Paula-Irene Villa Braslavsky, Genderprofessorin, hat ein FAQ zu Mythen über die Gender Studies erstellt. Ich wollte sie nach und nach hier besprechen:
Heute:
Wieso müssen die GS alles gendern?
Das ist ja ein so altes Thema, dass ich erst einmal auf die hierzu bereits vorhanden Beiträge verweise:
- Sprache gendern
- Gegenderte Sprache: Sind Frauen mitgemeint? Eine empirische Untersuchung zum Verständnis des generischen Maskulinums und seiner Alternativen
- Wirkt sich der Faktor wie stark eine Sprache gendert auf die Gleichberechtigung in den Ländern aus?
- Arnd Diringer zu verpflichtender gegenderter Sprache an den Universitäten
- Hannover führt verbindlich eine „geschlechtergerechte Verwaltungssprache“ ein
- Sparkassen-Kundin klagt auf Anrede in weiblicher Form („Kundin“ statt „Kunde“)
- Leitfaden zum feministischen Sprachhandeln – Professx, Studierix und Co.
- Gendern oder nicht gendern? Das ist hier die Frage! (Gastartikel)
- „Finden Sie gendern wichtig?“
- Gendern in den Öffentlich-rechtlichen Sendern
- Sprache richtig gendern: Eine eigene Endung für Männer ist dringend erforderlich
- Genderneutralität in Schweden
- „Ich habe eine Woche lang nur im generischen Femininum gesprochen“
Wahrscheinlich habe ich noch welche übersehen, aber es gibt ja erst einmal einen Überblick und in den Kommentaren auch jede Menge weitere Informationen.
Geschlecht als strukturelle Kategorie ist immer bereits vorhanden und so normalisiert, dass sie nicht mehr wahrgenommen wird. Die Gender Studies machen dies im Zusammenhang mit struktureller Ungleichheit zwischen den Geschlechtern sichtbar. Binnen-I, Sternchen, Unterstrich sind Versuche, Geschlecht nicht mit männlich gleichzusetzen, sondern zu differenzieren, wer eigentlich gemeint ist.
„Zu differenzieren wer eigentlich gemeint ist“ durch Binnen-I und Unterstrich? Anscheinend ja in dem man eine „Neutrale Form durch Mehrfachnennung“ schafft. Für den Alltag ist das aber nicht zu gebrauchen und schon damit sinnlos. Wenn es solche gravierenden Wirkungen haben sollte, dann müsste man sich ein funktionierendes System für die Praxis zulegen. So ist es außerhalb akademischer Zirkel kaum vermittelbar und auch nicht einsetzbar. Ob die neuen Sprechweisen bei einigen öffentlich-rechlichen Sendern das ändern? Ich habe meine Zweifel. Eine Eingewöhnung wird um so weniger passieren, wenn das System zumindest einmal im Jahr geändert wird, weil es irgendeine Gruppe noch nicht hinreichend miteinbezieht.
Sprache ist – insoweit könnte man Möglichkeiten sehen – in der Tat etwas lebendiges, was sich anpassen kann. Was man dabei aber einplanen muss, wenn man überlegt, ob sich Sprache in eine gewisse Richtung verändern wird, ist die menschliche Eigenschaft, Kosten zu minimieren, wenn es geht. Ein klassisches Beispiel ist hier im Bild dargestellt:
An solchen Ecken bilden sich typischerweise „Abkürzungstrampelpfade“ und viele gehen, um so mehr, wenn sie es eilig haben, nicht den von den Planern gewollten Weg, sondern die Abkürzung.
Das ist auch gerade dann der Fall, wenn der gewollte Weg für das normale Leben keinerlei Mehrwert erzeugt. Die wenigsten Leute haben Verständnisprobleme wenn sie sich in „ungegenderter Sprache“ unterhalten. Im Gegenteil: Die Verständigungsprobleme nehmen eher zu, weil man sich erst auf das richtige „Gendersystem“ einigen müsste und zudem viele gerade so konzipiert sind, dass sie es schwerer machen, sie sollen ja „Stolpersteine“ darstellen, anhand derer man seine „Genderwahrnehmung“ hinterfragt. Und die meisten Leute messen ihren Unterhaltungen auch nicht danach, inwiefern sie Frauen oder Transsexuelle mehr Sprachlich zur Geltung bringen.
