Die Geschichte der Evolutionstheorie: Étienne Geoffroy Saint-Hilaire

Ich hatte Anfang dieses Jahres ein paar Artikel zur Geschichte der Evolutionstheorie gebracht, weil ich es ganz interessant finde einmal darzustellen, wie sich eine solche Idee entwickelt hat, den häufig hat man ja den Gedanken, dass Darwin da plötzlich eine Art Geistesblitz hatte und eine bis dahin gänzlich unbekannte Theorie entwickelt hat. Er hatte aber eine Vielzahl von Vorgängern.

Hier der bisherige Stand:

Man sieht ich bin noch nicht einmal bei Charles Darwin angelangt, es gibt noch einiges zu tun.
Heute geht es um Étienne Geoffroy Saint-Hilaire

Aus der Wikipedia:

Étienne Geoffroy Saint-Hilaire (* 15. April 1772 in Étampes; † 19. Juni 1844 in Paris) war ein französischer Zoologe. Sein einziger Sohn war der Zoologe Isidore Geoffroy Saint-Hilaire.

Zur zeitlichen Einordnung:

Charles Darwin lebte von 1809 – 1882. „On the origin of species“ veröffentlichte er am 22 November 1859, also bereits nach dem Tod von Saint Hilaire.

Étienne Geoffroy Saint-Hilaire wurde im Dorf Étampes in der Nähe von Paris als das jüngste von vierzehn Kindern geboren. Sein Vater Gerard Jean Geoffroy war Rechtsanwalt. Der junge Geoffroy Saint-Hilaire (dies ist sein voller Nachname) schlug zunächst eine kirchliche Laufbahn ein. Hilaire besuchte das Collège d’Étampes und studierte anschließend am Collège de Navarre in Paris. Dort förderten Abbé Henri-Alexandre Tessier (1741–1837) und der Botaniker Antoine-Laurent de Jussieu seine Auseinandersetzung mit der Naturlehre. Seine ursprünglichen klerikalen Interessen verlagerten sich abrupt mit dem Beginn der Französischen Revolution. So folgte er der Empfehlung seines Vaters und nahm ein Jurastudium auf.

Es gibt da gewisse Parallelen zu Darwin, der ja auch erst mit Medizin bekommen hatte, dann Theologie studierte, was er auch abschloss. Daneben beschäftige er sich mit Biologie und Geologie, zwei Bereiche, die ihm seinen späteren Theorien näher brachten.

Er erhielt sein Diplom im Jahre 1790. Im August 1792 wurden verschiedene seiner Lehrer und Kollegen von Jakobinern verhaftet; er unternahm – unter Einsatz seines Lebens – einen Befreiungsversuch, der nur teilweise gelang. Später 1788 absolvierte er dennoch einen Abschluss in der Theologie und wurde vorübergehend Kanonikus in der Gemeinde Sainte Croix in seiner Heimatstadt.[1] Dann folgte er seinen eigentlichen Neigungen zur Medizin und den Naturwissenschaften und begann am Collège du Cardinal Lemoine zu studieren.[2] Es waren die Veranstaltungen des Professors für Naturgeschichte Mathurin Jacques Brisson, die ihn beeinflussten, aber auch viele andere Wissenschaftler seiner Zeit, René-Just Haüy, Antoine Laurent de Lavoisier und Claude-Louis Berthollet.

Damals gab es eher noch als heute, wo Spezialisierung weitaus wichtiger geworden ist, noch den Gedanken des Universalgelehrten und vielleicht war das der Grund, warum man auch eher in andere Felder abdriften konnte.

