Corona und die Retraditionalisierung

Ein interessanter Beitrag auf Twitter von Andreas Backhaus:

Seit dem Frühjahr wird u.a. von Prof. @JA_Allmendinger und @MFratzscher die Sorge/Behauptung geäußert, Corona führe zu einer „entsetzlichen Retraditionalisierung“ der Rollenverteilung in Familien. Den normativen Gehalt dieser Aussage mal beiseite, was sagt die Evidenz? (1/n)

Eine Studie von K. Hank und A. Steinbach findet: „the results of our study thus neither support the notion of a new ‘patriarchal pandemic’ induced by the COVID-19 pandemic, nor do they indicate that the crisis might have fostered macro-level trends of gender convergence.“ (2/n)

The dynamics we observe in a situation characterized by a large extent of stability rather than by fundamental disruptions in established patterns of couples’ division of labor rather suggest heterogeneous responses to the ‘Corona shock’.“ Quelle: https://ubp.uni-bamberg.de/jfr/index.php/jfr/article/view/488/438… (3/n)

Das klingt übrigens in diesem @faznet-Beitrag ganz anders. Böse Zungen könnten hier von „Framing“ sprechen. (4/n)
Corona und Partnerschaft: Frauen putzen, Männer trinken BierDie Corona-Pandemie stellt die Liebe auf eine Zerreißprobe. Wie meistern Paare die Belastung? Eine neue Studie gibt Antworten.faz.net

Eine Studie des BiB findet: „Die gegenwärtig diskutierte These der Retraditionalisierung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung lässt sich auf Basis der in dieser Studie analysierten repräsentativen Daten nicht bestätigen.“ Quelle: https://bib.bund.de/Publikation/2020/pdf/Eltern-waehrend-der-Corona-Krise.pdf… (5/n)

Die Mannheimer Corona-Studie findet: „Somit zeigen die aktuellen Werte nicht unbedingt eine Verstärkung der Geschlechterungleichheit im Vergleich zu vor der Corona-Krise.“ Quelle: https://uni-mannheim.de/media/Einrichtungen/gip/Corona_Studie/2020-04-05_Schwerpunktbericht_Erwerbstaetigkeit_und_Kinderbetreuung.pdf… (6/n)

Eine Studie von WZB-Mitarbeiterinnen findet: „even though parents tended to divide childcare more evenly, at least temporarily, mothers still shouldered more childcare work than fathers. The division of housework remained largely unchanged.“ Quelle: https://tandfonline.com/doi/full/10.1080/14616696.2020.1833229… (7/n)Parenthood as a driver of increased gender inequality during COVID-19? Exploratory evidence from…(2020). Parenthood as a driver of increased gender inequality during COVID-19? Exploratory evidence from Germany. European Societies. Ahead of Print.tandfonline.com

Eine DIW-Studie: „Somit ist coronabedingtdie durchschnittliche Betreuungszeit bei Müttern um 2,9 und bei Vätern um 2,5 Stunden gestiegen. Allerdings hat die Kinderbetreuungszeit der Väter im Vergleich zum Vorjahr überproportional stark zugenommen.“ https://diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.794303.de/diw_aktuell_51.pdf… (8/n)

Im Grunde kommen alle diese Studien zu ähnlichen Ergebnissen: Im Schnitt engagieren sich beide Elternteile stärker in der Kinderbetreuung, die Väter mit höherem Zuwachs von niedrigerem Niveau aus. Heterogenität zwischen Familien ist dabei durchaus vorhanden. (9/n)

Was ist mit der Evidenz für die „entsetzliche Retraditionalisierung“? Die Studien finden sie nicht, ich sehe sie ebenfalls nicht. Die Sorge mag berechtigt gewesen sein, bestätigt hat sie sich bisher nicht. (10/n)

Eine gute Zusammenstellung, die man bei entsprechenden Äußerungen zitieren kann.