Hatte ich schon gesagt, dass Arne glücklicherweise bereits wieder zumindest gesunder ist und auch wieder Artikel veröffentlicht? Hurra!
Dadurch wurde ich auf einen Artikel aus der NZZ zum Gender Pay Gap in der Schweiz aufmerksam, der erfreulicherweise sogar bereits in der Überschrift deutlich macht, dass es lediglich eine „ungeklärte Differenz“ zu Lasten der Frauen gibt, die also noch aufgeklärt werden kann (oder nicht) und damit nicht zwangsläufig eine Diskriminierung belegt.
Gemäss der jüngsten Lohnstatistik des Bundes liegt der mittlere Frauenlohn rund 11 Prozent tiefer als der mittlere Männerlohn. Laut Analysen auf Betriebsebene lassen sich oft etwa vier Fünftel dieser Differenz mit «legitimen» Faktoren erklären. Der Rest kann Frauendiskriminierung spiegeln – muss es aber nicht.
Also beim mittleren Frauenlohn nur 11 Prozent unterschied und 4/5 der Differenz lassen sich erklären, also bereinigen.
Die Männer verdienen im Mittel immer noch deutlich mehr als die Frauen. Das zeigte diese Woche die neuste Lohnstatistik des Bundes für 2020 auf Basis von Erhebungen zu gut 2 Millionen Arbeitsplätzen. Gemessen am mittleren Monatslohn lagen die Frauen knapp 11 Prozent hinter den Männern zurück.
Laut Studien zu früheren Jahren lässt sich typischerweise auf gesamtwirtschaftlicher Ebene etwa die Hälfte der ausgewiesenen Lohndifferenzen durch gut messbare Faktoren wie Branchenzugehörigkeit, hierarchische Stellung und Qualifikationsmerkmale erklären. Doch solche gesamtwirtschaftlichen Analysen sind grobschlächtig, da sie nicht auf betriebliche Besonderheiten eingehen können. Analysen auf betrieblicher Ebene können der Sache näher kommen.
Das ist auch etwas, was viele beim Gender Pay Gap und Bereinigungen gerade durch zB öffentliche Stellen nicht verstehen: Eine Bereinigung ist so gesehen nie abgeschlossen, man kann immer noch weitere Faktoren untersuchen. Die öffentlichen Stellen wie das statistische Bundesamt bereinigen oft nur mit den Daten, die ihnen vorliegen. Aber das sind eben sehr grobe Angaben.
Tatsächlich in einen Betrieb hineinzuschauen und dort die genaueren Daten abzugreifen und zu untersuchen kann ganz neue Erkenntnisse bringen
Solche betrieblichen Analysen hat das Parlament 2020 für Arbeitgeber ab 100 Angestellten zur Pflicht erklärt. Betroffen sind rund 5000 Betriebe, die zusammen etwa 45 Prozent aller Arbeitnehmer in der Schweiz beschäftigen. Die erste Analyse war bis Mitte 2021 durchzuführen, die externe Überprüfung dieser Analyse muss bis Mitte dieses Jahres vollzogen sein, und die Firmen müssen bis Mitte 2023 ihre Mitarbeiter über die Resultate informieren.
Das ist das Vorteilhafte an einer solchen Pflicht. Sie ergeben meist, dass die Befürchtungen und Schreckensszenarien die der Feminismus so gerne behauptet, nicht zutreffen und allenfalls geringe, aber eben auch noch nicht vollständig bereinigte Unterschiede vorhanden sind.
Von 21 auf 3,6 Prozent
Die Erfahrungen von spezialisierten Analysefirmen geben Hinweise. Die Aarauer Beratungsfirma Comp-on hat im vergangenen Herbst in einem ersten Zwischenbericht die Ergebnisse für 193 Betriebe mit zusammen über 150 000 Angestellten verkündet. Der mittlere Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern in den untersuchten Betrieben betrug fast 21 Prozent. Nach Berücksichtigung von Differenzen bei den Qualifikationsmerkmalen und der betrieblichen Funktion verdienten Frauen im Mittel «nur» noch 3,6 Prozent weniger als Männer. Acht der untersuchten Betriebe überschritten die Toleranzschwelle von 5 Prozent Lohndifferenz statistisch signifikant. Bei gut einem Fünftel der Betriebe liess sich statistisch nicht klar sagen, ob die Schwelle überschritten war, weshalb der Test bei diesen Betrieben als bestanden gilt. Seit Publikation des Zwischenberichts sind laut Comp-on weitere zwanzig Lohnanalysen und ein Ergebnis im roten Bereich hinzugekommen.