Danach besuchte er die Vorlesungen von Louis Jean-Marie Daubenton am Collège de France und Antoine François de Fourcroy im Jardin des Plantes. Im März 1793 bot ihm Louis Jean Marie Daubenton, durch die Intervention von Jacques Henri Bernardin de Saint-Pierre, die Position eines Assistenzanwärters sous-garde et d’assistant in dem Muséum national d’histoire naturelle an. Durch das am 10. Juni 1793 verabschiedete Gesetz wurde der ursprüngliche Jardin du Roi (königlicher Garten) in das Muséum national d’histoire naturelle umgewandelt, und Hilaire wurde einer der zwölf ernannten Professoren dieses neu konstituierten Museums. Ihm wurde der Lehrstuhl für Zoologie zugewiesen. Im selben Jahr beschäftigte er sich mit der Bildung einer Menagerie an der Einrichtung.[3] Dort lernte er den Naturhistoriker Jean-Baptiste Lamarck kennen und verschaffte dem noch unbekannten Georges Cuvier eine Stelle als Assistent. Durch dieses Trio hatte das Museum großen Einfluss auf die Entwicklung der Paläo-Biologie im 19. Jahrhundert, siehe auch Pariser Akademiestreit von 1830.

Der Akademiestreit ist eine interessante Sache:

Entwicklungs- und Menschenbild um 1830

Um 1830 hatte Charles Darwin seine Evolutionstheorie noch nicht entwickelt und die Naturforscher waren damit beschäftigt, die Vielfalt der Natur zu beschreiben, zu ordnen und zu erklären. Wichtige Wegbereiter der heutigen Taxonomie waren Carl von Linné, der 1735 mit seinem Werk Systema Naturae eine erste Klassifikation der Lebewesen veröffentlichte und Georges-Louis Leclerc de Buffon, der wichtige Erkenntnisse zur Bestimmung und Abgrenzung der Arten erlangte.

Die Forscher beschäftigten sich auch mit dem Ursprung und der Vielfalt des Lebens. Sie nahmen an, dass alle Lebewesen von Gott geschaffen und somit perfekt seien und sich seit der Schöpfung nicht verändert hätten (Artenkonstanz). Somit mussten Fossilienfunde lange Zeit mit dem christlichen Schöpfungsmythos vereinbart werden. In der Sintfluttheorie zum Beispiel wurden Fossilien als vorsintflutliche Lebewesen gedeutet, die während der 40-tägigen Überflutung ertrunken und nach deren Rückgang versteinert seien.

Das hatte ich auch hier schon einmal bei Chambers  dargestellt. Man versuchte natürlich neue Erkenntnisse mit der Bibel in Einklang zu bringen und insbesondere der Schöpfungsgeschichte Rechnung zu tragen: Es galt als eine Art Gotteslästerung, dass man zum einen die Bibel anzweifelte und zum anderen auch die Perfektion Gottes: Ein Gott, der Wesen so schafft, dass sie sich erst anpassen müssen? Warum sollte er sie nicht gleich angepasst, perfekt erschaffen?

Charles Bonnet (1720–1793) war ein früher Vertreter der Evolutionstheorie. Er nahm an, dass die Natur immer neue Entwürfe hervorbrächte, von den einfachsten Lebensformen beginnend bis hin zu dem komplexesten Entwurf, dem Menschen.

Auch Jean-Baptiste de Lamarck (1744–1829) glaubte nicht an die Konstanz der Arten und nahm an, dass jeder Organismus auf veränderte Umweltbedingungen reagiert. So wurden nach Lamarck Organe bei häufigem Gebrauch gestärkt und bei Nichtgebrauch geschwächt. Dazu glaubte er, dass die neu erworbenen Eigenschaften vererbbar wären.

Ein bedeutender Unterschied zwischen Darwins und Lamarcks Evolutionstheorie war Lamarcks Teleologie: Der innere Drang nach Vervollkommnung, der laut Lamarck jedem Organismus innewohnt, lasse ihn sich zielgerichtet zu immer komplexeren und besseren Formen entwickeln. Lamarck erkannte als Erster, dass die Zeitachse verlängert werden musste, da die Evolution langsam und allmählich vonstattengehen musste. Lange Zeit hatte man die biblische Zeitachse benutzt und daher geglaubt, dass seit der Schöpfung erst knapp 6000 Jahre vergangen wären.

Da waren gute Ansätze vorhanden, der Fehler war halt insbesondere die Art und Weise, wie er sich die Weiterentwicklung vorstellte,

Cuviers und Geoffroys Positionen

Georges Cuvier gilt als Begründer der modernen Paläontologie. Er glaubte nicht an Evolution. Untersuchungen mumifizierter Katzen aus Ägypten bestätigten ihn in seiner Annahme einer Konstanz der Arten, da sich diese von ägyptischen Katzen seiner Zeit nicht unterschieden.

Bei Ausgrabungen im Pariser Becken deutete er die vielen Erdschichten mit ihren Fossilien als frühere Schöpfungen, die durch Katastrophen wieder vernichtet wurden. Er gilt als bedeutendster Vertreter der Kataklysmentheorie. Cuvier klassifizierte alle Lebewesen in vier „Zweige“ oder „embranchments“ (Abzweigungen): Vertebrata, Articulata, Mollusca und Radiata. Diese „embranchements“ waren für ihn grundverschieden und eine Verwandtschaft oder Verbindung unter ihnen hielt er für ausgeschlossen. Ähnlichkeiten zwischen Tieren waren laut Cuvier auf gleiche Funktionen zurückzuführen, nicht aber auf Verwandtschaft oder Abstammung.

Er glaubte, dass jeder Teil des Körpers in Form und Funktion perfekt auf die anderen abgestimmt sei. Organismen waren funktionelle Einheiten und die kleinste Veränderung in einem Teil würde die ganze Balance zerstören. Es heißt auch, dass Cuvier ein ausgezeichneter Anatom gewesen sei und anhand eines einzigen Knochens in der Lage war, das ganze Tier zu rekonstruieren.[1]

Also auch eher ein „Schöpfungstreuer“

Im Gegensatz zu Cuvier glaubte Étienne Geoffroy Saint-Hilaire an eine Evolution und vor allem an eine Verwandtschaft aller Lebewesen, eine Verwandtschaft, die allerdings wohl noch nicht als „Abstammungsverwandtschaft“ verstanden wurde, sondern als eine durchgängige morphologische Ähnlichkeit. Den gemeinsamen, erahnten Grundbauplan, plan d’organisation aller Organismen nannte er „Unité de composition“ (Einheit der Komposition) oder „Unité de plan“ (Einheit des Bauplanes).[2] Er versuchte nicht wie Cuvier die Lebewesen zu unterscheiden und zu klassifizieren, sondern suchte stattdessen Ähnlichkeiten, die eine Einheit des Planes bezeugten.

Solche Ähnlichkeiten nannte er Analogien. Für Geoffroy war die Form (und nicht wie bei Cuvier die Funktion) bestimmend. Diese gab die Fähigkeiten und Möglichkeiten der Lebewesen vor. Geoffroy stand den deutschen Naturphilosophen – darunter auch Johann Wolfgang von Goethe – sehr nahe, obwohl diese in Frankreich nicht in hohem Ruf standen.

Also hier der Gedanke, dass die Lebewesen sich verändert haben und quasi auseinander entwickelt haben.

Ablauf des Akademiestreits (anhand einiger Beispiele)
Der Streit begann mit der Arbeit der zwei jungen und unbekannten Naturwissenschaftler, Meyranx und Laurencet. Diese schickten im Oktober 1829 eine Abhandlung über Mollusken (Weichtiere) an die Académie des sciences. Anhand des Tintenfisches versuchten sie darin zu beweisen, dass die inneren Organe eines Wirbeltieres in einer ähnlichen Weise angeordnet sind wie die der Mollusken, wenn es so nach hinten gebogen wird, dass der Nacken das Gesäß berührt. Am 8. Februar 1830 wurden Pierre André Latreille und Geoffroy in der wöchentlichen Sitzung der Académie beauftragt, einen Bericht über sie vorzubereiten.[3]

Geoffroy, der von der Arbeit begeistert war, da sie seine These der „Einheit der Komposition“ unterstützte, applaudierte den beiden jungen Wissenschaftlern am 15. Februar bei der Sitzung der Académie eine Woche später. Er sah in dieser Arbeit den Beweis, dass die vier „embranchements“ Cuviers vereint werden können.

Geoffroy fuhr fort, dass die Konzentration auf die Unterschiede der Tiere eine Methode der Vergangenheit sei. Stattdessen sei das Objekt der seinerzeitigen Zoologie das Wissen um die philosophischen Ähnlichkeiten des Lebens. Als Beispiel einer altmodischen Sicht auf die Weichtiere zitierte er, ohne Titel und Autor zu nennen, aus Cuviers „Mémoire sur les céphalopodes et sur leur anatomie“ (Abhandlung über die Kopffüßer und ihre Anatomie). Geoffroy beendete seinen Bericht mit einer Empfehlung, die Abhandlung in dem Journal der Académie für Nichtmitglieder zu publizieren.

Derart provoziert ergriff Cuvier das Wort, behauptete die Autoren des Aufsatzes lägen völlig falsch mit ihrer angeblichen Homologie und versprach seine Kritik in einem zukünftigen Aufsatz zu erläutern.

Eine Woche später, am 22. Februar, kam Cuvier vorbereitet zur Académie-Sitzung. Anhand einer Skizze eines Kopffüßers und eines nach hinten gebeugten Wirbeltieres, und zwar einer Ente, versuchte er zu zeigen, dass diese Tierstämme durchaus viele Organe gemein haben (wie z. B. Gehirn, Augen, Ohren, Speicheldrüse etc.), es jedoch keinen Grund zur Annahme gäbe, dass sie einen gemeinsamen Bauplan besäßen. Mehr noch, mit seinem großen Wissen über die Anatomie der Kopffüßer wies er Meyranx und Laurencet grobe Fehler in der Beweisführung nach und zerschlug damit ihre These.[4] Anschließend kritisierte er die Terminologie Geoffroys und stellte sie in Frage. Ihr fehle seiner Meinung nach die erforderliche Klarheit und Präzision, die Ausdrücke „Einheit der Komposition“ und „Einheit des Bauplanes“ suggerierten, die Organe in Lebewesen seien gleich angeordnet und gleich vorhanden. Viel eher müsste das Wort „Einheit“ durch „Analogie“ ersetzt werden. Zuletzt wendete Cuvier sich Laurencets und Meyranx’ Abhandlung zu und zeigte mit Hilfe von Diagrammen, dass Organe bei Weich- und Wirbeltieren, trotz des nach-hinten-Biegens, oft unterschiedlich angeordnet sind und dass Organe der Wirbeltiere oft gar nicht bei Weichtieren vorhanden sind und umgekehrt.

Ach ja, Akademikerstreits dieser Art bräuchte man heute auch wieder häufiger. Streits bei denen tatsächlich mit Argumenten gearbeitet wird, die Schwachstellen ausführlich dargelegt werden, der andere dann erwidert und auf die Weise letztendlich auch seine eigene Theorie durch das Abwehren der Kritik besser macht.

Geoffroy improvisierte daraufhin eine kurze Antwort und versprach bei der nächsten Sitzung eine längere Antwort zu geben.

Am 1. März, trug Geoffroy seine Antwort vor und beförderte dadurch den Streit über die Anatomie der Mollusken hinaus auf eine philosophische Ebene. Geoffroy behauptete, dass er den Begriff „Einheit der Komposition“ nie genau zu definieren beabsichtigte, da dieses gar nicht möglich sei. Mit Ähnlichkeiten meine er vielmehr philosophische Ähnlichkeiten denn offensichtliche.

Um seine Theorie der Analogien zu verdeutlichen, wandte sich Geoffroy dem Beispiel des Zungenbeines zu. Dieses besteht bei Menschen aus fünf, bei Katzen aus neun Teilen. Um deren Homologie zu überprüfen, bedurfte es nicht einer Betrachtung der Funktionen (diese sind bei beiden gleich: die Unterstützung des Kehlkopfes), stattdessen suchte Geoffroy nach Rudimenten der vier fehlenden Teile beim Menschen. Diese fand er schließlich in den griffelförmigen Fortsätzen (Singl.: Processus styloideus ossis temporalis) am Schläfenbein des menschlichen Schädels, die durch das Ligamentum stylohyoideum, einem Band, wiederum mit dem Zungenbein verbunden werden. Die Embryologie bestätigte seine These: Geoffroy beobachtete beim menschlichen Fötus, dass der Processus styloideus ursprünglich nicht dem Schädel beigefügt und somit ein Rudiment des Zungenbeines war.

Rudimente sind schon immer ein gutes Argument für die Evolutionstheorie gewesen. Sie machen in ihr Sinn, sind aber ansonsten schwer einzubauen. Eine gute Erwiderung insofern. Und spannend, dass es damals solche Diskussionen gab, die vor interessierten Publikum ausgetragen wurden.
Ich würde das ja heute für ein spannendes Format halten. Meinetwegen drei Forscher von jeder Seite und dann eine Darstellung der Studien und Fakten, Erwiderungen auf die Darstellung der anderen etc. Wäre aus meiner Sicht deutlich besser als Talkshows.

Daraufhin folgte eine zweiwöchige Pause. Am 22. März fuhr Cuvier fort, indem er auf das Beispiel des Zungenbeines einging. Er stellte fest, dass das beträchtliche, trommelartige Zungenbein des Brüllaffen keine Spuren der früheren Hörner (siehe Abb. Zungenbein), des Ligamentum stylohyoideum oder des Processus styloideus trage und somit nicht eine Modifikation der Zungenbeine anderer Säuger sein konnte. Er gestand zu, dass diese bei höheren Wirbeltieren eine gewisse Ähnlichkeit haben können, diese sich jedoch aus ihren ähnlichen Funktionen ergäben. Abschließend sprach Cuvier die religiöse Frage an. Er deutete an, die „Einheit der Komposition“ bedeute unnötige Einschränkungen für den Schöpfer und dieser Gedanke sei dem Fortschritt der Wissenschaft eher hinderlich:

Aber, wenn jemand all diese Erwägungen missachtet, um nur die vermeintlichen Gleichheiten und Analogien zu sehen, die, wenn sie auch nur die geringste Wirklichkeit besäßen, die Natur zu einer Art Sklaverei reduzierten, in die sie zum Glück ihr Autor nicht zwingt, dann wird niemand irgendetwas über das Leben an sich oder ihren Beziehungen wissen. Die Welt selbst würde ein unlesbares Rätsel werden.[5] (freie Übersetzung)

Auch kein schlechter Konter, jedenfalls aus der damaligen Sicht. Im Prinzip der Ansatz „Wenn ich nachweisen kann, dass bestimmte Tiere keine Rudimente haben, dann zeigt das, dass keine Einheitlichkeit vorliegt. Natürlich wissen wir heute, dass die Rudimente eben auch in einzelnen Tieren stärker zurückgegangen sein können als in anderen. Und wir haben auch bessere Argumente, eben zB die Gene.

Geoffroy, dem die Académie nicht erlaubte, direkt zu antworten, blieb nur übrig, seinen für die Sitzung vorbereiteten Artikel über die Analogien bei Fischen vorzutragen. Damit ging er auf den Vorwurf Cuviers ein, den eigentlichen Streitpunkt, die Weichtiere, aufgegeben zu haben. Geoffroy begründet seinen Umweg über das Zungenbein und die Fische damit, dass das Studium der Homologien zwischen Weich- und Wirbeltieren zu dem Zeitpunkt noch nicht genügend fortgeschritten war, um eine früchtetragende Diskussion zu erlauben. Bevor man aber zu der Betrachtung der Weichtiere kommen könne, müsse erst die Struktur der Fische verstanden werden, die einen Platz zwischen den höheren Wirbeltieren und den Nichtwirbeltieren belegten.

 
Menschliches Brustbein mit Rippen
Die Académie-Sitzung am 29. März begann mit einem Streit der Kontrahenten darüber, wer anfangen dürfe. Geoffroy war der Meinung, er habe das Recht, nun auf Cuviers Betrachtungen zum Zungenbein einzugehen, Cuvier hingegen meinte, da Geoffroy in der letzten Sitzung zuletzt vorgetragen habe, sei er selbst nun wieder an der Reihe. Geoffroy wurde schließlich das Wort übergeben und er behauptete, es sei keine Unstimmigkeit über Fakten, sondern eine Frage der Philosophie, die sie trenne. Cuvier hätte sein Anliegen nicht verstanden, die Wichtigkeit, Ähnlichkeiten zu suchen, die als scheinbare Unähnlichkeiten verkleidet sind. Der Wert der Theorie der Analogien sei, dass sie eine Erklärung für unterschiedliche Strukturen biete.

