Der Karottenskandal

Anscheinend hat Aldi ein neues Maskottchen, eine Mohrrübenfamilie. Was fällt dem geübten Blick sogleich auf?:

Eine große Karotte ohne lange Wimpern und mit einem normalen Mund, zwei kleine Karotten und eine Karotte mit langen Wimpern und einem geschminkten Mund. 

Es wird doch nicht?…. eine heterosexuelle CIS-Familie sein????? 

Natürlich könnte man hier, wenn man wollte so ziemliches alles reindeuten: Warum kann die rechte Karotte nicht ein Transkarotte sein, die früher eine weibliche Karotte war? Oder die linke ein Transvestit?

Aber so geht es natürlich nicht. Ein Virtue Signal wird verlangt und das bedeutet, dass es deutlich signalisiert werden muss, was genau diese Karotten (!) sind.

Aus einem Artikel:

Kai ist in einer Karotten-Familie aufgewachsen, die beinahe zu perfekt ist, um wahr zu sein. Wir zeigen dir, warum dieses Bild ziemlich problematisch ist. Das sind die Mitglieder der Familie inklusive der Erklärung, die Aldi zu ihnen gibt. Die folgenden Beschreibungen sind Zitate der Aldi-Webseite:

Kai: Kai liebt Weihnachten und seine Familie. Sein größter Wunsch: Dass es auch für alle anderen dieses Jahr ein besonderes Fest wird.

Karla: Was auch immer die Karotten-Familie als Nächstes plant, Karla macht es möglich. Die liebevolle Mama von Michel, Mia und Merle ist Kais ganz große Liebe.

Michel: Wenn Michel seine Karottennase nicht gerade in eines seiner Detektivbücher steckt, sorgt er gerne für Weihnachtsstimmung bei seiner Familie und den Nachbarn.

Mia: Die freche Mini-Karotte spielt ihrer Familie gerne lustige Streiche und kann es kaum noch erwarten, dass es endlich Weihnachten wird.

Merle: Die jüngste Mini-Kartotte liegt Musik, tanzen und ganz besonders Weihnachtsplätzchen. Egal, was ihre großen Geschwister tun, Merle möchte immer dabei sein.

Fürchterlich, wie da ein Supermarkt zu Weihnachten auf heile Welt macht und einfach so etwas fürchterliches wie ein Par mit Kindern für die Werbung verwendet.

Doch ist das eigentlich noch zeitgemäß?

Traditionelle Rollenbilder einer „klassischen“ Familie gehören nach Ansicht vieler Menschen aus den jüngeren Generationen in die Vergangenheit. Heute wissen wir darum, dass es ganz normal ist, dass Ehen zwischen zwei Elternteilen scheitern können. In Deutschland werden gut 38 % der Ehen wieder geschieden. Gleichzeitig steigt die Anzahl der Patchwork-Familien in Deutschland an. Laut Apomio sind es 7 bis 13 %.

Wie viele Kinder haben die Deutschen eigentlich im Schnitt? Sind es drei Sprösslinge wie es die Aldi-Familie, oder sind es weniger? Ein paar Zahlen helfen uns da weiter. Im Jahr 2019 hatte über die Hälfte der deutschen Eltern (51,2 %) nur ein Kind. Zwei Kinder hatten gut ein Drittel der Haushalte bekommen (36,5 %). Familien mit drei Kindern gab es noch weniger, sie lagen bei gut 9,4 %.

Eine Ehe zwischen Kai und Karla deutet auf eine heterosexuelle Beziehung hin. Das sehen wir nicht nur an den traditionell männlichen (Kai) und weiblichen (Karla) Namen. Wir sehen es auch an den Pronomen „sie“ und „er“, die Aldi zur Beschreibung der Familie nutzt.

Auch das passt in ein traditionelles Rollenbild und wird hier reproduziert. Heterosexuelle Beziehungen sind die Norm. Beinahe bei 85% der Gesamtbevölkerung sind heterosexuell.

Queere Menschen machen also einen Anteil von gut 15% der Gesamtbevölkerung aus. Das ist beinahe jeder sechste Mensch. Meiner Meinung nach Grund genug, um sie auch mal in den Vordergrund zu stellen.

Aldi-Familie: Hier liegt die verpasste Chance

Das zeigt nicht, dass heterosexuelle Paare und traditionelle Eheleute nicht mehr in der Werbung gezeigt werden sollten. Familien mit Mama, Papa und drei Kindern sind wunderbar anzusehen. Doch sie sind nicht die einzigen Familien, die es gibt. Die hier aufgeführten Zahlen zeigen lediglich, dass auch „andere“ Familien ihren Platz in der Werbung und der Öffentlichkeit verdient haben.

Die Aldi-Maskottchen-Familie wird besonders liebevoll beschrieben. Allerdings sollten wir uns immer darüber im Klaren sein, dass das nicht für alle gilt. Keine Familie ist perfekt, kein Kind ist ideal erzogen, Scheidungen sind etwas ganz Normales und queere Menschen machen einen hohen Prozentsatz der Menschheit aus.

Für Karotten ist Heirat und Kinder beklommen äußert ungewöhnlich. In der Karottenwelt sind sie eindeutig die Außenseiter. Vielleicht beruhigt das diejenigen, die das gewöhliche aufregt.

Dennoch immer wieder erstaunlich. Die Werbung enthält ja keinen Angriff auf andere Lebensformen. Sie zeigt etwas sehr typisches und vermutlich auch eine Gruppe, die eine idealisierte Lebensform für viele ist: Eine funktionierende Beziehung mit Kindern. Das ist ja noch nicht mal auf heterosexuelle Paare beschränkt. Es dürfte auch eine Gruppe sein, die eben zu Weihnachten lukrativ ist. Gerade für Familienfeste wird eben viel ausgegeben.