Worte, die Frauen nach feministischer Meinung in Stellenanzeigen abschrecken könnten

Via Arne bin ich auf einen Artikel gestoßen, in dem es um die Vermeidung bestimmter Worte in Stellenanzeigen geht, weil diese Frauen abschrecken könnten. Ich gehe direkt in die Liste:

Diese Begriffe sind laut der UBS-Personalabteilung zu männlich

Männliches Wort Alternativen (Auswahl)
active functioning, committed, enthusiastic
analysis to evaluate, explore, test
to assert to champion, uphold, support
autonomous works with own initiative
to challenge to test, experiment, question
to champion to campaign, advocate, defend
confident great at, exceptional, motivated
to decide to agree, choose, agree
to determine to conclude, find out
dominant main, central, principal
driven focused, compelled, motivated
independent impartial, individualistic, on your own
intellect intelligence, mind, understanding
to lead to run, manage, guide
logic judgement, sense, soundness
objective purpose, intention, idea
opinion view, belief, judgement
principle standard, rule, opinion
self-confident poised, great at, professional
self-sufficient autonomous, individualistic, on your own
superior greater, best quality, higher up

Die Idee gibt es bereits länger, sie besagt, dass bestimmte Worte als „männlich“ wahrgenommen werden und andere Worte damit mehr Frauen anlocken.
Ich meine, dass sich viele der Worte darauf runterbrechen lassen, dass man Verantwortung übernehmen muss und Leistung erbringen muss. Wer etwa „etwas anführt (lead)“ der übernimmt eher Verantwortung als jemand, der etwas betreibt oder managed. Aber das mag auch nicht auf alles passen.
ich hatte schon 2014 einmal einen Artikel in diese Richtung:

Sie zeigten rund 260 Studenten eine fiktive, aber realistische Anzeige, in der ein Förderprogramm für angehende Führungskräfte ausgeschrieben wurde. Die eine Hälfte der Probanden bekam eine Version der Anzeige gezeigt, in der viele Adjektive standen, die vermeintlich männliche Eigenschaften widerspiegeln, zum Beispiel durchsetzungsstark, selbständig, offensiv und analytisch. In der anderen Version wurden Bewerber gesucht, die engagiert, verantwortungsvoll, gewissenhaft und kontaktfreudig sind. Bei der Frage, welche Adjektive männlich und welche weiblich besetzt sind, orientierten sich die Forscherinnen an früheren Studien.

Das Ergebnis bestätigte die Vermutung der Wissenschaftlerinnen: Von der Version mit den männlich besetzten Formulierungen fühlten sich die weiblichen Probanden weniger angesprochen und wollten sich seltener auf das Stipendium bewerben. Für männliche Testpersonen machte der Ausschreibungstext keinen Unterschied.

Ich schrieb damals:

Meiner Meinung nach springen sie da sehr schnell zu einer bestimmten Kausalkette, nämlich, dass die Anzeige als „männlich“ angesehen wird und insoweit Frauen sich nicht damit identifizieren können, weil sie ja weiblich ist.

Eine andere Kausalkette halte ich für wesentlich wahrscheinlicher:

  • Die potentiellen Bewerberinnnen haben eine zutreffende Einschätzung davon, was ihnen liegt und was nicht. Sie stellen eher als Männer fest, dass sie keine Arbeit wollen, in der man durchsetzungsstark, selbständig, offensiv und analytisch sein muss. Also beschließen sie, dass die Stelle nicht ihr Ding ist und bewerben sich nicht
  • Der Grund, dass dies bei Frauen häufiger geschieht als bei Männern liegt daran, dass Männer im Schnitt tatsächlich lieber in Berufen arbeiten, in denen sie durchsetzungsfähig, selbständig, offensiv und analytisch sein müssen.
  • Die früheren Studien haben ermittelt, dass durchsetzungsfähig, selbständig, offensiv und analytisch deswegen eher männlich besetzt sind, weil sie tatsächlich bei Männern häufiger anzutreffen sind

Hier bietet sich ein Vergleich mit den „Big Five“ an:

Cross-cultural research from 26 nations (N = 23,031 subjects) and again in 55 nations (N = 17,637 subjects) has shown a universal pattern of sex differences on responses to the Big Five Inventory. Women consistently report higher Neuroticism and Agreeableness, and men often report higher Extraversion and Conscientiousness. Sex differences in personality traits are larger in prosperous, healthy, and egalitarian cultures in which women have more opportunities that are equal to those of men; both men and women tend to grow more extraverted and conscientious and less neurotic and agreeable as cultures grow more prosperous and egalitarian, but the effect is stronger for men.

Frauen sind hiernach also im Schnitt gefühlsbetonter und verträglicher, Männer eher extrovertiert und wollen eher aufsteigen.

Wer eher Zustimmung möchte, der ist weniger offensiv, wer extrovertierter ist, der wir auch eher bereit sein, selbständig und durchsetzungsfähig sowie offensiv zu sein.

