„Der dressierte Mann“ von Esther Vilar ist ein Buch, welches in den Kommentaren bereits häufiger angesprochen wurde (Hallo insbesondere Adrian),.
Zunächst einmal zur Autorin aus der Wikipedia:
Ihre Eltern wanderten zu Beginn der 1930er Jahre nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten nach Argentinien aus, da die Familie des aus Erlangen stammenden Vaters einen jüdischen Hintergrund hatte. Er verdingte sich in Buenos Aires als Stehgeiger in Cafés, dann fand er eine Anstellung als landwirtschaftlicher Gutsverwalter. Die 1909 geborene Mutter stammte aus Nürnberg. Sie fühlte sich im südamerikanischen Exil aber nicht wohl und kehrte kurz nach der Geburt ihrer Tochter nach Deutschland zurück. Dort lebten sie und Esther im Nürnberger Ortsteil Ziegelstein. Nach der Zerstörung der „Reichsparteitagsstadt“ Nürnberg kehrte sie mit ihrer Tochter für einige Jahre nach Argentinien zu ihrem Mann zurück. Sie starb hochbetagt in den 2010er Jahren in Nürnberg.[1]
Vilar studierte Medizin in Argentinien und ab 1960 Soziologie und Psychologie an der Hochschule für Sozialwissenschaften in Wilhelmshaven und in München. Sie arbeitete zunächst als Ärztin. Später war sie als Übersetzerin und Rundfunkautorin tätig und begann, Bücher zu schreiben. Esther Vilar ist Mitglied im Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung.[2]
Mit ihrem Buch Der dressierte Mann wurde sie 1971 als Schriftstellerin durch ihren Auftritt in der Eurovisionssendung Wünsch Dir was bekannt. In diesem Buch formulierte sie die provokante These, dass nicht – wie von der damals aufkommenden Frauenbewegung postuliert – die Frau durch den Mann unterdrückt werde, sondern umgekehrt der Mann durch die Frau.[3] Mit dem Buch löste sie große Kontroversen aus und war teilweise heftigen Anfeindungen und körperlichen Angriffen bis hin zu Morddrohungen ausgesetzt. So wurde sie auf einer Toilette der Münchner Staatsbibliothek von vier jungen Frauen zusammengeschlagen. Nach eigener Aussage war dies der Grund für ihre fluchtartige Emigration aus Deutschland.[4]
Im Jahre 1975 lieferte sie sich ein TV-Duell mit Alice Schwarzer,[5] die als Vertreterin der Frauenbewegung ebenfalls zu dieser Zeit bekannt wurde. Der Spiegel nannte Vilar in seinem Bericht über die Sendung „modisch-populäre Manneshelferin im Geschlechterkampf“. Nach der Ausstrahlung wurde die Sendung kontrovers diskutiert.[6] Die Meinungen darüber, wer dominierend in diesem Fernsehduell war, sind geteilt.[7]
In ihrem Buch Das Ende der Dressur (1977) richtete Vilar sich ausführlich gegen die angebliche Meinungsführerschaft von Lesben, denen sie vorwarf, heterosexuelle Frauen zu verführen, die „normalerweise für ihre ausgefallenen Wünsche absolut unzugänglich wären“. Um dies zu können, würden sie die feministische Bewegung nutzen, die quasi nur aus Lesben und „männlichen Feministen“ bestehe.
Esther Vilar veröffentlichte weitere Bücher und Theaterstücke, die sich oft gegen linke und feministische Positionen richteten. Zu ihren bekannten Texten zählt die eigenwillige Auseinandersetzung mit Henrik Ibsens Schauspiel Nora oder Ein Puppenheim, das in den 1970er Jahren von der Frauenbewegung stark rezipiert wurde. Ihre Theaterstücke, insbesondere EiferSucht, werden auf deutschsprachigen und europäischen Bühnen gespielt.[8]
In ihrem Buch Der betörende Glanz der Dummheit wandte Vilar sich gegen eine zu weitgehende Spezialisierung. In der vorangestellten Widmung heißt es: „Das ist der ganze Jammer: Die Dummen sind so sicher und die Gescheiten so voller Zweifel“ (von Bertrand Russell). In Die Fünf-Stunden-Gesellschaft propagierte sie ein alternatives Arbeitszeitmodell. Sie schlug vor, mit je zwei 5-Stunden-Berufseinheiten für Mann und Frau pro Tag das Miteinander in Familien besser zu regeln. Jeder der Partner solle eine Schicht arbeiten, so dass immer jemand bei den Kindern sein könne. Die Wochenarbeitszeit würde sich auf je 25 Stunden verringern, die Lebensarbeitszeit dadurch aber verlängert. Dies allerdings müsste ohne Lohnausgleich geschehen. In Das polygame Geschlecht beschrieb sie in einem Abschnitt, was ihrer Ansicht nach Liebe sei.
