Haben Promis eher transsexuelle Kinder?

Angesichts der sonstigen Häufigkeit von Transsexualität ist es schon interessant, dass gefühlt Promikinder eher transsexuell sind.. Natürlich gibt es da letztendlich keine Statistik zu. Aber wenn es so wäre, dann könnte das entweder bedeuten, dass Promis eher die transsexuellen Neigungen ihrer Kinder erkennen und sie diese ausleben lassen oder das sie Virtue Signalling betreiben

Buchbesprechung: Meike Stoverock: „Female Choice. Vom Anfang und Ende der männlichen Zivilisation“ (djadmoros): Teil 1

Dies ist ein Gastbeitrag von djadmoros

Den grundsätzlichen Argumentationsbogen des Buches kann man folgendermaßen zusammenfassen: erstens insistiert Meike Stoverock darauf, dass die Geschlechtlichkeit des Homo Sapiens ein primär biologisch bestimmtes Phänomen ist, das auf dem Prinzip der zweigeschlechtlichen Fortpflanzung beruht, während es sich bei allem, was auf den ersten Blick wie »Genderfluidität« aussieht, um eine Normalverteilung auf der Skala des (ebenfalls biologischen, aber sich psychologisch manifestierenden) hormonellen Geschlechts handelt. Damit weist sie einen »Geschlechterkonstruktivismus« konsequent zurück. Zweitens postuliert sie, dass die sexuelle Evolution – das heißt: sowohl die Evolution des Paarungsverhaltens als auch die Evolution aufgrund des Paarungsverhaltens aller sich sexuell fortpflanzenden Spezies – praktisch durchgängig auf dem Prinzip der »Female Choice« beruht, dass es also jeweils die Weibchen einer Art sind, welche sich die Männchen ihrer Art aussuchen, weshalb diese Männchen durch Imponierverhalten die Weibchen umwerben. Drittens überträgt sie dieses Prinzip auf den Homo Sapiens, von dem sie behauptet, dass es auch bei dieser Spezies der Normalfall sei, dass eine Mehrzahl von Männern keine Chance auf Fortpflanzung habe, weil die Frauen nur einen kleinen Anteil der Männer (in der Größenordnung von 30 Prozent) als Partner in Betracht ziehen. Diese Konstellation und die 30:70-Relation hält sie mehr oder weniger für den Naturzustand der menschlichen Art. Viertens leitet sie aus diesem postulierten Naturzustand faktisch ein »Naturrecht« der Frau ab, und die weitere Argumentation folgt dem roten Faden eines Verlusts und einer Wiedergewinnung dieses Naturrechts. Die Geschichte seines Verlusts und seiner Wiedergewinnung ist dementsprechend zugleich die Geschichte des Anfangs und des Endes einer »männlichen Zivilisation«, die mit der Erfindung von Ackerbau und Sesshaftigkeit ihren Anfang nimmt und in der »feministischen« modernen Gesellschaft wiederum an ihr Ende kommt. Die Frauen restaurieren ihr Naturrecht, sich die Männer hoch selektiv auszuwählen, und die Gesellschaft soll dementsprechend Vorkehrungen ersinnen, um die von den Frauen als untauglich abgefertigte Mehrheit der Männer so zu kompensieren, dass diese nicht ihrer aus sexueller Frustration gespeisten Gewaltneigung erliegen. Gehen wir die Argumentationsschritte im Einzelnen durch.

(1) Kapitel 1, »Das Duale System«, ist argumentativ überzeugend, sagt aber nichts, was außerhalb der genderfeministischen Filterblase nicht als Selbstverständlichkeit gilt: »Alles sexuell entstandene Leben auf unserem Planeten basiert daher auf der Dualität der Geschlechter, auf zwei Gegenstücken, die wie Schlüssel und Schloss ineinanderpassen.« (S. 36) Da These von der »Female Choice« den Kontext einer Theorie der sexuellen Evolution voraussetzt, würde es ihr Argument zerstören, sich auf diesen grundlegenden Sachverhalt nicht einzulassen. Ebenso akzeptiert sie die Funktion von Hormonen für die Ausprägung menschlicher Geschlechtlichkeit, beginnend mit der Bedeutung des vorgeburtlichen Testosteronspiegels, aber auch für die Ausprägung von Stimmungen bis hin zum Prämenstruellen Syndrom:

»In der menschlichen Geschlechterdebatte werden Hormone meist nur zu einem Zweck erwähnt: um das jeweils andere Geschlecht herabzusetzen. Männer werden als triebgesteuerte Höhlenmenschen dargestellt, Frauen als nah an der Unzurechnungsfähigkeit rangierende Irre. Am Ende streiten dann alle ab, dass Hormone überhaupt mehr bewirken als vernachlässigbare Kleinigkeiten, weil niemand beleidigt werden will … . Dabei beeinflussen Hormone unser Wohlbefinden, unsere Bedürfnisse, unsere Partnerwahl, unsere Stimmungen und unser Verhalten sehr stark. So sorgen dafür, dass wir kuscheln, weglaufen, zuschlagen, Sex haben oder kleinen Babys in die Wangen kneifen wollen. Sie machen uns aggressiv, kooperationsbereit, widerborstig oder ängstlich. Sie entscheiden mit über unseren beruflichen Erfolg, unser Aussehen und darüber, wen wir attraktiv finden.« (S. 37 f.)