Zudem erhöht Testosteron die Risikobereitschaft:

Die Verbindung von Testosteron und riskantem Verhalten ist schon seit langem bekannt. (…) [Es zeigt sich], dass der Testosteronspiegel sowohl mit finanzieller Risikobereitschaft als auch mit der Berufswahl korreliert. Personen mit mäßig hohem Hormonspiegel gehen finanzielle Entscheidungen weniger vorsichtig an und sind in großen Zahlen im Finanzwesen tätig. (…) Bei Personen, deren Testosteronspiegel oberhalb eines bestimmten Wertes lag, war die Wahrscheinlichkeit, dass sie die ungewisse Lotterie dem sicheren Gewinn vorzogen, genauso groß wie der umgekehrte Fall. Aber unterhalb dieses Grenzwertes ließ sich eine starke Verbindung zwischen finanzieller Risikobereitschaft und Testosteron feststellen – sowohl bei der Lotterie als auch in der Berufswahl der Probanden. Besonders bei Frauen zeichnete sich bei der Lotterie ein klarer Trend ab. Ein niedrigerer Hormonspiegel – hierbei handelte es sich meistens um Frauen – ging einher mit größerer finanzieller Vorsicht.

Da Selbstständigkeit, Offensivität und Durchsetzungsvermögen eben auch ein Risiko darstellen (man kann eben gegen denjenigen, gegen den man sich durchsetzen muss, verlieren), dürften auch hier weitere Zusammenhänge bestehen.

Es erinnert mich an eine Studie, die ich bei Cordelia Fine gefunden hatte. Dort hatte man allerdings männlich besetzte Eigenschaften, die negativer und fordernder waren als die weiblichen, angesetzt.

Im Spiegel hieß es dazu:

Aber was hilft es, die Adjektive in einer Stellenanzeige zu tauschen, wenn später doch Leute gebraucht werden, die eben genau das sind: offensiv und durchsetzungsstark? Peus hat keine Zweifel daran, dass auch Frauen diese Eigenschaften besitzen – sie glauben es nur selbst nicht.

Frauen trauen sich selbst und anderen Frauen die Rolle als Chef weniger zu als Männer. Zu diesem Ergebnis kamen die Münchner Forscherinnen in einer zweiten Studie in Zusammenarbeit mit der New York University. Die 600 Befragten hielten Frauen und Männer für grundsätzlich gleich kompetent, produktiv und effizient. Trotzdem stuften sie die Führungskompetenz der Männer höher ein.

Ich habe die Studie nicht gefunden. Hier im Artikel ist die Darstellung aber sehr einfach: Sie hat keinen Zweifel daran. Ich hoffe sie stellt das in der Studie selbst auf etwas solidere Füße. Ergänzend sie erwähnt, dass diese Eigenschaften ja nicht absolut sind: Es ist die Frage, in welchem Maße man sie besitzt und wie gerne man in einem Job, der dieses Anfordernis stellt, arbeiten möchte. Die Einschätzung anderer ist dabei aus meiner Sicht nicht so viel wert.

„Dinge, die Männer zu mir gesagt haben, wenn ich »nein« zu Sex gesagt habe“

Madita Oeming hat einen Thread auf Twitter erstellt mit „Dinge, die Männer zu mir gesagt haben, wenn ich »nein« zu Sex gesagt habe„:

Dinge, die Männer zu mir gesagt haben, wenn ich »nein« zu Sex gesagt habe… ein retrospektive-Wut-Thread.

»Deine Augen sagen aber was anderes!« #neinheißtnein

»DU hast doch MICH geküsst!?« #neinheißtnein

»Warum trägst du dann schwarze Unterwäsche?« #neinheißtnein

»Uuh, wie sie auf hard to get macht« #neinheißtnein

»Es muss doch niemand davon erfahren« #neinheißtnein

»Ich liebe es, wenn ich eine Frau erobern muss« #neinheißtnein

»Du hältst dich wohl für was besseres. So heiß bist du auch nicht.« #neinheißtnein

»Aber du bist doch schon feucht?!« #neinheißtnein

»Lass ihn mich nur mal kurz reinstecken« #neinheißtnein

»Warum bist du dann mit zu mir gekommen?« #neinheißtnein

»Du kannst mich doch jetzt nicht SO [zeigt auf Erektion] hier liegen lassen!« #neinheißtnein

»Bist du nicht rasiert? Das nehm ich in Kauf« #neinheißtnein

»Wir können das Licht ausmachen« #neinheißtnein

»Dann blas mir wenigstens einen« #neinheißtnein

»Anal zählt nicht!« #neinheißtnein

»Shhhhhh « #neinheißtnein

Mal waren es Fremde, mal flüchtige Begegnungen, mal Freunde, mal Partner. Mal Arschlöcher, mal eigentlich nette Kerle. Mal auf der Straße, mal im Bett. Meistens allein zu zweit. Mal lauter, mal leiser. Immer mit langem Nachhall.
Manchmal hab ich es ignoriert, es weg gelächelt. Manchmal mich erklärt, sogar entschuldigt. Manchmal hat es mein Nein gebrochen. Manchmal hatte ich dann doch Spaß. Manchmal Schmerzen. Manchmal bin ich gegangen. Immer hab ich mich geschämt. Nie bin ich wütend geworden. Warum?

Weil auch ich die Geschlechterrollen & Narrative hinter diesen Sätzen internalisiert hatte. Weil Grenzüberschreitungen von Männern mein ganzes Leben lang normalisiert wurden. Weil mir beigebracht wurde, “keine falschen Signale zu senden”. Weil ich dachte, ich schulde ihnen SexIch bin sicher, die meisten von ihnen haben mich längst vergessen, haben nie auch nur gemerkt, was sie da eigentlich gesagt haben.. aber MIR sitzt jeder einzelne von ihnen bei jeder einzelnen potentiell sexuellen Begegnung bis heute im Nacken!