Vilar sieht ihr eigentliches Thema in der Auseinandersetzung mit den sehr grundsätzlichen Größen „Freiheit“ und „Gefangenschaft“, wie sie selbst im Nachwort zu ihrem Buch Die Antrittsrede der amerikanischen Päpstin hervorhebt: „Die Angst vor der Freiheit – die Sehnsucht, alle persönliche Verantwortung in die Hände eines anderen zu legen, sich aus freien Stücken dessen Befehlen zu beugen – war von jeher das Thema meiner schriftstellerischen Arbeit und wird wohl bis zuletzt irgendwie bestimmend für sie bleiben.“[9]
Esther Vilar war mit dem Schriftsteller Klaus Wagn verheiratet, mit dem sie den Caann-Verlag betrieb. Aus dieser Ehe stammt auch ihr Sohn.[10][11]
Einen deutschen Wikipediaeintrag zu dem Buch selbst gibt es nicht, dafür aber einen englischen:
The book argues that, contrary to common feminist and women’s rights rhetoric, women in industrialized cultures are not oppressed, but rather exploit a well-established system of manipulating men.
Vilar writes, „Men have been trained and conditioned by women, not unlike the way Pavlov conditioned his dogs, into becoming their slaves. As compensation for their labours men are given periodic use of a woman’s vagina.“ The book contends that young boys are encouraged to associate their masculinity with their ability to be sexually intimate with a woman, and that a woman can control a man by socially empowering herself to be the gate-keeper to his sense of masculinity. Vilar states that this has been going on for some time.
The author says that social definitions and norms, such as the idea that women are weak, are constructed by women with their needs in mind. Vilar explains how it works: if women are viewed as weak, less is expected of them; and therefore they are given more leeway in society than men. Vilar states that women are generally „gold diggers“ who attempt to extract money and other material resources from men. One means by which women control men to effect this transfer of resources is praise. Women dole out praise to men only when their needs are met in some way.
Another means of manipulation is the calculated use of emotional displays. Vilar claims that women can control their emotional reactions whereas men cannot, and that women create overly-dramatized emotional reactions to get their way: they „blackmail“ men emotionally. Women also use sex as a tool of manipulation and control but also traditional concepts of love and romance, which are seen more positively than sex, to control men’s sexual lives. Vilar writes that men gain nothing from marriage and that women coerce them into it under the pretense that it fulfills their romantic desires.
The book closes with Vilar stating that it would be difficult to change the situation by appealing to women, as women are unsympathetic to the plight of men, and unwilling to give up their comfortable position in society. It is up to men to see past the deception and emotional blackmail and subject it to open criticism before any meaningful changes can occur.
