Auf dem Blog der „Kleinen Feministin“ fand ich etwas vergleichsweise ungewöhnliches: Einen feministischen Text, der sich vergleichsweise unkritisch zu Pickup äußert:
Ein Aufhänger des Artikels ist Julien Blanc, wobei ich andere Passagen interessanter fand und hier selektiv zitiere. Insofern für den ganze Text den verlinkten Artikel lesen.
Die Pickup-Szene wird schnell vorverurteilt: Frauenhasser, die jedes weibliche Wesen bis in die Haarspitzen zu erschüttern versuchen. Je schöner sie ist, desto tiefer soll sie fallen.
Kennen wir alles. Kenne ICH alles. Ich habe mich lange genug mit dem Konzept bzw. der Subkultur (und ich finde schon, dass die PUAs so bezeichnet werden dürfen) befasst, um auch sagen zu können: Juliens Mainstream-Botschaften orientieren sich durch und durch an THE GAME von Neil Strauss. Er war es, der als nerdiger Journalist die PUA-Szene eroberte und mit seinem Bestseller ein Zeichen setzte.
„The Game“ hat Pickup sicherlich wesentlich bekannter gemacht, es aus der reinen Internetforenszene herausgeholt und insofern wesentlich zu der Verbreitung beigetragen. Vorher war es eher etwas für „Insider“ (Oder eben Leute die irgendwie über die passenden Foren oder eine lokale Szene gestolpert sind). Mein erster Kontakt war auch ein Bericht über Neil Strauss.
Aber nicht für Frauenhass. Nein, für einen Blickwinkelwechsel auf die scheinbar harten und unnahbaren PUAs. All sie waren und sind es manchmal immer noch, verletzliche zarte Blümchen, die von der Einen oder Anderen oder ihnen Allen etwas hart fallen gelassen wurden. Herzen wurden gebrochen, Hoffnungen zerstört. Ventile, die wir für die Verarbeitung finden, können sich unterscheiden, nicht wahr? Das heißt nicht, dass wir anfangen sollten, einander gegenseitig in den Boden zu trampeln. Und: nicht jeder PUA ist von Frauen auseinander genommen worden.
Manche versuchen ihre Liebe zu finden. Ihre – also die eine lebenslange, seelenverwandte Liebe. Ich denke mir das nicht aus – alles Originalvokabular aus den teils psychologisch, evolutionistisch oder soziologisch angereicherten Theorieansätzen der Subkultur-Jungs (meistens Jungs zumindest).
Ja, es ist durchaus nicht unverbreitet innerhalb der Szene. Mystery hatte zB in diversen Vorträgen so etwas angeführt „Klar, erst einmal will man sich die Hörner abstoßen, aber irgendwann sollte man nicht mehr auf Masse, sondern auf Qualität achten und mit einer tollen Frau etwas dauerhaftes anfangen“. Aber sehr viele wollen natürlich auch „Aufreißer“ sein, gerade der harte Kern derjenigen, die wirklich einfach viele Frauen auf der Straße ansprechen. Den meisten Männern wird das schon zu extrem sein und sie sind froh, wenn es mit Frauen besser klappt um dann bei einer Freundin zu landen.
(…)
Meine Gründe sind teils untermauert durch meine leichte Pro-Neigung und nicht die totale Ablehnung der PUAs. Clarisse Thorne schrieb das Buch „Confessions of a Pickup-Artist Chaser“, in der SIE, die Feministin, die PUAs „jagt“. Sie trifft viele der Großen und führt sehr offensive und durchaus feministisch zu vereinbarende Gespräche. Sex-positiv ist wahrscheinlich der gemeinsame Nenner, den Clarisse mit den PUAs findet.
Auch THE GAME lese ich gern. Es gibt dort so viel zu entdecken: menschliche Ups und Downs, Liebe, Hass und Intrigen. Geschlechterstudien at their best. Ich bin durchaus in der Lage misogyne Passagen reflektiert zu lesen und sie zu deuten. Den Frauenhass per se habe ich nie allein stehen sehen.