Darum muss ich jetzt einmal sagen, was ich zu jedem dieser Männer hätte sagen sollen: FUCK YOU! Ihr habt mir beigebracht, dass mein »Nein« nichts wert ist. Wisst ihr, was für eine scheiss Arbeit es ist, das zu ENTlernen? Und zu lernen, ohne Angst »Ja« zu Sex zu sagen?

Und an alle, die diese und ähnliche Sätze auch schon zu hören bekommen haben: gebt euch selbst nicht die Schuld dafür, schämt euch nicht, wenn ihr euch nicht dagegen wehren konntet, und erlaubt euch, wütend zu sein. Und wenn ihr sie das nächste Mal hört: LAUFT!immer, wenn ich mich mit so persönlichen Posts vulnerabel mache, gibt’s viele eklige Reaktionen, die mich das umgehend bereuen lassen ABER auch so berührende, solidarische Nachrichten, die mich darin bestärken, dass wir alle viel mehr über solche Erfahrungen sprechen müssen

Einige passen ganz gut zu meinem Artikel “ „Nein heißt Nein“ und das Thunsche Kommunikationsquadrat (Etwa die Frage nach der Rasur ) , einige sind eher „Frechheit siegt“. Einige appelieren an „Fairness“, einige sind schlicht Ausdruck von Unmut und Enttäuschung.
Interessant ist natürlich ihre Aussage, dass sie sich mitunter hat umstimmen lassen und dann Spass hatte. Allein das würde ja deutlich machen, dass Nein heißt Nein so eben nicht stimmt.
Ich finde es immer noch interessant, dass einige da so tief getroffen sind, wenn jemand (anscheinend ja nur mit Sprache) noch mal etwas versucht. Gerade da sie Pornoforscherin ist und sie 38 ist, wo man ja eigentlich etwas souveräner damit umgehen können sollte und etwas davon weggekommen sein sollte, dass Sex zu wollen etwas schlimmes ist.
Dieser Satz hier ist auch interessant:
Weil auch ich die Geschlechterrollen & Narrative hinter diesen Sätzen internalisiert hatte. Weil Grenzüberschreitungen von Männern mein ganzes Leben lang normalisiert wurden. Weil mir beigebracht wurde, “keine falschen Signale zu senden”. Weil ich dachte, ich schulde ihnen Sex
Eigentlich wären diese Aussagen ja eher ein guter Grund sich von den weiblichen Geschlechterrollen zu lösen, dass Sex etwas ist, was gefährlich ist und für die richtigen aufgespart werden muss.
Die Grenzüberschreitungen dürften auch schlicht die Folge davon sein, dass Männer im Schnitt ein ganz anderes Verhältnis zu Sex haben und die weibliche Zurückhaltung (im Schnitt und im Vergleich mit den Männern) nicht richtig einordnen können.  Wer bringt eigentlich Frauen bei, dass sie Sex schulden? Das wäre mir neu. Vielleicht entsteht das Gefühl eher daraus, dass sie doch versteht, dass die Männer klare Erwartungen hatten, dass es zu Sex kommen wird, weil alle Anzeichen darauf hindeuteten und sie nun ein schlechtes Gewissen hat, weil sie evtl bis eben gerade auch noch Sex wollte oder es jedenfalls so aussah.
Den Männern in einer solchen Situation wäre natürlich zu raten etwas über Last Minute Resistance zu lesen und (wenn es nicht in einer Beziehung war) mehr Vertrauen aufzubauen.
Mich erinnert es auch sehr an diesen Artikel über ähnliche Statements von Antje Schrupp. Dabei beschreibt sie auch, dass der Mann nicht akzeptiert hatte, dass sie nicht mehr wollte und führt an, dass Männer da quasi Ansprüche auf mehr an Frauen herantragen.
Ich hatte damals den Fall gegenüber gestellt, dass der Mann nur Sex will, aber keine Beziehung und direkt nach dem Sex geht und die Frau sich dann beschwert, dass sie doch mehr wollte:

Ein Mann schläft mit einer Frau, kommt, steht direkt auf und zieht sich die Hose an und geht, weil es das war, was er wollte. Sie wirft ihm vor, dass sie sich jetzt etwas billig fühlt und er sie nicht wie ein Objekt behandeln solle, er könne auch gerade noch etwas liegen bleiben, schauen wie es ihr geht, etwas Smalltalk machen und dann sagen, dass er früh raus muss, aber es schön war.

Und dann sagt der Mann. „Ich dachte bisher, dass ich solche Aktionen jederzeit einseitig abbrechen konnte, wenn ich nicht mehr wollte. Aber sie hatte ein Anspruchdenken, mein Entgegenkommen mit ihr zu schlafen, führte nun dazu, dass sie es als ein Versprechen auf „Mehr“ interpretierte. Als Verpflichtung nun mehr noch zu bleiben. Als Verpflichtung ihr mehr Gefühle zu geben als ich zu geben Lust hatte. Dass Frauen auf eine mir  damals noch unverständliche Art die Idee entwickeln können, sie hätten irgendwelche „Ansprüche“ mir gegenüber“. Man würde ihn wohl schlicht ein Arschloch nennen, weil er ihre Gefühle und Bedürfnisse  ignoriert. Aber dennoch würde man ihn wohl nicht davon ausgehen, dass sie, wenn er es nicht will verlangen kann noch eine Viertelstunde mit ihr zu löffeln.