Die Konzentrationen von Testosteron, Östrogen und Progesteron im menschlichen Körper sind die drei hormonellen Faktoren, die bei Männern und Frauen ungleich verteilt sind und in ihren jeweils konkreten Relationen das »hormonelle Geschlecht« jedes Individuums ausprägen, einschließlich der biologischen Abweichungen wie im Fall des weiblichen Adrenogenitalen Syndroms und der männlichen Androgenresistenz. Aus diesem Grund kann Stoverock auch mit der Differenzierung von »sex« und »gender«, zwischen biologischem und sozialen Geschlecht, nicht viel anfangen, weil darin die bloße Anatomie einer Blank-Slate-Psychologie gegenübergestellt wird:

»Es ist schwer, die Trennung von ›biologischem‹ und ›sozialem‹ Geschlecht, ›sex‹ und ›gender‹ aufrechtzuerhalten, letztlich gibt es nur Geschlecht. Eine Einheit aus Chromosomen, Hormonen und sozialem Einfluss macht uns zu den geschlechtlichen Wesen, die wir sind.« (S. 49)

Diese Überzeugung führt die Autorin dann auch zu der klarsten Stellungnahme zum Fall David Reimer, den ich bei einer sich als Feministin verstehenden Frau gefunden habe. Anders als Alice Schwarzer, die den Wandel in der Bewertung John Moneys einfach ignoriert hat, und anders als Judith Butler, die zwar die Tragik des Falles konzediert, aber so tut, als sei David Reimers Geschlecht nicht von Anfang an klar bestimmt gewesen, kritisiert Stoverock ausdrücklich auch die Frauenbewegung:

»Seine Weigerung, das Scheitern des Experiments öffentlich zuzugeben, führte dazu, dass nach David noch unzählige weitere Kinder, intersexuelle wie auch andere Opfer ärztlicher Kunstfehler, die operative Geschlechtsneuzuweisung und die quälenden Sitzungen mit Money durchlaufen mussten. (…) In Teilen der Frauenbewegung hält sich Moneys Konzept des neutralen Kindes, dem die Gesellschaft eine Geschlechtsidentität aufdrückt, aber bis heute. Dabei gesteht die queerfeministische Bewegung paradoxerweise den geschlechtlichen Minderheiten – und dies völlig zurecht – einen angeborenen Faktor zu. Bei heterosexuellen Männern und Frauen dagegen, die nicht diskriminiert werden und die normierende Mehrheit darstellen, werden angeborene Muster bestritten.« (S. 47 ff.)

Bei einem so klaren Bekenntnis, zu dem sie teils darum motiviert ist, weil »mich als Biologin diese Missachtung meiner Zunft kränkt« (S. 21), teils, um das Thema nicht »den Biologisten« (S. 22) zu überlassen, dürfen wir gespannt sein, wie sie ihre weitere Argumentation bei aufrechterhaltenem Anspruch, als Feministin zu gelten, entwickelt.

(2) Das zweite Hauptstück in Stoverocks Argumentationsgang ist ein Resümee der Theorie der sexuellen Evolution. Die Evolution der Zweigeschlechtlichkeit führt eine konstitutive Asymmetrie zwischen den beiden Geschlechtern ein, die auf unterschiedlich hohen Kosten für den jeweiligen Anteil an der Reproduktion beruht, die sich mit dem Satz: »Sperma ist billig, Eier sind teuer« zusammenfassen lassen. Ein Weibchen kann im Verlauf seines Lebens nur eine begrenzte Anzahl von Eiern hervorbringen, während Spermien nahezu unerschöpflich produziert werden. Weibchen zahlen folglich einen höheren Preis für reproduktive Fehlschläge und sind darum wählerisch:

»Wegen der unterschiedlichen Fortpflanzungskosten haben beide Geschlechter vollkommen unterschiedliche Reproduktionsstrategien entwickelt. (…) Vereinfacht gesagt, muss das Männchen möglichst viele Weibchen rumkriegen, das Weibchen dagegen möglichst viele Verehrer abwehren, er ist wahllos, sie wählerisch. Dieses ›Sexueller Konflikt‹ genannte Phänomen hat im Laufe der Evolution bei den Geschlechtern eine völlig gegenläufige Sexualität hervorgebracht. (…) Sex ist für Männchen eine begrenzte Ressource, die die Weibchen kontrollieren. Dass Männchen oft und hartnäckig versuchen, sexuelle Kontakte zu Weibchen herzustellen, und Weibchen diese Versuche fast immer ablehnen, ist kein Fehler des Systems – es ist das System.« (S. 83 f.)

Stoverock zählt eine Vielzahl von Beispielen aus dem Tierreich auf, um das Prinzip der Female Choice zu illustrieren: Blaukiemenbarsche, Frösche, Vögel, Insekten, Löwen, Paviane, Mäuse, Seeelefanten. Dabei geht sie in einem eigenen Kapitel, »Gewalt ist eine Lösung«, auch auf die Rolle männlicher Aggressivität ein, die teils im Kampf gegen konkurrierende Männchen , teils in Form einer Vergewaltigung der Weibchen zum Ausdruck kommt. Und sie beschreibt die Kehrseite dieser Aggressionen: ihre Ablenkung auf Ersatzobjekte im Falle der sexuellen Frustration:

»Rangniedere Männchen, die keine Partnerin für sich gewinnen können, reagieren ihren aufgestauten Trieb an Jungtieren, toten Artgenossen, Gegenständen oder sogar anderen Tierarten ab, Von Seeottern vor Kalifornien wird berichtet, dass sie junge Seehunde angreifen, töten und sich über Tage hinweg wiederholt an deren Kadavern vergehen. Tümmler vergreifen sich an Abflussrohren, Robben an Königspinguinen, Schimpansen an Fröschen, Makaken an Sikaihirschen. (…) Sex mit toten Artgenossen wird regelmäßig von Enten, Pinguinen, Schwalben, verschiedenen Reptilien und Meeressäugern berichtet.« (S. 98)

Die entscheidende Frage ist nun, wie Stoverock dieses Prinzip auf die Spezies Homo Sapiens zu übertragen versucht.