The Game ist ein leicht lesbares Buch, weniger technisch, die Konzepte sind eher angeschnitten und es ist nicht das richtige, um vertiefte Pickupkenntnisse zu erwerben, aber in der Tat eine gute Einführung in die Szene. Es beleuchtet auch etwa Mysterys Depressionen und das ihm der diesbezügliche Lifestyle irgendwann zu viel wurde. Er endet ebenfalls damit, dass das nichts für lange Zeit ist und man aber gut die Flirttechniken auch in ein normaleres Leben mitnehmen kann.
Auch Julien ist – abgesehen von seinen ab und an entgleisenden Aussagen und Schemata – ist aktivistisch unterwegs. Er ermutigt schüchterne, enttäuschte und unwissende Männer, auf Frauen zuzugehen, sie anzusprechen und Selbstbewusstsein zu tanken. JA, es geschieht manchmal auf etwas aggressive Weise und JA, er sieht sich als DEN BESTEN überhaupt (anders würden nicht so viele zu seinen Vorstellungen kommen). Das PUA-Geschäft lebt nun einmal davon, dass „Erfolge“ offen präsentiert werden.
Das ist ihre Besprechung von Julien Blanc sogar positiver als meine. Ich hatte aber auch angeführt, dass er neben einigen sehr offensiven Taktiken und einem starken Dominanzansatz viel vollkommen harmloses und normales Material dabei ist.
Aber zur „Vergewaltigung“ hat er nicht aufgerufen. Und: Liebe, Ehe, Tradition spielen auch eine Rolle.
Jeder kann jedes mögliche Ziel verfolgen. Kinder und Familie gründen wollen und nicht jede Erstbeste auf der Straße in seine „Höhle“ schleppen. Evolution ist halt DAS TOP-Thema der PUAs.
Man Pickup lernen oder betreiben ohne sich jemals mit Evolutionstheorie beschäftigen. Aber die Schnittstellen sind auf jeden Fall dar. Beispielsweise hat David DeAngelo in seiner großen Interviewserie auch Geoffrey Miller, den Autoren des sehr lesenswerten Buches „The Mating Mind“, in dem es um sexuelle Selektion geht inverviewt (vgl auch zum Buch bzw hier hier hier und hier bzw zu dem Interview). Es wird bei ihm auch deutlich, dass er unglaublich viele Bücher aus dem Bereich gelesen hat, da er sie häufig zitiert.
Aber natürlich ist abgesehen davon die Evolution im weiteren Sinne, nämlich dem der eigenen Weiterentwicklung auch ein sehr großer Bereich dessen, was dort behandelt wird. Es geht gerade häufig darum, sein Leben in den Griff zu bekommen und ein Mann zu werden, der einen Selbstwert hat, der auf eigenen Beinen steht, der mit Stolz auf sich blicken kann (und deswegen auch für Frauen interessant ist). Es geht darum, sich etwas zu trauen, die Angst vor Frauen zu verlieren (etwa die Ansprechangst) oder die Angst vor Zurückweisung etc
Mit sprachlich-manipulativen Spielchen, wie dem NLP, versucht es auch Julien auf seine Anhänger Einfluss zu nehmen. Z.B. wiederholt er Phrasen und Wortfolgen in Videos und Vorträgen, unterstreicht Worte mit gezielter Gestik und rundet das perfekt-überzeugende Bild von sich als Meister ab. Ich mag ihn irgendwie. Ich finde ihn spannend, als Mensch, als Untersuchungsobjekt. Ich objektifiziere jetzt einfach mal auch.
Das ist ein interessanter Blick und ich begrüße es, dass jemand über das öffentlich gezeichnete Bild von Frauenhassern einfach mal die Sache etwas lockerer sieht.
Und seien wir ehrlich: Frauen werden auf jedem zweiten Plakat zum Sex-Objekt. Ihre Körper dienen als Projektionsfläche für Schokolade, Bier oder Hustenbonbon. In Küchen und Bädern des Möbelkatalogs sind hübsche Frauen ein Muss – am besten halbnackt und jung.