Wenn ein Aufreisser sagen würden, das er durch dieses Ansprüche unfreundlicher zu Frauen geworden ist, ihnen nicht mehr traut, sie abwertend behandelt, man würde ihm wohl vorhalten, dass er sich Gründe sucht, seine eigenen Probleme mit Frauen auszublenden.

Sicherlich passt es nicht so ganz, weil Frauen weit aus vorsichtiger sind was Sex angeht als Männer, was Beziehungen angeht. Aber ich finde es doch ganz interessant einfach mal deutlich zu machen, dass Frauen natürlich auch Erwartungen an Männer haben und enttäuscht sind, wenn sich diese nicht erfüllen.

Wie man merkt, dass man Teil eines Hasskultes ist

Ein Tweet, der, da von einer Feministin, etwas unreflektiert in Hinblick auf ihre eigene Bewegung ist, aber dessen Definition ich gar nicht so schlecht finde:

Und noch mal als Text:

Du merkst, dass du Teil eines Hasskultes bist, wenn: Du deine Meinung nicht einfach ändern und die Gruppe verlassen kannst, ohne dass die Ingroup dir das als Hochverrat auslegt und dich zu zerstören versucht. #TERFs

Passt sie?

Selbermach Samstag

Welche Themen interessieren euch, welche Studien fandet ihr besonders interessant in der Woche, welche Neuigkeiten gibt es, die interessant für eine Diskussion wären und was beschäftigt euch gerade?

Welche interessanten Artikel gibt es auf euren Blogs? (Schamlose Eigenwerbung ist gerne gesehen!)

Welche Artikel fandet ihr in anderen Blogs besonders lesenswert?

Welches Thema sollte noch im Blog diskutiert werden?

Für das Flüchtlingsthema oder für Israel etc gibt es andere Blogs

Zwischen einem Kommentar, der nur einen Link oder einen Tweet ohne Besprechung des dort gesagten enthält, sollten mindestens 5 Kommentare anderer liegen, damit noch eine Diskussion erfolgen kann.

Ich erinnere auch noch mal an Alles Evolution auf Twitter und auf Facebook.

Wer mal einen Gastartikel schreiben möchte, auch gerne einen feministischen oder sonst zu hier geäußerten Ansichten kritischen, der ist dazu herzlich eingeladen

Es wäre nett, wenn ihr Artikel auf den sozialen Netzwerken verbreiten würdet.

Farben und Frauen

Südländerin ist bei uns definitiv die Innenarchitektin und so langsam richtet sich – nachdem Fräulein Schmidts Zimmer bereits schön hergerichtet worden ist – ihr Auge auf unser Schlafzimmer.

Eine Wand, so ihre Vorstellung, soll mit etwas Farbe optisch schöner gestaltet werden (wobei ich dann nach der Planung von ihr die Ausführung übernehme).

Jetzt hat sie Farbkarten aus dem Baumarkt mitgebracht und fragt mich, weil sie unsicher ist, nach meiner Meinung.

Ich schaue auf Farbkarten mit leichten Nuanceunterschieden in der präferierten Farbe und ahne schon, dass das kein einfacher Prozess werden wird. Sie hält Farbkarten an die Wand neben dem Bett, beäugt sie kritisch, dann muss ich sie halten, damit sie sie von weiter weg anschauen kann. Sie ist noch nicht zufrieden. Holt noch weitere Farbkarten einer anderen Farbe ebenfalls mit weiteren minimalen Unterschieden.

Ich schaue wohl zu entsetzt. „Das ist eine wichtige Entscheidung!!“ führt sie an. Oh weh, es hilft nur eine gewisse Führung vorzugeben. „Diese hier passt perfekt zum Bett!“ verkünde ich und greife einen der Farbstreifen. „Zu dunkel“ kommt das vernichtende Urteil. „Gut, dann dieser etwas hellere! Perfekt!“. Sie riecht den Braten und weiß, dass ich nur schnell eine Entscheidung möchte. „Ich bin mir nicht sicher, ob die Farben überhaupt die richtigen sind, vielleicht wäre auch ein Grauton gar nicht schlecht“.

„Vielleicht überlegst du noch etwas, während ich mal zu den Kindern schaue“ versuche ich den Abgang zu machen. Mit „Halt das mal so“ wird dieser klägliche Versuch direkt unterbunden. Ach wenn doch Schmidt Junior sich melden würde! Aber gerade dann, wenn man ihn mal braucht schläft er natürlich ganz hervorragend.

Ich halte also Farbkarten, in verschiedenen Lichtern und verschiedenen Kombinationen. Südländerin schaut kritisch.

Endlich wird die Entscheidung vertagt. Sie muss noch mal zu einem anderen Laden. Da soll die Farbe auch besser decken und somit auch eher den Farbkarten entsprechen.

Ich werde weiter berichten.