Hier gibt es das gesamte Buch als PDF, ein Auszug:
Vom Glück der Sklaven
Der zitronengelbe MG schleudert. Die junge Frau am Steuer bringt ihn etwas waghalsig zum Stehen, steigt aus und entdeckt, daß der linke Vorderreifen platt ist. Ohne Zeit zu verlieren, trifft sie Vorkehrungen für die Reparatur: Sie blickt den vorbeifahrenden Autos entgegen, als erwarte sie jemand. Auf dieses international genormte Signal weiblicher Hilflosigkeit (»schwache Frau von männlicher Technik sitzengelassen«) stoppt bald ein Kombiwagen. Der Fahrer erfaßt sofort, was zu tun ist, sagt tröstend: »Das werden wir gleich haben« und bittet die Frau zum Zeichen seiner Entschlossenheit um ihren Wagenheber. Er fragt sie nicht, ob sie das Rad selbst wechseln kann, denn er weiß – sie ist etwa dreißig, modisch angezogen und geschminkt -, daß sie es nicht kann. Als sie keinen Wagenheber findet, holt er seinen eigenen, sein übriges Werkzeug bringt er gleich mit. In fünf Minuten hat er die Sache erledigt und das schadhafte Rad an dem hierfür vorgesehenen Platz verstaut. Seine Hände sind ölverschmiert. Als ihm die Frau ihr besticktes Taschentuch anbietet, weist er es höflich zurück. Er hat für solche Fälle immer einen alten Lappen in seinem Werkzeugkasten. Die Frau bedankt sich überschwenglich und entschuldigt sich für ihre »typisch weibliche« Ungeschicklichkeit. Wenn er nicht gekommen wäre, sagt sie, hätte sie womöglich bis zum Abend hier gestanden. Er entgegnet darauf nichts, aber als sie einsteigt, schließt er galant die Wagentür und gibt ihr über die heruntergekurbelte Fensterscheibe hinweg noch den Rat, den schadhaften Reifen bald ersetzen zu lassen. Sie sagt, sie werde ihren Tankwart noch am gleichen Tag entsprechend anweisen. Dann fährt sie davon. Während der Mann sein Werkzeug aufräumt und allein zu seinem Wagen zurückgeht, bedauert er, daß er sich jetzt nicht die Hände waschen kann. Auch seine Schuhe, mit denen er während des Radwechsels in feuchtem Lehm gestanden ist, sind nicht mehr so sauber, wie sie es für seine Arbeit – er ist Vertreter – sein sollten. Wenn er seinen nächsten Kunden noch erreichen will, muß er sich beeilen. Er startet den Motor. »Diese Frauen«, denkt er, »- eine blöder als die andere«, und er fragt sich im Ernst, was sie nur angestellt hätte, wenn er nicht gleich zur Stelle gewesen wäre. Er fährt, ganz gegen seine Gewohnheit, unvorsichtig schnell, um die Verspätung wieder aufzuholen. Nach einer Weile fängt er an, leise vor sich hinzusummen.
Auf eine gewisse Art ist er glücklich.
Die meisten Männer hätten sich in der gleichen Situation gleich verhalten, die meisten Frauen ebenso: Die Frau läßt den Mann – nur aufgrund der Tatsache, daß er ein Mann ist und sie etwas ganz anderes, nämlich eine Frau – bedenkenlos für sich arbeiten, wann immer es eine Gelegenheit gibt. Mehr als auf die Hilfe eines Mannes zu warten, hätte diese Frau nicht unternehmen können, hat sie doch nichts weiter gelernt, als daß man bei einer Autopanne einen Mann mit der Reparatur beauftragt. Der Mann hingegen, der für einen ihm völlig fremden Menschen eine Dienstleistung rasch, fachkundig und kostenlos erledigt, seine Kleider ruiniert, den Abschluß eines Geschäfts in Frage stellt und sich am Ende noch durch überhöhte Geschwindigkeit in Gefahr bringt, hätte außer dem Radwechsel noch ein Dutzend anderer Defekte an dem Auto beheben können und hätte es auch getan, denn dafür hat er es ja gelernt. Und warum soll sich eine Frau mit Reparaturen befassen, wenn die Hälfte der Menschen – die Männer – das so gut kann und auch bereit ist, ihr Können der anderen Hälfte zur Verfügung zu stellen?
Die Frauen lassen die Männer für sich arbeiten, für sich denken, für sich Verantwortung tragen. Die Frauen beuten die Männer aus. Aber die Männer sind stark, intelligent, phantasievoll, die Frauen schwach, dumm und phantasielos. Warum werden trotzdem die Männer von den Frauen ausgebeutet und nicht umgekehrt?
Sind Kraft, Intelligenz und Phantasie am Ende gar nicht Voraussetzungen für Macht, sondern für Unterwerfung? Wird die Welt nicht von Könnern regiert, sondern von denen, die zu nichts anderem taugen: von Frauen? Und wenn es so ist – wie bringen es die Frauen dann fertig, daß ihre Opfer sich nicht betrogen und gedemütigt vorkommen, sondern als das, was sie am wenigsten sind – als die Herren? Wie geben sie ihnen dieses Gefühl des Glücks, wenn sie für sie arbeiten, dieses Bewußtsein des Stolzes und der Überlegenheit, das sie zu immer noch größeren Leistungen anspornt?