Glaubt man und frau da tatsächlich, dass die paar PUAs noch mehr am Selbstwert der Heute-Frauen rütteln können?
Auch ein guter Ansatz. Wobei die Frage ist, warum PUAs überhaupt am Selbstwertgefühl der Frauen rütteln sollten. Immerhin versuchen Männer so oder so mit ihnen zu schlafen bzw mit ihnen zu flirten. Mit jemanden, der es kann ist es allenfalls unterhaltsamer.
Viele Feminist*innen regen sich im Netz auf. Frauen schreiben verzweifelt, von einem PUA aufs Korn genommen worden zu sein. Nach der ersten Nacht war es vorbei. Die brutalen Aufrissmaschen würden traumatisieren…
Ich hatte hier in dem Artikel „Gründe, warum bestimmte Pickup-Techniken bei dir als Frau tatsächlich nicht wirken“ darauf hingewiesen, dass viele, die behaupten von einem PUA aufs Korn genommen worden zu sein, nichts schildern, was mit Pickup etwas zu tun hat. Und bei vielen Frauen kratzt Pickup natürlich auch an den „Weiblichen Grundüberzeugungen zum Flirten“
- Schönheit ist völlig subjektiv (liegt „im Auge des Betrachters“).
- Alle Frauen sind voneinander verschieden und einzigartig.
- Frauen sind nicht zu entschlüsseln; Mann kann Frauen nicht verstehen. Frauen sind ein Mysterium!
- Frauen haben durch Sex immer die Macht über heterosexuelle Männer.
Wenn jemand behauptet, dass es „Tricks“ gibt, die Frauen dazu verleiten mit Männern zu schlafen, dann ist sowohl die Einzigartigkeit in Gefahr, die Nichtentschlüsselbarkeit und das Mysterihm und die Macht. Das verärgert. Aber es hat auch einen Vorteil: Wenn es so ein System gibt, dann befreit es von der Verantwortung für Sex und man kann diese auf den fiesen Pickuper verlagern.
Ich mache mich nicht lustig. Ich bin nur ironisch. Natürlich fühle ich auch mit, mit all den herzgebrochenen Verlassenen, Betrogenen und Hintergangenen.
Aber dafür braucht es nicht immer einen Pickup-Artist. Das können auch „Normalos“. Und: ihr könnt das auch. Es ist eine Einbahnstraße, Gefühle zu verletzen und Träume zu zerstören. Denkt einmal zurück: gab es nicht schon mal den Kerl, der euch sehr gern hatte. Für euch war er nur Freund oder schlimmer – nicht einmal das?
In der Tat ist Herzenbrechen wahrhaftig nichts, was nur Männer machen (siehe auch: „Sex gibt Frauen macht über Männer“ von oben). Gerade Frauen haben Anziehung schon immer ausgenutzt um Vorteile für sich zu erhalten.
Am SCHLIMMSTEN ist für mich das allgemeine VICTIMIZING, das bei all dem vor sich geht.
1. Von Frauen, die sich über die PUAs und deren „Faxen“ beklagen und sich zu einem Opfer stilisieren.
2. Von Kritiker*innen, die die PUA-Maschen verteufeln und meinen, Frauen würden dadurch zu Objekten und persönlichkeitsleeren Gefäßen – sprich: zu passiven Opfern.
Man merkt schon, dass sie keine Mainstreamfeministin, insbesondere keine intersektionale Feministin ist, denn dort ist es ja sehr üblich davon auszugehen, dass Frauen passive Opfer sind und eine Opferhaltung ist Grundlage der gesamten Theorien.
Und genau dieses zu Opfern-machen, die Tat- und Ratlosigkeit von Frauen, ihre passive Art werden hier doch nur als Stereotype noch mehr bestätigt!