(3) Den grundlegenden Sachverhalt der größeren Abhängigkeit menschlicher Kleinkinder von elterlicher Betreuung aufgrund ihrer im Vergleich zu anderen Spezies ontogenetisch frühen, »unfertigen« Geburt gibt sie korrekt wieder:

»Je weiter sich die frühen Hominiden aufrichteten, desto mehr wurden nämlich die Beckenschaufeln nach unten hin zusammengedrückt. Während aber der Geburtskanal immer enger wurde, wurden die Köpfe der Babys durch die steigende Intelligenz immer größer. Die einzige Lösung bestand darin, den Nachwuchs unfertig auszuliefern. (…) Das Menschenkind passte damit zwar wieder durch den Geburtskanal, war aber bei der Geburt unfähig zu Kommunikation und Fortbewegung. Ein echter Nichtskönner, eine Art Schreiraupe, deren Versorgung die Frau rund um die Uhr beanspruchte. Das wiederum bewirkte, dass die Mutter beinahe genauso hilfebedürftig wurde wie das Baby. Sie brauchte eine Gruppe mit engen sozialen Bindungen, die sie unterstützen konnte.« (S. 114)

Von diesem Moment an fällt jedoch mehr und mehr auf, dass ihr Bild des Menschen – und des Mannes – auf einer simplen Fortschreibung der bis dahin aufgeführten biologischen Sachverhalte in den Bereich der menschlichen Kultur beruht. Die Frage danach, was das ihn vom Tier unterscheidende Spezifische des Menschen darstellt, warum Menschen Mondraketen, Nuklearwaffen und Quantencomputer bauen, Menschenaffen dagegen nicht, stellt sich ihr nicht, und sie erweckt nicht den Eindruck, als würde sie den Sinn der Frage überhaupt verstehen. Obwohl sie, wie oben angedeutet, den polemischen Gebrauch der »Hormon«-Vokabel kritisiert, verwendet sie selbst nichtsdestotrotz ein simples Triebstaumodell und stellt den Mann als ein testosterongetriebenes Triebmonster dar, das seine innere Natur nur dann zu zähmen vermag, wenn es von einer Frau als Sexualpartner erwählt wurde und andernfalls eine Gefahr für seine soziale Umwelt darstellt:

»Wir haben gesehen, dass Gewaltbereitschaft integraler Bestandteil der männlichen Reproduktionsstrategie ist. Sie verbessert die Chancen der Männchen, sich beim Konkurrenzkampf oder beim mate guarding gegen Rivalen zu behaupten. Es ist also kein Zufall, dass Testosteron die Aggressivität erhöht, sondern Ergebnis einer evolutionären Anpassung. (…) Männer, die keinen oder nicht genug Zugang zu Sex haben, reagieren mit Aggression, darin unterscheiden sich Menschen nicht von Tieren. (…) Männer mit geringem Status haben tendenziell eher weniger Zugang zu Sex und reagieren öfter mit Gewalt. Diese mag sich als nicht-reproduktive Frustrationsgewalt gegen andere Männer, Kinder, Alte, Fremde richten – eine direkte Folge des Sexualtriebes ist sie dennoch.« (S. 111 f.)

Gleichzeitig bestehen ihrer Ansicht nach die für die Männchen ungünstigen Paarungsrelationen von bis zu 80:20 auch beim altsteinzeitlichen Menschen. Der Umschlag in das, was sie als »männliche Zivilisation« bezeichnet, erfolgt dann in der Jungsteinzeit mit dem Aufkommen des Ackerbaus und der Sesshaftigkeit – sie ist der Ansicht, dass sich das Problem der sexuellen Selektion durch die Frauen hier noch einmal dramatisch verschärft:

»Die Neolithische Revolution ist wie Evolution auf Speed. Vor allem die Männer müssen einen rasanten Lernprozess durchmachen, weil nun statt Jagdgeschick ganz andere Fertigkeiten gefragt sind, um eine Partnerin zu finden. Nur die intelligentesten und geschicktesten Männer kommen mit den Anforderungen der sich im Höllentempo verändernden Welt zurecht und können sich fortpflanzen. Das hat zur Folge, dass die Female Choice den Mann jetzt mit ganzer Härte trifft. (…) Denn das [natürliche 80:20-Verhältnis] verschiebt sich nach der Entstehung der Landwirtschaft bis auf ein erbarmungsloses 95:5. Die Frauen wählen am Übergang zur Sesshaftigkeit nur noch eine verschwindend geringe Zahl der Männer als Partner aus. (…) Die Sesshaftwerdung bewirkt ein unbarmherziges Aussieben, das sicherstellt, dass nur die ideenreichsten und kreativsten Männer die neue Welt aufbauen, eine Art neolithische Supermänner. Die Fortpflanzungssituation ist für Männer eine Katastrophe. Der ohnehin hohe sexuelle Selektionsdruck steigert sich durch den genetischen Flaschenhals bis ins Unermessliche. Dies wiederum führt dazu, dass die Konkurrenz unter den Männern sich in einem Maße verschärft, das vermutlich kaum noch ein gemeinschaftliches Zusammenleben erlaubt. Denn die unbefrauten Männer reagieren auf die gleiche Weise wie die Männchen fast aller anderen sich sexuell fortpflanzenden Arten: aggressiv. Und diese Aggression stellt die Menschen vor ihre größte bisherige Herausforderung, denn sie gefährdet das sesshafte Leben in wachsenden Siedlungen, noch bevor es recht begonnen hat.« (S. 136 f.)

Als Reaktion auf diese Verhältnisse – und das ist jetzt Stoverocks zentrale These – setzen sich die Männer über die bisherige »natürliche Ordnung« der sexuellen Verhältnisse hinweg und erfinden Heiratsregeln, bei denen jeder Mann eine Frau abkriegt. Daraus entsteht nun »Zivilisation« als eine Sozialordnung, die »nach männlichen Bedürfnissen« eingerichtet wurde, nämlich nach den männlichen sexuellen Bedürfnissen. Somit ist »Zivilisation« gleichbedeutend mit der Unterdrückung der Frau, gleichbedeutend mit »Patriarchat« und gleichbedeutend mit einer reduzierten, partikularen Vernunft, in der die Bedürfnisse der Frauen (und anderer Herrschaftsunterworfener) ausgeschlossen bleiben, und schließlich bis zur Tautologie gleichbedeutend mit männlicher Zivilisation. Dementsprechend kann sie dann fordern, dass die Entfremdungen dieser »männlichen Zivilisation« durch eine Rückkehr zum Naturzustand der »Female Choice« wieder aufgehoben werden sollen. Bevor wir jedoch auf ihre politische Gegenwartsdiagnose eingehen können, müssen wir uns zunächst mit ihrem Bild der Ur- und Frühgeschichte näher befassen, denn dieses ist in so vielen Hinsichten schief und falsch, dass ihr anthropologisches Argument dadurch vollständig entwertet wird. Dieses kritische Unterfangen wird freilich dadurch erschwert, dass Stoverock ihrem Publikum einen Anmerkungsapparat verweigert, sodass man den Bezug ihrer Aussagen zu den Titeln des Literaturverzeichnisses umständlich erschließen oder erraten muss. Beginnen wir mit ihrer These einer ungünstigen 70:30-Paarungsrelation beim altsteinzeitlichen Homo Sapiens:

