n Baden-Württemberg gibt es gerade eine interessante Diskussion zum „Gendern“
(auch schon Thema gewesen bei Genderama)
Beim SWR findet sich eine aus meiner Sicht ganz gute Aufstellung von verschiedenen Stellungnahmen:
Die Kultusministerin Schopper (Grüne)
„Es ist gut, wenn Schülerinnen und Schüler in der Schule für geschlechtergerechte Sprache sensibilisiert werden, und das Thema Geschlechtergerechtigkeit ist ja auch im Bildungsplan verankert“, sagte Kultusministerin Schopper. Deswegen sollen die Schulen selbst entscheiden, ob sie Genderzeichen in Aufsätzen und Prüfungen zulassen. Die Grünen-Politikerin findet es gut, wenn Lehrkräfte gemeinsam mit ihren Schülerinnen und Schülern eine Schreibweise bezüglich der Sonderformen beim Gendern vereinbaren. Das könnte bedeuten: unterschiedliche Regelungen je nach Schule, denn von einer landesweit einheitlichen Vereinbarung spricht die Ministerin nicht. Genau das sorgt für Unmut.
Grundlage für die Korrektur von Aufsätzen sei das amtliche Regelwerk für die deutsche Orthographie, so das Kultusministerium. Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat Genderzeichen wie das Sternchen oder den Doppelpunkt bislang nicht empfohlen. Allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache zu begegnen, sei eine gesellschaftliche Aufgabe, bekräftigte der Rat aber im Frühjahr 2021.
Das klingt so als wolle man bestimmte Schreibweisen zulassen, aber nicht verpflichtend vorsehen, also bei einer Korrektur auf das „amtliche Regelwerk“ abstellen.
Das ginge ja noch.
Die Schüler mit abstimmen zu lassen, was sie für eine gegenderte Sprache NEBEN der „normalen“ Sprache zulassen wollen lässt immerhin Raum für ein gewisses Rebelentum: Interessant wäre es sich dort auch eine enorm komplizierte und zeitraubende Schreibweise zu „einigen“ so dass in der Praxis jeder Nachteile hat, der sie anwendet. Begründen kann man das ja immer, etwa weil sie besonders „Inklusiv“ ist. Interessant wäre auch, ob eine Schule sich dann auch darauf einigen kann, dass keine gegenderte Sprache zugelassen wird.
Ganz chaotisch wird es dann, wenn Leute versetzt werden oder die Eltern einfach keinen Bock darauf haben solche Texte zu korrigieren oder zu lesen. Und natürlich stellt sich dann die Frage ob Lehrer den Kindern, die eigentlich nicht gendern wollen einen fürchterlich gegenderten Text vorlegen können, den diese dann bearbeiten müssen. Immerhin: Das würde auch Widerstand dagegen hervorrufen.
Was daran geschickt ist, ist das das Kultusministerium den schwarzen Peter hinsichtlich der besten Form des Genderns los ist. Da würden ja gleich Beschimpfungen losgehen, dass die verwendete Variante nicht weit genug geht und überhaupt transfeindlich oder etwas in dieser Art ist.
Landesschülerbeirat:
Die gendersensible Sprache sei ein wichtiges Thema, sagte die Pressesprecherin des Landesschülerbeirats, Elisabeth Schilli, dem SWR: „Das treibt viele um.“ Es sei auch gut, wenn beide Schreibweisen toleriert würden – also sowohl mit Genderzeichen als auch ohne – und dass es weder für das eine noch für das andere einen Punkteabzug gebe. Elisabeth Schilli betont aber auch, dass das Thema polarisiere. Deshalb müsse es klare Regeln des Kultusministeriums Baden-Württemberg geben, „damit Schulleitungen nicht willkürlich entscheiden können.“
Klare Regeln wären in der Tat zu begrüßen. Wer beständig in einem Text doppelte Formen benutzt oder andere komplizierte Schreibweisen dürfte auch schlicht länger brauchen um einen Text zu produzieren. Wie das dann etwa bei einem zentralen Abi berücksichtigt wird (was ja auch schon dann gegen das Gendern sprechen würde) wäre interessant.
Landeselternbeirat:
Bei der Diskussion um das Genderzeichen geht es aus Sicht des Landeselternbeirats darum, „was wirklich Lebenswirklichkeit und was Nebelkerze zum Ablenken von die Menschen wirklich bewegenden Themen ist“, schreibt der Vorsitzende Michael Mittelstaedt in einer Stellungnahme. Er stellt die Frage, wie die Gesellschaft „den Menschen, die wirklich in ihrer sexuellen Orientierung anders als die Norm sind, so gerecht wird, dass sie eben nicht darum fürchten müssen, diskriminiert zu werden.“ Laut Mittelstaedt ist auf allen Seiten Sensibilität gefragt und möglichst wenig Missionstätigkeit.