Jede Pflicht für ein Unternehmen ist eben auch eine Chance für einen Dienstleister, diese für das Unternehmen zu übernehmen und dann auch gründlich zu ermitteln, gerade wenn anderenfalls Strafen drohen.
Comp-on verwendet gemäss Firmen-Mitgründer Marc Pieren für die Analyse das vom Bund zur Verfügung gestellte Instrument Logib. Dieses sorgt nicht bei allen Beratern für Begeisterung. Das Standardmodell des Bundes gebe «erste Anhaltspunkte, ist aber für genauere Analysen zu wenig fein austariert», sagt der Zürcher Salärberater Urs Klinger: «Wir verwenden ein feineres System, das auf dem Logib aufbaut.» Klingler hat bisher Lohngleichheitsanalysen in rund 550 Organisationen durchgeführt; Korrekturbedarf habe es in ungefähr 12 Prozent der Fälle gegeben.
Wäre ja interessant, ob die immer in Richtung Frauen ausschlagen. Denn andere Analysen, mit denen man Frauendiskriminerung nachweisen wollte, haben ja schon ergeben, dass eigentlich Männer diskriminiert worden sind, etwa beim BBC
Ärger mit Schichtzulagen
Ein eigenständiges System verwendet die Zuger Beratungsfirma Landolt & Mächler. Sie hat laut Firmeninhaber Thomas Landolt bisher knapp 240 Lohngleichstellungszertifikate ausgestellt. Im Mittel der untersuchten Betriebe verdienten für vergleichbare Tätigkeiten die Frauen 3,2 Prozent weniger als die Männer. Rund 80 Prozent der untersuchten Firmen erreichten gemäss Landolt die Lohngleichheit. «Von den Firmen, die das Ziel nicht erreicht haben, ist der grössere Teil am sachlich falschen Einbezug von Zulagen gescheitert.» Vor allem der Einfluss von Schichtzulagen sei beachtlich: «Im Durchschnitt führen diese alleine zu einer Lohndifferenz der Geschlechter von 5 Prozent.»
Das hatte ja auch schon eine Untersuchung bei Busfahrern und Zugführern ergeben, die alle nach Tarif bezahlt worden sind, bei denen aber trotzdem ein Gender Pay Gap auftrat, weil die Männer ihre Arbeit auf Lohn optimierten, in dem sie eher ungünstigere und daher nach dem Tarifvertrag oder aufgrund der Steuervorteile besser bezahlte Fahrten (zB Nachts und Wochenende) übernommen haben.
Es ist auch insofern interessant, weil 5% mehr Lohn erst einmal ganz gut klingt, aber die wenigsten wohl so begeistert wären, wenn sie dafür mehr Nacht- und Wochenendschichten machen müssten.
Deswegen wird dies auch selten als Beispiel im Feminismus verwendet, sondern lieber die Führungsposition angeführt.
Rechtlich gehören Zulagen für Schichtarbeit und andere Erschwernisse zum relevanten Lohn. Man kann allerdings argumentieren, dass nur auf solche Erschwerniszulagen beruhende Lohnunterschiede für sonst gleiche Tätigkeiten gerechtfertigt sind und daher nicht als Hinweis für Diskriminierung taugen. Auf der anderen Seite ortet Marc Pieren von Comp-on in Schichtzulagen ein Diskriminierungspotenzial, wenn solche Zulagen vorwiegend in klassischen Männerberufen ein grosses Gewicht hätten, nicht aber in Frauendomänen. Im Gesundheitswesen leisten laut Pieren viele Frauen Schichtarbeit, aber dort stelle man keine systematischen Lohnvorteile der Frauen gegenüber den Männern fest.
Das dürfte auch daran liegen, dass Frauen mit kleinen Kindern eben häufig aus den ungünstigeren Schichten rausgehen, weil sie da eben Kinder betreuen wollen/müssen oder es besteht weniger Auswahl in dem Bereich, so dass man weniger auf Zusatzlöhne optimieren kann.
