Ein interessantes Interview mit Kristina Lunz, die als Feministin Mitgründerin des „Centre for Feminist Foreign Policy“ ist.
ZDFheute: In den regionalen Gremien sehen wir sehr wenig Frauen, im bislang nominierten Kabinett der künftigen Regierung sind es dagegen 50 Prozent. Wie kommt es zu dieser Diskrepanz?
Kristina Lunz: Ich komme aus einem Dorf mit 80 Einwohnern. In der Gemeinde sind alle Machtpositionen von Männern besetzt.
Die Diskussionen, die wir in Berlin über
Gleichberechtigung führen, haben dort keine Relevanz. Im politischen Berlin ist der Druck dagegen größer, Frauen höhere Ämter zu geben. Es gibt in größeren Städten keine Akzeptanz mehr dafür, Frauen von Ämtern fernzuhalten.
Das Land ist üblicherweise konservativer. Allerdings sind in größeren Einheiten letztendlich auch einfach mehr Frauen vorhanden, was dazu führen kann, dass auch eine kleinere Auswahl ausreicht um Kandidatinnen zu haben, die Posten wollen.
ZDFheute: Leben wir noch immer in Strukturen, in denen Männer Frauen die politische Karriere erlauben müssen?
Lunz: Von vielen politisch marginalisierten Gruppen wird oft Dankbarkeit erwartet, wenn sich etwas ändert. Aber tatsächlich entspricht es der Expertise der Frauen, die Ämter zu bekleiden, in denen sie sind. Nur wird die Expertise von Frauen nicht in gleichem Maß anerkannt wie bei Männern. Deshalb kann es durchaus sein, dass sie in ihre Position gebracht werden müssen. Ich bin aber kein Fan davon, dem mit Dankbarkeit zu begegnen.
Das sind ziemlich viele Annahmen. Einmal die Annahme, dass die Frauen steht die tatsächliche Expertise haben, die Ämter zu bekleiden (und anscheinend im höheren Maße als die Männer, die auch für die Posten kandidieren). Die Expertise wird dann nicht anerkannt. Und die die ihre Expertise nicht anerkennen, bringen sie dann anscheinend trotzdem in die Positionen, obwohl sie meinen, dass sie keine Expertise haben.
Und was sie anscheinend auch nicht versteht, ist, dass Politik über Beziehungen läuft und die, die einen in gute Positionen bringen können, immer davon ausgehen, dass man sich bewusst ist, was man ihnen geholfen hat. Und das dann eine Hand die andere wäscht.
Und auch wenn wir künftig
35 Prozent Frauenanteil im Bundestag haben: Diese Frauen werden massiv bekämpft. Ihre Daseinsberechtigung im Amt wird attackiert, ihre Fähigkeiten werden ihnen abgesprochen und sie werden belächelt. Die Widerstände gegen Frauen sind noch immer sehr stark.
Gerade werden Abschiedsreden auf Merkel gehalten, aber klar allen Frauen wird ihre Existenzberechtigung abgesprochen. Dabei sollten doch alle – anscheinend parteiübergreifend – die Frauen toll finden. Das Politiker (m/w) Kritik ausgesetzt sind hat man ja auch abseits von Politikerinnen noch nie gehört.
ZDFheute: Wie sehen diese Widerstände aus?
Lunz: Die Geschichte des Patriarchats war es, Frauen im Häuslichen zu halten. Sie durften nicht wählen, nur mit Erlaubnis des Ehemannes arbeiten. Die Geschichte des Feminismus ist es, aus diesen Strukturen auszubrechen. Um das zu verhindern, wird schon der Versuch oft delegitimiert und sanktioniert. Dies soll die patriarchale Ordnung aufrechterhalten.
