Arbeitswelt nach Corona »Frauen nutzen die gesparte Zeit für Haus- und Sorgearbeit«

Ein interessantes Interview zu der Arbeitswelt nach Corona und den Auswirkungen auf Mann und Frau:

SPIEGEL: Frau Wrohlich, hat die Pandemie Frauen im Kampf um Gleichberechtigung zurückgeworfen?

Wrohlich: Das war am Anfang die Befürchtung. Gleichzeitig haben andere Stimmen behauptet, das Gegenteil würde passieren: Sie sahen die Pandemie als Gleichheitsbeschleuniger, weil die Väter im Homeoffice merken, was zu Hause alles zu tun ist. Zusammen könne man sich das ja dann viel besser aufteilen. Aber weder das eine noch das andere ist eingetroffen.

SPIEGEL: Sondern?

Wrohlich: Die Pandemie hat wie unter einem Brennglas gezeigt, wie stark ungleich die Sorgearbeit verteilt ist. Für eine starke Retraditionalisierung haben wir keine empirischen Belege gefunden. Aber dass Männer den Frauen viel abgenommen hätten, konnten wir auch nicht feststellen. Frauen nutzen die Zeit, die sie beispielsweise durch virtuelle Meetings einsparen, öfter für Haus- und Sorgearbeit. Männer hingegen häufen eher Überstunden an – und Arbeitgeber teilen dieses Vorurteil. In Umfragen schätzen sie Männer eher so ein, dass sie im Homeoffice mehr arbeiten als Frauen.

Herrlich Klischeehaft. Männer machen eher Überstunden und Frauen eher Haus- und Sorgearbeit. Wer hätte auch gedacht, dass da unterschiedliche Schwerpunkte bestehen?
Wobei eben im Geschlechterkrieg gerne übersehen wird, dass das ganz einvernehmlich erfolgen kann: Immerhin profitiert auch die Frau über den Verdienst  oder Aufstiegschanchen von Überstunden und sieht zeit mit ihren Kindern auch nicht nur als Arbeit, sondern als etwas schöneres als etwas die Stunde, die man sonst für Hin- und Rückfahrt von der Arbeit im Auto gesessen hat.

SPIEGEL: Aber dann ist es ja kein Vorurteil, wenn Frauen tatsächlich weniger arbeiten.

Wrohlich: Klar, im Durchschnitt stimmt das. Aber ob es jetzt für die konkrete individuelle Leistung einer Mitarbeiterin stimmt, das weiß ja der Arbeitgeber nicht.

SPIEGEL: Arbeitgeber sind also eher unfair zu Frauen?

Wrohlich: Nur weil Frauen – oder auch Männer – in Elternzeit gehen oder für kurze Zeit in Teilzeit arbeiten möchten, dürfen Führungskräfte nicht den Fehler machen, sie nicht als ehrgeizig, kompetent oder verlässlich wahrzunehmen. Chefs oder Chefinnen sollten Kontakt zu denen halten, die in Elternzeit gehen und ihnen Karriereperspektiven ermöglichen, auch wenn sie gerade erst frisch zurückgekommen sind. Arbeitszeitmodelle wie Jobsharing könnten Teilzeitarbeit aufwerten und die Balance zwischen Beruf und Familie besser ermöglichen. Und: Es ist wichtig, dass auch Führungskräfte in Elternzeit oder in Teilzeit gehen. Nur so können wir geschlechterspezifische Lücken auf dem Arbeitsmarkt schließen.

Da hat sie eine interessante Begründung. Sie führt etwas an, was Führungskräfte machen sollen, weil sie „nur so die geschlechterspezifische Lücke auf dem Arbeitsmarkt schließen können“. Aber sie führt keine tatsächlichen Argumente an, warum das dann auch im Interesse des Arbeitgebers ist. Warum soll der zB nicht den Arbeitgeber (M/W/D) befördern, der immer mehr Arbeitseinsatz gezeigt hat, zu Überstunden bereit war, wenn sie gebraucht wurden, mehr Arbeitserfahrung angesammelt hat und gezeigt hat, dass er sich Freiräume für die Arbeit schaffen kann?

Die Begründung ist rein politisch. Aber das ist dann eben für viele Arbeitgeber nicht der richtige Gesichtspunkt.
Auch immer interessant, dass einen Feministen an die Kehle springen, wenn man anführt, dass Männer mehr Überstunden machen oder anderweitig mehr Einsatz fordern aber dann eben auch wieder ganz selbstverständlich gefordert wird, dass man genau das zulässt und ermöglicht und nicht in eine Bewertung einfließen lässt, weil Frauen anderweitig benachteiligt werden.

»Bei der Geburt des ersten Kindes werden die Weichen gestellt.«

SPIEGEL: Haben Sie da ein Beispiel?

Wrohlich: Erst vor Kurzem haben wir eine Studie dazu veröffentlicht, wie sich die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern im Laufe des Lebens entwickelt. Bei den unter 30-Jährigen ist der Verdienstabstand zwischen Männer und Frauen eher gering, etwa 8 Prozent. Ab dem Alter von 30 Jahren steigt der Gender-Pay-Gap dann stark an und mit Mitte 40 sind die Gehaltsunterschiede am Höchsten. Uns zeigt das: Bei der Geburt des ersten Kindes werden die Weichen gestellt. Zum ersten Mal fällt dann in großem Umfang Sorgearbeit an – und die wird von Anfang an sehr ungleich verurteilt. Oft bleibt es so bis zum Ende des Erwerbslebens. Hier müsste man ansetzen, würde man es ernst meinen mit der Chancengleichheit am Arbeitsmarkt.

