Dies ist ein Gastbeitrag von Benjamin Krause
Eine soziologische Langzeitstudie wirft genderpolitische Fragen auf
Eine Lesempfehlung
Die Basics zu dieser bemerkenswerten Veröffentlichung vorweg:
Martin Schröder, geboren 1981, ist Professor für Soziologie an der Universität Marburg. Neben seiner akademischen Tätigkeit widmet er sich auch der Wissenschaftskommunikation in die Breite hinein, so auch in diesem nur auf den ersten Blick unspektakulären Beitrag zur populärwissenschaftlichen Debatte im Land mit dem Titel „Wann sind wir wirklich zufrieden?“. Er präsentiert darin Ergebnisse einer gründlichen Analyse der Umfrageergebnisse des seit 1984 (!) laufenden „sozio-ökonomischen Panels“, in dem knapp 15.000 deutsche Haushalte zu einer recht stabilen Datenlage beitragen. Thema ist dabei grundsätzlich die Lebenszufriedenheit in finanzieller und sozialer Sicht.
Das Buch enthält Ergebnisse, die man grob in zwei Kategorien sortieren kann: Zum einen Ergebnisse der Art „hat man sich immer schon gedacht, aber schön, dass es hier belegt wird“. Dazu würde ich die banale Feststellung zählen, dass ausreichend Schlaf einen starken positiven Effekt auf das mentale Wohlergehen hat, sowie die küchenpsychologisch viel beschworene Tatsache, dass es glücklich macht, ein Gefühl der Kontrolle über sein Leben, kurz Selbstbestimmtheit, zu erreichen.
Aber außerdem gibt es hier Ergebnisse zur Lebenszufriedenheit der Geschlechter zu bestaunen, die wirklich nicht zur heute gesellschaftlich akzeptierten Denkweise passen, da sie zeigen, dass ein traditionelles Rollenverhalten beide Geschlechter zufriedener macht. Diese Ergebnisse würde ich eher der Kategorie „darf das wahr sein?“ zuordnen:
Beispiel A: Frauen fühlen sich wohler, wenn der Mann mehr verdient.
Beispiel B: Frauen fühlen sich wohler, wenn sie mehr für den Haushalt tun als ihr Partner.
Beispiel C: Frauen reicht eine geringere Arbeitszeit als Männern, um glücklich zu sein.
Beispiel D: Wen Frauen attraktiv finden, zählt
Viel Ärger können einem solche Aussagen einbringen, das ist klar. Aber sie sind stark signifikantes Ergebnis dieser in meinen Augen seriösen und methodisch geschulten Analyse. Was also tun? Verschweigen wir die Ergebnisse?
Denn eindrucksvoll sind sie durchaus in ihrer Klarheit, diese Ergebnisse:
Zu A: *Frauen fühlen sich wohler, wenn der Mann mehr verdient.*
Bei Frauen lässt sich eine starke Eintrübung der Lebenszufriedenheit feststellen, sobald sie mehr als 60 % zum Einkommen beitragen, bei Männern eine leichte Aufhellung, sobald sie über dieser Schwelle liegen.
Zu B: *Frauen fühlen sich wohler, wenn sie mehr für den Haushalt tun als ihr Partner.*
Hier liegt es nahe, zu vermuten, dass Frauen im Schnitt sich lieber als Männer um das gemeinsame Zuhause kümmern, denn die Eintrübung der Zufriedenheit bei Frauen ist hochsignifikant, wenn der Mann im Haushalt mehr als 50 % der Arbeit übernimmt. Auch bei den Männern findet sich ab diesem Punkt eine (leichtere) Eintrübung.
Zu C: *Frauen reicht eine geringere Arbeitszeit als Männern, um glücklich zu sein.*
Sowohl Mütter als auch kinderlose Frauen berichten Ähnliches: Die Zufriedenheit ist größer, wenn der Partner prozentual mehr arbeitet (rein wochenstundenmäßig) als die Partnerin. Das gilt unabhängig von der oben beschriebenen Zufriedenheitsverteilung nach Einkommen. Nein, auch von der reinen Zeit her bevorzugen es beide Partner im Schnitt, wenn der Mann mehr Arbeitszeit erhält.
Zu D: *Wen Frauen attraktiv finden, zählt*
Überraschenderweise ist es Frauen offenbar wichtiger, von anderen Frauen für attraktiv gehalten zu werden als von Männern. Mit anderen Worten: Es stimmt tatsächlich, dass sich Frauen – Ausnahmen bestätigen die Regel – vor anderen Frauen als schön inszenieren, ein nicht unerheblicher Stressfaktor. Auch für Männer ist es offenbar nur wichtig, von Frauen für attraktiv gehalten zu werden. Das weibliche Geschlecht gilt unbewusst als Attraktivitätsrichter für alle Beteiligten und befasst sich immer noch mehr mit der eigenen Wirkung auf andere und das sich-hübsch-machen als das männliche Geschlecht.
Nun wird es die Leute geben, die einwenden, dass wir von Kindesbeinen an in diese konservativen Gender-Rollen gepresst würden und sie uns deswegen glücklich machten. Sie rufen zum Kampf gegen diese inmmer noch verbreiteten Einstellungen auf. Dagegen spricht, dass seit ein paar Jahrzehnten die jungen Menschen in Richtung Gleichberechtigung erzogen werden, dennoch ändern sich diese Trends nicht. Das könnte einen also auf den zur Zeit unbeliebten Gedanken bringen, dass es genetisch bedingte Unterschiede zwischen den Geschlechtern in diesen Fragen gibt. Das ist auch mein Fazit: Meines Erachtens sehen wir hier grundlegende geschlechtsspezifische Verhaltensunterschiede bestätigt.
Immerhin: Da dies so nicht auf dem Umschlag steht, hat sich noch niemand (zum Glück) darüber echauffieren können. Was auch wiederum beweist, dass wirklich kaum jemand diese viel verkauften Bücher wirklich liest. Insgesamt eine klare Leseempfehlung, auch wenn das Stereotyp, dass Stereotypen nicht stimmen, dadurch erschüttert wird.
Für Freunde der Quantifizierung abschließend einige ausgewählte Grafiken zu den besprochenen Ergebnissen, die die Aussagen A bis C untermauern, sie sind recht selbsterklärend, wenn man sie sich genau anschaut – ein weiterer Vorzug dieses exzellenten Sachbuches:





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