Die Sitzung am 5. April sollte die vorläufig letzte werden. Cuvier untersuchte nun das Brustbein bei Säugetieren, Vögeln und Reptilien und kam zu dem Entschluss, dass es hier keinerlei Einheitlichkeit geben könne, da sich die Brustbeine sowohl in der Anzahl ihrer Teile, als auch in der Verknüpfung der einzelnen Teile untereinander unterschieden. Er fand Tiere mit Brustbein und Rippen, Tiere mit Rippen ohne Brustbein (Schlangen), und ebenso Tiere mit Brustbein und ohne Rippen (Frösche).

Die Sitzungen hatten mittlerweile eine solche Aufmerksamkeit erhalten, dass die öffentlichen Sitzplätze jede Woche überbesetzt waren. Der wissenschaftliche Disput drohte auf Grund des großen und lauten Publikums zu einem Schauspiel zu verkommen. Daher verkündete Geoffroy, dass er auf Cuviers Vortrag nicht antworten werde. Stattdessen bemühte er sich, die Kontroverse zu veröffentlichen. Am 15. April schickte er das Dokument in den Druck, das unter dem Namen Principes de philosophie zoologique eine Einleitung, den Bericht über Meyranx’ und Laurencets Abhandlung und die in den Sitzungen vorgetragenen, nun kommentierten Abhandlungen Cuviers und Geoffroys enthielt.

Ein spannender Streit.

Aber zurück zu dem Wikipediaeintrag von Geoffroy

Gemeinsam mit Cuvier schrieb Hilaire fünf Artikel über die Naturgeschichte (Sur la classification des mammifères, 1795). In seiner Schrift Histoire des Makis, ou singes de Madagascar (1796) brachte er erstmals seine Ansicht von einem einheitlichen Plan in der Entwicklungsgeschichte der Lebewesen zum Ausdruck. Er begleitete Napoléon Bonapartes Truppen von 1798 bis 1801 als Wissenschaftler nach Ägypten (Ägyptische Expedition).

Auch hier eine gewisse Parallele zu Darwin, der ja auch eine Expedition machte. Die Begleitung von Truppen ist zwar etwas anderes als eine Forschungsreise, er scheint ja aber die Zeit genutzt zu haben.

Im September 1807 wurde er Mitglied der französischen Akademie der Wissenschaften und im selben Jahr auswärtiges Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften.[4] Von 1809 an beschäftigte er sich als Professor für Zoologie an der Universität Paris intensiv mit Anatomie. 1818 erschien der erste Teil seiner Philosophie anatomique, dem vier Jahre später der zweite Teil folgte.

In seinen späten Lebensjahren befasste sich Hilaire vor allem mit organischen Missbildungen. 1840 erblindete er, einige Monate später erlitt er einen Schlaganfall und gab seine Ämter auf.

Und zu seinem Wirken:

In der Philosophie anatomique (1818–1822) entwickelte Hilaire die Theorie, dass der Körperbau von Wirbeltieren und Wirbellosen einen gemeinsamen Grundbauplan aufweist. Da es – nach seiner Ansicht – in der Entwicklung der Arten keine Sprünge gegeben hat, müssten selbst überflüssig gewordene Organe heute noch als Rudimente aufzufinden sein (wie etwa das Zwischenkieferbein).

Hilaire versuchte den Körperbau der Wirbeltiere und Wirbellosen zu analogisieren und gelangte so zu einer Theorie der Einheit des Bauplans unité de plan, zu einer Theorie von den Analogien (modern als Homologien bezeichnet), woraus er schloss, dass die Entwicklung der Lebewesen von einem einzigen Bauplan, plan d’organisation, hergeleitet werden könne. Durch diese Hypothese geriet er aber mit Georges Cuvier in Streit, bekannt als Pariser Akademiestreit (1830–1832), der eine Aufspaltung in vier verschiedene und unabhängige Grundbaupläne im Tierreich postulierte. Der Disput wurde europaweit verfolgt, auch Johann Wolfgang von Goethe – mit dessen Ansichten Hilaire weitgehend übereinstimmte – schaltete sich ein. Sein früherer Mitstreiter G. Cuvier war ferner ein Verfechter der Katastrophentheorie oder Kataklysmentheorie.

Hilaire entdeckte viele Ähnlichkeiten zwischen verschiedensten Wirbeltieren und gelangte zur Überzeugung, dass die Vögel von urzeitlichen Reptilien abstammten. Er war somit der Erste, der eine fortdauernde Entwicklung zwischen fossilen und rezenten Lebewesen postulierte. Andererseits glaubte er nicht daran, dass es in der Gegenwart noch Artenentwicklung gebe.

Durch verschiedene Experimente erkannte er, dass Umwelteinflüsse Missbildungen bei Embryos von Wirbeltieren auslösen können. Er gilt zusammen mit Johann Friedrich Meckel als Begründer der Teratologie,[6] der Lehre der Missbildungen.

Im Jahre 1822 schlug er vor, dass die Segmente der Gliederfüßer und die Wirbelsäule der Säugetiere jeweils Beispiele für einen einheitlichen Organisationsplan der Tiere sind. Diese Überlegung ist durchaus aktuell im Hinblick auf die Wirkung der Hox-Gene, einer Familie von regulativen Genen, deren Genprodukte als Transkriptionsfaktoren die Aktivität anderer, funktionell zusammenhängender Gene im Verlauf der Individualentwicklung (Morphogenese) steuern.[7]

Im frühen 19. Jahrhundert stellte der Biologe Étienne Geoffroy St.-Hilaire die These auf dass der Bauplan von Wirbeltiere invertiert (auf dem Kopf gestellt) ist im Vergleich zu Wirbellose Tiere.
Die dorsoventrale Inversionstheorie (siehe auch: Verdrehungstheorien) basiert auch auf seine Wahrnehmungen, dass die Reihenfolge des Nervensystems, der Speiseröhre, und der Blutgefäße von der ventralen zur dorsalen Seite bei Wirbeltiere und Wirbellose Tiere umgekehrt ist.[8]

Durch seine vergleichenden Untersuchungen in Anatomie, Paläontologie und Embryologie gab Hilaire der modernen Evolutionstheorie entscheidende Anstöße.

Im Übrigen führte er lebhafte Briefwechsel, z. B. mit George Sand, die ihn sehr bewunderte.[9] Weitere Freunde sind u. a. Jules Michelet und Henri de Saint-Simon.

Der Wert seiner Arbeiten ist es Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten, was ein wichtiger Schritt hin zu einer Evolutionstheorie war. Charles Darwin erwähnte ihn auch in „Origin of Species“

Geoffroy spent much time drawing up rules for deciding when structures in two different organisms were variants of the same type — in modern terminology, when they were homologous. His criterion was connections between parts: structures in different organisms were the same if their parts were connected to each other in the same pattern.
As Charles Darwin described his work in 1859, in The Origin of Species:

What can be more curious than that the hand of a man, formed for grasping, that of a mole for digging, the leg of the horse, the paddle of the porpoise, and the wing of the bat, should all be constructed on the same pattern, and should include the same bones, in the same relative positions? Geoffroy St. Hilaire has insisted strongly on the high importance of relative connexion in homologous organs: the parts may change to almost any extent in form and size, and yet they always remain connected together in the same order.

Geoffroy was among the first to grasp an extremely important concept. For Charles Darwin and for evolutionary biologists after him, defining and identifying homologous structures became both an important source of support for evolution and an important tool for identifying evolutionary relationships.
However, in hindsight, Geoffroy stretched many examples of homology, or „Unity of Type,“ farther than was warranted by the evidence available. One of his more infamous theories was that the segmented external skeleton and jointed legs of arthropods such as insects were equivalent to the internal vertebrae and ribs of vertebrates; insects literally live inside their own vertebrae and walk on their ribs. He is said to have stated, „There is, philosophically speaking, only a single animal.“ Theories like this, which though ingenious often required great stretching of the evidence, drew the ire of Cuvier, who had become the greatest zoologist of the time, and who had a reputation as a meticulous scientist.

Er hat also seine Idee etwas übertrieben, aber dennoch Munition für spätere Evolutionsbiologen geliefert.