im Job erfolgt, wie etwa Investmentbanker oder Rechtsanwalt in einer Großkanzlei, kann man erst einmal jeden, der auf dem Papier, also von den Abschlüssen her gut aussieht anstellen und dann schauen, wie er sich macht, wenn man ihn belastet. Und natürlich werden genug Unternehmen auch gerne Frauen aufnehmen einfach um ihren Anteil an Frauen etwas zu erhöhen um so Kritik vorzubeugen
Die Autoren der Studie sehen die Erklärung dafür in familienunfreundlichen Arbeitsbedingungen. Denn zu vielen besser entlohnten Jobs gehören unregelmäßige Arbeitszeiten, Überstunden, häufige Dienstreisen oder Nachtschichten. Und das schreckt offensichtlich vor allem Frauen ab.
Die Studie klingt interessant. Man wird eben einen Großteil seines Lebens in einen solchen Job stecken und im Gegenzug erwirbt man Ressourcen und Status. Etwas, was für viele Männer evtl interessanter klingt als für Frauen.
14.000 Betriebe wurden gefragt
Das ist nicht nur eine Vermutung der Wissenschaftler. Sie stützen sich unter anderem auf eine Erhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, bei der jedes Jahr bis zu 14.000 Betriebe gefragt werden, ob mit einem Job besonders viele Überstunden, unregelmäßige Arbeitszeiten oder wechselnde Arbeitsorte verbunden sind. Und die Daten belegen auch, dass solche Stellen in aller Regel besser entlohnt werden.
Wer die Studie irgendwo mal sieht, gerne hier Bescheid sagen. Ich bin gespannt, wie sie das näher aufschlüsseln.
Arbeitsplätze müssen familienfreundlicher werden
Dabei geht es wohlgemerkt nicht um verschiedene Berufe, wie der Arbeitsmarktforscher Merkl betont. „Stellen Sie sich zwei Vertriebsmitarbeiter vor: Der eine ist in seiner Firma für die Kunden in einem bestimmten Landkreis zuständig, der andere kümmert sich um internationale Kunden und muss ständig auf lange Dienstreisen – der Zweite bekommt in der Regel mehr Geld für seine Arbeit“, sagt er. Weil Frauen die zweite Art von Stellen eher meiden würden, liege ihr Gehalt im Durchschnitt niedriger.
Was übrigens auch kein gutes Leben sein muss bzw eins für das man gemacht sein muss. Ich kenne einige, die von Städten rund um die Welt den Flughafen, den Weg zu der Firma, die sie Beraten und das Hotel, in dem sie übernachten, kennen. Sicherlich wird es da einige geben, die das Ideal finden, aber bei vielen wird auch die Beziehung darunter leiden, Freundschaften etc.
Wie bedeutsam dieser Effekt ist, zeigt sich, wenn man die sogenannte bereinigte Lohnlücke betrachtet. Sie soll zeigen, inwiefern Männer und Frauen trotz gleicher Arbeit ungleich bezahlt werden. Dafür werden üblicherweise nur Menschen mit gleicher Qualifikation, gleichem Beruf und gleicher Branche verglichen. Das Ergebnis ist ein kleinerer Gehaltsunterschied, der oft als Hinweis auf eine Diskriminierung von Frauen gesehen wird. „Wenn wir nun auch noch darauf achten, wie sich Frauen bewerben, was maßgeblich mit den Arbeitsbedingungen zu tun hat, halbiert sich die bereinigte Lohnlücke in unserer Untersuchung“, sagt Merkl. Er vermutet, dass auch das Statistische Bundesamt zu anderen Zahlen käme, wenn es diesen Effekt mit seinen Daten auswerten könnte. Dem Amt zufolge lag die unbereinigte Lohnlücke in Deutschland zuletzt bei 18 Prozent und bereinigt bei 6 Prozent.
Natürlich bewerben sich Frauen nur nicht auf diese Stellen, weil das Patriarchat sie in die Mutterrolle zwingt und ihre internalisierte Frauenfeindlichkeit ihnen einredet, dass sie nicht gut genug dafür sind, sonst wären sie sofort dabei.
Frauen pendeln seltener
Studien aus anderen Ländern kommen zu ähnlichen Ergebnissen. So ergab eine Untersuchung in Frankreich, dass Frauen dort deutlich seltener als Männer bereit sind, weite Wege zu ihrem Arbeitsplatz zu pendeln. Allein das erkläre 14 Prozent der bereinigten Lohnlücke.