Vielleicht sollte man zuerst abklären, ob das tatsächlich eine Benachteiligung oder ein Wunsch ist. Es wird ja auch nicht nur die Sorgearbeit ungleich verteilt, sondern auch die Erwerbsarbeit. Und es wird nicht nur die SorgeARBEIT ungleich verteilt, sondern auch viele schöne Momente mit den Kindern, Zeit mit ihnen, die nicht nur Arbeit ist.

 

SPIEGEL: Was muss Ihrer Meinung nach passieren?

Wrohlich: Seit 2007 gibt es das Elterngeld mit zwei Partnermonaten. Der Anteil der Väter, die überhaupt in Elternzeit gegangen sind, ist dadurch auf 40 Prozent gestiegen – ein ziemlicher Erfolg. Trotzdem beziehen die Väter in der Regel nur zwei Monate Basiselterngeld, die Mütter zwölf Monate, die ungleiche Verteilung bleibt also. Diese Partnermonate müssten deshalb sukzessiv aufgestockt werden auf sieben Partnermonate, fair aufgeteilt zwischen beiden Elternteilen.

Wäre interessant, was dann passiert. Es könnte einen höheren Bedarf an Plätzen für 7 Monate alte Kinder geben bzw es könnte dann auch noch mehr Bedarf für Überstunden bei Männern geben, weil die eben das weniger an Geld kompensieren müssen. Ich vermute mal die Alleinerziehendenverbänder wären auch nicht sehr für diese Pläne.

Es ist eben auch immer eine Frage wer wie viel verdient und wie man es sich leisten kann.

SPIEGEL: Vor wenigen Wochen hat ein Bild mit vielen Männern beim Businesslunch am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz für Diskussionen gesorgt. Welche Probleme offenbart es?

Wrohlich: Wie wichtig Repräsentation ist – und wie wenig Zugang Frauen auf bestimmten Ebenen nach wie vor zu Macht haben. Aber diesbezüglich hat sich in den letzten Jahren auch schon ein wenig getan: Jahrelang hieß es, auf keinen Fall könne man eine Quote in Vorständen einführen, die Eingriffe in die unternehmerische Freiheit seien zu groß. Ab dem 1. August geht es doch – und schon jetzt ist die Zahl von Frauen in deutschen Vorständen deutlich gestiegen. Es ist also mehr möglich, als wir denken. Andererseits: Neun EU-Länder gibt es mittlerweile, die Quotierungen für Aufsichtsräte und Vorstände festlegen. Im Vergleich sind deutsche Unternehmen von der Quote nicht so häufig betroffen. Es ist also noch Luft nach oben.

Da wäre es noch mal interessant sich mit den Auswahlkriterien vertraut zu machen. Meines Wissens wurden da CEOs großer Firmen eingeladen und ich vermute die Einladung erfolgte nicht nach Geschlecht, sondern der Männeranteil war schlicht dem Umstand geschuldet, dass in diesen Firmen meist Männer CEOs sind. Und dann ist eben die Frage, ob der Zugang dort für Frauen tatsächlich versperrt war oder ob einfach wesentlich weniger Frauen überhaupt an einem solchen sehr zeitintensiven Job interessiert sind.

SPIEGEL: Woran liegt es denn, dass es nur so langsam vorangeht?

Wrohlich: An geschlechtsstereotypen Zuschreibungen. Von einer Führungskraft werden nach wie vor Eigenschaften wie Durchsetzungskraft, Entscheidungsfreude, eine gewisse Risikobereitschaft, Belastbarkeit erwartet – überwiegend Charakteristika, die mit Männern assoziiert werden. Sich zu kümmern, gut zu kommunizieren wird eher Frauen zugeschrieben. Wollen die in bestimmte Positionen, müssen sie sich also erst einmal beweisen, während Männern häufig von vorneherein als kompetent empfunden und befördert werden. Viele Studien zeigen, dass das stark erlernte, eingeprägte Muster sind, die ganz unbewusst wirken. Es dauert, bis wir diese Zuschreibungen überwinden, von selbst wird es aber nicht funktionieren. Deshalb braucht es radikale Maßnahmen wie Quotierungen.

Ich glaube nicht, dass einer der CEOs nach oben gekommen ist ohne sich bewiesen zu haben. Er wird sich üblicherweise in einer harten Konkurrenz durchgesetzt haben oder vielleicht Gründer eines entsprechenden Unternehmens gewesen sein.

Beides versuchen Frauen wesentlich seltener als Männer und haben lieber einen Job mit einer besseren Work-Life-Balance.

SPIEGEL: Je radikaler die Maßnahmen, desto heftiger ist häufig auch der Widerstand. Beobachten Sie bei betroffenen Unternehmen schon jetzt, dass die bei der Vorstandsquote herumtricksen?

Wrohlich: Das haben wir uns vor Kurzem in einer Studie angeschaut: Verkleinern Unternehmen ihren Vorstand, von vier auf drei Mitglieder, um diese Quote zu umgehen? Das konnten wir nicht beobachten. Eher das Gegenteil: Vorstände, die bereits vier oder mehr Mitglieder hatten, wurden im Durchschnitt um eine Frau erweitert.

SPIEGEL: Zurücktreten, um einer Frau Platz zu machen, kam nicht infrage?

Wrohlich: Von außen sieht es so aus, als hätte man die Sache mit der Frauenquote in den betroffenen Vorständen einfach abhaken wollen: Sollte der Vertrag eines Mannes verlängert werden, hat man sich darum zumindest schon gekümmert – und niemand muss gehen. Inwiefern man solche neu geschaffenen Vorstandsressorts extra für Frauen nun als Alibi bezeichnen kann oder ob das eine gute Entwicklung ist, kann ich noch nicht sagen.

Warum soll man auch jemanden, mit dem man bisher gute Erfahrungen gemacht hat, einfach rausschmeißen?