Ich bin endlich dazu gekommen, mir „Filmriss“ von Kolja Bonke durchzulesen. Für alle, die nichts über den Inhalt wissen wollen, eine Wertung vorab: Es ist ein kurzweilig zu lesendes Buch über einen Mann in der Krise im Frankfurter Milieu. Man kann es sehr gut lesen. Für das folgende allerdings eine Spoilerwarnung:
1. Handlung
Hauptperson des Buchs ist ein Pickupberater in Frankfurt, der allerdings ziemlich fertig mit der Welt ist. Er mag seinen Job nicht wirklich, bei dem er reichen Bänkern beibringt, wie man an Frauen kommt und er läuft wohl auch nicht mehr so gut, weil Geld für viele Bänker die passenden Fähigkeiten ersetzt. Auch seine eigene Sexualität ist reichlich angeschlagen: Er hat eine Oneitis bezüglich einer seiner ersten Freundinnen, die sich, da die Beziehung längst vorbei ist und sie sich nicht mehr für ihn interessiert, zeitweise in einer gewissen Impotenz niederschlägt. Dennoch: Er hat Erfolg bei Frauen, allerdings kommt es nicht zu Beziehungen, sondern eher zu Sex auf dem Diskoklo. Dieser schnelle Sex unterstreicht eher noch die Perspektivlosigkeit seiner Welt. Deswegen greift er auch immer mehr zu Drogen aller Art, mit denen er dieser Tristesse zu entkommen versucht.
Der wesentliche Wendepunkt tritt ein als Gerüchte über ihn auftauchen, die er erst nicht einordnen kann: Er soll angeblich eine Frau vergewaltigt haben, kann sich allerdings an nichts diesbezügliches erinnern. Aus Rache für diese Tat vergewaltigten wiederum deren „Gang“ eine seiner besten Freundinnen, Sina, die einzige, für die er auch eine gewisse Oneitis hat und die ihm so rein erscheint, dass er noch nicht mal mit ihr geschlafen hat. Sie ist insofern die Personifizierung der Unschuld, die holde, entsexualisierte Weiblichkeit, die hier entehrt wird.
Der Held hat nun wieder ein Ziel: Er will – ganz der weiße Ritter – diese Tat sühnen, und zwar seinerseits mit Gewalt.
(Spoiler)
Er legt sich also mit der Gang an, ihm gelingt die Rache und er stirbt nach einer aufwändigen Flucht, auf der er auch seine Exfreundin noch einmal trifft vollgepumpt mit wegen der Verletzungen genommenen Drogen glücklich.
2. Anmerkungen
Was mich an einem Buch mit einem Pickuptrainer als Hauptperson interessiert hätte wäre eine Schilderung béstimmter PIckuptechniken gewesen. Allerdings ist Bonke ja ein Anhänger von Sleazys Minimal Game, in dem es im wesentlichen auf Inner Game und gutes Aussehen ankommt. Insofern fallen ihm die Frauen in dem Buch ohne nähere Angabe von Gründen einfach so zu, es werden lediglich einige Emailkontakte mit Klienten geschildert, die er aber eher zu Kleidungsstil etc berät.
Insofern handelt es sich nicht um ein Buch wie etwas „The Game“ von Neil Strauss, aus dem man gleichzeitig etwas über Pickup erfahren oder lernen kann.
Es ist insofern eher ein Buch über jemanden, der zwar gut mit Frauen geworden ist, aber eigentlich immer noch bestimmte Frauen auf ein Podest stellt und deren Anerkennung will. Böswillig könnte man das darauf schieben, dass Minimal Game eben den Komfortbereich quasi ausblendet und auch den Attractionbereich nur sehr verkürzt behandelt es insofern nicht verwundert, wenn er in dem Bereich Probleme bekommt – aber das sind dann eher Inner-pickupistische Streitigkeiten, die sich auf den Lesespass nicht auswirken. Man muss insofern keine besondere Affinität zu Pickup haben, im Gegenteil auch Pickuphasser werden die Figur dankbar aufnehmen können.
Mitunter erscheinen mir seine Figuren etwas grob gezeichnet, sie sind recht einfach angelegt, aber es ist ja auch ein Erstlingswerk und man nimmt ihm die Figuren durchaus ab, sie wirken realistisch. Auch die Sprünge in den Handlungen erschienen mir teilweise etwas schnell, vom Trunkenbold, der mit Frauen schläft zum Rächer, der Wandel erfolgt recht schnell und gerade die zwei Podestfrauen hätten vielleicht etwas mehr Tiefgang verdient.
Allerdings ist dafür eben das Erzähltempo rasant, auch wenn der Autor es immer wieder für ein paar Abschweifungen, teilweise durch eingestreute Film oder Liedzitate, anhand derer er kurze ein paar Gedanken entwickelt, abbremst.
Die Hauptperson will Leuten Ratschläge geben und kommt doch mit ihrem Leben selbst nicht zurecht. Sie denkt, sie hat irgendwie alles im Griff, merkt aber nicht, dass sich ihr Leben an ihr selbst vorbeientwickelt, sie eigentlich etwas anderes will, vielleicht eine Frau, die er wirklich respektieren kann, vielleicht auch nur ein gesünderes Verhältnis zu seiner eigenen Sexualität, die zwar frei und umfangreich geschildert wird, die aber äußerst Problem behaftet ist, ihm keine wirkliche Befriedigung bringt und für die er sich wohl auch ein wenig schämt, zumindest unterbewußt, sonst ist mir nicht recht erklärlich, warum er Sina als eine so sexuelle entrückte Frau wahrnimmt. Vielleicht ist ihm bewusst, dass er zwar gut darin ist, Sex zu haben, aber dies gleichzeitig seine Bindung zu anderen Frauen erschwert und er sich nicht mehr richtig auf sie einlassen kann. Hier bleibt eben die Hauptfigur recht unklar, sie erlebt bereits den Racheakt, das weiße Ritter sein, als die Befreiung.
Es bleibt eine Unklarheit, wie sich sein Leben entwickelt hätte, wenn er sich nicht hätte retten können. Ein paar Reflexionen in diese Richtung hätten der Figur etwas mehr Tiefe verliehen, andererseits aber ist es gerade das, was charakteristisch für die Hauptperson ist, die kurzfristig wieder einen Lebensinhalt hatte, kurzzeitig wieder ein edles Ziel und den Kampf um die Ehre einer Frau hatte und sich dafür geopfert hat.
Insofern ist es das Buch über einen Mann, der sich nicht selbst findet und dennoch am Ende glücklich ist.