Theorien innerhalb der Gender Studies

Auf der Seite der Uni Freiburg habe ich eine Auflistung der im Feminismus und den Gender Studies nach der dortigen Ansicht vorherrschenden „Herangehensweisen“ gefunden

Momentan dominieren innerhalb der feministischen Theoriediskussion und der Gender-Forschung konstruktivistische, diskurstheoretische, postrukturalistische, dekonstruktivistische, kulturalistische wie auch postmoderne Herangehensweisen. Diese Bezeichnungen werden teilweise beinahe wie Synonyme verwendet, sie stehen in einem engen Zusammenhang, setzen aber unterschiedliche Schwerpunkte und verweisen auf unterschiedliche grundierende Theoriestränge:

Ich hätte sie wohl auch nicht so fein unterschieden, aber man lernt ja immer gerne dazu

  • Der ‚Konstruktivismus‘ lässt sich zunächst in eine ‚sozialkonstruktivistische und eine ‚kognitionstheoretische‘ Richtung ausdifferenzieren. Beide gehen davon aus, dass es keine menschenunabhängige Welt gibt, oder sie uns zumindest nicht als solche zugänglich ist. Arbeitet der Sozialkonstruktivismus heraus, dass vermeintlich Naturgegebenes immer schon kulturell geformt ist, hebt die kognitionstheoretische Richtung auf die erkenntnistheoretische Ebene ab. Gegenbegriffe zum Sozialkonstruktivismus sind ‚Essentialismus‘, ‚Ontologismus‘ und ‚Biologismus‘, während sich der kognitionstheoretische Konstruktivismus gegen den philosophischen Realismus und den Positivismus wendet. Beim kognitionstheoretischen Konstruktivismus kann noch einmal zwischen einer diskurstheoretischen und einer biologischen Ausrichtung unterschieden werden. Während im diskurstheoretischen Konstruktivismus die Diskurse, d.h. das, was überhaupt gesagt werden kann, die Perzeption (also das, was als ‚Wirklichkeit‘ wahrgenommen wird) prägen, ist es beim biologischen (kognitionstheoretischen) Konstruktivismus zunächst die Struktur des menschlichen Wahrnehmungsapparates, die über Wahrnehmbarkeit und Wahrnehmungsform entscheidet. Der biologische Konstruktivismus spielt in der feministischen und gender-theoretischen Debatte allerdings nur selten eine Rolle, die beiden anderen Ausrichtungen haben dafür aber einen um so höheren Stellenwert. Dabei wird zwischen den beiden Ebenen, auf die sie jeweils fokussieren, oft nicht wirklich unterschieden.

Finde ich schon an sich eine gewagte Theorie: Keine menschenunabhängige Welt. Das ist keine ganz kleine Hürde für eine Theorie. Wie man sie wissenschaftlich untermauern sollte ist mir nicht verständlich. Gut, mit der Zugänglichkeit wird es etwas mehr eingeschränkt, aber wie vergleichende Untersuchungen zeigen haben verschiedene Völker teilweise recht gleiche Vorstellungen von ihrer Umwelt entwickelt und es gibt relativ viele „universelle Gemeinsamkeiten

  • Der Begriff ‚Kulturalismus‘ entspricht inhaltlich in etwa dem Sozialkonstruktivismus. Den Gegenbegriff zu ‚kulturalistisch‘ stellt die Bezeichnung ‚naturalistisch‘ dar. Es geht hier also darum, dass z.B. das Geschlecht erst durch die Kultur als solches konstruiert wird und nicht naturgegeben ist.

Hier wird also sozusagen der Konstruktor etwas näher bezeichnet. Auch hier wieder ein beängstigende Nähe zum Standard Sozial Science Model, welches eigentlich vollkommen veraltet ist.

  • Dekonstruktion‘ bezeichnet das vor allem von Derrida entwickeltes Verfahren der Entverselbständlichung und Entnaturalisierung. Durch das Verfahren der Dekonstruktion wird deutlich gemacht, dass es sich bei vermeintlich Natürlichem im Grunde um kulturelle Konstruktionen handelt. Zentral ist die Kritik am Denken in binären Oppositionen, wie es sich nicht nur in der Gegenüberstellung Mann/Frau, sondern auch in Kultur/Natur, Geist/Materie oder auch Tag/Nacht ausdrückt.

Demnach wäre Dekonstruktion die Darstellung, dass alles konstruiert ist, indem man eine soziale Erklärung für den gleichen Vorgang findet. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann hat Derrida dieses Verfahren allerdings zur Textanalyse entwickelt. Er hat es aber später wohl auf alle Bedeutungsträger ausgeweitet. Allerdings kann man eben Texte deutlich besser zerlegen als Lebewesen. Da man aber in diesen Theorien davon ausgeht, dass die Identitäten und Normen nicht von der Biologie beeinflusst sind, kann man sie als dekonstruierbar ansehen und ihre einzelnen Bestandteile ermitteln.