Wer sagt, dass SIE sich dem PUA hingeben muss? Wer sagt, dass ER sie zu etwas ZWINGT? Ja, etwas arrogant können die Jungs schon mal daherkommen. Und ja, sie können SIE ignorieren, sie mit „Spielchen“ in Schach halten und sozusagen nicht ruhig schlafen zu lassen – genau wie jeder Mann, jede Freundin, jede Schwester oder Mutter. Der ganz normale Sozial-Wahnsinn, der Alltag und das Leben.
Das ist mir durchaus sympathisch. Da verlangt sie nämlich von den Frauen Verantwortung zu übernehmen und sich nicht in eine passive Opferrolle zu begeben. Statt dessen: Eine selbstbewußte Frau sein. Ein weitaus besserer Feminismus als der leider vorherrschende.
Ich plädiere selbst für gegenseitigen Respekt, für Ehrlichkeit und Solidarität – transdisziplinär und –geschlechtlich. Vielleicht würden das nicht alle PUAs unterschreiben, aber durchaus einige.
In der Tat würden das einige unterschreiben. Gerade Style oder David DeAngelo haben zB immer einen respektvollen Ansatz vertreten. Styles Spruch dazu „Leave her better than you found her“. Eine exemplarische Diskussion dazu.
Und Mädels – wir sind doch nicht passiv?! Wir wissen doch, was wir wollen: ein Abenteuer ist auch mit einem PUA noch eins. Pickup-Artisterie ist eine „Pseudo-kunst“, die nichts gegen Euren Willen tut oder Euch willenlos. Ihr habt immer etwas zu sagen und wenn ihr schon mal was von solchen Männern gehört habt, dann reicht es auch, dass ihr es im Kopf behaltet.
In der Tat, es ist nicht darauf ausgerichtet Frauen willenlos zu machen, sondern dafür zu sorgen, dass sie einen als attraktiv wahrnehmen. Aber da sind wir wieder beim freien Willen und der Frage, was das eigentlich ist. Wenn wir jemanden attraktiv finden, dann handeln wir eben auch gerne entsprechend. Und für viele Frauen mag es ungewohnt sein, wenn ein Mann genau die passenden Knöpfe drückt. Männer haben in der Hinsicht vielleicht mehr Erfahrung, weil ihre „Knöpfe“ wesentlich leichter zu drücken sind dank eines im Schnitt wesentlich stärkeren Sexualtriebs und einer stärkeren Reaktion auf optische Reize. Auch da wird man nicht anführen dürfen, dass man willenlos ist.
Nicht jeder potenzielle „Pickupper“ ist gut und letzten Endes hat jeder auch eine Persönlichkeit, einen Charakter. Selbst der beste PUA-Guru wird nicht immer seinen „Kern“ verbergen können. Wen’s interessiert, kann sich mal mit Mystery’s Geschichte beschäftigen (Spoiler: wie ich schon sagte: zarte Blümchen).
Jedenfalls mal eine differenziertere Sicht auf die Sache.
Also:
Aktivismus JA!
Feminist*innen vereint JA!
Pickup-Hass als Antwort auf deren „Frauenhass“ naajaaa… es war noch nie gut, das eine Übel mit einem größeren ausmerzen zu wollen.
Bleibt immer noch einer der positivsten feministischen Artikel zu Pickup
Übrigens: Pickup-Artists können auch Feministen (-EN!) sein! Links, sex-positiv und frauen-hochachtungsvoll-liebend. Vielleicht schon mal zu sehr 😉 – Kategorien sind da, um infrage gestellt zu werden!
Ich halte es auch keineswegs für inkompatibel. Zumindest nicht mit einer weiteren Definition von Feminismus. Ich zB bin ja auch für die Gleichberechtigung von Frauen. Aber eben nicht für Gleichstellung im Sinne von „Equality of outcome“. Und natürlich werden viele aus dem Bereich auch die „sexuelle Befreiung der Frau“ unterstützen oder andere grundsätzlich feministische Punkte. Pickuper können vollkommen gegen sexuelle Belästigung und sexuelle Gewalt sein etc
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