Esther Vilar: Der dressierte Mann (Gastbeitrag)

Dies ist ein Gastbeitrag von Uepsilonniks

Esther Vilar: «Der dressierte Mann» – Herrlich böse aber auch klarsichtig

«Der dressierte Mann» erschien 1971, also gemeinsam mit der legendären 68er-Bewegung. Schon damals beherrschten Feministinnen den ganzen öffentlichen Diskurs mit der These eines sogenannten Patriarchats als System der Frauenunterdrückung – es hat sich also bis heute nichts geändert. Vilar merkte dazu an, dass der Mann die Feministin geradezu brauche, da sie ein schmeichelhaftes Bild von ihm zeichne, nämlich als skrupellosen Beherrscher der Welt, während er – wie ich hinzufüge – in Wirklichkeit nicht der Chef, sondern der Depp vom Dienst ist, eine Witzfigur, ein Esel wie in «Packesel».

Den existentiellen Unterschied zwischen Mann und Frau beschreibt Vilar so: «Was ist der Mann? Der Mann ist ein Mensch, der arbeitet. Mit dieser Arbeit ernährt er sich selbst, seine Frau und die Kinder seiner Frau. Eine Frau dagegen ist ein Mensch, der nicht (oder nur vorübergehend) arbeitet. Die meiste Zeit ihres Lebens ernährt sie weder sich selbst noch ihre Kinder, geschweige denn ihren Mann.» (17) Dabei macht es die Frau nicht anders als die Sexarbeiterin, da «die meisten Frauen beschlossen haben, die Laufbahn von Prostituierten einzuschlagen, das heißt, später einen Mann für sich arbeiten zu lassen und ihm als Gegenleistung ihre Vagina in bestimmten Intervallen zur Verfügung zu stellen…» (22) Die Frau ist nicht unterdrückt sondern Profiteurin eines Systems, das ihr alle Vorteile zuschiebt gegenüber dem Mann, welcher ein trostloses Schicksal teilt: «…wiederum  andere  gehen,  wenn  es  draußen  noch  stockfinster  ist,  mit  einer  alten  Aktentasche  unterm  Arm,  in  der  ein  Overall  und  ein  paar  Frühstücksbrote  liegen,  zum  Bus,  zum  Zug, in die Untergrundbahn und fahren zu der Baustelle oder  Fabrik,  bei  der  sie  beschäftigt  sind. … Es  ist  ganz  gleichgültig,  wie  ein  bestimmter  Mann  seinen  Tag  verbringt,  eines  hat  er  mit  allen  anderen  gemeinsam:  Er  verbringt  ihn  auf  eine  demütigende  Weise.  Und  er  tut  es  nicht  für  sich  selbst,  zur  Erhaltung  seines  eigenen  Lebens  –  dafür  würde  eine   viel  kleinere  Anstrengung  genügen  (Männer  legen  ohnehin  keinen  Wert  auf  Luxus)  -,  er  tut  es  für  andere,  und  er  ist  maßlos  stolz  darauf,  daß  er  es  für  andere  tut.  Die  Fotos  seiner  Frau  und  seiner  Kinder  stehen  auf  seinem  Schreibtisch,  er  zeigt  sie  bei  jeder  Gelegenheit herum. Was  immer  der  Mann  tut,  wenn  er  arbeitet  –  ob  er  Zahlen  tabelliert,  Kranke  heilt,  einen  Bus  lenkt  oder  eine  Firma  leitet -,  In  jedem  Augenblick  ist  er  Teil  eines  gigantischen,  unbarmherzigen  Systems,  das  einzig  und  allein  auf  seine  maximale  Ausbeutung  angelegt  ist,  und  er  bleibt  diesem  System  bis  an  sein  Lebensende ausgeliefert.  Es  mag  interessant  sein,  Zahlen  zu  tabellieren  und  Summen  mit  anderen  Summen  zu  vergleichen  –  aber  wie  lang?  Ein  ganzes  Leben  lang?  Sicher  nicht.» (19)

