In den Diskussionen zur Evolution kam es erneut wiederholt zur Einwendung, dass die biologischen Theorien bereits insofern falsch seien, weil sie ja auf Fortpflanzung abstellen würden, dabei wollten die Leute nur Sex und Fortpflanzung ist ihnen egal.
Ich hatte dazu schon verschiedenes geschrieben, einmal unter dem Stichwort „Ultimate und proximate Cause“:
Eine wichtige Unterscheidung zum Verständnis von Evolutionsbiologie und damit auch für das Verständnis des Menschen und der Geschlechterunterschiede ist die Unterscheidung zwischen Ultimate Cause und Proximate Cause.
- Unter dem Proximate Cause versteht man ein Ereignis, dass direkt zu dem Endzustand geführt hat.
- Unter dem Ultimate Cause versteht man den „eigentlichen Grund“, der das Ereignis erklärt
(…)
b. Sex und Fortpflanzung
- Ultimate Cause: Geschlechtliche Fortpflanzung erfordert eine Übergabe der Gene und deren Verbindung miteinander
- Proximate Cause: Das Ineinanderstecken von Geschlechtsorganen spricht – richtig gemacht – gewisse Nerven an, die das Belohnungszentrum stimulieren und eine Ausschüttung von Glückshormonen und Bindungshormonen bewirken. Die Ausschüttung bestimmter Hormone durch den Sex vermindert den Sexualtrieb kurzzeitig.
- Umgehung: Dank Verhütungsmittel haben wir zwar noch den Spass am Sex, aber nicht mehr unbedingt die Fortpflanzung. Paare können ein Leben lang Sex haben, ohne den Ultimate Cause des Sex gerecht zu werden; Cybersex, Masturbation vor Pornos;
Und unter „Fortpflanzungstrieb vs Sextrieb“
Evolutionäre Betrachtungen bringen es mit sich, dass man über Fortpflanzungen reden muss. Weil Fortpflanzung der Weg ist, der einzige Weg ist, über den Evolution wirken kann. Nur wenn sich der Bauplan dauerhaft verändert kommt es zu einer Evolution.
Die Fortpflanzung ist damit innerhalb einer evolutionären Betrachtung das Maß aller Dinge.
Das bedeutet allerdings mehrere Sachen nicht:
1. Das Individuum muss keinen Willen zur Fortpflanzung haben
Die Evolution ist nicht darauf ausgelegt, dass bestimmte Faktoren, nach denen sie arbeitet, verstanden werden. Es reicht vielmehr, wenn die Faktoren zum tragen kommen. Die Evolution muss also kein Verständnis für die Mechanismen der Fortpflanzung vorsehen oder gar einen Wunsch nach Fortpflanzung erzeugen. Es reicht vollständig, dass ein Wunsch für eine Handlung aufgebaut wird, der üblicherweise eine Fortpflanzung zur Folge hat.
Ebenso wie es ausreicht, Nahrung mit vielen Nährstoffen lecker schmeckend zu finden und ein Völlgefühl im Magen angenehm, ein Leeregefühl hingegen unangenehm, um den Menschen dazu zu bringen, Nahrung aufzunehmen, reicht es auch, das Hineinstecken von gewissen Körperteilen in bestimmte Körperöffnungen lustvoll zu finden um Fortpflanzung abzusichern.
Und noch einmal in einer Besprechung eines Artikel von Elmar zur Soziobiologie:
- Hatten sie schon einmal den Drang, ihre Gene weiterzugeben? Vermutlich nicht – denn sie haben vermutlich noch nie den intuitiven Drang verspürt, eine Samenbank zu besuchen und Sie finden vermutlich auch die Vorstellung eher seltsam und nicht in spezifischer Weise befriedigend, daß eine Frau, die sie nicht kennen, von ihrem Sperma schwanger wird.
Auch hier baut Elmar ein Scheinproblem auf, welches Laien häufiger bringen: Wir haben keinen Fortpflanzungstrieb, weil das keine umsetzbare Handlung ist, sondern einen Sexualtrieb, der auf eine Handlung ausgerichtet ist, die unter evolutionär relevanten Bedingungen zu einer Fortpflanzung führt. Die Fortpflanzung ist der „ultimative Grund“ , aus dem die Selektion auf den Sexualtrieb stattgefunden hat. Der Grund hierfür ist auch recht einfach: Wie sollte eine Selektion auf „Fortpflanzungsverhalten“ denn sonst aussehen? Die Frage dann wiederum, ob wir schon mal den „Drang hatten Sex zu haben (weil dies unter evolutionär relevanten Bedingungen die Handlung ist, mittels der man sich fortpflanzt)“ werden aber wohl die meisten Leute jenseits der Pubertät bejahen.
Aber dennoch scheint das ein Punkt zu sein, der häufig zu Unverständnis führt. Und ich bin vielleicht schon zu sehr in einem bestimmten Denken drin (mag es richtig oder falsch sein) um zu verstehen, wo genau da das Unverständnis liegt.
Ich versuche es daher noch einmal mit einem Beispiel:
A: Die X AG ist eine Firma, die viel Geld haben will (=einen hohen Gewinn haben möchte).
B: Aber sie stellt ja kein Geld her, sondern Waren!
A: Sie kann ja auch kein Geld herstellen, aber sie verdient Geld damit, dass sie Waren herstellt und verkauft.
B: Aber statt den Maschinen für Waren könnte sie ja direkt Maschinen für Geld kaufen und damit direkt Geld herstellen statt den Umweg über Waren zu gehen! Sie wollen also kein Geld, sie wollen anscheinend Waren herstellen!
Da wird jeder schon verwundert sein, warum da überhaupt eine Erläuterung notwendig ist bzw warum B eine so abwegige Meinung überhaupt vertritt.
Wenn man sich jetzt vorstellt, dass für Gene die Weitergabe der Gene in möglichst viele weitere Generationen das „Ziel“ ist, und das sie Lust auf Sex und Begierden herstellen, um dann an Nachkommen zu kommen, dann hat man vielleicht ein passendes Bild gefunden.
Also:
A: Die Gene sind evolutionär etwas, was viele Nachkommen haben will!
B: Aber sie stellen ja keinen Fortpflanzungstrieb oder direkt Nachkommen her, sondern nur Menschen, die Sex wollen
A: Sie kann ja auch nicht einen einen Trieb zur Fortpflanzung einrichten, da ist ja nichts, woran evolutionär etwas festgemacht werden kann, aber wenn die Leute Sex haben, dann werden sie ja in evolutionär relevanten Zeiten schwanger werden und damit Nachkommen produzieren
B: Aber sie könnte die Körper so herstellen, dass sie die Verschmelzung von Eizelle und Spermien lustvoll finden statt nur Sex, statt den Umweg über Sex zu gehen. Sie wollen anscheinend keinen Nachwuchs, sondern nur Sex!
Hat jemand andere (bessere) Beispiele?