 

 

#MeToo ist vorbei, wenn wir nicht auf „unvollkommene Opfer“ wie Amber Heard hören“

Ein Artikel im Guardian ruft die Frauen zur Ordnung:

The backlash to the #MeToo movement was always coming. We know this because a backlash has followed every single step forward feminists have ever made. This backlash was always going to be big, too. Not only did #MeToo threaten a status quo that props up powerful men, it threatened these men personally, and – as it seemed to some – with reckless caprice.

“If somebody can be brought down by accusations like this,” a White House lawyer said shortly after Christine Blasey Ford’s allegations against Brett Kavanaugh were made public, “then you, me, every man certainly should be worried.”

Da sieht man ein sehr interessantes Denken, welches einen Geschlechterkampf annimmt, Männer gegen Frauen, und Männer sind dabei vermutlich die Aggressoren und Frauen die berechtigten Freiheitskämpfer. Anders ist jedenfalls das Bild des Backlashs hier wohl nicht verständlich.

Der Grund, warum bei den Anschuldigungen gegen Kavanaugh gesagt wurde, dass es jeden Treffen kann, war, dass die Anschuldigungen so schlecht belegt waren und irgendwie mal irgendwer gesehen wurde oder irgendwer gehört hat, dass da was gewesen sein soll. Es ist verständlich, wenn man da besorgt ist.

It wasn’t just men who were worried. The idea that systems that previously treated only women, minorities and lower-class men unfairly might be capable of doing the same to high-status men was deeply unsettling to everyone.

After all, when a man is treated badly it lands with a double sense of burning injustice. Women’s stories of woe are so common that they can leave us comparatively unfazed. We feel bad, but we already know women are treated unfairly. It is priced in. “[Women’s stories were] all the same story, which is not to say it wasn’t important. But it was boring,” writes Taffy Brodesser-Akner in her novel Fleishman Is in Trouble. “The first time I interviewed a man, I understood we were talking about something more like the soul.” When something bad happens to a powerful man, it has not happened to a statistic. It has happened to a human soul.

Ich würde ihr eine Eins für Opferdenken geben. Sie kommentiert einen Prozess, in dem es unter anderem darum ging, dass die Beklagte zu dem Kläger gesagt hatte, dass es gar nichts bringen würde, wenn er von Gewalt gegen ihn berichten würde, weil ihm keiner glauben würde, weil er ein Mann ist und sie stellt darauf ab, dass Männer mehr Aufmerksamkeit bekommen.

In der Tat gibt es mehr Geschichten über Frauen und insofern mag der Mann ungewöhnlicher sein, aber das damit zu begründen, dass man Ungerechtigkeiten gegen Männer besonders ernst nimmt ist schon angesichts der Realität männlicher Opfer eher dreist.

For these reasons, #MeToo struck many men – and women – as deeply unfair. Yet it was merely an attempt to correct a bias that still exists. Female accusers are still routinely treated as if they are lying, both by the public and the courts – more so than other alleged victims of crime. It took the testimony of more than a hundred women to bring down Harvey Weinstein. Brett Kavanaugh was not brought down.

Kavanaugh hatte nach allem, was wir wissen auch nichts gemacht. Und bei Weinstein dürfte es auch eher daran gelegen haben, dass viele Frauen eben ihre Anschuldigungen nicht publik gemacht haben bzw sich ernst in der Gruppe getraut haben, gegen ihn vorzugehen.

Und natürlich muss in einem Strafverfahren auch die Unschuldsvermutung gelten. Das ist ein sehr sehr wesentliches Element eines Rechtsstaates

The public reaction to the Johnny Depp and Amber Heard trial is what a #MeToo backlash looks like. Here are the facts of the case. Depp is suing Heard for defamation after she described herself in a 2018 article that didn’t mention him as a “public figure representing domestic abuse”. Depp says he is innocent of abuse and her statement amounts to lying. On his side are two facts that seem clear. Heard promised to donate her entire divorce settlement to charity, and didn’t. There is a recording in which she admits to hitting Depp.

Aus dem Wikipediaartikel zum Verfahren:

A settlement was reached in August 2016, and the divorce was finalized in January 2017.[15] Heard withdrew the restraining order, and she and Depp released a joint statement stating that their „relationship was intensely passionate and periodically volatile, but always bound by love. Neither party has made false accusations for financial gain. There was never any intent of physical or emotional harm.“[7]

Depp paid Heard a settlement of US$7 million, which she pledged to donate to the American Civil Liberties Union and the Children’s Hospital Los Angeles.[16][17] The settlement also included a non-disclosure agreement (NDA) preventing either party from discussing their relationship publicly.[18]

(…)
On April 12, 2022, lawyers Benjamin G. Chew and Camille Vasquez made opening statements on behalf of Depp.[40][41] They accused Heard of making up domestic abuse accusations about Depp to further her career, with Chew also stating that Heard made the accusations because Depp had asked for a divorce.[38] They argued that while Heard’s 2018 op-ed did not mention Depp, it was clear by implication that it referred to him.[29] Chew argued that Heard’s writing in that article („two years ago, I became a public figure representing domestic abuse“) was a reference to her May 2016 restraining order request, in which she claimed that Depp had physically abused her.[29] Chew discussed Heard appearing in public with a bruised face on May 27, 2016, accusing her of staging the injury, citing that Depp had not met her since May 21, 2016, and witnesses did not see her with the injury immediately after May 21, 2016.[29] Depp’s lawyers described Heard as giving the „performance of her life“ and a liar, „obsessed“ with her image.[42]

Also eine Verschwiegenheitsvereinbarung, der ein Artikel von ihr folgte in der sie sich als Opfer von häuslicher Gewalt darstellt, wobei die Vorfälle gelogen sein sollen.