Deshalb hat sich die Frau auch nie gegen den Mann aufgelehnt, weil es schlicht nichts gibt, wogegen sie sich auflehnen könnte: «Es sind ihr alle Möglichkeiten zur Verfügung gestanden, sich unabhängig zu machen. Wenn sich also die Frau in dieser langen Zeit nicht von ihrem ‹Joch› befreit hat, dann gibt es dafür nur eine Erklärung: Sie hat keins… Der Mann ist der Frau nicht wichtig genug, daß sie sich gegen ihn auflehnt.  Ihre Abhängigkeit von ihm ist ja nur materieller, gewissermaßen ‹physikalischer› Art. Es ist die Abhängigkeit eines Touristen von seiner Fluggesellschaft, eines Wirts von seiner Kaffeemaschine, eines Autos von Benzin, eines Fernsehgeräts von Strom. Solche Abhängigkeiten bereiten keine Seelenqualen.» (25-26)

Der Mann ist – während er sich einbildet, geliebt zu werden – nur ein Nutzobjekt für die Frau. Diese Sichtweise ist für Männer, auch für mich, vermutlich unerträglich, weshalb Vilar auch nur wenig Unterstützung von männlicher Seite erhielt. Liebe ist für Mann und Frau etwas völlig unterschiedliches: «Für die Frau bedeutet Liebe Macht, für den Mann Unterwerfung. Für die Frau ist Liebe ein Vorwand für kommerzielle Ausbeutung, für den Mann ein emotionsgetränktes Alibi für seine Sklavenexistenz. ‹Aus Liebe› tut die Frau Dinge, die ihr nützen, der Mann solche, die ihm schaden. Die Frau arbeitet ‹aus Liebe› nicht mehr, wenn sie heiratet; der Mann arbeitet, wenn er heiratet, ‹aus Liebe› für zwei.»  (124) denn: «außerhalb seiner Funktion als Ernährer mißt die Frau dem Mann keinen Wert zu.» (28)

Dass sich der Mann so bereitwillig versklavt, liegt zum einen an der Furcht vor (echter) Freiheit – eines der ganz großen Themen Esther Vilars – als auch an der systematischen Dressur der Mannes, beginnend mit der Erziehung, die den Mann dazu bringt, die Frau als seinen Gott zu sehen, dem er dient und sich unterwirft.

Religion ist neben anderen auch nur ein System der Dressur, da die Priester dem Mann sagen, dass er für seine Frau und die Kinder seiner Frau zu sorgen hätte – so sei es gottgewollt. Auch ein Grund, warum sich hier Frauen nicht gegen die vermeintlich «frauenfeindliche» Kirche auflehnen – die Frauen sind höchst einverstanden damit, welche Botschaften sie predigt.

Dass vermehrt Frauen arbeiten gehen, ändert nichts am grundsätzlichen Verhältnis zwischen Mann und Frau. Denn erstens ist die Arbeitswelt, also  Universität und Arbeitsplatz für die Frau nur ein Partnermarkt, auf dem sie sich den besten Ernährer sucht, damit sie selbst nicht mehr arbeiten muss, zweitens übt sie nur «Amüsierberufe» aus, Vilar: «Am besten amüsiert sie sich mit untergeordneten Handlangerdiensten, bei denen sie viel Publikum hat. Man findet sie ätherisch durch Korridore von Verlagen und Zeitungsredaktionen schwebend, im Vorzimmer der Film-, Fernseh- und Theaterbosse, in der Rolle der Regieassistentin, der Dolmetscherin, an den Schaltern der Reisebüros, in Juwelier- und Antiquitätengeschäften, in Boutiquen.  Kurz, überall dort, wo sich reiche und interessante Leute treffen. Das Geld, das sie verdient, verbraucht sie meist restlos für ihre aufwendigen Maskeraden, mit deren Hilfe sie sich an ihrem Arbeitsplatz jeden Tag von neuem wieder in Szene setzt.» (109) Das sind die privilegierten Frauen, wozu nicht die Arbeiterinnen zählen, von denen Vilar einräumt, dass sie es schwer haben – aber bei weiten nicht so schwer wie ihre Männer.

