Eine Studie zu Gewalt an Hochschulen geht durch die Presse, hier zB der Spiegel:
Sexuelle Belästigung trifft einer Umfrage zufolge häufig auch Studierende oder Mitarbeitende von Hochschulen. Fast ein Drittel der Befragten hat demnach im Studium oder bei der Arbeit sexuelle Belästigung erlebt, wie aus einer am Montag veröffentlichten Umfrage des Kölner Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften hervorgeht. Sechs Prozent berichteten von körperlicher Gewalt, drei Prozent von sexueller Gewalt.
Das Institut hatte die Befragung gemeinsam mit europäischen Partnern im Rahmen des EU-Projekts Unisafe an europäischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen durchgeführt. Im Zentrum der Untersuchung standen geschlechtsbezogene Gewalt – also Übergriffe, die mit der Geschlechtsidentität der Person in Zusammenhang stehen – und deren Konsequenzen.
Insgesamt gaben 62 Prozent der befragten Personen an, an ihren Einrichtungen mindestens eine Form von geschlechtsbezogener Gewalt erlebt zu haben. In der Studie wird eine umfassende Definition des Begriffs verwendet. Erfasst wurden körperliche, sexuelle, psychologische, wirtschaftliche und Onlineformen geschlechtsbezogener Gewalterfahrungen.
»Ein systemisches Problem«
57 Prozent der Befragten berichteten von psychologischer Gewalt. Dazu zählen laut den Fragebögen etwa Drohungen, Wutausbrüche, respektlose Anrede, Unterbrechen oder ungerechtfertigte negative Bewertungen. 31 Prozent berichteten von sexueller Belästigung
Frauen waren laut der Studie in fast allen Kategorien häufiger betroffen als Männer – außer bei körperlicher Gewalt, die häufiger von Männern angegeben wurde. Am meisten gefährdet sind der Untersuchung zufolge aber nicht-binäre Menschen. Nicht-binäre Menschen haben weder eine männliche noch eine weibliche Geschlechtsidentität
Die Studie findet sich hier. Ich habe mal reingeschaut.
Zuerst immer interessant: Was wurde überhaupt als Gewalt gewertet (S.5):
Definitions of the six forms of gender-based violence used in UniSAFE Survey
Physical violence is any act which causes physical harm as a result of unlawful physical force, e.g. somebody threatened to hurt you physically or pushed you.
Psychological violence is any act which causes psychological harm to an individual, e.g. somebody directed abusive comments towards you, interrupted you or spoke over you.
Economic violence is any act or behaviour which causes economic harm to an individual, e.g. harmed your work/studies through restricting access to financial resources.
Sexual violence is any sexual act performed on an individual without their consent.
Sexual harassment includes unwanted verbal, nonverbal or physical conduct of a sexual nature, such as comments on looks or body, sending of images with sexual content, making sexist jokes or touching you.
Online violence can take many forms, for example, cyberbullying, internet-based sexual abuse, non-consensual distribution of sexual images and text.
Nicht klar ist mir hier, wie sie da „geschlechtsspezifische Gewalt“ herausfinden wollen. Viele dieser Punkte müssen keineswegs im Zusammenhang mit der Geschlechtsidentität stehen. Und das ein solcher Zusammenhang besteht kann auch nicht schlicht daraus gefolgert werden, dass zB ein Mann eine Frau schubst.
Wie man sieht mal wieder äußert weite Formen der Gewalt bzw der Belästigung, etwa
- hat Gewalt angedroht oder geschubst
- jeder Akt der psychische Unwohlsein bei dem anderen verursacht wie etwa einen unterbrochen hat oder jemanden übergangen hat
- ein Kommentar über das Aussehen oder den Körper oder ein sexistischer Witz etc
Die Umfrage wurde anscheinend über interne Kanäle der jeweiligen Unis verschickt. Zu den Personen, die teilgenommen haben:
With a sample including data from 42,186 respondents, the UniSAFE survey is the largest cross-cultural survey in Europe on gender-based violence in the context of universities and other research organisations.