»Eine grobe Faustregel besagt, dass 80% der geschlechtsreifen Weibchen nur 20 % der Männchen ranlassen – dass also 80% der Männchen für Sex mit ihnen nicht in Frage kommen. Die müssen sich um die verbleibenden 20% der Weibchen prügeln. (…) Genetische Untersuchungen lassen darauf schließen, dass es bei unseren menschlichen Ahnen nicht anders war. Die heutige Weltbevölkerung hat ungefähr doppelt so viele weibliche wie männliche Vorfahren, in präkulturellen Zeiten haben sich also ungefähr 70% der Frauen mit 35% der Männer gepaart. Die restlichen 65% der Männer mussten um die restlichen 30% Frauen buhlen. Das Verhältnis von 2:1 zugunsten der Frauen verschärfte sich nach der Erfindung der Landwirtschaft sogar noch auf unglaubliche 17:1.« (S. 90)

Hier ist als erstes festzuhalten, dass die genannte 80:20-Relation sich nicht auf menschliche Populationen bezieht, denn sie illustriert diese Relation am Beispiel der Seeelefanten und kommt erst dann auf den Menschen zu sprechen. Sodann sind ihre Literaturverweise äußerst spärlich und offenkundig hoch selektiv – »Female Choice« gilt anscheinend auch für die Literaturrezeption der Autorin. Ohne allzu große Mühe lassen sich anthropologische Fachartikel finden, die ihrer Behauptung klar widersprechen: Lippold et al. (2014) finden archäogenetische Indizien für einen generellen Frauenüberschuss in paläolithischen Gemeinschaften oberhalb einer Relation von 3:2. Sikora et al. (2017) finden archäogenetische Indizien für inzestvermeidende exogame Heiratsregeln bei paläolithischen Jägern und Sammlern um 30.000 v.u.Z., d. h. Indizien für eine kulturell regulierte Partnerwahl. Nakahashi und Horiuchi (2011) gehen bei Homo Sapiens generell von stabilen Paarbeziehungen mit geringer weiblicher Promiskuität und geringer männlicher intrasexueller Konkurrenz aus. Das familienzentrierte Partnerschaftssystem von Homo Sapiens erweist sich als evolutionär vorteilhaft unter der Bedingung großer Gesamtgruppen, die wiederum bei hoher Bedrohung durch Raubtiere vorteilhaft sind. Fletcher et al. (2015) plädieren für die Universalität der romantischen Liebe im Sinne einer stabilen, langanhaltenden und exklusiven Paarbeziehung auf der Grundlage emotionaler Übereinstimmung.

Stoverock stützt sich dagegen hauptsächlich auf Mansperger (1990), der für Homo Sapiens wie auch Nakahashi/Horiuchi (2011) von »multimale, multifemale«-Gemeinschaften ausgeht, ansonsten aber bereits alle Thesen Stoverocks formuliert hat: kurze Partnerschaftsperioden (Mansperger: »a few months or less«, Stoverock: ca. 4 Jahre), »selective promiscuity« (für die Stoverock den Modus der Female Choice postuliert) sowie eine spätere Unterdrückung dieses Partnerschaftssystems: »suppressed and modified by culture.« Manspergers Argument für die menschliche Promiskuität ist ein Sparsamkeitsargument und besteht darin, dass es in Bezug auf die Promiskuität unter (manchen!) Menschenaffen keine Zusatzhypothesen zur Erklärung eines abweichenden Spezifikums bei Homo Sapiens benötigt. Dieses Argument impliziert freilich, dass die Charakteristika von Homo Sapiens als einem Kulturwesen, also seine spezifische Differenz zu den Menschenaffen, keine besondere Rolle spielen. Es erklärt die Organisation der menschlichen Sexualität zu einer bruchlosen Fortsetzung der Naturgeschichte. Genau das ist Stoverocks Anliegen, für das sie alle konkurrierenden kulturanthropologischen Denkansätze sowie ihr widersprechende archäogenetische Befunde ausblendet.

Für das Zustandekommen des neolithischen 17:1-Spitzenwerts diskutiert die Autorin keine Alternativhypothese. Nach Feldmann, Aw und Zeng (2018) kann der extreme Flaschenhals durch die Konkurrenz patrilinearer Gruppen erklärt werden: patrilineare Deszendenz sorgt für eine starke Homogenisierung des Y-Chromosomen-Pools, und kriegerische Konkurrenz kann dann bewirken, dass solche homogene Gruppen als Ganze oder in ihrem männlichen Anteil ausgelöscht werden. Vereinfacht gesagt: der Flaschenhals kann anstatt durch ein Female-Choice-Modell auch durch »Tötet die Männer, nehmt euch die Frauen«-Szenarien zwischen patrilinearen Abstammungsgruppen erklärt werden. Solche Szenarien sind auch schon in der feministischen Literatur protokolliert worden, zum Beispiel bei der Historikerin Gerda Lerner: »There is overwhelming historical evidence for the preponderance of the practice of killing or mutilating male prisoners and for the large-scale enslavement of female prisoners.« (Lerner 1986, S. 81) Lerner bezieht sich dabei auf mesopotamische Quellen des dritten vorchristlichen Jahrtausends wie die Geierstele, was aber nicht dagegen spricht, dass solche Praktiken schon früher ausgeübt wurden.