Zur Dekonstruktion aus der Wikipedia:

Die Dekonstruktion geht grundsätzlich davon aus, dass die Thematisierung bestimmter Gegenstände (sei es in wissenschaftlicher Theoriebildung, sei es in anderen Wissenssystemen, Darstellungsformen oder Gattungen) andere zugleich ausgrenzt. Anstatt nur auf explizit mitgeteilte Information konzentrieren sich dekonstruktive Analysen daher auch und besonders auf diejenigen Faktoren, welche ausgegrenzt wurden. Systematisch grundlegend dafür ist eine sinnkritische Einklammerung der Sinn- und Verweisungsbeziehungen etwa der Elemente eines Textes. Dies ermöglicht dann Fragen zu stellen wie: welche Ausgrenzungs- und Etablierungsmechanismen, welche Strategien des Glaubwürdigmachens, welche hierarchischen Strukturen eines Signifikantengefüges erlauben, das entsprechende materielle Gefüge als sinnhaften Bedeutungsträger zu verstehen und auf eine bestimmte Bedeutung oder „Aussageabsicht“ zu reduzieren? An welche Konstitutionsbedingungen sind die entsprechenden Sinn- und Geltungsansprüche gebunden? Dies kann insbesondere auch Konflikthaftigkeit, Aggressivität, verdeckte Gehalte und Intentionen sichtbar machen.

Diese Ausgrenzung durchzieht ja auch den Feminismus. Aus der Theorie, dass man Gegensatzpaare bilden muss und deren Stellung zueinander ermitteln muss, erklärt sich einiges in der feministischen Theorie. Dort ist das Gegensatzpaar eben Mann und Frau bzw. „männlich“ und „weiblich“ bzw. weitere Geschlechter oder in einem Intersektionalismus die weiteren Kategorien, wie Rasse, Klasse etc.  Wenn eines der beiden in der Gesellschaft mehr betont wird, dann muss das andere Ausgegrenzt bzw. das andere etabliert werde. Hier kommt wohl auch die beständige Angst her, dass etwas zu viel Raum einnimmt. Wenn etwas mehr Raum einnehmen kann, dann eben weil die Geschichte, die man wahrnimmt, auf eine bestimmte Weise gestrickt wird. Auch wer körperlich mehr Raum einnimmt würde danach in der Dekonstruktion als jemand auffallen, der sich selbst einen höheren Geltungsanspruch einräumt und daher eine Ausklammerung der anderen vornehmen möchte.

  • Begriff ‚diskurstheoretisch‘ stellt ebenfalls die Verbindung zu einem bestimmten Denker her: Zu Michel Foucault und seinem Diskursbegriff. „Als Diskurse gelten … ‚Redeweisen‘, sprachliche ‚out-fits‘ von sozialen Klassen und Berufsständen, Generationen, Epochen, literarischen Gattungen, wissenschaftlichen Disziplinen und spezifischen sozialen oder kulturellen Milieus. Zudem wird betont, dass es nicht nur sprachliche Formen – mündliche oder schriftliche – der Bedeutungszuschreibung gibt, sondern auch noch andere, ähnlich funktionierende Zeichensysteme kulturelles Symbolisation. So können architektonische Grundformen ebenso interessieren wie Bestattungsriten oder Kleidermoden. Wenn von diskursiven Praxis oder von diskursiven Formationen die rede ist, ist damit der Komplex einer bestimmten ‚Redeweise‘ und ihrer institutionellen Bedingungen, die Art und Weise der Medialisierung und der Zusammenhang von Kenntnissen und Wissen innerhalb eines bestimmten historischen Zeitraums gemeint.“ Diskurse regeln, was zu einem bestimmten Zeitpunkt sagbar ist. Durch die Zurückverfolgung von Diskursen wird die historische Kontingenz von Begriffen, Kategorien und Theorien aufgedeckt.

Der kulturelle Bereich wird sicherlich zu einem gewissen Teil von Diskursen ausgeformt, soweit es der biologische Unterbau des Menschen zulässt. Und hier können natürlich bestimmte Riten und in der Kultur vorgegeben Betrachtungsweisen wesentlich werden. Ein gutes Beispiel ist zB, dass sich die Religion häufig nach der in der Gesellschaft vorgegebenen Religion richtet, sofern diese auch die Eltern haben. Allerdings sind eben schon genug Politker daran gescheitert einen bestimmten Diskurs, der für sie dienlich ist, vorzugeben. Ein Diskurs ist nicht so einfach steuerbar, wie man es sich im Feminismus vorstellt.

  • Der Begriff ‚postmodern‘ bezeichnet eine bestimmte historischen Epoche, der u.a. auch die poststrukturalistische Theorierichtung zuzuordnen ist. Zentrale Gedanken sind u.a. eine Abwendung vom Fortschrittsdenken der so genannten Moderne, ein Plädoyer für Heterogenität (z.B. von Lebens-, Denk- und Handlungsformen) und der Versuch die Kluft zwischen ‚Kunst‘ und ‚Massenkultur‘ zu überwinden. Seyla Benhabib charakterisierte das postmoderne Denken durch die drei Thesen vom „Tod des Menschen“, dem „Tod der Geschichte“ und dem „Tod der Metaphysik“.38 Die Postmoderne drückt sich nicht nur in der Theorie, sondern z.B. auch in der Architektur, der Literatur und der bildenden Kunst aus und insbesondere auch im Lebensgefühl.

