Sophie Passmann und der Feminismus weißer Frauen

Sophie Passmann hat ein Interview gegeben und die intersektionale Szene reagiert sehr kritisch. Insbesondere die folgenden Passagen scheinen auf Kritik zu stoßen:

Das Schlimmste am Internet sei, dass wir die Repräsentation einer Sache mehr schätzen als die Sache selbst, sagt Jia Tolentino.
Das ist eigentlich schon zu offensichtlich richtig. Es ist eine Binsenwahrheit wie: Sprache schafft Wirklichkeit. Natürlich. Im Internet geht es darum, dass man dabei gesehen wird, wie man als Person eine Sache repräsentiert. Was nur dazu führt, dass die bestehenden Strukturen weiter zementiert statt dekonstruiert werden. Plakatives Beispiel: Wenn Redaktionen im Namen des Antirassismus eine Schwarze Frau zum vermeintlichen Sprachrohr von rassistischen Erfahrungen in Deutschland machen, führt das dazu, dass wieder nur ein Standard reproduziert wird: Wer spricht am lautesten, am funkiesten in ein Interview-Mikrofon hinein? Ohne dabei irgendetwas gegen Rassismus getan zu haben. Ich habe mich deswegen vor zwei Jahren aus dem Politik-Scheiss komplett rausgezogen. Es bringt einfach nichts, ausser dass ich ordentlich Bücher verkaufe. Und das ist selbst mir zu unehrlich.

Hier im Blog würden wir da wohl nicht so viel kritisches sehen, eher zustimmen. Es ist eine Folge der Standpunkttheorien, nach denen eben nur eine betroffene Person etwas über Diskriminierung sagen kann. Und es passt auch gut zu dem Artikel neulich, in dem es darum ging, dass an Problemlösungen gar kein Interesse besteht, sondern man alles auf den großen Umsturz setzt.

In den intersektionalen Theorien ist es aber natürlich Ketzerei. Eine Schwarze reden lassen bringt nicht? Wer soll denn sonst den Rassismus darstellen?  Will sie etwa schwarzen Frauen keinen Raum geben? Und was meinst sie mit „Vermeintlichen Sprachrohr“? Natürlich ist eine schwarze Frau, die intersektionale Theorien vertritt und nach diesen handelt, das einzige legitime Sprachrohr dieser Gruppem!!!1
Und es werden keine Probleme gelöst? Irgendwer muss die Weißen ja über ihre Fehler belehren und das Thema in die Öffentlichkeit bringen.

Aber warum bringt das nichts? Einen abstrakten Missstand in einem Interview aufzuführen, der nur durch Gefühle und Erfahrungen belegt ist?

„Der nur durch Gefühle und Erfahrungen belegt ist“ ist natürlich auch Ketzerei. Man könnte fast meinen sie zweifelt da entsprechende Aussagen an!

Die einzelne Aussage mag nicht viel bewegen, aber vielleicht die daraus entstehende Debatte. Durch #MeToo beispielsweise hat sich einiges verändert…
… aber #MeToo ist doch auf einer ganz anderen Landkarte. Die Repräsentanz, auf die Jia Tolentino abzielt, meint, dass eine Einzelperson als Angehörige einer identitätspolitischen Gruppe etwas darstellt, für das sie ungefragt die ganze Identitätsgruppe in Mithaft nimmt, weil sie sagt: So sind wir. Das sind unsere Erfahrungen. Da ist meiner Meinung nach der Erkenntniswert gleich null. Der Erfolg von diesen Interview-Reihen und Büchern hat damit zu tun, dass Journalist:innen an irgendeinem Punkt entschieden haben, dass Erfahrungen gleichwertig sind mit Fakten. Der Hashtag #MeToo aber war eine aktivistische Aktion, die etwas angeprangert hat. Menschen, denen etwas passiert ist, sprachen darüber, was ihnen passiert ist. Die repräsentierten niemanden.

Der Anspruch auf Repräsentanz der Opfergruppen durch intersektionale Aktivisten aus dieser Opfergruppe ist natürlich eine heilige Kuh, an die keiner ran darf. Und Fakten wollen, das ist eh eine Unverschämtheit! Gefühle sind Fakten und mehr braucht es nicht!

Noch ein Satz etwas später:

Und wenn man erkennt, dass man bestimmte Dinge nur tut, weil sie im patriarchalen System von einem erwartet werden, soll man nicht versuchen, dieses Verhalten zu ändern?
Tut mir leid, aber jetzt sind wir knietief in Heidegger. Willkommen im Drittsemester Philosophie in Freiburg! Kein Mensch kann doch wissen, warum er gewisse Dinge möchte! Das können Männer doch auch nicht. Und wenn ich mir jetzt – wie zu Beginn meiner Karriere – weiterhin verbiete, eitel zu sein, und du das dann einen Systemdurchbruch nennst, ist das schlicht ein Kategoriefehler. Du setzt System und Systemumfeld gleich. Ich kann das System nicht durchbrechen, aber mein Umfeld, das kann ich verändern. Es ist doch albern, zu verleugnen, wer man ist. Dass man im Jetzt lebt, sowohl mit gewissen ästhetischen als auch popkulturellen Prägungen sowie einer Gender-Prägung. Ich bin der Mensch, der ich bin, mit den Erfahrungen, die ich gemacht habe, mit dem Alter und dem Elternhaus, das ich habe. Wenn ich vorlebe, dass ich bin, wie ich bin, und auf genau dieser Grundlage versuche, ein bisschen besser zu sein als die, die zeitlich vor mir waren, dann ist das die einzige Form von Empowerment, die wirklich funktionieren kann. Und genau das kann man sich bei mir abschauen und nachmachen.

Da leugnet sie ja quasi die Wirksamkeit des Patriarchats, scheint Männer zu entschuldigen und sieht so etwas wie …pfui… Eigenverantwortung des Einzelnen und ein Einstehen dafür, dass man ist, wer man ist, ohne die Verantwortung dafür an die Gesellschaft abzugeben.

Ich zitiere mal etwas von Twitter:

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