Ebenso wichtig wie die empirischen Einwände gegen Stoverocks Thesen sind alternative systematische Argumente, das erklären können, warum Homo Sapiens nicht einfach die Naturgeschichte ungebrochen fortsetzt. Ein solches Argument ist ein ökonomisches: der Mensch bestreitet seinen Lebensunterhalt in sozial organisierter Arbeitsteilung, die eine möglichst große Verlässlichkeit und Kontinuität der Versorgung gewährleisten soll. An dieser Stelle lohnt sich ein ausführliches illustrierendes Zitat von Claude Lévi-Strauss:

»Vor allem auf den primitivsten Stufen, wo die Härte der geographischen Umwelt und der rudimentäre Stand der Techniken sowohl die Jagd wie den Gartenbau und das Sammeln zu einem Wagnis machen, wäre das Dasein für ein auf sich gestelltes Individuum fast unmöglich. Einer der stärksten Eindrücke meiner ersten Felderfahrungen hinterließ mir ein junger Mann in einem Eingeborenendorf Zentralbrasiliens, der mit düsterer Miene, ungepflegt, schrecklich abgemagert und, wie es schien, im Zustand völliger Verwahrlosung stundenlang in der Ecke einer Hütte kauerte. Ich habe ihn mehrere Tage beobachtet: er ging selten hinaus, außer, um allein zu jagen, und wenn um die Feuerstellen die Familienmahlzeiten begannen, hätte er die meiste Zeit fasten müssen, wenn nicht eine Verwandte von Zeit zu Zeit ein bißchen Nahrung neben ihn gestellt hätte, die er stumm verzehrte. Als ich, von diesem ungewöhnlichen Schicksal verwirrt, schließlich fragte, wer dieser Mensch sei, bei dem wir irgendeine schwere Krankheit vermuteten, lachte man mich aus und sagte: ›Das ist ein Junggeselle!‹; tatsächlich war das der einzige Grund für diesen offensichtlichen Fluch. Diese Erfahrung haben wir seither noch häufig gemacht. Der klägliche Junggeselle, der nichts zu essen hat, wenn sich die Mahlzeit nach einer erfolglosen Jagd- oder Fischfangexpedition auf die Früchte des Sammelns und zuweilen des Gartenbaus, beides weibliche Tätigkeiten, beschränkt, ist ein charakteristisches Bild der | Eingeborenengesellschaft. Aber nicht nur das unmittelbare Opfer befindet sich in einer unerträglichen Situation: seine Verwandten oder Freunde, von denen in solchen Fällen sein Überleben abhängt, ertragen seine stumme Furcht mit Mißmut; denn jede Familie kann mit den vereinten Anstrengungen des Ehemanns und seiner Frau oft gerade so viel erzeugen, um nicht zu verhungern. Ohne Übertreibung darf man also sagen, daß die Ehe in diesen Gesellschaften für jedes Individuum von doppeltem Interesse ist: nicht nur für sich selbst eine Gattin zu finden, sondern auch seiner Gruppe jene beiden Übel der primitiven Gesellschaft zu ersparen: den Junggesellen und das Waisenkind.« (Lévi Strauss 1993, S. 90 f.)

Der Junggeselle als »Übel der primitiven Gesellschaft«: Primitive Gesellschaften können es sich überhaupt nicht leisten, auf die von 70 % der Männer erbrachten Versorgungsleistungen zu verzichten, und die 30 Prozent der Top-Männer können unmöglich 70 Prozent der Frauen samt ihren Kindern und Eltern versorgen. Die Autorin redet zwar pauschal vom »harten Leben der Nomaden«, hat aber nicht das geringste Verständnis dafür, wie sich diese Härte in soziale Organisation übersetzt. »Jeder nur eine Frau«, das Muster, das Stoverock mit der Entstehung der »männlichen Zivilisation« sich ausbilden sieht, ist so alt wie die menschliche Kultur selbst, wenngleich nicht im Sinne einer sanktionierten Monogamievorschrift, sondern im Sinne der Resultate eines assortative mating: Miller (2010, S. 225 ff.) weist darauf hin, dass sexuelle Selektion auch unter Bedingungen von 1:1-Paarungsrelationen stattfinden kann, weil sich die Paare entlang der jeweils individuellen Fitness der Partner sortieren und das Fitnessdifferential bei den Nachkommen der Paare wirksam wird.

An dieser Stelle eine kurze Pause, mit einem munteren Liedchen von Dr. Bajan zum Thema des »Assortative Mating«: Ugadajte! (Ratet mal!)

 

Am Fluss, am tiefen, oben auf dem hohen Berg schmachteten einsam drei Kieferbäumchen. Im Dorf auf dem Berg, wo die Kiefern standen harrten drei fesche Schwestern auf ihr Glück. Die Erste mit schönem Gesicht, die Zweite von guter Figur, ja, und die Dritte – eine Affenschande, und dazu noch einfältig!

Am Fluss, am tiefen, unten am hohen Berg standen einsam drei mächtige Eichen. Im Dorf unten am Berg, wo die Eichen standen, schmachteten unbefraut drei stattliche Brüder. Der Erste heiter und galant, der Zweite gar sehr ernst, ja, und der Dritte – ein Strolch und Schürzenjäger!

Es war einmal an einem schönen Abend, da gingen die Jünglinge mit den Mädchen aus. Der Erste schmetterte Liedchen, der Zweite schenkte Wodka ein, ja, und der Dritte griff hier und dort nach allem, was verboten war! Gut ist der Roggen gewachsen! Der Weizen steht in vollem Saft! Ratet mal, wer hat wem die Heirat versprochen?