Vilar schrieb «Der dressierte Mann» mit großer Wut über die Meinungshoheit der Feministinnen und erhebt als Streitschrift nicht den Anspruch, in allen Punkten buchstäblich genommen zu werden. Dem spitzzüngigen «dressierten Mann» folgten sachliche Bücher, in denen sie aber den Grundgedanken ausbaute und untermauerte. Die Reaktionen fielen scharf aus, aber nicht auf argumentativer Ebene – selbst die große Spezialistin Alice Schwarzer konnte im TV-Duell nichts inhaltliches erwidern. Vilar erlebte stattdessen das, was man heute als «Cancel-Culture» bezeichnen würde, wie auch gewalttätige Übergriffe: So wurde sie einmal von vier Frauen zusammengeschlagen – wobei sich mir die Frage stellt, ob das wirklich Feministinnen waren oder einfach nur stinknormale Frauen, die ihre parasitäre Lebensgrundlage gefährdet sahen. Vilar merkte an, hätte sie gewusst, was auf sie zukommt – sie floh schließlich aus Deutschland – sie hätte nicht den Mut gefunden, dieses Buch zu schreiben. Ein Ende der Knechtschaft ist nicht in Sicht: «Nur die Frauen könnten den Teufelskreis von Dressur und Ausbeutung brechen. Sie werden es nicht tun, es gibt dafür keinen rationalen Grund. Auf ihre Gefühle darf man schon gar nicht hoffen – Frauen sind gefühlskalt und ohne jedes Mitleid. Die Welt wird also immer weiter in diesem Kitsch, in dieser Barbarei, in diesem Schwachsinn Weiblichkeit versinken, und die Männer, diese wunderbaren Träumer, werden niemals aus ihren Träumen erwachen.» (125)

Zum Schluss ein Wörterbuch «Frau – Deutsch»:

Frau: «Ein Mann muß mich beschützen können.»

Deutsch: «Ein Mann muß mich vor Unbequemlichkeiten schützen können. (Wovor könnte er denn eine Frau sonst schützen? Vor Räubern? Vor dem Atomkrieg?)»

Frau: «Ich will mich bei einem Mann geborgen fühlen.»

Deutsch: «Mit Geldsorgen muß er mir um alles in der Welt vom Halse bleiben.»

Frau: «Zu einem Mann muß Ich aufblicken können.»

Deutsch: «Damit er für mich überhaupt in Frage kommt, muß er intelligenter, verantwortungsbewußter, mutiger, stärker, fleißiger sein als ich – was sollte ich denn sonst mit ihm anfangen?»

Frau: «Ich würde meinen Beruf sofort aufgeben, wenn es mein Mann von mir verlangt.»

Deutsch: «Sobald er genug Geld hat, werde Ich nie mehr arbeiten.»

Frau: «Ich wünsche mir nichts weiter, als ihn glücklich zu machen.»

Deutsch: «Ich werde mir alle Mühe geben, damit er niemals merkt, wie ich ihn ausnütze.»

Frau: «Ich will ihm alle kleinen Sorgen abnehmen.»

Deutsch: «Ich werde alles tun, damit ihn nichts von der Arbeit abhält.»

Frau: «Ich will nur für ihn da sein.»

Deutsch: «Kein anderer Mann soll für mich arbeiten dürfen.»

Frau: «Ich werde nur noch für meine Familie leben.»

Deutsch: «Nie mehr im Leben werde ich etwas tun. Soll er sich mal anstrengen!»

Frau: «Ich halte nichts von der weiblichen Emanzipation.»

Deutsch: «Ich bin doch nicht blöd. Ich lasse lieber einen Mann für mich arbeiten.»

Frau: «Wir leben schließlich im Zeitalter der Gleichberechtigung!»

Deutsch: «Er soll nicht denken, daß er mir Vorschriften machen kann, nur weil er mein Geld verdient!»

Frau: «Ich bin in diesen Dingen so schrecklich ungeschickt.»

Deutsch: «Das ist eine Arbeit, die er mir abnehmen muß. Wozu ist er denn sonst da?»

Frau: «Er weiß einfach alles.»

Deutsch: «Man kann ihn sogar noch als Nachschlagewerk benützen.»

Frau: «Wenn man sich wirklich liebt, braucht man nicht gleich einen Trauschein.»

Deutsch: «Er ist noch etwas widerspenstig, aber im Bett kriege ich ihn schon rum.»

Frau: «Ich liebe ihn.»

Deutsch: «Er ist eine erstklassige Arbeitsmaschine.»

Alles Seitenangaben: Esther Vilar – «Der dressierte Mann – Das polygame Geschlecht – Das Ende der Dressur» 9. Auflage November 2000