Wolfgang Hammer: Familienrecht in Deutschland

In letzter Zeit war einiges über eine neue Studie von Wolfgang Hammer zu „Familienrecht in Deutschland“ zu lesen. +

Die wesentlichen Inhalte finden sich hier:

https://www.familienrecht-in-deutschland.de/

Die wesentlichen Dezifite im deutschen Familienrecht sollen danach sein:

Strukturelle Defizite im Familienrecht

1.
Belastung statt Entlastung des Kindes durch Zahl, Komplexität und Dauer der Verfahren

2.
Fehlende verbindliche situations-, alters- und entwicklungsgerechte Kindeswohlkriterien für Kindesbefragungen

3.
„Elternrecht“ vor Kinderrecht und Kindeswohl

4.
Missachtung des Kontinuitätsprinzips bei Fällen ohne Kindeswohlgefährdung

5.
Inobhutnahmen aufgrund ungeprüfter Falschaussagen

6.
Änderung von Lebensumständen von Kindern – ohne Gefahr im Verzug – durch einstweilige Anordnungen

7.
Möglichkeiten der Präjudizierung über „Kartellbildung“ von Verfahrensbeteiligten

8.
Ungenügende Aus- und Weiterbildung von Familienrichterinnen und -richtern zu kinderpsychologischen Kriterien, familiären Dynamiken, Gutachten, etc.

9.
Überlastung von Familienrichterinnen und -richtern, hoher Erledigungsdruck

10.
Grundsätzliche Pflicht zur Einholung von Sachverständigengutachten statt Befähigung von Richterinnen und Richtern = Gutachtenindustrie

11.
Fehlende verbindliche Standards für die Qualifikation von Sachverständigen und fehlende verbindlichen Qualitätskriterien bei der Erstellung familienrechtlicher Gutachten

12.
Fragliche Rolle und Qualifikation von Verfahrensbeiständen, Erhöhung von Komplexität, Machtmissbrauch

13.
Hohe Komplexität der Verfahren u.a. durch eine Vielzahl von Akteuren und Begünstigung der „Abschiebung“ von Verantwortung

14.
Anordnung/Herbeiführung von Wechselmodellen in konflikthaften Elternbeziehungen, Umgehung bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung zum paritätischen Wechselmodell durch Anordnung/Herbeiführung weitreichender Wechselmodelle

15.
Einseitige Aus- und Weiterbildung von Verfahrensbeteiligten durch Lobbyisten und lobbynahe Anbieter

16.
Unterbezahlung und Überlastung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Jugendämter sowie fehlende Kompetenzen und fehlende geeignete Instrumente zum Umgang mit Hochkonflikthaftigkeit; Fehlende Kontrollinstanzen und -instrumente

17.
Umsetzung von Elternberatung/Mediation durch Androhung oder Umsetzung sorgerechtlicher Konsequenzen, Inkaufnahme sekundärer Kindeswohlgefährdung

18.
Fehlende Kontrolle und Supervision

19.
Fehlende Definitionen gebräuchlicher Begrifflichkeiten, fehlende Daten und fehlende fundierte – v.a. empirische – wissenschaftliche Grundlagen als Referenz für Entscheidungen

20.
Möglichkeit ideologisierter Rechtsprechung bei gleichzeitiger Nicht-Berücksichtigung der wissenschaftlichen Basis/Literatur in der Rechtsprechung, vor allem der bindungstheoretischen, entwicklungspsychologischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse.

Das ist alles noch relativ allgemein.

Es macht etwas mißtrauisch, dass MIA, eine radikale feministische Mütterorganisation, die Studie lobt und sie auch sonst wohl eher von Frauenverbänden gelobt wird.

Ein Auszug aus einer anderen kurzen Besprechung:

Familiengerichte und Kindeswohl: Eine neue Studie des Soziologen Wolfgang Hammer, die von der Sa-SZ (Barbara Vorsamer) und der Mo-taz (Kaija Kutter) vorgestellt wird, kritisiert die Praxis der Familiengerichte und Jugendämter als oftmals „kinderfeindlich“. Ideologische Vorstellungen unter Richtern, Anwälten und Jugendämtern würden dazu führen, dass man Kinder zu Unrecht von ihren Müttern trenne. Das Umfeld der Familiengerichte sei durch „Lobbyorganisationen“ beeinflusst, deren Narrative sich, obwohl wissenschaftlich nicht haltbar, zu einer „Doktrin“ in Aus- und Fortbildung entwickelt hätten. Zudem werde verbreitet, einzig eine „50:50-Aufteilung“ der Betreuungszeit lasse Kinder gesund aufwachsen.

Barbara Vorsamer (Mo-SZ) plädiert dafür, getrennt lebende Eltern nicht zu einem Wechselmodell mit einer 50:50-Betreuung des Kindes zu zwingen. Gerichte sollten für klare Verhältnisse sorgen und dabei das manchmal in Vergessenheit geratene Kontinuitätsprinzip beachten, das besagt, dass sich durch eine Trennung für die Kinder möglichst wenig ändern sollte.

Das Kontinutätsprinzip klingt ja auch in den Grundsätzen oben an. Es besagt im wesentlichen „Wenn bisher das Kind auf eine besondere Weise betreut wurde, dann sollte man das so lassen und nichts ändern“, was eben häufig für Mütter vorteilhaft ist.

Ich hatte noch keine Zeit mir die Studie mal anzuschauen, aber ich eröffne mal einen Artikel dazu.