Tag: 4. März 2021
Auszüge aus dem neuen SPD Zukunftsprogramm
Die SPD hat ihr neues Parteiprogramm herausgebraucht. Diese ist zwar nach dem Einbruch bei den Wählern nicht mehr so bedeutsam, aber es ist ja dennoch interessant sich ihre Pläne, insbesondere soweit sie Geschlechterthemen betreffen, mal anzuschauen
Ich zitiere einfach mal ein paar Passagen:
Frauen und Kinder haben besondere gesundheitliche Bedürfnisse, die bei ihrer Gesundheitsversorgung und der Prävention berücksichtigt werden müssen. Doch in der medizinischen Forschung wird zumeist mit Daten von männlich Probanden geforscht – das werden wir ändern
Start-up-Unternehmen sind wichtige Wachstumsmotoren für die Wirtschaft. Wir wollen Deutschland zu einem führenden Start-up-Standort Europas machen, und so hochwertige Arbeitsplätze in den Regionen schaffen. Um mehr Unternehmensgründungen anzuregen und mittelständischen Unternehmen eine sinnvolle Nachfolgeplanung zu ermöglichen, setzten wir auf drei Kernpunkte: Organisatorische Unterstützung wie One-Stop-Agenturen für Gründer*innen, erleichterter Zugang zu Kapital durch Projektförderung sowie öffentliche Fonds für Wagniskapital und eine “Kultur der zweiten Chance”, auch im Insolvenzrecht. Existenzgründungen von Frauen und in der Fläche werden wir mit eigenen Programmen gezielt fördern.
Für diejenigen, die besonders viel verdienen, halten wir an dem Aufschlag von drei Prozentpunkten zur Einkommensteuer fest. Er soll künftig bei Verheirateten für den zu versteuernden Einkommensanteil oberhalb von 500.000 Euro im Jahr, bei Ledigen ab 250.000 Euro im Jahr gelten.
Den Solidaritätszuschlag haben wir für die allermeisten Bürger*innen abgeschafft. Die Einnahmen aus dem verbliebenen Solidaritätszuschlag, den nur noch die Spitzenverdiener*innen zahlen, werden wir weiter brauchen. Er ist ein gerechter Beitrag zu einem stabilen Gemeinwesen, das allen nutzt.
Das geltende Steuerrecht befördert die klassische Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen. Das werden wir ändern und das Steuerrecht stärker auf Partnerschaftlichkeit ausrichten. Das Ehegattensplitting bildet die gesellschaftliche Realität nicht mehr ab und schließt viele Haushalte mit Kindern von dem gewährten Steuervorteil aus. Nutznießer sind stattdessen vor allem Alleinverdiener-Ehepaare mit hohen Einkommen unabhängig von der Kinderzahl. Das werden wir für neu geschlossene Ehen ändern und ein Wahlrecht für bestehende Ehen einführen.
Die steuerliche Abzugsfähigkeit von Manager*innengehältern werden wir begrenzen, und zwar auf das 15-fache des Durchschnittseinkommens der Beschäftigten in dem Betrieb, in dem die Manager*in beschäftigt ist. Bislang gilt bei Aufwendung wie zum Beispiel Spenden: Je höher das Einkommen, desto höher die Steuerrückerstattung. Des wollen wir ändern und zukünftig alle Aufwendungen gleich behandeln.
Kinder und Jugendliche brauchen starke Familien. Sie brauchen Liebe, Zuwendung und Zeit. Die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft hängt davon ab, dass sich Menschen für Kinder entscheiden und sie auf ihrem Weg in ein selbständiges Leben bestmöglich begleiten. Bei allen Fortschritten in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist klar: Eltern können über viele Jahre nicht so arbeiten, als wenn sie keine Kinder hätten. Das gilt zumal dann, wenn neben der Kindererziehung noch Alltagshilfe oder Pflege für ältere Angehörige zu leisten ist.
In der Krise ist erneut deutlich geworden, dass Fürsorgearbeit überwiegend von Frauen geleistet wird. Wir treten dafür an, dass Familien mehr Zeit füreinander haben. Erwerbs- und Sorgearbeit soll gerechter zwischen Frauen und Männern verteilt werden. Alleinerziehende müssen besondere Unterstützung bekommen.
Wir werden ein Vier-Säulen-Modell für mehr Familienzeit einführen.
Die erste Säule sind zwei Wochen Elternschaftszeit direkt nach Geburt eines Kindes, auf die jeder Vater bzw. der/die Partner*in kurzfristig und sozial abgesichert Anspruch hat. Wir werden damit Familien mit Kindern in ihrer allerersten Phase unterstützen und die Voraussetzungen für eine gerechtere Aufteilung von Sorgeaufgaben schaffen.
