Zu dem gestern besprochenen Antrag findet sich das Protokoll zur Bundestagsdebatte hier (ab S. 25447).
Wesentliches „Gegenargument“ ist, dass der Antrag die Wissenschaftsfreiheit angreift.
Dazu aus der Wikipedia:
Die akademische Freiheit besteht in Deutschland in der Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Hauptsächliche Träger dieser gesetzlich garantierten Freiheiten sind Professoren und andere Hochschullehrer.
- Freiheit der Forschung: Ein Wissenschaftler ist frei in seiner forschenden Fragestellung, in seinem methodischen Vorgehen (sofern es nicht gegen Gesetze verstößt) sowie in der Bewertung und Verbreitung seiner Forschungsergebnisse.
- Lehrfreiheit: Hochschullehrer können die Lehrveranstaltungen (Vorlesungen, Übungen, Seminare usw.) inhaltlich und methodisch frei gestalten und sind berechtigt, darin ihre wissenschaftliche und künstlerische Lehrmeinung frei zu äußern. Dies entbindet sie aber nicht von der Verpflichtung, Lehrveranstaltungen in der äußeren Form abzuhalten, wie sie in den jeweiligen Studienordnungen definiert ist.
- Die Lehrfreiheit ist damit eine akademische Spezialisierung der Redefreiheit und ist besonders weitreichend.
- Freiheit des Studiums: Innerhalb des Rahmens der Studien- und Prüfungsordnung können die Studenten frei wählen, welche Lehrveranstaltungen sie besuchen, und im Regelfall auch, ob/wann sie darüber Prüfungen ablegen. Aus diesem Freiraum ergeben sich für die Studierenden je nach Studienrichtung mehr oder weniger große Spielräume in der Gestaltung ihrer akademischen Ausbildung.
- Innerhalb des Studienganges können sie Schwerpunkte (Vertiefungsfach) nach eigener Wahl setzen.
- Diese Freiheiten sind teilweise beschränkt durch Studienordnungen und teils verbindliche Stundenpläne, die insbesondere in den ersten Semestern die Vermittlung der Grundlagen eines Faches vorschreiben und damit garantieren sollen, dass sich alle Studierenden eines Studiengangs im weiteren Verlauf ihres Studiums auf eine solide Basis aus Fähigkeiten und Kenntnissen stützen können. Gelegentlich werden diese Beschränkungen als Verschulung des Hochschulstudiums kritisiert; dies betrifft insbesondere Bachelor– und Staatsexamensstudiengänge. Auch eine auf den Arbeitsmarkt ausgerichtete Ausbildung kann eine striktere Linienführung im Aufbau des Studiums erzwingen.
- Die Studierenden können sich eine eigene wissenschaftliche Meinung erarbeiten und sollen diese auch äußern. Widerspricht sie der Lehrmeinung, ist dies eine Gelegenheit, die Kunst der Argumentation zu üben.
Jetzt wäre also die Frage, ob eine Kürzung von Geldern für die Gender Studies und eine Reduzierung ihres Einflusses die Wissenschaftsfreiheit beschränkt.
In den Protokollen findet sich dazu folgender Einwand:
Sie haben zu Recht abgehoben auf die Forschungslinie des BMBF und ausgeführt, dass das BMBF im Bereich der Genderforschung einige Gelder investiert.
Ich möchte Sie an dieser Stelle fragen: Ist es nicht eine zulässige politische Haltung in diesem Bereich, zum Beispiel eine Erhöhung der Unterstützung zu fordern oder zu fordern, dass sie gleich bleibt, oder auch der Meinung zu sein, dass sie abnehmen sollte oder vielleicht gestrichen werden sollte, weil wir andere Prioritäten setzen wollen?
Was wir wollen, ist nicht, Wissenschaft zu verbieten, sondern die Forderungen, die wir erheben, sind meiner Meinung nach politische Forderungen, die durchaus zulässig sind. Und das hat nichts mit dem Verbot von Wissenschaften zu tun, so wie Sie es vorhin insinuiert haben
Und das ist auch so durchaus zumindest teilweise zutreffend. Kein Staat muss wegen der Wissenschaftsfreiheit Gender Studies Lehrstühle vorhalten und schon gar nicht muss er ihnen einen wesentlichen Einfluss zugestehen.
Er kann ihnen als gesonderte Einrichtung sozusagen „den Hahn abdrehen“ in dem er keine weiteren Professuren dieser Art einrichtet. Was er allerdings nicht kann ist vorhanden Professoren verbieten in Richtung der Gender Studies zu forschen. Insofern muss man sicherlich keine „Gender Studies Lehrstühle“ vorhalten oder den Theorien besondere Macht zugestehen. Aber man kann eben auch keine Meinungen verbieten.
Hier noch einmal das juristische Prüfschema dazu in Kurzform:
1. Schutzbereich
a. Persönlicher Schutzbereich
Geschützt sind die Wissenschaftler.
Wissenschaftler sind die Personen, die mit ständig neuen Methoden nach einer Erweiterung
der Erkenntnis suchen.
(+) natürliche Personen; aber auch jur. Personen des Privatrechts (Institute, Hochschulen)
b. Sachlicher Schutzbereich
Schutzgut ist die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre.
Wissenschaft ist alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter Versuch zur Ermittlung von
Wahrheit anzusehen ist.
Forschung und Lehre haben keine eigene Bedeutung, sie werden von der Wissenschaft
umfaßt.
(+) geschützt sind auch Mindermeinungen und fehlerhafte Forschungsansätze.
2. Eingriffe
Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe auf den Prozeß der Gewinnung und Vermittlung wissen-
schaftlicher Erkenntnisse.
3. Schranken (und Schranken-Schranken)
-> Art. 5 III 2 – kein Verstoß gegen die Verfassung
-> ansonsten bestehen vom Wortlaut her keine Beschränkungen – uneingeschränktes
Grundrecht.
Also sind die verfassungsimmanenten Schranken zu prüfen.
P.: Streit um Schrankengewinnung.
Beachte: Insbesondere gilt nicht die Schranke des Art. 5 II. Art. 5 III kann lex specialis zu Art.
5 I sein. Die Schranke des Art. 5 II darf deshalb nicht auf Art. 5 III übertragen werden.
Es sind demnach auch falsche Ansichten und fehlerhafte Ansätze geschützt. Das macht auch durchaus Sinn, weil sonst über den Ansatz, dass jemand falsch forscht beliebiges verboten werden kann.
Einschränkungen wären dann nur über die anderen Grundrechte möglich, etwa die Menschenwürde.
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