On Heard’s side is the following evidence. Depp admits to head-butting his ex-wife (by accident), and there are texts from his assistant alleging he kicked Heard. There are texts from Depp to Paul Bettany saying he wanted to kill Heard and rape “her burnt corpse”. There is a recording of Depp shouting at Heard for speaking in an “authoritative” way to him.

„Head Butting by Accident“ wäre allenfalls eine fahrlässige Körperverletzung und was er anderen über sie schreibt hat dann auch wieder wenig mit Bedrohungen gegen sie zu tun.

She was awarded a domestic violence restraining order in 2016. In 2018 Depp sued the Sun newspaper for libel after it called him “a wife beater”. He lost the case after the judge found 12 of 14 alleged incidents of Depp’s abuse of Heard to be true.

Sie fanden die Berichterstattung über die Vorfälle nicht falsch, wenn ich mich richtig erinnere.

The court will decide whether or not Heard is a liar. But the idea that Heard is a manipulator, a fantasist and an abuser herself has caught fire across all social media, and some more traditional outlets. Every sexist trope ever used to humiliate and discredit female accusers has been deployed against her at vast scale. Re-enacting her testimony of rape and abuse has become a game on TikTok. She has been mocked by Saturday Night Live, and by Chris Rock (“Believe all women, except Amber Heard”) and ’N Sync’s Lance Bass.

„Believe all women“ macht bereits keinen Sinn, warum sollte ihre Seite unhinterfragbar sein? Und gerade wenn es so wäre würde dies ja noch mehr zu Mißbrauch einladen und den Satz noch gefährlicher machen.

Heard’s tormentors, many of them young women, do not seem to see themselves as anti-feminist. They believe women, of course – just not this one.

Wie können sie nur einer bestimmten Frau nicht glauben?? Insbesondere warum sollte man ihr alles glauben? Und warum soll es nicht in einer toxischen Beziehung die Möglichkeit geben, dass evtl beide Täter zu einem gewissen Grad sind-

It is not they who are damaging #MeToo, it is Heard – by virtue of being an imperfect victim.

Da ist die Idee wieder, dass Frauen perfekt sein müssen, Männer aber nicht, und das sie sonst keine Chance haben. Man könnte das Gegenteil argumentieren: Nur wenn wirklich Beweise bzw erkennbare Fragezeichen bei bestimmten Sachverhalten vorhanden sind hat der Mann überhaupt eine Chance.

They perhaps forget that the project of #MeToo – the whole point – was to help imperfect victims. Those who were wearing the wrong thing, or were drunk, or were promiscuous, or loved their perpetrator, or had previously broken the law, or had lied before, or had a bad character, or seemed “a little bit nutty and a little bit slutty”, as David Brock once memorably described Anita Hill, who testified during Clarence Thomas’s US supreme court confirmation hearings in 1991. In fact, perfect victims have never needed feminism, partly because they barely exist.

Wäre interessant was sie eigentlich will? Keine Unschuldsvermutung mehr? Oder nur die geschlossene Einigkeit der Frauen hinter dem Opfer per Geschlecht? Eine Form der Bedingungslosen Solidarität mit Frauen, ganz egal was man für Zweifel haben könnte?

Whether or not Heard’s accusers fully realise it then, setting up “bad” victims in opposition to “genuine” ones is a very effective method of unpicking #MeToo. It is only the rare misogynist who outright admits they don’t believe women. Their objection has always been just to this one bitch, who is lying.

Also „wenn ihr bei auch nur einer Frau Zweifel habt, dann zerstört ihr#metoo und damit sind Frauen quasi Freiwild, weil man den Frauenhassern zuarbeitet“

#MeToo (the clue’s in the name) attempted to combat this by linking experiences – all those bitches who weren’t believed – so we could see the pattern. In fact, you could say the whole project of feminism is about taking bad things that happened to women, which they thought only happened to them, or were their fault, and calling them by one name. Divide us back into unlinked individuals who might be lying, and the movement is lost.

#MeToo is often framed as having uncovered truths about the world – its success was because women “explained really clearly” what was going on. No. People already knew what was going on. #MeToo worked for the reason any feminist movement works: strength in numbers. It is a political movement pushing against incredibly strong forces in the other direction. There’s no reason to think its work cannot be rolled back.

Letztendlich macht sie ein Dammbruchargument oder slippery slope Argument. „Wenn wir einer Frau nicht glauben, sei sie auch noch so angreifbar, so wird man keiner Frau mehr glauben bzw bei jeder Frau sagen, dass sie nur eine von den schlechten Frauen, denen man nicht glauben muss, ist“.

 

Mein vierter Vatertag

Ein alter Spruch besagt „An Kindern merkt man wie schnell die Zeit vergeht“ und in der Tat ist heute schon der vierter Vatertag für mich (wobei die Kinder noch unter 4 Jahren alt sind).