Die zweite Säule ist die Familienarbeitszeit, mit der wir den derzeitigen Partnerschaftsbonus beim ElterngeldPlus zu einer flexiblen, geförderten Elternteilzeit nach dem ersten Lebensjahr eines Kindes ausbauen werden. Wenn in Paarfamilien beide Elternteile gleichzeitig oder Alleinerziehende ihre Arbeitszeit reduzieren, sollen sie zukünftig je zehn Monate ElterngeldPlus erhalten – mindestens 200 und höchstens 900 Euro. Diese Leistung kann so lange genutzt werden wie auch der Anspruch auf Elternzeit gilt. Denn auch jenseits des Kleinkindalters brauchen Eltern Zeit für ihre Kinder, sei es bei der Einschulung, weil ein Umzug ansteht oder
ein Kind einfach mehr unterstützt werden muss als andere.Die dritte Säule ist das neue Elterngeld akut als dauerhafte Ausweitung der pandemiebedingt erhöhten Kinderkrankentage auf 20 Tage pro Kind, Jahr und Elternteil – bei mehr als zwei Kindern maximal 90 Tage pro Elternpaar oder Alleinerziehende. Kinderkrankentage waren schon vor Corona oft zu knapp – gerade bei jüngeren Kindern, die in den ersten Kita-Jahren häufig krank werden. Darüber hinaus soll künftig auch anderer kurzzeitiger Betreuungsbedarf über das neue Elterngeld organisiert werden können.
Unser Modell der Familienpflegezeit ist die vierte Säule. Wer Angehörige pflegt, soll dabei unterstützt werden, die Pflege mit Erwerbsarbeit zu kombinieren. Das bedeutet: 15 Monate Anspruch auf Unterstützung (Lohnersatz) bei einer Arbeitszeitreduzierung für jeden nahen Angehörigen ab Pflegegrad 2, auf mehrere Pflegepersonen aufteilbar mit einer Mindestarbeitszeit von 15 bis 20 Stunden. Wichtig ist, dass Unternehmen gezielt auch die Männer ermutigen, dieses Modell zu nutzen.
GLEICHSTELLUNG VERWIRKLICHEN
Bei der großen Aufgabe der Gleichberechtigung der Geschlechter wurde in den letzten Jahrzehnten vieles erreicht, wenn auch noch lange nicht alles. In einigen Bereichen fehlt es an gesetzlichen Grundlagen, um den Fortschritt, der für viele selbstverständlich ist, auch rechtlich durchzusetzen.
Das Prinzip des gleichen Lohns für die gleiche und gleichwertige Arbeit muss selbstverständlich auch zwischen den Geschlechtern gelten. Wir werden ein Gesetz für gleiche Löhne für Frauen und Männer einführen. Es wird Unternehmen und Verwaltungen verpflichten, Löhne und Gehälter im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit zu überprüfen und Verfahren festlegen, mit denen festgestellte Ungleichheit bei der Entlohnung beseitigt wird, ohne dass sich Betroffene selbst darum kümmern müssen.Gleichberechtigung ist auch eine Frage der politischen Repräsentation. Darum setzen wir uns für Paritätsgesetze für den Bundestag, die Länder und Kommunen ein, damit Frauen und Männer in gleichem Maße an politischen Entscheidungen beteiligt sind.
Erfolgreiches Wirtschaften braucht geschlechterparitätische und kulturell vielfältige Arbeitsteams. Selbstverständlich auch an den Unternehmensspitzen. Deshalb haben wir die Vorgaben für die Beteiligung von Frauen in Führungspositionen verbessert. Wir haben zunächst eine Quote für Aufsichtsräte eingeführt; danach haben wir dafür gesorgt, dass in den Vorständen von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten großen Unternehmen mindestens eine Frau vertreten sein muss. Wir werden weiterhin mit Förderprogrammen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sorgen.
Der erste Programmierer der Welt war eine Frau: Ada Lovelace. Doch heute sind IT-Berufe in hohem Maße von Männern dominiert, und an der Spitze von Tech-Unternehmen in Deutschland Frauen noch seltener vertreten als im Durchschnitt der Unternehmen. Wir wollen, dass Mädchen und junge Frauen früh erfahren, dass Technik und Unternehmensgründung etwas für sie sein kann. Wir wollen einen besseren Zugang für Frauen zu Gründungskapital und eine umfassende und koordinierte Förderstrategie, um geschlechtsbezogene Barrieren für
digitalisierungsbezogene Unternehmensgründungen abzubauen.Wenn der Einsatz von Algorithmen, zum Beispiel bei der Personalrekrutierung, über das Leben oder die Chancen von Menschen mitentscheidet, dürfen sie niemals diskriminieren. Wir wollen verantwortungsvolle Künstliche Intelligenzen (KI) und Algorithmen, die vorurteilsfrei programmiert sind und auf diskriminierungsfreien Datenlagen basieren. Dies soll regelmäßig geprüft und zertifiziert werden.