Warum werden die Frauen nicht entlarvt?
Und aus einem späteren Kapitel:
Damit der Mann in seiner Freude an der Unterwerfung sich aber auch tatsächlich der Frau unterwirft und nicht etwa anderen Männern, einer Tierart oder einem der erwähnten Systeme, hat sie in sein Leben eine Reihe von Dressurakten eingebaut, mit deren Einstudierung sie frühzeitig beginnt. Dabei kommt es ihr zustatten, daß er ihr gerade dann am meisten ausgeliefert ist, wenn er sich am leichtesten dressieren läßt: als Kind. Und durch die natürliche Selektion reproduzieren sich gerade jene Frauen, die zur Dressur des Mannes am besten geeignet sind – die anderen können sich ja ohnehin nicht reproduzieren.
Allein die Tatsache, daß der Mann von Anfang an daran gewöhnt ist, eine Frau um sich zu haben, ihre Gegenwart als »normal« zu empfinden und ihre Abwesenheit als »anormal«, würde genügen, ihn später in einer gewissen Weise von ihr abhängig zu machen. Doch diese Abhängigkeit wäre nicht gravierend, denn ein Leben ohne Frau käme in diesem Fall dann lediglich einem Milieuwechsel gleich. Wer im Gebirge aufgewachsen ist und später im Flachland wohnt, wird sich vielleicht ewig nach dem Gebirge sehnen, aber deshalb wird er noch lange nicht dorthin zurückkehren. Es gibt wichtigeres.
Es läge auch nicht im Interesse der Frau, im Mann nur so eine romantische, untergeordnete Sehnsucht nach Art des Heimwehs zu erzeugen, die nur sonntags und in der Entfernung spürbar ist und zu keinen Konsequenzen führt. Wichtig ist für sie, daß sie den Mann direkt zur Arbeit erzieht und dazu, daß er ihr alle Früchte dieser Arbeit zur Verfügung stellt. Sie wird deshalb in erster Linie versuchen, eine Reihe von Reflexen bei ihm zu bedingen, die ihn zur Produktion all jener materiellen Werte veranlassen, die sie braucht.
Das erreicht sie dadurch, daß sie ihn von seinem ersten Lebensjahr an nur auf ihre eigene Wertskala dressiert. Damit bringt sie ihn so weit, daß er zum Schluß seinen Wert mit seiner Nützlichkeit für sie gleichsetzt und sich nur wohl fühlt, wenn er in ihrem Sinne wertvoll ist, das heißt, etwas für sie Wertvolles produziert.
Die Frau selbst wird ihm dabei zu einer Art Skala, an der er zu jedem Zeitpunkt Wert oder Unwert einer bestimmten Tätigkeit ablesen kann. Und wenn er etwas tut, was nach dieser Skala wertlos ist – etwa Fußballspielen -, wird er versuchen, dieses Minus so rasch wie möglich durch erhöhte Aktivität auf einem von der Skala anerkannten Gebiet wettzumachen (aus diesem Grund werden etwa Fußballspiele und andere Sportveranstaltungen bis zu einem gewissen Grad von den Frauen gern toleriert).
Von allen Dressurmethoden, deren sich die Frau bei der Erziehung des Mannes bedient, hat sich das Lob als die brauchbarste erwiesen: Es ist eine Methode, mit deren Anwendung man sehr früh beginnen kann und die noch bis ins hohe Alter ihre Wirksamkeit unvermindert beibehält (im Gegensatz etwa zur Dressur durch Sex, die nur über einen relativ kurzen Zeitraum praktikabel ist). Die Lobmethode ist so effektvoll, daß man bei richtiger Dosierung sogar auf ihren Antagonisten, den Tadel, verzichten kann: Jemand, der an Lob gewöhnt ist, wird sich ohne Lob bereits so vorkommen, als sei er getadelt worden. Dressur durch Lob hat zum Beispiel folgende Vorteile: Sie macht den Gelobten abhängig (damit das Lob etwas wert ist, muß es von einer höheren Instanz kommen, der Gelobte wird also den Lobenden zu einer höheren Instanz erheben); sie macht ihn süchtig (ohne Lob weiß er bald nicht mehr, ob er etwas wert ist
oder nicht, er verliert die Fähigkeit, sich mit sich selbst zu identifizieren); sie steigert seine Leistung (Lob wird zweckmäßig nicht immer wieder für die gleiche Leistung erteilt, sondern für eine jeweils höhere).