Miller weist zudem darauf hin, dass Male Choice und Female Choice beim Menschen alternierend stattfinden: zwar hat die Frau das letzte Wort, aber die ihr zur Verfügung stehende Auswahl steht bereits in Relation zu ihrer eigenen Attraktivität:

»Männliche und weibliche Partnerwahl waren je nach dem Stadium der Partnerwerbung mal mehr, mal weniger wichtig. Normalerweise hielten Männer nach physisch attraktiven Frauen Ausschau und verfolgten sie, um eine Paarungsgemeinschaft zu bilden. In diesem Stadium war die männliche Partnerwahl von größerer Bedeutung und die Frau einer intensiven sexuellen Selektion nach dem ersten Eindruck äußerer Attraktivität unterworfen. Sobald ein Mann dann versuchte, mit einer Frau eine Paarungsgemeinschaft zu bilden, wurde die erste Stufe der weiblichen Partnerwahl ausgelöst.« (Miller 2021, S. 234)

Stoverock möchte mit einer Statistik aus den kulturvergleichenden Arbeiten von George P. Murdock nachweisen, das Polygynie die dominante Paarbeziehungsform in primitiven menschlichen Gesellschaften darstellt:

»Die Daten zeigen, dass eine überwältigende Mehrheit der Kulturen, nämlich 1041, in vorübergehend oder dauerhaft polygynen Systemen (Harems) leben, gegenüber 186 monogynen und lediglich 4 polyandrischen Kulturen. Diese Verhältnisse spiegeln die Verteilung der Paarungssysteme in der Tierwelt wider. Der evolutionäre Druck hat auch bei den Menschen vor allem polygyn-monoandrische Systeme hervorgebracht.« (S. 115)

Schaut man tatsächlich genauer nach, erweist sich die Behauptung als manipulativ: Murdock, den sie im Text als Quelle nennt, ist in ihrem Literaturverzeichnis gar nicht namentlich gelistet. Man muss umständlich erschließen, dass es um das dort gelistete Ethnographic Atlas Codebook, World Cultures, 10(1) geht. Die von Stoverock genannte Summe von 1041 polygynen Systemen ergibt sich, wenn man in Tabelle 9 (»Marital Composition: Monogamy and Polygamy«) die den Codes 2-6 zugeordneten Zahlen summiert. Code 2 mit 453 Fällen ist jedoch als »Independent nuclear, occasional polygyny« ausgewiesen, das heißt, die primäre Bestimmung dieses Typs lautet »Unabhängige Kernfamilie«. Schlägt man diese Kategorie nun den nicht polygynen Systemen zu, weil ihre primäre Bestimmung nicht polygyn ist, dann ergibt sich anstelle eines Verhältnisses von 1:11,5 zugunsten der Polygynie ein Verhältnis 1,1:1 zuungunsten der Polygynie. Die nackten Zahlen abstrahieren zudem von jeglichem Kontext, selbst von den Aussagen, die man anderen Tabellen desselben Werks entnehmen kann: 788 dieser Kulturen sind sesshaft, 831 betreiben Ackerbau, 739 betreiben Viehhaltung von Schweinen, Schafen, Ziegen oder Rindern, im Unterschied zu 294, die primär vom Sammeln (103), Fischen (116) oder von der Jagd (75) leben. Wie diese ergänzenden Daten in ein Modell passen sollen, das vorneolithische (Jäger und Sammler) und neolithische Gesellschaften (Ackerbau und Viehzucht) typologisch gegeneinander ausspielt, erklärt uns die Autorin nicht. Ihre Rezeption empirischer kulturanthropologischer Daten ist reinstes Rosinenpicken und bleibt bar jeglicher nachvollziehbarer theoretischen Einordnung. Da Stoverock sich als einziges ausführliches ethnographisches Beispiel für die Polygynie auf die südafrikanischen San bezieht, bietet sich ein Zitat zu den benachbarten !Kung an, die derselben Kulturgruppe angehören. Stoverock sagt:

»Denn die Female Choice ist in der Nomadengesellschaft voll intakt. Bei den San werden Partnerschaften zwar von den Müttern junger Frauen arrangiert. Doch eine Frau wird den Partner ihrer Tochter eher nach Kriterien bestimmen, die auch für die selbst relevant sind. Und tatsächlich wählen sie den künftigen Kindeserzeuger vorwiegend nach seinem Jagdgeschick aus, glücklose Jäger bleiben unbegehrte Junggesellen.« (S. 129)

Differenzierter ist die Darstellung, die Günter Dux auf Basis der ethnologischen Primärliteratur gibt:

»Die mit Abstand wichtigste soziale Institution, die das Verhalten der Geschlechter bestimmt, ist die Praxis, die Mädchen schon im frühesten Kindesalter, idealiter zwischen zwei und sechs Jahren, in die Ehe zu versprechen. An der Auswahl sind beide Eltern beteiligt, vielleicht mit einem leichten Übergewicht der Entscheidung des Vaters. Die Eltern haben bei der Auswahl des Mannes sicher das Interesse des Kindes im Auge, vor allem das an einer guten Behandlung durch den Mann und an der Versorgung mit Fleisch. Das letztere ist jedoch auch ihr eigenes Interesse. Denn der Mann ist über Jahre zu einer Form des Braut-Dienstes verpflichtet, die darin besteht, auch die Eltern der Frau mit Fleisch zu versorgen. Das Mädchen bleibt nach dem Versprechen zunächst in der Familie der Eltern, wird jedoch früh und noch als Kind dem Bräutigam zugeführt.« (Dux 1994, S. 114)

Weder die Frau, noch ausschließlich ihre Mutter, sondern ihre verwandtschaftliche Bezugseinheit trifft letztlich die Entscheidung zur Partnerwahl. Dabei wird auch klar, dass die Versorgungsbefähigung des Mannes nicht einfach ein Fitnessindikator für gute Gene ist, sondern ein wichtiger ökonomischer Faktor in der Subsistenzsicherung der Familie:

»Übereinstimmend ist in den Berichten vermerkt, daß die !Kung verrückt sind nach Fleisch, selbst wenn genug Nahrung im Camp vorhanden ist. Die Aussicht auf Versorgung mit Fleisch ist deshalb noch allemal ein gutes Argument, die widerstrebende Nisa in die Ehe zu reden. Ihr Vater erklärt: ›Also, nimm diesen Mann als deinen Ehemann, diesen starken Mann, der Nahrung bringen wird für dich und für mich zu essen. Ist etwa dein Vater der einzige, der Nahrung finden kann? Ein Ehemann tötet Dinge und gibt sie dir, ein Ehemann ist hinter Dingen her, die er dir gibt; ein Ehemann verschafft Fleisch, das ist Nahrung für dich zu essen.‹« (Dux 1994, S. 116)