Da hatte ich was zu:
Die Frauen im Häuslichen zu halten hatte zunächst erst einmal mit den Kindern zu tun. Und natürlich war es auch ein Privileg, welches viele Frauen energisch verteidigt haben, die sehr zufrieden damit waren, dass sie einen Mann erwischt hatten, der ihnen ermöglichte nicht arbeiten zu müssen. Am besten natürlich wenn es auch noch für Bedienstete reichte, die auch im Haushalt die Arbeit erledigten.
Und ich habe volles Verständnis für den Feminismus, der Frauen – auch gegen den Widerstand anderer Frauen und mit Unterstützung vieler Männer – ermöglichte tatsächlich gleichberechtigt zu sein und den Beruf auszuüben, den sie wollten.
Aber auch schön, dass sie da einfach mal als Antwort, was denn konkret gegen die Politikerinnen gemacht wird, ins vollkommen abstrakte und die Geschichte abgleitet.
Je selbstbewusster eine Frau im öffentlichen Raum auftritt, desto stärker die Widerstände. Heute sind es Hass und Gewalt im Internet, mit der Frauen angegriffen werden.
- Laschet: 77%
- Baerbock: 14,5%
- Scholz: 8,4%
Wie man sieht hat Laschet einen vollkommen unwesentlichen Anteil von nur 77% des Hasses, während Baerbock den allermeisten Hass auf sich zieht, nur weil sie eine Frau ist.
ZDFheute: Wie gehen Sie mit diesem Hass um?
Lunz: Während meiner ersten öffentlichen Kampagne bekam ich zahlreiche Drohungen von Gewalt und Vergewaltigungen, auch meine Familie wurde bedroht. Mir hat es geholfen, zu verstehen, dass diese Drohungen nichts mit mir persönlich zu tun haben. Es geht darum, dass dem Versuch von Frauen, das Häusliche zu verlassen und sich zu engagieren, noch immer mit Gewalt begegnet wird. Ich habe dann eine Trotzhaltung entwickelt: Jetzt erst recht.
Drohungen, gerade mit Gewalt, gehen natürlich gar nicht. Aber so konfrontativ wie sie klingt, kann ich mir auch vorstellen, dass sich viele ebenfalls angegriffen haben und dann natürlich auch Leute dabei sind, die übertreiben.
ZDFheute: Welche Strategien helfen Frauen, die in der Politik aufsteigen wollen?
Lunz: Es hilft, sich mit den Geschichten anderer Frauen zu beschäftigen. In der Schule und an den Hochschulen lernen wir nichts über die Geschichte des Patriarchats und nichts über die Frauen, die vor uns gekämpft haben. Aber es ist wichtig, dass junge Frauen diese Mechanismen verstehen.
Oder sie bringen sich richtig ein und engagieren sich in der Sache wobei sie gleichzeitig deutlich machen, dass sie bereit sind, für Posten zu kandidieren. Die „Geschichte des Patriarchats“ ist dabei wahrscheinlich wenig hilfreich.
Warum nur haben sich Leute mit ihr angelegt? Sie wirkt so sympathisch?
Hier können auch Coaching und psychologische Beratung helfen, sich zu wappnen. Die Anfeindungen werden immer kommen. Und je erfolgreicher und selbstwirksamer eine Frau ist, desto mehr Wucht werden diese Anfeindungen entwickeln. Ich wünsche mir, dass sie souverän weitergehen.
Das gewisse „Abhärtung“ und der Umgang mit Kritik wäre in der Tat etwas, was viele Frauen gut
ZDFheute: Welche Rolle spielen Netzwerke?
Lunz: Eine große. Ich habe mir für meine Arbeit ein Netzwerk von Frauen aufgebaut, die ähnliche Wege gehen und rate das auch anderen.
Mir wurden viele Türen geöffnet und ich kann Türen für andere Frauen öffnen. Umso mehr Frauen in machtvollen Positionen sind, desto angenehmer wird das Leben für uns und für die, die nach uns kommen wollen.
Aber für sie eben nur Netzwerke unter Frauen. Andere kennt sie anscheinend nicht.
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