Versorgungssicherheit und die freie Wahl des Geburtsortes brauchen Paare, die sich für Kinder entscheiden. Ob nun stationär oder ambulant in der Klinik, im Geburtshaus oder in den eigenen vier Wänden. Für eine gute Geburtsbegleitung ist ein Betreuungsschlüssel für Hebammen notwendig, der eine 1:1 Betreuung im Kreißsaal vorsieht. Daher muss auch die
Geburtshilfe aus dem System der „diagnosebezogenen Fallpauschalen“ entlassen werden.Frauen und Paare, die sich in einer Konfliktsituation für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, brauchen Zugang zu Informationen und einer wohnortnahen, guten medizinischen Versorgung – das gilt ambulant wie stationär. Deshalb müssen Länder und Kommunen dafür sorgen, dass Krankenhäuser, die öffentliche Mittel erhalten, Schwangerschaftsabbrüche als Grundversorgung anbieten. Wir erkennen die Verantwortung und das Selbstbestimmungsrecht von Frauen an. In Hinblick auf die Paragraphen 218 und 219a stellen wir fest: Schwangerschaftskonflikte gehören nicht ins Strafrecht.
Etwa jede vierte Frau wird mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt durch einen (Ex-)Partner. Um häusliche Gewalt wirksam zu bekämpfen, werden wir die Zusammenarbeit aller Verantwortlichen in staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen verbessern. Entsprechend unserer Verpflichtungen aus der „Istanbul-Konvention“ werden wir das Hilfesystem aus Beratungsstellen, Frauenhäusern und anderen Schutzeinrichtungen weiterentwickeln.
In der Familie wird füreinander Verantwortung übernommen. Die Ehe ist und bleibt dafür attraktiv. Deshalb haben wir die Ehe für alle durchgesetzt. Zugleich ist klar: Verantwortung hängt nicht am Trauschein. Wir werden vielfältige Familienmodelle rechtlich absichern. Die Lebensentwürfe werden individueller, das müssen auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen widerspiegeln. Mit der Verantwortungsgemeinschaft schaffen wir nach dem Vorbild des französischen „Pacte civil de solidarité (PACS) eine zusätzliche Alternative für alle, zu deren Lebenssituation und Wünschen das klassische Ehe-Modell nicht passt.
Auch Regenbogenfamilien brauchen starke Rechte. Mit der Verantwortungsgemeinschaft unterstützen wir Regenbogenfamilien zusätzlich darin, füreinander Sorge zu tragen und Verantwortung zu übernehmen, wenn sich mehrere Menschen mit oder anstelle der biologischen Eltern um Kinder kümmern.
Wir schaffen ein modernes Abstammungsrecht. Wir setzen uns ein für gleiche Rechte von Homosexuellen in der Ehe, insbesondere bei Adoptionen. Kein Gericht sollte künftig mehr über die Anpassung des Personenstandes entscheiden. Psychologische Gutachten zur Feststellung der Geschlechtsidentität werden wir abschaffen. Jeder Mensch sollte selber über sein Leben bestimmen können. Das Transsexuellenrecht werden wir entsprechend reformieren.
Das Diskriminierungsverbot wegen der sexuellen Identität wollen wir in Art. 3 Abs. 3 GG aufnehmen.Die gleichberechtigte Teilhabe aller Geschlechter und Identitäten ist ein Gewinn für die ganze Gesellschaft, da alte Rollen- und Denkmuster aufgebrochen. Wir setzen uns für die Anerkennung und Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans-, Inter- und queeren Menschen (LSBTIQ*) ein. Niemand darf schlechter gestellt werden aufgrund des Geschlechts. Wir setzen uns die rechtliche Absicherung von LSBTIQ*-Familien und Trans* und Inter*Personen zum Ziel.
Wir stellen uns konsequent gegen Diskriminierung und Gewalt. Wir werden einen nationalen Aktionsplan gegen Homo-, Bi-, Trans- und Interphobie und Gewalt gegen LSBTIQ* einführen.
Wir fördern den Kampf gegen Gewalt, die sich gegen queere Menschen richtet.