Wir werden den Brückentag für einen kurzen Ausflug nutzen und sind daher heute einen Teil auf der Straße, aber auch nicht zu lang. Ich muss sagen ich kann etwas Urlaub auch ganz gut gebrauchen.
Wobei Urlaub aufgrund des Alters von Schmidt Junior noch nicht so erholsam ist. Er schläft zwar schon ganz gut, aber er wacht leider noch viel zu früh auf. Aber dennoch schön mal ein paar Tage mit der Familie zu haben.
Was macht ihr?

Selbermach Mittwoch

Bitte Kommentare bündeln, wenn sie nur aus einzelnen Tweets und kurzem Kommentar bestehen und man sehr viele davon plant.

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Ist es strafbar, wenn die Frau Löcher in das Kondom sticht um schwanger werden zu können?

Das Amtsgericht Bielefeld hatte einen Fall zu entscheiden, in dem eine Frau Löcher in ein Kondom gestochen hat um schwanger werden zu können:

„Dieser Fall ist einmalig. Wir haben hier heute Rechtsgeschichte geschrieben”, lautet das Fazit der Richterin des Amtsgerichts Bielefeld

Manche Frauen wünschen sich nichts sehnlicher, als ein Kind zu haben. Eine Frau aus NRW hoffte nur durch eine Schwangerschaft, ihren Sexpartner an sich binden zu können. Um endlich schwanger zu werden, traf sie eine Entscheidung, die definitiv zu weit ging. Nun wurde sie deshalb verurteilt.

Anfang 2021 lernt Melanie T. aus Bad Salzuflen (NRW) über ein Datingportal im Internet Florian S. kennen. Zunächst trafen sich die beiden zumeist nur in seiner Wohnung in Bielefeld, um Sex zu haben. Doch bei Melanie entwickelten sich schnell auch Gefühle. Doch ihre Internetbekannschaft hatte wohl von Anfang an klar gemacht, dass er keine Beziehung wollte.

Um ihn dennoch nicht zu verlieren, traf sie eine folgenschwere Entscheidung: Sie wollte ohne sein Wissen schwanger werden, damit er bei ihr blieb. Wie „Bild“ berichtet, nahm sie deshalb seine Kondome und bohrte kleine Löcher in die Gummis. Immer und immer wieder. Doch der Plan schien zu scheitern. Denn nach ein paar Wochen kriselte es.

Florian S. habe den Kontakt dann abgebrochen. Plötzlich gestand ihm die 39-Jährige via Whatsapp: „Ich habe Löcher in unsere Kondome gestochen. Ich glaube, ich bin schwanger.” Ihr ehemaliger Lover reagierte geschockt und zeigte sie umgehend an. Sie gestand sie ihre Missetaten vor Gericht. Offensichtlich landen Frauen wegen solchen Fällen selten vor Gericht, sondern eher Männer.

Die Richterin bezog sich deshalb auf den Tatbestand des sogenannten „Stealthing”. Dabei sind Männer die Übeltäter, indem sie während des Geschlechtsverkehrs einfach das Kondom abziehen. „Diese Vorschrift gilt auch im umgekehrten Fall. Die Kondome wurden ohne Wissen und gegen den Willen des Mannes unbrauchbar gemacht”, begründete die Richterin und verurteilte Melanie T. laut „Bild“ zu sechs Monaten Haft auf Bewährung wegen sexueller Nötigung.

Angewendet wird der § 177 StGB und es wird einfach das Einverständnis sehr eng ausglegt. Hier zB aus einem jüngeren Urteil des OLG Hamm (OLG Hamm, Urteil vom 01. März 2022 – 5 RVs 124/21), welches nicht um das Abziehen eines Kondoms ging, sondern darum, dass die Absprache getroffen worden war, dass er nicht in ihr kommt, sondern den Penis vor dem Samenerguss herauszieht, welches er bewusst nicht gemacht hat.

Durch § 177 Abs. 1 StGB in der seit dem 10.11.2016 geltenden Fassung wird das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung durch die sogenannte „Nein-heißt-Nein-Lösung“ umfassend, d.h. unabhängig von einem Nötigungselement geschützt (BT-Drs. 18/9097 S. 21 ff.). Wegen sexuellen Übergriffs macht sich dementsprechend unter anderem strafbar, wer an einer anderen Person gegen deren erkennbaren Willen sexuelle Handlungen vornimmt. Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit ist dabei – wie sich aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 18/9097 S. 23) sowie der systematischen Zusammenschau mit Abs. 2 (OLG Schleswig, Urteil vom 19.03.2021 – 2 OLG 4 Ss 13/21 -, Rn. 22, juris; Renzikowski, in: MünchKomm, 4. Aufl. 2021, § 177 StGB Rn. 50) ergibt – nicht der rechtsgeschäftliche, sondern der natürliche Wille des Opfers. Willensbedingte Mängel hindern ein tatbestandsausschließendes Einverständnis daher auch dann nicht, wenn das Einverständnis des Opfers durch Täuschung erschlichen wurde (Ziegler, in: Beck´scherOK, Stand: 01.11.2021, StGB § 177 Rn. 1, Eisele, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, StGB § 177 Rn. 20). Erforderlich, aber auch ausreichend für das Einverständnis ist, dass die betroffene Person die sexuelle Bedeutung der entsprechenden sexuellen Handlung kennt (Renzikowski, in: MünchKomm, a.a.O., § 177 StGB Rn. 50). Lehnt das Opfer die sexuelle Handlung hingegen ab, ist es gleichgültig aus welchen Gründen sie dies tut (Ziegler, in: Beck´scherOK, a.a.O., § 177 Rn. 11).

