Beim Autofahren höre ich momentan ganz gerne den Podcast „Evolution Talk„. Einer der Vorteile ist, dass er schon eine ganze Zeit läuft und ich also viel Material zum hören habe. Ein Beitrag behandelte die „Kambrische Explosion“:
Als kambrische Explosion, kambrische Artenexplosion oder auch kambrische Radiation (vgl. Adaptive Radiation) wird das fast gleichzeitige erstmalige Vorkommen von Vertretern fast aller heutigen Tierstämme im geologisch winzigen Zeitraum von 5 bis 10 Millionen Jahren zu Beginn des Kambriums vor etwa 541 Millionen Jahren bezeichnet. Die grundlegenden Körperbaupläne vieler mehrzelliger Tierstämme, die seitdem die Erde bevölkern, sind in Gesteinen dieser Epoche erstmals überliefert.
Das erste Auftreten von möglichen Vielzellern datiert man auf 2,1 Milliarden Jahre vor unserer Zeit (Gabonionta).[1][2] Wie alle anderen Fossilien vor dem Mesoproterozoikum handelt es sich um schwer interpretierbare, zellkolonie-artige Bildungen ohne sicheren Bezug zu späteren Organismen. Erste Fossilien, die mit einiger Überzeugung morphologisch als Makroalgen ansprechbar sind, sind die etwa 1,2 Milliarden Jahre alte Bangiomorpha (möglicherweise eine Rotalge) und die etwa 800 Millionen Jahre alte Proterocladus (vermutlich eine Grünalge aus den Chlorophyta).[3] Wann genau erste vielzellige Tiere (Metazoa) auftraten, ist stark umstritten. Aus Erbgut-Vergleichen heutiger Tierarten mit den Methoden der molekularen Uhr ergeben sich z. T. sehr frühe Zeitpunkte für letzte gemeinsame Vorfahren vieler Tierstämme, ohne dass man aus diesen Epochen Fossilien fand.[4] Eine Annahme ist, dass erste Vielzeller klein waren und weder ein Skelett noch andere Hartteile besaßen, so dass ihre fossile Überlieferung unwahrscheinlich wäre.
Aus den Erdzeitaltern vor dem Kambrium sind wesentlich weniger Fossilien bekannt als aus den Zeiten danach, so dass der gesamte Zeitraum von der Entstehung der Erde (vor grob abgeschätzt ca. 4,5 Milliarden Jahren) bis zur kambrischen Explosion vor 541 Millionen Jahren Präkambrium genannt wird.[5]
Eine der Erklärungen dafür, dass da so plötzlich eine ganz gewaltige Entwicklung eingetreten ist, ist ein „Biologisches Wettrüsten“. Diese wurde auch in dem Podcast diskutiert.
Dazu aus der Wikipedia:
Biologisches „Wettrüsten“
Nach dieser Hypothese war es das Auftreten der ersten komplexen Vielzeller selbst, das die Entwicklung in Gang brachte. Die ersten Vielzeller hätten demnach nur sehr geringe adaptive Vorteile gehabt. Waren aber in einer langsamen Entwicklung daraus erst einmal bewegliche Tiere, möglicherweise mit räuberischer Ernährung, entstanden, stellten sie einen tiefgreifenden Selektionsfaktor dar. Schalen und Skelette könnten dann als Schutzmechanismus gegen Prädation entstanden sein.[15] Die Entstehung von Tieren mit grabender und wühlender Lebensweise war ebenfalls ein Schlüsselereignis. Sie zerstörte vermutlich die stabilen mikrobiellen Matten, die vorher den Ozeanboden bedeckten, und schuf dort vollkommen neue ökologische Bedingungen.[16]
Ein „biologisches Wettrennen“ wird nach der Figur der „Roten Königin“ aus Alice im Wunderland auch gerne als Red Queen Race bezeichnet: Die Könige läuft auf der Stelle, um überhaupt diese Position halten zu können.
Das passt zu der Situation vieler Lebewesen, die ständig sich an die Umwelt anpassen müssen: Wenn der Fuchs schneller wird, dann muss auch der Hase schneller werden oder bessere Haken schlagen können, sonst hat er das nachsehen.