Eine Stunde hin, eine zurück, dazu noch ein Job, der auch mal 50 oder 60 Stunden die Woche kostet, dass kann bedeuten, dass man sich besser noch eine Wohnung vor Ort nimmt und dann zumindest Dienstag, Mittwoch, Donnerstag dort wohnt und das Wochenende bei der Familie. Aber selbst bei einer Standard 40 Stundenwoche sind lange Fahrtzeiten zur Arbeit natürlich eine deutliche Erschwernis und man wird dann eben die Kinder nicht mehr unbedingt ins Bett bringen können.
Daraus folgern die Forscher nicht, dass es kein Problem gebe oder die Frauen selbst schuld an ihrer schlechteren Bezahlung seien. Die Daten sollen vor allem Hinweise dafür liefern, wo man ansetzen muss, wenn man etwas ändern will. Eine Diskriminierung von Frauen allein aufgrund ihres Geschlechts – die es sicher gibt – spielt aber offenbar eher eine untergeordnete Rolle. „In unserer Untersuchung sehen wir dafür keine Anzeichen“, sagt Merkl.
Wenn es keine Anzeichen für eine Diskriminierung gibt, dann sind die Frauen „selber schuld“. Oder anders ausgedrückt: Auch sie hängen vielleicht nur dieser merkwürdigen Idee an, dass Geld nicht das einzige bzw wichtigste Kriterium der Berufswahl ist und sie priorisieren andere Faktoren.
Wichtiger erscheint, dass Arbeitsplätze familienfreundlicher werden, soweit das möglich ist. „Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels sollten Arbeitgeber genau überlegen, ob etwa lange Arbeitszeiten bei einer bestimmten Aufgabe wirklich unvermeidlich sind oder ob sich da aus Gewohnheit eine Kultur des Lange-im-Büro-Seins entwickelt hat“, sagt der Wissenschaftler.
Lange Arbeitszeiten werden aus meiner Sicht unterschätzt. Es wird gerne dagegen gehalten, dass man sich nur so und so viele Stunden konzentrieren kann, aber viele Sachen, selbst in hochqualifizierten Jobs, sind auch einfach Tätigkeiten, bei denen man nicht absolut konzentriert sein muss. Mitunter ist es wichtig sich die Zeit zu nehmen, bestimmte Sachen einfach mal komplett durchlesen zu können, einfache Sachen abzuarbeiten, zu denen man sonst nicht kommt, sich in etwas reinzuarbeiten und nach Lösungen für bestimmte Probleme zu suchen bzw die Vorgänge besser verstehen zu wollen. Und mitunter ist das Gespräch, welches man dann abends noch extra führt, die Überarbeitung eines Vorganges bei dem man diesen noch einmal ganz durchgeht, dann einfach das, was die besseren Ergebnisse liefert. Oder die Besprechung, bei der man alles noch einmal durchkaut, bis keiner mehr es mehr sehen kann, damit man sicher ist, dass man es durchdacht hat und dann auch Antworten auf bestimmte Probleme hat, die man sonst nicht hätte.
Natürlich wird es auch Jobs geben, bei denen die Leute nur im Büro bleiben, damit die anderen sie dort sehen. Aber man kann mitunter gerade dann, wenn das Telefon abgeschaltet ist, mal ein paar Sachen in Ruhe machen.
Schließlich würde auch ein besseres Angebot für die Kinderbetreuung etwas ändern. Es ermöglicht Frauen offenbar nicht nur, überhaupt erwerbstätig zu sein, es könnte ihnen auch helfen, an die besseren Jobs heranzukommen – und so die Lohnlücke zu schließen. Das gilt zumindest so lange, wie eines unverändert bleibt: dass Männer sich für die Familienarbeit weniger verantwortlich fühlen als Frauen.
Erstaunlich, dass das immer so formuliert wird. Die Frauen bewerben sich nicht. Sie wollen die Jobs evtl gar nicht. Sie sind vielleicht ganz froh, die an einen Partner ausgelagert zu haben, der dann die Jobs macht, das Geld nach Hause bringt, während sie einen entspannteren Beruf haben, aber auch Zeit mit den Kindern.