Das ergibt ein ganz anderes Bild der Polygynie: welcher Mann es sich leisten kann, verwirklicht sie, aber die meisten Männer geben sich mit einer Frau zufrieden (anstatt, wie Stoverock unterstellt, gar keine abzukriegen):

»Polygynie ist die von den Männern begehrte ideale Eheform. Allerdings können sie nur fünf Prozent der Männer verwirklichen. Entscheidend sind die persönlichen Fähigkeiten eines Mannes, vor allem die Fähigkeit, zwei oder gar mehr Frauen mit Fleisch zu versorgen. Bei den Frauen stößt die polygyne Ehe auf wenig Gegenliebe. Sie ziehen es vor, einen Mann für sich zu haben.« (Dux 1994, S. 115)

Anders gesagt: eine relative ökonomische Abhängigkeit der Frau, deren Entstehung Stoverock ins Neolithikum verlegt, aber auch eine komplementäre männliche Versorgungsverpflichtung, existiert seit Anbeginn der menschlichen Art. Den entsprechenden Hinweis dazu gibt sie selbst auf Seite 114 (die Mutter »brauchte eine Gruppe mit engen sozialen Bindungen, die sie unterstützen konnte«), erkennt aber die Implikation nicht, dass diese Unterstützung wesentlich durch den Mann und Vater erfolgte. Daran, wie sie ihren Blick auf die Frage der Fortpflanzung verengt, erkennt man, dass sie als Biologin, aber nicht als Soziologin ausgebildet ist. Die Fortpflanzung des Menschen ist aufgrund des erforderlichen hohen parentalen Investments in zunächst hilflosen Nachwuchs in ein System der Ökonomie eingebettet. Menschenaffen kennen keine Ökonomie. Ökonomie entsteht unter der conditio humana, den spezifischen Bedingungen des Menschseins, als technologisch vermittelte, arbeitsteilige Auseinandersetzung mit der Natur in der sozialen Organisation und normativen Ordnung kultureller Regeln. Und im Kern dieser Ökonomie steht von Anfang an die Familialisierung des Mannes als zumindest mittelfristig stabile Relation zwischen Vätern und Mutter-Kind-Dyaden. Zugleich ist die familiale Grundkonstellation der Ort der menschlichen Ontogenese im Sinne des Erlernens geteilter Intentionalität in der Mutter-Kind-Beziehung und der kollektiven Intentionalität in der altersmäßig später liegenden Hinzuziehung des Vaters. Die Einschätzung, dass elterliche Paarbeziehungen nach sieben Jahren eine Krise durchmachen, passt dabei zu den primitiven Bedingungen, unter denen die Enkulturation des Nachwuchses zu einem in der Gruppe moralisch zurechnungsfähigen Individuum üblicherweise in diesem Alter abgeschlossen ist. Als Resultat der »Familialisierung des Mannes« am Beginn der kulturellen Evolution entsteht somit tatsächlich ein spezifisches »männliches Bedürfnis« – das Bedürfnis nämlich, ein guter Versorger von Frauen und Kindern zu sein, denn dieses Bedürfnis ist die kulturelle Form, die das biologische Bedürfnis nach Sex beim Kulturwesen Homo Sapiens annimmt. Nur weil Stoverock als Kulturanthropologin einen Totalausfall darstellt, kann sie sich zu Formulierungen wie der folgenden versteigen:

»Männer haben die Zivilisation von Anfang an so gestaltet, dass zuallererst ihre aus dem Sexuellen Konflikt entstandenen Bedürfnisse und Notwendigkeiten berücksichtigt wurden. (…) Das, womit wir im Moment hadern, ist die Erkenntnis, dass die Zivilisation fast nur für eine Sorte Mensch funktioniert: den Mann.« (S. 17)

Die neolithische Revolution bringt darum keine »männliche Zivilisation« hervor, weil die im Kern auf relativ stabilen Paarbeziehungen beruhende Vergemeinschaftungsform der Geschlechter ein Merkmal der menschlichen Kultur schlechthin ist. Die Geschlechterbeziehungen des paläolithischen Homo Sapiens sind nicht, wie Stoverock behauptet, »naturbelassen«. Zivilisation »funktioniert« entweder für beide Geschlechter, oder für keines, also überhaupt nicht. Stoverock verwechselt den Übergang zur menschlichen Hochkultur mit der Entstehung der menschlichen Kultur als solcher. Sie verlegt in die Anlaufzeit zur Hochkultur im Neolithikum, was tatsächlich eine Eigenschaft der menschlichen Kultur schlechthin ist und mit der Familialisierung des Mannes einsetzt: das Paarungsverhalten kulturellen Regeln zu unterwerfen. Sie missversteht das Neolithikum auch noch in anderer Hinsicht, wenn sie dort die »Entstehung männlicher Hierarchien« verorten will: »Männliche Hierarchie« ist in erster Linie funktionelle Hierarchie unter Männern, die in altsteinzeitlichen Jagdgruppen und frühgeschichtlichen Kriegergemeinschaften gleichermaßen funktioniert. Die sakrale Hierarchie der frühen Staaten und aller späteren ständegesellschaftlichen Statushierarchien dagegen ist ein ganz anderes Phänomen, das sich auf Lineages, d. h. auf Dynastien, und schließlich auf ganze soziale Schichten bezieht. Es ist immer die ganze Sippe, immer ein ganzer Familienverband, der im sozialhierarchischen Statusfahrstuhl nach oben oder unten fährt.