Jetzt muss man sich die Situation im Kambrium so vorstellen, dass die meisten Mehrzeller recht friedfertig waren und stationär an Felsen saßen um dort Nährstoffe aus dem Wasser zu fischen. Ein paar mögen dann erste Formen der Bewegung entwickelt haben, um zu besseren Orten zu kommen. Bei anderen mögen sich Extremitäten im weiteren Sinne entwickelt haben, mit denen man sich besser an einem Platz verankern konnte. Vielleicht irgendwann Greifmechanismen zu dem gleichen Zweck. Irgendwer hat dann vielleicht für bestimmte Nahrungsmittel Saug- oder Kauwerkzeuge entwickelt und irgendwann war eines dieser Mehrteilertierchen so weit, dass es nicht mehr Nahrung aus dem Wasser gefiltert hat, sondern sich an seinem Nachbarn bedient hat.
Um die kleinen Lebenwesen der damaligen Zeit mal etwas zu andromorphieren:
Was für ein Schrecken muss es damals gewesen sein, die mordlustigen neuen Fleischfresser-Mehrteiler fallen über die friedlich weidenen Mehrteiler her und diese haben nichts entgegenzusetzen. Daraus entsteht natürlich ein sehr sehr hoher Evolutiondruck. Es bieten sich alle Formen der Mutation an: Panzer/Schalen werden plötzlich sehr attraktiv, die Möglichkeit zu fliehen ebenfalls, was natürlich gleichzeitig Werkzeuge, die Panzer und Schalen knacken interessanter machen und genau so Möglichkeiten zu verfolgen.
Gleichzeitig bieten Selektionen, die ganz vorne anfangen, natürlich auch noch weitaus mehr Raum für größere Entwicklungsschritte: Wer noch gar keinen Panzer hat, der kann recht schnell eine gewisse Masse an Panzer zulegen, wer bereits einen großen Panzer hat, der kommt an die Grenzen, bei denen eine weitere Verstärkung des Panzers zu viel kostet. Und natürlich bieten sich auch noch mehr neue Richtungen: Ein Tier, dass bisher auf Masse und eine dicke Haut gesetzt hat wie etwa ein Nashorn, hat einen einfacheren Weg dahin, noch etwas massiger zu werden und eine dickere Haut zu bekommen als zu einer Gazelle zu werden, die auf Flucht und Schnelligkeit setzt. Dagegen waren bei den damaligen Tieren noch alle Richtungen offen, so dass es wenig verwundert, dass wir eine Artenvielfalt und die Entwicklung ganz neuer Wege sehen.
Natürlich gibt es noch andere, etwas weniger aufregende Thesen, wie die Wikipedia zu berichten weiß:
Andere Hypothesen gehen davon aus, dass das Entstehen höherer Vielzeller zu einem früheren Zeitpunkt unmöglich gewesen wäre, weil die Lebensbedingungen in den Ozeanen ihre frühere Entwicklung nicht zuließ. Demnach hätten sich die präkambrischen Meere in irgendeinem Schlüsselfaktor von den heutigen Meeren unterschieden. Die verbreitetste Hypothese nimmt an, dass der Sauerstoffgehalt im Meer erst zu diesem Zeitpunkt ein für höheres Leben ausreichendes Niveau erreichte.[17][18] Neuere Hypothesen weisen auf die mögliche Bedeutung zu hoher Temperaturen oder Salzgehalte im Ozean hin, beides Faktoren, die auch den Sauerstoffgehalt entscheidend beeinflussen können.[19] Schließlich wird auch über einen Einfluss des Calciumgehalts im Meerwasser nachgedacht.[20] Dieser Hypothese zufolge wären die Schalen und Skelette zunächst so etwas wie Abfallprodukte gewesen, um überschüssiges Calcium auszuscheiden.
Eine weitere aus der geologischen Erforschung von Gesteinen aus dem ausgehenden Präkambrium bekannte Tatsache ist, dass damals sehr starke Eiszeiten auftraten. Viele Forscher interpretieren die Befunde so, dass so gut wie der gesamte Erdball, einschließlich der Meere, eisbedeckt war. Als „Schneeball Erde“ werden die Sturtische Vereisung und die darauf folgende Marinoische Eiszeit bezeichnet. Man nimmt an, dass das Auseinanderbrechen des Superkontinents Rodinia viel Flutbasalt freisetzte, dessen Verwitterung der Atmosphäre sehr viel Kohlendioxid entzog. Der dadurch reduzierte Treibhauseffekt führte zur Sturtischen Vereisung
Sauerstoffgehalt ist natürlich etwas langweilig. Ein Disneyfilm über die armen Tiere, die auf die ersten Raubtiere der Welt stoßen, würde sicherlich mehr Zuschauer anziehen.