„Das sprachliche Gendern ist – ehrlich gesagt – eine Katastrophe, da viel zu emotionsbelastet“, meint Michael Mittelstaedt: „Es geht um Wertschätzung des anderen Geschlechts auch im Sprachgebrauch – mehr nicht.“ Das funktioniere, wenn auch ungewohnt, aber auch ohne Sternchen und Doppelpunkte, schreibt er. Natürlich funktionierte das nicht bei jedem Wort und auch nicht in jedem Zusammenhang, aber das müsse auch nicht das Ziel sein, so Mittelstaedt weiter. „Ich erwarte von Schule, dass sie lehrt, hierfür ein Gefühl zu entwickeln, das der Elterngeneration – da sie eben in diesbezüglich weniger sensibilisierten Zeiten in die Schule gegangen sind – häufig fehlt.“
„Möglichst wenig Missionstätigkeit“ ist gut gesagt. Hier scheint man eher gegen das Gendern zu sein.
Ralf Scholl, Vorsitzender des Philologenverbands Baden-Württemberg
Bisher habe es an den Schulen überhaupt keine Probleme und auch keine Debatten (zwischen Schülerinnen und Schülern und Lehrkräften) bezüglich des Genderns gegeben, so Ralf Scholl auf SWR-Anfrage. „Dass die Kultusministerin jetzt unvorbereitet eine Debatte über das Gendern an Schulen vom Zaun bricht und dann auch noch die Schulen zu diesem Thema ohne verbindliche Regelung im Regen stehen lässt, können wir nur als Ablenkungsmanöver von wesentlich dringenderen – aber nicht getroffenen – Entscheidungen des Kultusministeriums bzw. der Landesregierung ansehen“, schreibt Scholl.
Es sei unsinnig, wenn die Schulen das Gendern jeweils für sich regeln. „Viele Familien haben mehrere Kinder an unterschiedlichen Schulen. Und jedes schreibt dann nach einer anderen Regel“, so Scholl. Er kündigte an, dass der Philologenverband bis zum Jahresende eine generelle Position zum Gendern erarbeiten möchte.
In einer persönlichen Ergänzung geht Scholl noch weiter: „Was momentan vordringlich ist, ist die Ausrüstung aller Schul- und Kita-Räume mit Raumluftfiltern, damit die Mütter (und manche Väter) nicht wie im letzten Jahr zu Hause bleiben müssen, um die Aufsicht für ihre Kinder zu gewährleisten, während Schulen und Kitas wegen Corona geschlossen sind.“ Eine vierte Corona-Welle sei bereits voll im Anrollen.
Der Philologenverband scheint also eher dagegen zu sein. Das Argument, dass es zu einer Zergliederung, selbst innerhalb einer Familie kommen kann ist auch nicht von der Hand zu weisen.
Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg
Auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg kritisiert die Vorgehensweise des Kultusministeriums. In einer Stellungnahme des VBE-Landesvorsitzenden Gerhard Brand heißt es: „Das Ministerium erweist den Schulen damit einen Bärendienst. Wir hätten uns seitens des Kultusministeriums eine einheitliche Regelung gewünscht.“ Dadurch, dass jetzt jede Schule selbst entscheiden solle, setze man sie dem Druck der meinungsstarken Elternschaft aus, so Brand weiter.
Außerdem besteht laut VBE Baden-Württemberg die Gefahr, dass, wenn Schulen unterschiedlich vorgehen, dies mittel- bis langfristig zu einer uneinheitlichen Schreibweise führt. „Wir fordern eine klare, einheitliche Regelung, orientiert am Duden und den Empfehlungen der Rechtschreibrats,“ betont Brand.
Elternabende des Schreckens, da würde ich auch nichts gutes von erwarten. Und wenn da tatsächlich radikalere Genderbefürworter auf Ablehner dieser Sprechweisen stoßen ist ein enormer Krawall vorprogrammiert
Abgesehen von der Diskussion unter Gewerkschaften und Verbänden haben Nutzerinnen und Nutzer eine ganz klare Haltung gegenüber dem Gendersternchen. Eine aktuelle ZDF-Umfrage zeigt, dass ein Großteil der Deutschen (71 Prozent) geschlechtergerechte Sprache in den Medien als „nicht gut“ empfinden. Nur 25 Prozent finden ein Trennungszeichen oder Sprechpausen „gut“. Die Umfrageergebnisse wurden vom ZDF kommentarlos veröffentlicht, einen Text zur Gender-Umfrage gibt es nicht.
Eine Umfrage des MDR ergab zuletzt ein noch eindeutigeres Ergebnis: 86 Prozent der Befragten gaben an, dass sie die Gender-Debatte als unwichtig erachten. Nur 14 Prozent halte es für wichtig, „alle Geschlechter in der deutschen Sprache hör- und sichtbar zu machen“. Etwa ein Fünftel verbindet den Begriff „überflüssig“ mit der Debatte, dennoch wird diese auch als „zeitgemäß“ empfunden. Zusammenfassend ergab die Umfrage, dass eine ähnliche Mehrheit, 74 Prozent, das Gendern in Medien ablehnt. An der Erhebung nahmen rund 26.000 Menschen aus Mitteldeutschland teil.
Mal schauen, ob es trotzdem kommt.