Sobald ein männlicher Säugling zum ersten Mal dafür gelobt wird, daß er seine Notdurft nicht im Bett verrichtet hat, sondern auf einem Töpfchen, wenn er ein gütiges Lächeln und ein paar jener bekannten munteridiotischen Redensarten als Lob für ein leergetrunkenes Fläschchen erkennt, tritt er in den Teufelskreis.
Um wieder in den Genuß des lustvollen Gelobtwerdens zu kommen, wird er bei nächster Gelegenheit genau das zu wiederholen versuchen, was dieses Gefühl hervorgerufen hat. Bleibt das Lob eines Tages aus, ist er unglücklich und tut alles, worin er auch nur die geringste Chance sieht, jenes Glück, nach dem er süchtig geworden ist, aufs neue zu erlangen.
Natürlich ist auch der weibliche Säugling Dressurakten ausgeliefert; während der ersten beiden Lebensjahre macht die Frau kaum einen Unterschied zwischen den Geschlechtern ihrer Kinder. Aber die Dressur bricht beim Mädchen ab, sobald es die Regeln der Hygiene gelernt hat: Die Wege trennen sich, und je weiter die Erziehung fortschreitet, desto mehr wird das kleine Mädchen zur Ausbeuterin erzogen, der kleine Junge zum auszubeutenden Objekt.
Ein wichtiges Mittel dazu ist das Kinderspielzeug. Indem sie den Spieltrieb ihrer kleinen Kinder zuerst fördert und dann ausnützt, lenkt die Frau wie zufällig in die gewünschte Richtung. Dem kleinen Mädchen gibt sie Puppen und Puppenaccessoires: Wagen, Bettchen, Miniaturgeschirr; dem kleinen Jungen alles, was das Mädchen nicht bekommt: Baukästen, Modelle von elektrischen Eisenbahnen, Rennwagen, Flugzeugen.
So erhält das weibliche Kind früh Gelegenheit, sich mit seiner Mutter zu identifizieren, die Rolle der Frau zu) erlernen: Es überträgt deren Dressursysteme auf die Puppen, lobt und tadelt, wie es selbst gelobt und
getadelt wird, lernt spielerisch die Grundgesetze der Menschenführung. Und weil auch das kleine Mädchen auf Lob angewiesen ist, dieses Lob aber nur für Identifikationen mit der Frauenrolle bekommt, wird es auch später nichts anderes sein wollen als »weiblich«. Seine maßgebende Instanz werden deshalb immer Frauen sein, nie Männer, weil nur Frauen beurteilen können, wie gut es diese Rolle spielt (den Männern wird gelehrt, die Frauenrolle sei minderwertig, sie kommen daher als Lobredner nicht in Frage).
Dem männlichen Kind wird für alles applaudiert, nur nicht für das Spiel mit Miniaturmenschen. Es baut Modelle von Schleusen, Brücken, Kanälen, zerlegt aus Neugier Spielzeugautos, feuert Schüsse aus Spielzeugpistolen und übt so alles, was es später zum Unterhalt der Frau einmal brauchen wird. Wenn ein kleiner Junge ins Schulalter kommt, kennt er bereits die Grundgesetze der Mechanik, Biologie, Elektrotechnik aus eigener Erfahrung, er kann Hütten aus Brettern bauen und in Kriegsspielen verteidigen. Je mehr eigene Initiative er dabei entwickelt, desto sicherer erntet er Lob. Die Frau ist ja daran interessiert, daß er bald mehr weiß als sie – sie selbst könnte sich mit ihren Kenntnissen in einer Welt ohne Männer kaum am Leben erhalten -und daß er sich in allem, was Arbeit betrifft, ganz von ihr unabhängig macht. Der Mann ist für sie zwar eine Maschine, aber keine gewöhnliche: Eine solche müßte ja von ihr fachkundig bedient oder zumindest programmiert werden. Wenn eine Frau wüßte, was das ist, würde sie ihn als eine Art Roboter mit Bewußtsein bezeichnen, der fähig ist, sich selbst zu programmieren (und daher, sich weiterzuentwickeln) und sich jeder neuen Situation mit neuem Programm ideal anzupassen (auch die Wissenschaftler arbeiten an der Entwicklung solcher Roboter, die für sie arbeiten, entscheiden und denken und ihnen die Früchte ihrer Aktivität zur Verfügung stellen – freilich Roboter aus unbelebter Materie).