Schließlich verwechselt Stoverock auch Individualbesitz und Privateigentum. Individualbesitz gibt es, seit paläolithische Jägergruppen die Jagdbeute erst unter den Jägern aufteilen, bevor diese es innerhalb der Paarbeziehung weitergeben. Privateigentum entsteht aus der Weitergabe erblichen Besitzes. Jedes Stück Fleisch aus dem Beuteanteil des Jägers ist ein Individualbesitz. Der wesentliche Unterschied zum Zeitalter der Landwirtschaft besteht darin, dass man im Unterschied zu Pflug, Ochse und Immobilie ein Rib-Eye-Steak nicht als Familienerbsteak Familienerbstück weiterreichen kann. Für Erbangelegenheiten dagegen muss die Nachkommenschaft unzweifelhaft bestimmbar sein. Die Einschränkung der sexuellen Freiheiten der Frau entsteht daher nicht aus dem »Bedürfnis«, die Female Choice zurückzudrängen, sondern daraus, die Vaterschaft und damit Genealogien zurechenbar zu machen.

(4) An dieser Stelle beginnen wir zu verstehen, inwiefern Stoverock ihr Erklärungsmodell als »feministisch« verteidigen kann: sie macht in aller subjektiven Unschuld den auf einem impliziten Biologismus beruhenden Sexismus der feministischen Ideologie explizit. Ihre nach dem Triebstaumodell konstruierte Vulgärpsychologie des Mannes ist nicht nur mit jedem feministischen Vorurteil über Männer kompatibel, sondern adelt es geradezu. Man kann dies freilich auch als eine Entfaltung der dem Feminismus inhärenten Widersprüche verstehen, insofern sie unfreiwillig aufdeckt, dass diese Ideologie zwischen der Skylla der Biologieverleugnung im Genderfeminismus und der Charybdis des uneingestandenen Biologismus im Radikalfeminismus offenbar einer bipolaren Störung unterliegt.

Hiervon ausgehend möchte ich über ihre Gegenwartsdiagnose nicht mehr allzu viel ausführen. Aus falschen Voraussetzungen ergeben sich falsche Schlussfolgerungen, und wenn die »männliche Zivilisation« des Neolithikums keinen Sündenfall darstellt, dann kann auch die Frauenbewegung nicht davon erlösen. Die längeren Ausführungen zur Geschichte der »männlichen Zivilisation«, vornehmlich der Bezug auf die Hochreligionen, verlängert den zum Thema Neolithikum formulierten Grundgedanken in die Epoche der antiken Zivilisationen, das heißt andersherum: findet überall den Nagel, weil sie nun mal nur zum Hammer statt zum ganzen Werkzeugkasten gegriffen hat:

»Alle monotheistischen Religionen greifen den Wunsch des Mannes auf, über die Ressource Frau verfügen zu können. Dieser Wunsch entspringt direkt dem Sexuellen Konflikt und steht daher Obrigkeiten als Gelenkschmiere für die Manipulation der Massen nahezu unbegrenzt zur Verfügung.« (S. 177)

In die soziologische Leerstelle ihres Denkens füllt sie auf diese Art ersatzweise die stereotypen Erklärungen des Feminismus ein.

Da diese Rezension nun schon recht lang und immer noch ein Drittel des Buches übrig ist, entscheide ich mich hier für eine Zweiteilung, bei der ich den gegenwartsdiagnostischen Teil im Verlauf der kommenden Woche nachreiche. Mein Hauptanliegen, Stoverocks völlig verfehlte anthropologische Argumentation aufzuweisen, sehe ich mit diesem Text erfüllt.

Literatur:

Buss, David M. (2016), The Evolution of Desire. Strategies of Human Mating. Revised and updated edition. New York: Basic Books Dux, Günter (1992), Die Spur der Macht im Verhältnis der Geschlechter. Über den Ursprung der Ungleichheit zwischen Frau und Mann. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Dux, Günter (1994), Geschlecht und Gesellschaft. Warum wir lieben. Die romantische Liebe nach dem Verlust der Welt. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Feldman, Marcus W.; Aw, Alan J.; Zeng, Tian Chen (2018), Cultural hitchhiking and competition between patrilineal kin groups explain the post-Neolithic Y-chromosome bottleneck. In: Nature Communications 9. DOI: 10.1038/s41467-018-04375-6. Fletcher, Garth J. O. et al. (2015), Pair-Bonding, Romantic Love, and Evolution: The Curious Case of Homo sapiens. In: Perspectives on Psychological Science 10 (1), S. 20–36. DOI: 10.1177/1745691614561683. Geary, David C. (2010), Male, Female. The Evolution of Human Sex Differences. 2nd ed. Washington, D.C: American Psychological Association Junker, Thomas (2008), Die Evolution des Menschen. München: C.H.Beck Krause, Johannes; Trappe, Thomas (2019), Die Reise unserer Gene. Eine Geschichte über uns und unsere Vorfahren. Berlin: Propyläen Lerner, Gerda (1986), The Creation of Patriarchy. New York – Oxford: Oxford University Press Lippold, Sebastian et al. (2014), Human paternal and maternal demographic histories: insights from high-resolution Y chromosome and mtDNA sequences. In: Investigative Genetics (http://www.investigativegenetics.com/content/5/1/13) Machin, Anna (2018), The Life of Dad. The Making of the Modern Father. London: Simon & Schuster Mansperger, Mark C. (1990), The precultural human mating system. In: Human Evolution (5), S. 245–259. (DOI: 10.1007/BF02437241) Mealey, Linda (2000), Sex differences. Development and evolutionary strategies. San Diego: Academic Press Miller, Geoffrey F. (2010), Die sexuelle Evolution. Partnerwahl und die Entstehung des Geistes. Heidelberg: Spektrum Nakahashi, Wataru; Horiuchi, Shiro (2011), Evolution of ape and human mating systems. In: Journal of Theoretical Biology, 296, S. 56–64. (DOI: 10.1016/j.jtbi.2011.11.026.) Sikora, Martin et al. (2017), Ancient genomes show social and reproductive behavior of early Upper Paleolithic foragers. In: Science (358), S. 659–662. (https://science.sciencemag.org/content/358/6363/659) Wilson, Edward O. (2014), Die soziale Eroberung der Erde. Eine biologische Geschichte des Menschen. München: C. H. Beck

Weiter Besprechungen: