Der Fall Masha Amini – Wird er ein Anstoß für eine kulturelle Revolution im Iran werden?

Der Fall Masha Amini führt zu Aufständen im Iran:

Bei seinem Abflug am Montag nach New York, wo er an der Vollversammlung der Vereinten Nationen teilnimmt, hat der iranische Präsident Ebrahim Raisi ein Land im Aufruhr zurückgelassen. Denn der Tod der 22 Jahre alten Mahsa Amini, die drei Tage nach der Festnahme durch die Sittenpolizei am vergangenen Freitag starb, hat wütende, aber gewaltfreie Proteste ausgelöst, die sich rasch im ganzen Land ausgebreitet haben.

Frühere Protestwellen hat die iranische Führung gewaltsam niederschlagen lassen. Auf diese Proteste reagiert sie anders. So rief Raisi vor seinem Abflug die Familie der getöteten jungen Frau an und sagte: „Ihre Tochter ist auch meine Tochter.“ Er versprach, sich dafür einzusetzen, dass der Fall aufgeklärt und Gerechtigkeit hergestellt wird. Am Samstag war Mahsa Amini in ihrer Heimatstadt Saqqez in der Provinz Kordestan unter großer Anteilnahme beigesetzt worden.

Am Dienstag der vergangenen Woche war sie bei einem Besuch in Teheran von der Sittenpolizei festgenommen und auf eine Polizeistation gebracht worden, da sie angeblich ihr Kopftuch, den Hedschab, nicht ordnungsgemäß getragen habe. Zwei Stunden danach lieferte die Polizei sie in ein Krankenhaus ein, wo sie auf der Intensivstation ihren Verletzungen erlag.

Das war der Funke, der sich zu einem landesweiten Feuer ausbreitete. In großen Städten wie Teheran, Maschhad und Isfahan, aber auch in kleineren protestieren Frauen und Männer nicht nur gegen den Kopftuchzwang. Slogans wie „Frau, Leben, Freiheit“ richten sich generell gegen die Islamische Republik, andere wie „Tod dem Diktator“ gegen Revolutionsführer Ali Khamenei, andere wiederum gegen dessen Sohn Modschtaba, der als möglicher Nachfolger seines Vaters gilt.

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Wie sehr ihr Tod das Land aufrüttelt, zeigen auch erste Äußerungen von Mollahs, die ihre Unzufriedenheit mit der Sittenpolizei sowie mit der seit 1979 für Frauen bestehenden Kleiderordnung und dem Kopftuchzwang offen äußern. So fordert etwa der Religionsgelehrte Mohammad Ali Ahangarah, diesen Kopftuchzwang aufzuheben.

Das fordert auch das Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen. In Iran sollten alle diskriminierenden Rechtsvorschriften zu weiblicher Bekleidung aufgehoben werden, sagte am Dienstag in Genf Nada al-Nashif, die das UN-Büro interimistisch leitet. Dazu gehört neben dem Kopftuchzwang, dass Frauen in der Öffentlichkeit einen langen Mantel zu tragen haben. Es dürfen auch keine engen Hosen zu sehen sein. Dem Menschenrechtsbüro zufolge ist die Sittenpolizei in den vergangenen Monaten verschärft gegen angebliche Verstöße gegen die Kleidervorschriften vorgegangen. Das Büro habe zahlreiche Berichte und verifizierte Videos von Gewaltanwendung erhalten. „Frauen wurden ins Gesicht geschlagen, mit Knüppeln geprügelt und in Polizeifahrzeuge geworfen“, sagte al-Nashif. Im Juli sei eine Frau mit inneren Blutungen in ein Krankenhaus gebracht worden.

An den gegenwärtigen Kundgebungen beteiligen sich viele Frauen, die kein Kopftuch tragen. In weiteren Solidaritätsgesten machen Frauen von sich Videos, wie sie sich ihre langen Haare abschneiden, und verbreiteten diese in den sozialen Medien. Das Argument der iranischen Geistlichkeit für den Kopftuchzwang lautet, dass Frauen mit ihren Haaren die Männer verführten. Da es nun keine Haare mehr gebe, könne das Regime doch auf den Zwang verzichten, signalisieren die Frauen den männlichen Religionsgelehrten.

Man kann den Protestanten nur alles Gute wünschen – eine Lockerung der strengen Kleidungsvorschriften, eine Säkularisierung der dortigen Gesellschaft und natürlich auch mehr Rechte für die Frauen und Männer sich abweichend von religiösen -islamischen Geschlechterrollen zu verhalten – wenn man das als Feminismus sehen würde, dann wäre ich voll dafür.

Weniger Religiosität, gerade bei einer Religion, die eine Aufklärungsepoche dringend benötigt, wäre insofern eine wunderbare Sache, wobei ich glaube, dass das eine sehr schwierige Angelegenheit wird. Ich vermute mal, dass ein nicht geringer Teil des Irans entsprechend gläubig und konservativ ist (Frauen und Männer) und Reformen ablehnen würde und die „Sittenpolizei“ als etwas ansieht, was den Staat und die Gesellschaft tatsächlich in ihrer Sittlichkeit schützt. Es wäre zu hoffen, dass der Anteil derer, die Reformen wollen, groß genug ist um diese herbei zu führen.

 

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