So ist der Mann, noch bevor er sich für die eine oder andere Lebensweise selbständig entscheiden könnte, derart süchtig geworden nach Lob, daß er sich nur noch bei solchen Tätigkeiten wohl fühlt, für die ihm jemand Beifall zollt. Und er wird, weil er süchtig ist, immer mehr Beifall brauchen und daher immer größere Leistungen in der von der Frau gewünschten Richtung vollbringen müssen. Natürlich könnte der Beifall im Prinzip auch von einem Mann kommen, aber die Männer sind – aus eben diesen Gründen – ununterbrochen beschäftigt und stehen gegeneinander in feindseliger Konkurrenz. Deshalb holt sich ein Mann, ’sobald er es sich leisten kann, seinen eigenen, exklusiven Lobredner ins Haus: jemand, den er jederzeit fragen kann, ob er gut und brav war oder nicht, und wie gut und wie brav er war. Die Frau ist, scheinbar zufällig, für diese Rolle die ideale Besetzung – aber sie hat ja alles so inszeniert und nur darauf gewartet, sie zu übernehmen.
Nur selten gelingt es einem Mann – einem erfolgreichen Künstler oder Wissenschaftler etwa – diesen Bann zu brechen und seinen dringend benötigten Beifall auch von Männern zu beziehen. So macht er sich zwar
von den Frauen unabhängig, aber nie von der Sucht nach Beifall selbst. Der Beweis dafür ist, daß ein Mann, der auf einem bestimmten Gebiet erfolgreich war und daher auch materiell gesichert ist, sich nie freiwillig in ein anderes begibt, um dort seine Fähigkeiten zu erproben und seine Neugier zu befriedigen.
In der Regel arbeitet er – wie zum Beispiel Mirö mit seiner Strichpunkt-Technik, Strauß mit seinen Walzern, oder Tennessee Williams mit seinen Frauendramen – immer auf dem Terrain, auf dem er schon einmal Lob geerntet hat. Er scheut das Risiko, sein eigener Maßstab zu sein.
Der Verdacht, daß der sogenannte »persönliche« Stil eines Künstlers nichts Positives ist, liegt sehr nah. Ein Autor wie Beckett etwa, der im Lauf von zwanzig Jahren immer GoJot-Varianten produziert, tut das nicht aus Vergnügen (dafür ist er zu intelligent). Er scheut – lobsüchtig – das Risiko wie eine Entziehungskur.
Könnte er sich doch von seiner konditionierten Verhaltensweise lösen! Längst hätte er etwas anderes gemacht, vielleicht Flugzeuge konstruiert (die zuverlässige Mechanik seiner Stücke läßt auf technische Begabung schließen), seltene Pflanzen gezüchtet oder zumindest einmal eine Komödie geschrieben (soviel Erfolg verprellt bestimmt die beste Verzweiflung). Vielleicht eine Komödie, in der eine Frau bis zur Taille in einem Erdhügel steckt und nach ihrer Zahnbürste sucht, wie in »Glückliche Tage«. Vielleicht hätte er damit sogar Erfolg beim Publikum. Aber ein solches Experiment wäre für einen nach dem Leistungsprinzip dressierten Mann natürlich zu riskant. Deshalb schreibt einer wie Beckett lieber weiterhin dramatisch über die Absurdität des Lebenstriebes: denn dafür ist ihm Lob sicher
Für mich klingt es so als würde sie gut als Umkehrung der feministischen Theorien funktionieren und es erlauben, diesen den Spiegel vorzuhalten.
Ernstgenommen leidet sie hingegen an den gleichen Fehlern, den auch die feministischen Theorien haben: Eine viel zu starke Einseitigkeit und ein zu negativer Blick auf Frauen.
Anmerkung:
Beim Schreiben dieses Artikels dachte ich noch, dass ich bisher noch keinen Artikel dazu hatte. Als ich ihn geschrieben hatte überkamen mich Zweifel und tatsächlich habe ich schon zwei Artikel dazu:
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