In the unweighted sample, 67% (28,214) identify as women, 30% (12,762) identify as men, and the remaining 3% (1,154) identify as non-binary (or a gender identity not listed). In total, 43% of the respondents are staff and 57% are students. Overall, 11% of respondents report having a disability or chronic illness; 6% identify as belonging to an ethnic minority group; 6% report being international staff or students, and 18% identify as asexual, lesbian, gay, bisexual, or queer (LGBQ+).
Also kein sehr repräsentatives Sample. 11% mit einer Behinderung oder einen chronischen Krankheit erscheint mir auch ungewöhnlich hoch. Und dann erst 18% LGBQ+
Scheint etwas als hätten sie die Umfragen gerade an die Gender Studies Fakultäten geschickt…
Aus der Auswertung:

Wie man sieht sind Männer und Frauen gar nicht so weit auseinander, die meisten Männer haben auch bereits Gewalt oder Belästigung erlebt. Gänzlich offen bleibt hier natürlich wer die Handlungen vorgenommen hat.
Dann die Aufschlüsselung nach Formen der Gewalt.

Interessant dort die sexuelle Gewalt: Obwohl in der Definition sehr breit gehalten („any sexual act performed on an individual without their consent.“) geben nur 3% an, dass sie da was erlebt haben.
Auch körperliche Gewalt ist vergleichsweise selten dafür, dass dort bereits „schubsen“ ausreicht.
Auch die nächste Grafik ist interessant:
Es geht darum, warum sie den Vorfall nicht gemeldet haben. Da hätten wir:
- 31% Ich habe zur damaligen Zeit das Verhalten nicht als Gewalt erkannt
- 47% ich war unsicher, ob der Vorfall ernst genug war um eine Meldung zu machen
Das heißt die meisten Fälle sind eigentlich von sehr geringer Natur, was angesichts des Umstandes, dass einen jemand beim Reden unterbrochen hat auch wenig verwunderlich ist.
Die nächste Grafik:
Wenn ich das richtig verstehe, dann haben sie Mitarbeiter gefragt, ob sie etwas von den dort beschriebenen Punkten schon mal gemacht haben und dann verglichen, inwiefern dies bei Leuten die „Gender Based Violence“ erfahren haben häufiger vorkommt oder nicht.
Da gerade „psychische Gewalt“ der allergrößte Teil der Gewalt ist muss man allerdings davon ausgehen, dass Leute, die eher gemobt werden, die eher nicht ins Team passen, oder die wegen jeder Sache beleidigt sind, auch eher erhöhte Werte haben.
Da fehlen noch eine Menge Auswertungen. Insbesondere, wenn man sich die Fragen hier anschaut
Daraus greife ich noch einmal die Frage zu „psychischer Gewalt“ auf:
In the next set of questions, we would like to ask you about your experiences of
psychological violence and harassment with persons connected with your institution.
Since you started at your institution, has someone ever done any of the following to you?
(Please choose one answer for each line.)
(A) Directed abusive comments towards you (e.g., demeaning, humiliating, offensive or ridiculing comments)
(B) Made threatening comments towards you
(C) Gave you hostile looks, stares, or sneers
(D) Interrupted you, spoke over you or addressed you in disrespectful terms in front of others
(E) Unfairly rated you lower than you deserve in an evaluation or assessment
(F) Ignored you or did not speak to you
(G) Subjected you to an outburst of anger
„Bewertete dich schlechter als du es verdienst in einer Evaluation“ ist ja auch eine sehr objektive Frage. Ebenso „Ignorierte dich“.
Mich würde auch gerade eine Aufschlüsselung nach Täter- und Opfergeschlecht interessieren.
Wer eine weitergehende Auswertung findet, der sagt bitte bescheid.
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