bb)

Ausgehend von den soeben dargelegten Grundsätzen wurde die hier maßgebliche Frage, unter welchen Voraussetzungen ein tatbestandsausschließendes Einverständnis des Opfers anzunehmen ist, in der letzten Zeit intensiv bezüglich des heimlichen Abziehens des Kondoms während des Geschlechtsverkehrs (sog. „Stealthing„) diskutiert. Die mit dieser Fragestellung befassten Obergerichte – KG Berlin (Beschluss vom 27.07.2020 – (4) 161 Ss 48/20 (58/20) -, juris); OLG Schleswig (Urteil vom 19.03.2021 – 2 OLG 4 Ss 13/21 -, Rn. 22, juris); Bayerisches Oberstes Landesgericht (Beschluss vom 20.08.2021 – 206 StRR 87/21 -, juris) – sind der herrschenden Meinung (s. die Nachweise bei Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 20.08.2021 – 206 StRR 87/21 -, juris) gefolgt und haben einheitlich und mit überzeugender Begründung die Strafbarkeit des „Stealthing“ nach § 177 Abs. 1 StGB jedenfalls dann bejaht, wenn der Täter in den Körper des Opfers absprachewidrig ejakuliert.

cc)

Die in den vorgenannten Entscheidungen aufgestellten Maßstäbe können auch vorliegend herangezogen werden. Danach ist davon auszugehen, dass das von § 177 StGB geschützte Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung die Freiheit der Person beinhaltet, über Zeitpunkt, Art, Form und Partner sexueller Betätigung nach eigenem Belieben zu entscheiden (KG Berlin, Beschluss vom 27.07.2020 – (4) 161 Ss 48/20 (58/20) -, Rn. 22, juris). Nach dem Schutzzweck der Norm kann der Rechtsgutinhaber daher nicht nur darüber bestimmen, ob überhaupt Geschlechtsverkehr stattfinden soll, sondern auch darüber, unter welchen Voraussetzungen er mit einer sexuellen Handlung einverstanden ist (KG Berlin, Beschluss vom 27. Juli 2020 – (4) 161 Ss 48/20 (58/20) -, Rn. 22, juris). Somit kann sich das Einvernehmen des Sexualpartners konkret sehr wohl nur auf bestimmte sexuelle Handlungen – beispielsweise Geschlechtsverkehr ausschließlich unter Verwendung eines Kondoms – beziehen, während gleichzeitig anderen sexuellen Handlungen ein erkennbarer Wille entgegenstehen kann (OLG Schleswig, Urteil vom 19. März 2021 – 2 OLG 4 Ss 13/21 -, Rn. 16, juris).

In der vorliegenden Fallgestaltung ist hierbei insbesondere von Bedeutung, dass dem Samenerguss in der Vagina in sexualstrafrechtlicher Hinsicht eine andere Handlungsqualität als der „bloßen“ vaginalen Penetration zukommt (KG Berlin, Beschluss vom 27.07.2020 – (4) 161 Ss 48/20 (58/20) -, Rn. 25, juris; Bayerisches Oberstes Landesgericht; Beschluss vom 20.08.2021 – 206 StRR 87/21 -, Rn. 17). Dies wird allein schon im Hinblick auf den ungewollten Kontakt mit dem Sperma des Sexualpartners sowie dem damit verbundenen erhöhten Risiko einer ungewollten Schwangerschaft deutlich, auch wenn dies nicht die Motive des Opfers für die ablehnende Haltung sein müssen (Bayerisches Oberstes Landesgericht; Beschluss vom 20.08.2021 – 206 StRR 87/21 -, Rn. 17; juris; KG Berlin, Beschluss vom 27.07,2020 – (4) 161 Ss 48/20 (58/20) -, Rn. 25, juris). Ebenso wie nach der vorzitierten obergerichtlichen Rechtsprechung die Verwendung eines Kondoms konstitutiver Bestandteil für das Einverständnis mit der sexuellen Aktivität sein kann, kann dies genauso auch die Bedingung des Opfers sein, den vaginalen Geschlechtsverkehr vor dem Samenerguss zu beenden. Dass diese Art der Empfängnisverhütung im Vergleich zu anderen Verhütungsmethoden deutlich unsicherer ist, ändert nichts an der Beachtlichkeit des Opferwillens. Setzt sich der Sexualpartner bewusst absprachewidrig über diese vom Opfer gesetzte Grenze hinweg, stellt dies eine so erhebliche Abweichung vom konsentierten sexuellen Handlungsgeschehen dar, dass die sexuelle Handlung nicht mehr vom tatbestandsausschließenden Einverständnis gedeckt und damit regelmäßig nach § 177 Abs. 1 StGB strafbar ist.

Wenn das Kondom abziehen zumindest beim Ejakulieren strafbar ist und das Ejakulieren in ihr ohne Absprache, dann sollte in der Tat ein durchlöchteres Kondom auch darunter fallen.
Allerdings dürfte dann da auch das Absetzen der Pille drunter fallen, denn da ist ja die Zustimmung auch nur unter dieser Bedingung erteilt worden. Mal sehen, ob da dann entsprechende Urteile folgen werden.