Das Fortschrittsdenken ist soweit wahrscheinlich auch nur patriarchisch.

Aus der Wikipedia dazu:

Elemente postmodernen Denkens und Urteilens sind:

  • Absage an das seit der Aufklärung betonte Primat der Vernunft (ratio) und an die Zweckrationalität (die bereits in der Moderne erschüttert wurden)
  • Verlust des autonomen Subjekts als rational agierende Einheit
  • Neue Hinwendung zu Aspekten der menschlichen Affektivität und Emotionalität
  • Ablehnung oder kritische Betrachtung eines universalen Wahrheitsanspruchs im Bereich philosophischer und religiöser Auffassungen und Systeme (sog. Metaerzählungen oder Mythen wie Moral – wodurch Postmoderne zum Amoralismus wird – , Geschichte, Gott, Ideologie, Utopie oder Religion, aber auch, insofern sie einen Wahrheits- oder Universalitätsanspruch trägt, Wissenschaft)
  • Verlust traditioneller Bindungen, von Solidarität und eines allgemeinen Gemeinschaftsgefühls
  • Sektoralisierung des gesellschaftlichen Lebens in eine Vielzahl von Gruppen und Individuen mit einander widersprechenden Denk- und Verhaltensweisen
  • Toleranz, Freiheit und radikale Pluralität in Gesellschaft, Kunst und Kultur
  • Dekonstruktion, Sampling, Mixing von Codes als (neue) Kulturtechniken
  • Zunehmende Zeichenhaftigkeit der Welt (siehe auch Semiotisches Dreieck und Baudrillard)
  • Versuche der Abkehr von ethno- und androzentrischen Konzepten

Man tauscht also Rationalität gegen Emotionalität, lehnt wissenschaftliches Vorgehen ab, führt eine Beliebigkeit ein und versucht alle festen Formen aufzugeben. Eine einheitliche Gemeinschaft wird abgelehnt, dagegen eine starke Verschiedenheit in Verbindung mit Toleranz gefordert.

Judith Butler

Der poststrukturalistische Genderfeminismus und die Queertheorie sind gegenwärtig die vorherrschenden theoretischen Ansätze im Feminismus. Judith Butlers Theorien spielen in diesem Bereich eine große Rolle, so dass es Zeit wird, sich mit diesen näher zu beschäftigen.
Judith Butler

Judith Butler

1. Grundsätzliche Einordnung

Judith Butler ist dem Poststrukturalismus zuzuordnen. Sie ordnet den Bereich Geschlecht und Gender in eine Diskursanalayse ein, indem insbesondere performative Handlungen das Geschlecht hervorrufen.

Sie bedient sich dabei stark bei Sigmund Freud, Michel Foucault, Jaques Derrida, Jaques Lacan und Lous Althusser.

2. Foucault

Den Grundgedanken, dass Geschlecht ein Ausdruck der Machtverhältnisse innerhalb der Gesellschaft ist und die zur Erhaltung der Macht errichtenen Geschlechternormen die Geschlechter hervorrufen, hat sie von Foucault.
Dieser geht ebenfalls davon aus, dass unsere Gesellschaft über den Umgang mit Wissen und Macht hervorgerufen wird. Foucault geht davon aus, dass die Mächtigen innerhalb einer Gesellschaft diese so umgestalten, dass sie ihre Macht sichert. Dazu nutzen sie die Möglichkeit Wissensvorsprünge auszubauen und Diskurse zu lenken, indem sie das Wissen kontrollieren. Aus diesem Wissen heraus wird zudem das Gerüst der Gesellschaft aufgebaut. Indem bestimmte Regeln für die Gesellschaft aus der Vergangenheit heraus legitimiert werden, wird den Leuten ein richtiges Verhalten vorgegeben, dass dann von ihnen einzuhalten ist. Dabei stabilisieren sich die Regeln selbst, wenn es gelingt, einen Verstoß gegen die Regeln mit einem gesellschaftlichen Malus zu versehen, eine Befolgung der Regeln aber mit einem Bonus. Sobald das System hinreichend eingerichtet ist, versucht jeder innerhalb dieser Regeln möglichst gut darzustehen und einen Malus nach Möglichkeit zu vermeiden. Dadurch will letztendlich jeder innerhalb der Regeln leben, erkennt dabei aber nicht, dass diese eben reine Kultur sind, keine Basis haben, weil die Zuweisung, was richtig und was falsch ist, beliebig nach den Vorstellungen der Mächtigen gestaltet werden kann. Hier wird der Diskurs wichtig, der bestimmt, was überhaupt vertreten werden darf. Foucault sieht Wissenschaft insofern nicht als objektiv, sondern eben als Teil des Diskurses an: Die Gesellschaft bestimmt, was vertretbar ist und was nicht und was als Meinung präsentiert werden darf und was nicht.