Wäre interessant, wenn es da weitere Untersuchungen geben würde.
Breite Erfahrung mit Lohngleichstellungsfragen hat auch die Beratungsfirma Cepec (Lausanne und Zürich). Schon vor Einführung der Analysepflicht hatte das Unternehmen 2018 auf Basis von Lohnanalysen in 280 Betrieben festgestellt, dass die durchschnittliche Lohndifferenz für vergleichbare Tätigkeiten etwa 2 bis 3 Prozent betrage. In den vergangenen Jahren gab es laut Schätzung eines Firmenvertreters weitere 50 bis 70 Lohnanalysen; keiner der untersuchten Betriebe habe die Toleranzschwelle von 5 Prozent überschritten. Cepec macht die Analysen laut eigenen Angaben jeweils mit dem Standardmodell des Bundes und mit einem feiner austarierten Modell: Die Ergebnisse lägen in der Regel nahe beieinander. Hinweise lieferte im vergangenen Jahr auch die Universität St. Gallen auf der Basis von Analysen zu rund 60 Unternehmen mit total 120 000 Lohnempfängern: 3 Prozent der untersuchten Firmen hätten die Toleranzschwelle überschritten.
Also wird man wieder deutlich: Viel Lärm um nichts.
Betriebliche Analysen zeigen in der Tendenz deutlich geringere Differenzen als gesamtwirtschaftliche Betrachtungen. Aber oft zeigen auch Betriebsanalysen noch einen unerklärten Rest der Lohndifferenz zuungunsten der Frauen. Dies kann diverse Gründe haben: Frauendiskriminierung, Diskriminierung der Leisen gegenüber den Lauten (was eher zulasten der Frauen geht, weil diese tendenziell weniger Lohnforderungen stellen) und/oder ein Restposten von betriebsrelevanten, aber nicht sauber erfassbaren Faktoren.
Wobei dann immer vergessen wird, dass es mehr leise Frauen geben mag, aber es auch nur Normalverteilungen mit abweichenden Mittelwerten sind, es also genauso laute Frauen und leise Männer gibt, die dann eben mehr oder weniger verdienen. Man könnte hier argumentieren, dass eben leisere Menschen davon betroffen sind, Männer wie Frauen, wenn auch Frauen eher leiser sind.
Mehr Klarheit erst 2024
Die verkündeten Ergebnisse der Lohnberater müssen nicht unbedingt repräsentativ sein für die Gesamtwirtschaft. So ist denkbar, dass die Gleichstellung der Geschlechter in kleineren Betrieben (die von der gesetzlichen Analysepflicht nicht erfasst sind) tendenziell geringere Bedeutung hat; laut einer Analyse zu den Lohndaten für 2018 lag die unerklärte Lohndifferenz in kleineren Betrieben eher über den Werten von Grossfirmen.
Zudem können Betriebe ihre Lohnanalyse auch ohne Beizug von Beratern mithilfe des Bund-Standardmodells Logib durchführen. Wie viele Betriebe dies gemacht haben, weiss das Eidgenössische Gleichstellungsbüro (EBG) nicht: Es habe dem Willen des Parlaments entsprochen, dass der Bund diese Information nicht bekomme. Laut EBG gibt es indirekte Hinweise via Benutzung der angebotenen Beratungsgespräche zu Logib für Betriebe: Vor Einführung der gesetzlichen Analysepflicht habe es jährlich etwa 200 Beratungsgespräche gegeben, im Jahr nach der Einführung seien es über 1000 gewesen.
Eine Evaluation zu den Lohnanalysen sieht der Bund für 2024 vor – nach Ablauf der Frist für die Firmen zur Verkündung der Ergebnisse an die Angestellten. Gemäss Angaben des Bundesrats vom vergangenen November hat das Gleichstellungsbüro seit 2006 knapp 200 Stichproben im Zusammenhang mit dem Beschaffungswesen durchgeführt. Ergebnis: Rund 10 Prozent der kontrollierten Unternehmen hätten bei den Lohndifferenzen die Toleranzschwelle überschritten.
Da wird sicherlich auch noch verschiedenes zu Bereinigen sein. Wenn jemand mitbekommt, dass die Analysen 2024 veröffentlicht werden, dann gerne einen Hinweis in den Kommentaren.