Es macht einen großen Unterschied, ob die Arbeitssoziologie bspw. von Arbeitern oder von Arbeitern und Arbeiterinnen, Arbeiter/innen, ArbeiterInnen, Arbeiter*innen, Arbeiter_innen schreibt.
Da wäre es natürlich mal interessant gewesen, welche Studien aus ihrer Sicht diesen großen Unterschied darlegen. In den meisten Fällen dürfte es überhaupt keinen Unterschied machen.
Klingt erst mal lustig, in ersterem Fall aber wird Wissen reproduziert, dass Arbeit männlich ist, etwas mit Muskeln und Stahl und Familie ernähren zu tun hat und sowieso nur Erwerbsarbeit meint.
Ah, da springt sie etwas von dem schwierigen Gebiet des Genderns weg und widmet sich einem anderen Bereich, nämlich den Bemühungen alles, was irgendwie von Frauen als Tätigkeit gemacht wird, als Arbeit umzudefinieren. Ein Beispiel ist die Carearbeit und die Mental Load.
„Arbeit“ verbinden heute die wenigsten mit „Muskeln und Stahl“, auch der große Teil der Männer arbeitet nicht mehr in einem Stahlwerk sondern viele haben einen Bürojob.
Die Idee, dass von Arbeiter_innen zu sprechen etwas an der Realität ändert, dass Frauen weitaus eher als Männer Teilzeit arbeiten und auch Teilzeit arbeiten wollen und Männer ganz überwiegend der „Hauptverdiener“ sind, ist schon gewagt.
Die anderen Formen weisen darauf hin, dass nicht nur Männer (zur Differenzierung Sternchen etc. s.u.) arbeiten und gearbeitet haben, sondern Frauen auch. Erst wenn wir diesen Umstand konsequent sichtbar machen, lassen sich auch Wissenslücke mit Bezug auf bspw. Frauenerwerbstätigkeit im neunzehnten Jahrhundert identifizieren.
Da fehlt das Argument, warum es nur dann möglich sein soll, solche Wissenslücken zu schließen oder? Zumal man dazu auch keine komplette Umstellung der Sprache braucht, eine passende Formulierung innerhalb des Textes macht das sogar klarer als ein Gendern unabhängig von dem jeweiligen Zahlenverhältnissen. Denn dieses verliert gerade dann an Bedeutung, wenn man verinnerlicht, dass es nichts über die konkreten Zahlen aussagt.
Oder, dass “Arbeiten” und “Muskeln” auch “Kinder rumtragen” meinen könnte.
Wenn in einem Kontext von Arbeiter_innen gesprochen wird würde ich damit dennoch kein Kinderherumtragen verbinden. Auch wenn das durchaus körperlich anstrengend sein kann. Und auch der Zusammenhang mit Muskeln erschließt sich da für mich nicht direkt.
Die Gender Studies “müssen gendern”, weil sonst dem Fach (und den anderen Fächern auch) Wissen verloren geht, bzw. gar nicht erst entstehen kann, darüber, wer denn wo und wie gearbeitet hat. Und das wiederum hat Folgen für aktuelle Debatten zum Thema Arbeit, wie die Tautologie #working mom beweist.
Das halte ich für ein sehr schwaches Argument. Was erwartet sie von solchen gegenderten Texten? In einem geschichtlichen Text von „Stahlarbeiter_innen“ ist nicht neutraler und bewahrt auch kein Wissen, es ist schlicht falsch.
Und wie soll gendern „Working mom“ verhindern? Auch wenn man von „Arbeiter_innen“ spricht wird man sich darunter nicht die Mutter, die zuhause ihre Kinder betreut, vorstellen. Es ist aber auch interessant, dass sie für diesen Text über das deutsche Gendern ein englisches Wort bringt. Vielleicht weil die entsprechende Übertragung die „Berufstätige Mutter“ wäre und das eigentlich recht klar in der Formulierung ist? Oder eben die „Arbeitende Mutter“ bei der ebenfalls eine ganz andere inhaltliche Botschaft besteht. Es wird nicht gesagt, dass Mutter keine Arbeit ist (da haben wir ja sogar im deutschen das Wort der „Hausarbeit“) sondern, dass sie berufstätig ist.