2. Judith Butlers Übertragung

Butler überträgt diesen Gedanken, wie Foucault bereits vor ihr auf das Geschlechterverhältnis, wo nach ihrer Auffassung ebenfalls bestimmte Geschlechternormen errichtet worden sind, die die Errichtung der Geschlechter und deren Verhalten bewirken. Diese knüpfen an die unterschiedlichen Körper von Mann und Frau an, die aber insoweit lediglich das Unterscheidungsmerkmal bilden, dass dann über verschiedene kulturell geschaffene Regeln zur Errichtung der Geschlechterrollen führt. Körper materialisieren sich nie unabhängig von ihrer kulturellen Form, sind also immer an ihre kulturspezifische Wahrnehmung gebunden.
Diese kulturspezifischen Merkmale der Geschlechterrollen werden dann durch beständige Wiederholung gleichsam eingeübt.
Nach dieser Vorstellung gibt es ersteinmal keine Frau als Subjekt, sondern das was als Frau definiert wird ist beständig einer kulturellen Betrachtung und Veränderung unterworfen. Eine „Frau“ mit einem männlicheren Körper ist in dieser Hinsicht teilweise schon wieder den männlichen Regeln unterworfen, ist also nicht per se Frau, sondern irgendwo dazwischen. Ein Transsexueller wäre nach erfolgter Operation über seinen Körper neuen Geschlechternormen unterworfen, die aber wiederum im Fluss sind und wer welchen Normen unterworfen ist, ist ebenso im Fluss, was die Abgrenzung der Geschlechter schwierig macht. Allein der Diskurs kann nach diesen Vorstellungen festlegen, was eigentlich eine Frau und was ein Mann ist. Denn der Diskurs hätte nach diesen Theorien etwa die Macht, einem Mann mit einem zB geringen Bartwuchs die Männereigenschaft abzusprechen und ihn den Frauen zuzuordnen (wenn ich es richtig verstehe). Darauf, dass die Abgrenzung dennoch in den meisten Kulturen abgesehen von den geringen Zahlen der Intersexuellen und Transsexuellen unproblematisch ist, geht sie meines Wissens nach nicht ein.

Für Butler schafft der Diskurs damit auch gleichzeitig den Körper -durch die Sprache materialisert sich das Geschlecht, Diskurs und Materie sind insofern miteinander verbunden. Die Sprache und der Diskurs stehend damit auf einer Stufe mit der Materie. Das Sprache und Diskurs die Materie nicht verändern und die Materie unterschiedlich bleibt ist nicht relevant, weil das übergeordnete Subjekt aus den drei Elementen, Diskurs, Sprache und Materie, eben durch diese alle drei geschaffen wird. Eine Frau kann nicht Frau sein, wenn die Eigenschaft Frau nicht durch den Diskurs in seiner gerade gültigen Form geschaffen, dies durch Sprache vermittelt wird und die Unterscheidung zu anderen Geschlechtern anhand körperlicher Faktoren, an denen diese Normen ansetzen können, erfolgen kann. (vgl auch „Butler zur Konstruktion der Geschlechter“)

Genau wie bei Foucault ist dabei Wissen über diese Normen, dass über Machtfaktoren zu einer Wahrheit erklärt wird (die es aber nicht gibt, sondern nur Diskurse) ein wesentlicher Faktor. Wenn also an bestimmten Merkmalen die Eigenschaft Frau festgemacht wird und das Wissen diskursiv hergestellt wird, dass Frauen schlechter in räumlichen Denken sind und dies noch durch eine entsprechende Geschichtsschreibung historisch abgesichert wird, dann konstituiert dieses Wissen gleichzeitig, was Frauen tatsächlich können. Ein Verstoß gegen dieses Wissen, etwa dadurch, dass eine Frau in einem Bereich tätig sein will, der mit räumlichen Denken zu tun hat, wird dann als Verstoß gegen eine Geschlechternorm verstanden.

Dabei scheint mir Butler die Macht, die die Geschlechternormen konstruiert, als denzentrales, System von Normen zu verstehen, das übersubjektiv aufgebaut wird.

3. Psychoanalyse

Hier greift sie dann auch auf Freud und Lacan sowie weitere zurück, deren Theorien sie zur Bildung der Geschlechternormen heranzieht. So wird in ihren Werken diskutiert, inwieweit das Freudsche Konzept der Geschlechterherausbildung, diese Normen errichtet. Das wären dann insbesondere der Ödipuskomplex, nachdem der heranwachsende Junge seine Mutter begehrt und seinen Vater ersetzen will sowie das Inzestverbot und das Verbot der Homosexualität
4. Sigmund Freud

Freud setzt bei der Urhorde an, deren Stammesvater ein Despot ist, der von den Söhnen verehrt und gehasst wird, insbesondere weil der Despot alle Frauen der Horde besitzen will. Deswegen haben diese den Despoten umgebracht. Die neue Gemeinschaft habe dann neue gesellschaftliche Regelungen geschaffen, die verhindern sollen, dass so etwas noch einmal passiert. Diese sehen vor, dass die Männer nur außerhalb ihrer Sippe heiraten dürfen, was also das Inzestverbot begründet hat (abenteuerliche Just so Geschichte, aber was soll man sagen).
Im Ödipuskonflikt geht Freud davon aus, dass Jungen einen Hass auf den Vater entwickeln, die Mutter aber ebenso wie diese Begehren. Wegen dieses Begehrens wiederum entwickeln sie Schuldgefühle gegenüber dem Vater sowie eine Angst vor Bestrafung, insbesondere durch Kastration (weswegen der Penis in unserer Phallokratie auch eine so enorme Bedeutung hat). Sie verlagern ihr Begehren der Mutter dann aus Angst vor der Kastration durch den Vater auf andere Frauen.
Die Mädchen wiederum begehren die Mutter, Wechseln dann aber zum Vater, weil sie in ihrem Penisneid die Mutter, die ja ebenfalls keinen Penis hat, für das Fehlen des eigenen Penis verantwortlich machen. Den der Penis wird, warum auch immer, vielleicht auch nur, weil man ihn sehen kann, als Normalfall gesetzt. Und da das Mädchen einen Penis will, ihrer aber „kastriert“ ist, begehrt sie den Penis des Vaters und dies überträgt sich auf ihre Vorliebe für Männer. Tata, Heterosexualität!
Butler wirft meinem Verständnis nach diese Figuren aber mehr in den Raum, macht anhand dieser deutlich, wie Normen enstehen können, die sich dann im Diskurs verfestigen, ohne sich (wie so oft) tatsächlich einer Meinung anzuschließen.

5. Jacques Lacan

Lacan hebt diese Situation aus dem konkreten (also der jeweilige Vater und die jeweilige Mutter) in das Abstrakte. Es komme nicht mehr darauf an, dass der Vater selbst die Kastrationsangst erzeuge, diese könne über eine Stellvertretung durch andere als „Gesetz des Vaters“ auch von anderen ausgesprochen werden. Diese Stellvertretung wiederum wirke sich dann auf die gesellschaftlichen Normen aus, die dann an die Stelle des Vaters treten. Aus der Angst vor der Kastration durch den vater wird die Angst vor einer symbolischen Kastration durch eine paternalistische Gesellschaftsnorm.

Dies fügt sich gut in die oben dargestellt Theorie ein, weil damit das Inzesttabu und die Heterosexualität über das Gesetz des Vaters zu einer gesellschaftlichen Norm ausgebaut wird, die aufgrund der Angst vor Kastration zugleich zu einer Überbewertung des Phallus, einer Phallokratie führt, in der eben gerade das besonders männliche, phallische bewahrt und zum höchsten Gut erklärt wird und Homosexualität zum Abweichen von der Norm erklärt wird, was dann wieder mit den bereits dargestellten Abzügen belegt wird.

Im Gegensatz zu Freud stellt Lacan allerdings darauf ab, dass das Kind sich in einem gewissen Stadium über Spiegel selbst entdeckt. über dieses Studium im Spiegel entsteht nach Lacan letztendlich das Ich. Weil es aber gleichzeitig im Spiegel etwas fremdes erkennt, nämlich etwas, was sich im Spiegel befindet und von seiner sonstigen, nicht Spiegelgestützten Wahrnehmung abweicht, verkennt es sich gleichzeitig selbst, weil es das Spiegelbild nicht gänzlich mit seinem Selbstbild in Einklang bringen kann, es spaltet sich in ein „imaginäres Ich“ und ein „soziales Ich“. Diese Spaltung kann erst durch die Sprache überwunden werden, die das Subkjekt formt. Hier greift das oben genannte ein, die Mutter spricht zuerst mit dem Kind, der Vater nimmt hingegen die verbietende Rolle ein und errichtet das angesprochene „Gesetz des vaters“ und die Kastrationsangst, die dann über Dritte die Gesellschaftsnorm des Begehrens errichtet.

Hier sind wir also schon etwas dichter an der eigentlich Theorie, nachdem das Kind zunächst versucht, sich selbst zu erkennen, dann aber über Diskurs und Sprache konstruiert wird und dabei in das sozial über das Gesetz des Vaters vorgegebene Begehren gepresst wird.

6. Jacques Derrida

Hinzu kommen die Theorien von Jacques Derrida, nach denen man die Geschlechterrollen wieder dekonstruieren kann, ermitteln kann, worauf sie beruhen um sich dann von ihnen zu lösen. Hierauf baut dann letztendlich auch bei Foucault der Versuch auf, diese errichteten Geschlechternormen und die Teile der Gesellschaft, die sie errichten, herauszufinden und wieder zu verändern.

Da bei Butler alles aufgrund immer wiederkehrender Wiederholung bestehen bleibt und dadurch die durch Inzestverbot und das Verbot der Homosexualität errichtete Normengebäude, folgend aus dem Gesetz des Vaters, hergestellt werden, müssen ihrer Auffassung nach neue Performitäten entgegengesetzt werden, die helfen, diese Gesetze wieder abzubauen. Es versteht sich, dass man nach diesem Aufbau insbesondere die Rolle des gesetzgebenden Vaters als Oberhaupt der Familie und die Phallokratie, also die Überbetonung der im Penis verkörperten Männlichkeit abbauen muss, da diese den Grundpfeiler des Gerüstes bildet.

7. Louis Althusser

Louis Althusser steuert diesem Mix noch den marxistischen Überbau bei. Durch diesen wird näher dargestellt, wie die Phallokratie ihre Geschlechternormen weiter absichert. Sie bedient sich dabei besonderen Akteuren, denen jeweils eine bestimmte Rolle zugewiesen ist. Ziel der Gesellschaft ist es eine obligatorische Ideologie der herrschenden Klasse (hier: phallokratische Penisträger) zu errichten. Diejenigen mit Macht versuchen die Herrschaft des Penis abzusichern (vermutlich um ihre Kastrationsangst zu bekämpfen) und das Gesetz des Vaters strikt zu befolgen. Das geschieht mit Hilfe eines Staatsapparates, der über aufgezwungene Rituale und durch die Anrufung der Subjekte durch Institute des großen Anderen, hier also wieder der Phallokratie (oder auch der hegemonialen Männlichkeit). Dabei wird nicht nur repressiv vorgegangen, sondern die Subjekte erhalten die Möglichkeit, sich als Subjekt innerhalb einer Gesellschaft zu konstituieren. Deswegen empfinden sich diese innerhalb ihrer Unterwerfung als frei. Hieraus entwickelte Foucault seine Diskurstheorie, in der die Mächtigenüber die Beherrschung des Diskurses dieses Verhältnis herstellen.

Die Normen stellen eine Unterdrückung dar, werden aber von allen akzeptiert, weil sie ihnen einen Platz vorgeben.
Erkennt man aber, dass es eigentlich nur sich verselbständigte Kastrationsängste sind, die zu gesellschaftlichen Regeln gemacht worden sind, dann kann man – quasi erwacht – aus diesem Zustand ausbrechen und bessere Regeln machen.
Dazu muss man aber die Phallokratie und damit auch die hegemoniale Männlichkeit abbauen.

Der Genderfeminismus nach Butler will genau dies.

Sein Gerüst klingt aus meiner Sicht – wenn ich es richtig verstanden habe – aber überaus wackelig.

„Es gibt keinen Sexismus, unter dem Hetencismänner zu leiden hätten“

 Nadine Lantzsch schreibt in ihrem Blog „Medienelite“ in dem Beitrag „Der Gaze Effekt und Feminismus“ das Folgende zum Sexismus gegen Männer:

Beliebte Strategie gegen Widerstand ist auch die Umkehrung der Dominanz und Zuschreibung auf das Andere. Da ist dann auf einmal von Sexismus gegen Männer die Rede. Schon werden alle Machtverhältnisse plattgewalzt und das vermeintliche Unterdrückungsmoment den Unterdrückten aufgebürdet und mit der Aufgabe betraut, dieses abzuschaffen. Kurzum: Es gibt keinen Sexismus, der sich gegen HetenCisMänner richtet. Es gibt Heterosexismus, Homophobie, Transphobie, Sexismus als Aktualisierungsinstrument des patriarchalen Gewaltverhältnisses, aber keinen Sexismus, unter dem Hetencismänner zu leiden hätten. Es gibt Rollenmuster, die allen Geschlechtern aufgedrängt werden, die Zwang bedeuten, aber Herrschaft funktioniert nicht nur auf individueller Ebene. Das ist auch etwas systemisches, eine Struktur, von der Gruppen profitieren und andere unterdrückt werden. Ein Unterwäschemodel kann halbnackt sein, der konstruierte Nerd bei Frauen abblitzen, aber daraus ergibt sich für Hetencismänner kein struktureller Nachteil. Wenn dem so wäre, würden rape culture und gläsernde Decken längst der Vergangenheit angehören.

 Das Argument ist ein Schönes, weil es (innerhalb dieser Logik) immun gegen Kritik ist.

Die gesellschaftlichen Zustände können nur eine Unterdrückung der Frau durch Heterosexualität etc sein, also sind die negativen Folgen kein Sexismus, sondern nur Folge der Machtinstrumente der Herrschenden. Es muss aber ein Machtinstrument der Herrschenden sein, weil sonst ja solche Zustände wie sie gerade herrschen, nicht existieren würden.

Innerhalb dieser Logik bleibt Männern, die sich diskriminiert fühlen nur der Weg die Machtinstrumente zu bekämpfen, also letztendlich auf ihre Privilegien zu verzichten.

Mir fehlt dabei die kritische Hinterfragung der eigenen Grundlagen:

  •  können die gesellschaftlichen Verhältnisse vielleicht auf anderen Faktoren als Unterdrückung beruhen?
  • Wie schaffen es die Machthaber ganz konkret die Machtinstrumente einzusetzen, insbesondere bei Berücksichtigung eines Wahlrechts für Frauen und der Erziehung der späteren Machthaber ganz überwiegend von Frauen?
  • was für ein Frauenbild und was für ein Männerbild erfordert es, dass die einen ihre Möglichkeiten nicht nutzen um aus dem Machtgefüge auszubrechen und die anderen es weiter fördern?
  • Welche Vorteile bestehen für Männer, welche für Frauen in dem System und könnten diese Vorteile die Nachteile ausgleichen und das System deswegen akzeptiert werden?

Aber das sind ja die alten Fragen nach den Ursprüngen, bei denen der Feminismus einfach voraussetzt.

Das in dieser Logik ein geschlossenes Weltbild vorhanden ist, in das man nicht eindringen kann, zeigt sich auch in Folgediskussionen bei „Metalust

Dort ist in den Kommentaren von weißen Männerbündnissen zwischen Don Alponso und Malte Welding die Rede, die Lantzschi (stellvertretend für die Frauenwelt bzw. als Gegenmeinung kleinreden und unterdrücken). Hingegen ist das Bündnis feministischer Blogs lediglich Widerstand gegen den Unterdrücker, also nur der Versuch sich irgendwie gegen den Gegner zu stemmen.

Die Pille, Partnerwahl und Beziehungen

Die Pille simuliert im Endeffekt eine Schwangerschaft und nutzt die dabei bestehenden Mechanismen zur Verhütung aus. Das hat interessante Auswirkungen auf die Partnerwahl:

Hormonal variation over the menstrual cycle alters women’s preferences for phenotypic indicators of men’s genetic or parental quality. Hormonal contraceptives suppress these shifts, inducing different mate preference patterns among users and non-users. This raises the possibility that women using oral contraception (OC) choose different partners than they would do otherwise but, to date, we know neither whether these laboratory-measured effects are sufficient to exert real-world consequences, nor what these consequences would be. Here, we test for differences in relationship quality and survival between women who were using or not using OC when they chose the partner who fathered their first child. Women who used OC scored lower on measures of sexual satisfaction and partner attraction, experienced increasing sexual dissatisfaction during the relationship, and were more likely to be the one to initiate an eventual separation if it occurred.However, the same women were more satisfied with their partner’s paternal provision, and thus had longer relationships and were less likely to separate. These effects are congruent with evolutionary predictions based on cyclical preference shifts. Our results demonstrate that widespread use of hormonal contraception may contribute to relationship outcome, with implications for human reproductive behaviour, family cohesion and quality of life.

Quelle: Relationship satisfaction and outcome in women who meet their partner while using oral contraception

Die Idee ist, dass die Pille die Partnerwahl beeinflusst.

  • mit Pille erfolgte eine Auswahl des Partners insbesondere nach den Kriterien, die für eine Schwangere interessant sind, also im wesentlichen der liebe Versorger, der auf eine Langzeitbeziehung aus ist.
  • ohne Pille hingegen spielte sexuelle Attraktivität eine größere Rolle
Demnach hatten Frauen, die beim Kennenlernen bereits die Pille nahmen längere Beziehungen, aber weil die Auswahl weniger auf sexuelle Attraktivität ausgerichtet war, war der Sex schlechter.

„Frauen, die ihren Partner während der Pilleneinnahme aussuchten, hatten im Schnitt zwei Jahre längere Beziehungen und trennten sich weniger schnell“, sagte Forschungsleiter Craig Roberts. Das könnte nach seinen Erkenntnissen damit zusammenhängen, dass Frauen, die die Pille einnehmen, sich ähnlich verhalten, wie ihre Geschlechtsgenossinnen ohne Empfängnisverhütung an unfruchtbaren Tagen.

In dieser Zeit finden Frauen eher Männer sexy, die fürsorglich und vertrauenswürdig sind.

Oder noch einmal hier:

Women on the pill when they met their partner were significantly less sexually satisfied, but reported higher levels of general satisfaction in the relationship, such as financial support and partner loyalty. They were also more likely to stay together.

During fertile cycle phases, women seek out traits such as masculine faces, which are associated with good genes but also infidelity. Because women on the pill don’t have such hormone shifts they may be more sensitive to traits which lead to longer relationships, says Roberts.

Also kurz gefasst: Ohne Pille werden Machos interessanter (maskuline Gesichter heißen ja auch nichts anderes als hoher Testosteronspiegel), mit Pille werden Betas interessanter, mit denen macht aber der Sex nicht so viel Spass, weil sie nicht so anziehend sind.
Allerdings sind die Studien zur Pillennutzung und Sex auch recht unterschiedlich:

COCPs may increase natural vaginal lubrication.[91] Other women experience reductions in libido while on the pill, or decreased lubrication.[91][92] Some researchers question a causal link between COCP use and decreased libido;[93] a 2007 study of 1700 women found COCP users experienced no change in sexual satisfaction.[94] A 2005 laboratory study of genital arousal tested fourteen women before and after they began taking COCPs. The study found that women experienced a significantly wider range of arousal responses after beginning pill use; decreases and increases in measures of arousal were equally common.[95]

A 2006 study of 124 pre-menopausal women measured sex hormone binding globulin (SHBG), including before and after discontinuation of the oral contraceptive Pill. Women continuing use of oral contraceptives had SHBG levels four times higher than those who never used it, and levels remained elevated even in the group that had discontinued its use.[96] Theoretically, an increase in SHBG may be a physiologic response to increased hormone levels, but may decrease the free levels of other hormones, such as androgens, because of the unspecificity of its sex hormone binding.

Alles im allen also eine sehr ungenaue Lage. Auch nach meiner Erfahrung müssen die meisten Frauen erst die für sie passende Pille finden.

Die Effekte zur Partnerwahl allerdings sprechen dagegen, dass unser Begehren rein gesellschaftlich konstruiert ist. Sie sprechen vielmehr für eine biologische Grundlage.

Wille zur Macht, Diskurshoheit und Feminismus

Einen interessanten Kommentar dazu, warum im Genderfeminismus Diskussionen über die Grundlagen von feministischen Theorien und biologische Gegenthesen nicht gewünscht sind, hat Peter abgegeben:

Für den Radikalkonstruktivisten gibt es kein wahr oder falsch. Der „Wille zur Macht“ ist letztendlich entscheidend, die Diskurs- und Definitionsmacht zu erlangen ist alles. Wer dies erreicht hat, der bestimmt, was als wahr und was als falsch zu gelten hat, der konstituiert die Wirklichkeit und die Wahrheit

Folgerichtig ist für den RK die top down Implementierung von Wahrheit der Königsweg, nicht die argumentative Auseinandersetzung und Überzeugung des Individuums von der Legitimität der eigenen Interessen, denn alles ist Diskurs- und Definitionsmacht.

Die Erklärung erscheint mir innerhalb des Feminismus durchaus schlüssig. Wenn es darum geht, die Wirklichkeit zu konstruieren, dann hindern Gegenargumente nur daran. Zumal eine Diskussion auch müssig ist, wenn es – wie bei einer konstruierten Wirklichkeit – eh keine Fakten gibt. Die Biologie kann dann nur als konstruierte Gegenwirklichkeit wahrgenommen werden, die der eigenen gegenüber steht.

Dagegen spricht natürlich, dass es sehr wohl Faken gibt, und nicht nur einen Diskurs. Der Mond ist eben nicht der Hintern einer dicken Frau so oft man dies auch im Diskurs behauptet

Butler zur Konstruktion der Geschlechter

In „Körper von Gewicht“ sagt  Butler etwas zur Konstruktion der Geschlechter:

„Die Kategorie des ‚sex’ ist von Anfang an normativ; sie ist, was Foucault ein ‚regulierendes Ideal’ genannt hat. In diesem Sinne fungiert das ‚biologische Geschlecht’ demnach nicht nur als Norm, sondern ist Teil einer regulierenden Praxis, die die Körper herstellt, die sie beherrscht, das heißt, deren regulierende Kraft sich als eine produktive Macht erweist, als Macht, die von ihr kontrollierten Körper zu produzieren – sie abzugrenzen, zirkulieren zu lassen und zu differenzieren. Das ‚biologische Geschlecht’ ist demnach also ein regulierendes Ideal, dessen Materialisierung erzwungen ist, und zu dieser Materialisierung kommt es (oder kommt es nicht) infolge bestimmter, höchst regulierender Praktiken. Anders gesagt, das ‚biologische Geschlecht’ ist ein ideales Konstrukt, das mit der Zeit zwangsweise materialisiert wird. Es ist nicht eine schlichte Tatsache oder ein statischer Zustand eines Körpers, sondern ein Prozeß, bei dem regulierende Normen das ‚biologische Geschlecht’ materialisieren und diese Materialisierung durch eine erzwungene ständige Wiederholung jener Normen erzielen. Daß die ständige Wiederholung notwendig ist, zeigt, daß die Materialisierung nie ganz vollendet ist, daß die Körper sich nie völlig den Normen fügen, mit denen ihre Materialisierung erzwungen wird. Es sind sogar die durch den Prozeß hervorgebrachten Instabilitäten, die Möglichkeiten der Re-Materialisierung, die einen Bereich kennzeichnen, in dem die Kraft des regulierenden Gesetzes gegen dieses selbst gewendet werden kann, um Neuartikulationen hervorzutreiben, die die hegemoniale Kraft eben dieses Gesetzes in Frage stellen.“

(Butler: Körper von Gewicht, S. 21)

In „Das Unbehagen der Geschlechter“ hatte  Butler noch auf das Verbot der Homosexualität und das Inzestverbot abgestellt.

Da sie davon ausgeht, dass ständige Wiederholung notwendig ist, wäre immerhin verständlich, dass sie davon ausgeht, die Geschlechterrollen aufheben zu können. Das allerdings in der Praxis Umerziehungsversuche immer wieder scheitern, sei es im Kibbuz oder bei der geschlechtsneutralen Erziehung spricht hiergegen. Auch die (teilweise) Unwirksamkeit dieser Vorgänge bei CAH, CAIS, Transsexualität, David Reimers etc spricht hiergegen.

Zu den wirkenden Maßnahmen bei Butler aus der Wikipedia:

Der Prozess ihrer Materialisierung funktioniert auf verschiedenen Ebenen. Butler betrachtet insbesondere die Verschränkung von

  • Sprache und Materie
  • die psychische Dimension der körperlichen Gestalt bei Individuationsprozessen
  • die Wirkungsweise von Diskursen zur körperlichen Geschlechterdifferenz.

In Bezug auf die Materialität des Geschlechtskörpers oder „biologischen Geschlechts“ (sex) wendet sie sich gegen die Annahme eines faktischen, materiellen körperlichen Geschlechts, das mit einem sozialen Konstrukt (gender) überschrieben wird. Sie geht davon aus, dass der Begriff des „biologischen Geschlechts“ (und der damit zusammenhängende Rekurs auf Naturalität) selbst „eine kulturelle Norm, die die Materialisierung von Körpern regiert“ ist.