Teresa Bücker beschreibt wie sie zu Männerpolitik steht:
Als Feministin bin ich manchmal müde. Müde, zu erklären, warum ich wütend bin. Müde, zu erklären, warum ich keine Geduld mehr habe. Ich bin nicht die erste Frau, die auf vollständige Gleichberechtigung wartet und für die es kein Trost ist, dass es heute ein wenig besser ist als gestern. Dabei ist Gerechtigkeit so leicht zu erklären, wenn man den Spieß umdreht. Sobald man einem Mann sagt, er solle sich vorstellen, dass er für die exakt gleiche Arbeit, die eine Kollegin verrichtet, 500 Euro weniger im Monat bekommen würde als sie, fällt der Groschen. In der umgekehrten Konstellation würde der Gehaltsunterschied vielleicht gerechtfertigt: „Hat sie schlecht verhandelt?“, „Hat sie eine Babypause gemacht?“ Erst wenn sich Personen wirklich einfühlen in die Situationen, in denen andere sehr konkret oder auch subtil Diskriminierung erfahren, können sie verstehen, woher Wut und Ungeduld kommen. Wir alle können das, wenn wir uns Mühe geben.
Nur das Frauen eben nicht für die exakt gleiche Arbeit 500 Euro weniger bekommen. Frauen bekommen im Schnitt, über alle Arbeiten und verschiedenen Berufe zusammen, weniger Geld, haben dafür aber häufig andere Vorteile wie weniger Überstunden, kürzere Arbeitszeiten, weniger erfolgsabhängigen Anteil des Gehalts, bessere Vereinbarkeit mit Familie etc. Es ist also schon ein reichlich unrealistisches Beispiel, mit dem sie ihre Wut rechtfertigt.
Und als jemand, der in der Geschlechterdiskussion tief drinstecken sollte, sollte ihr auch bewußt sein, dass eine Bereinigung des Gehaltsunterschiedes schon nahezu vollständig möglich ist ohne das viele persönliche Faktoren hinzugezogen werden.
Viele der feministischen Ziele können nicht ohne Männer erreicht werden.
Wie Feministinnen mit Männern gut zusammenarbeiten können, wird innerhalb feministischer Gruppen immer wieder kontrovers diskutiert. Denn feministische Anliegen haben es seit jeher schwer und für die Errungenschaften der Gleichberechtigung haben Frauen oft lange und hart kämpfen müssen. Viele Forderungen sind bis heute nicht umgesetzt. Von Männern kam wenig Unterstützung, oftmals Abwehr. Hinzu kommt das Phänomen, dass Frauen sich immer wieder den männlich geprägten Ideen und Idealen anpassen, da es das Leben für sie leichter machen kann. Nicht einmal alle Frauen halten im Streben nach mehr Gleichberechtigung zusammen.
Tatsächlich kam sehr viel Unterstützung von Männern für Gleichberechtigung. Gleichberechtigung ist eigentlich gar nicht das Thema mehr, Feministinnen fordern weit eher Ergebnisgleichheit, also Gleichstellung. Und da sind viele nicht einverstanden.
Und dann der Vorhalt des weiblichen Verrats: Wie können diese Frauen nur ihr Leben nach ihren Vorstellungen (Pardon: denen der Männer, anders kann es gar nicht sein) leben und nicht alle daran arbeiten Gehaltsunterschiede zu beseitigen?
Interessant wäre auch, welchen Anspruch Bücker an sich selbst legt. Sie scheint ihren Chefredakteurinnenjob aufgegeben zu haben und nur noch Kolumnen zu schreiben. Sie ist in keiner Partei und war auch nie in einer. Macht sie gerade Pause und Verrat die Frauen?
Eine Bewegung für die Gleichberechtigung aller Geschlechter steht also vor der Herausforderung, dass ganz unterschiedliche Frauen, ganz unterschiedliche Männer, die vielfältigen Menschen jenseits der binären Geschlechterordnung und außerdem die Interessen der Kinder zusammengebracht werden müssen – in einem Entwurf einer menschlichen, gleichberechtigten Welt. Das ist eine immense Aufgabe.
Viele der feministischen Ziele können nicht ohne Männer erreicht werden. Sie ließen sich sogar viel leichter erreichen, wenn Männer von sich aus mitmachten, statt dass sie von diesen Zielen von Frauen überzeugt werden sollten.
Aber warum sollten sie sich überzeugen lassen, wenn es um Gleichstellung geht und selbst die wenigsten Frauen davon überzeugt sind, dass die Geschlechterrollen aufgelöst werden müssen? Die meisten Männer sind gerne Männer und die meisten Frauen gerne Frauen. Sie mögen auch jeweils gerne das andere Geschlecht, und das durchaus in seiner typischeren Ausprägung.
Hier setzt also auch die gleichstellungsorientierte Männerpolitik an: Männer, die verstehen, dass die Solidarität mit Frauen die erste Voraussetzung dafür ist, dass es auch in ihrem Leben schließlich mehr Freiheiten geben wird. Zum Beispiel, dass die Forderung nach Equal-Pay es Mann-Frau- Paaren schließlich leichter machen wird, dass auch Väter eine lange Elternzeit in Anspruch nehmen oder ihre Arbeitszeit reduzieren können für mehr Zeit mit der Familie.
Männerpolitik kann eben in dieser Vorstellung immer nur ein Anhängsel der Frauenbefreiung sein. Und ein Hinterfragen der eigenen Positionen darf im Feminismus eh nicht erfolgen. Das zu einer längeren Elternzeit auch eine Frau gehört, die das mitmacht, die einen Mann danach aussucht, dass er auch aussetzt, und das bisher eher Männer mit guten Job interessant sind, kommt darin nicht vor. Auch nicht der Umstand, dass der Gender Pay Gap von Nachtschichten und Wochenendarbeit gestützt wird, nicht in bequemen Vorstandsetagen, sondern in Fabrikanlagen in technischen Berufen, wird da gerne verschwiegen.
Ich bin sicher: Sehr viele Männer träumen von einer Welt, in der Mannsein viele Facetten hat.
Wer würde am meisten von einer bezahlten Freistellung nach der Geburt profitieren, die auch für Väter und lesbische Co-Mütter gelten würde? Nicht nur die Männer, die voll und ganz bei ihrer Familie sein möchten, sondern vor allem auch die Mütter, die ohne Unterstützung im Wochenbett leicht überlastet werden. Von dieser Verbesserung, die auf den ersten Blick wie ein Geschenk an Männer wirkt und nach wie vor nicht zu dem dominanten Bild des männlichen Ernährers passt, haben alle etwas: alle Eltern, alle Kinder – unsere ganze Gesellschaft.
Dazu braucht man aber keinen Feminismus und keine Lohngleichheit. Man braucht dafür auch keine Frauenquoten. Und das Bild des männlichen Ernährers stützt eben nicht nur das Patriarchat, vor allem stützen es auch die Frauen – und häufig auch die Realität, in der es einfacher ist, wenn einer sich auf den Job konzentriert und der andere eher aussetzt.
Ich bin sicher: Sehr viele Männer träumen von einer Welt, in der Mannsein viele Facetten hat. In der sie sich breiter verwirklichen können als über den Beruf, in der sie nicht mehr oder weniger männlich gelten, nur weil sie vermeintlich maskuline Eigenschaften haben oder nicht. Es braucht mehr von diesen Männern, die laut darüber sprechen, dass sie anders leben möchten. Die nicht nur für sich ein gleichberechtigtes Lebensmodell realisieren, weil sie es sich leisten können, sondern sich darüber hinaus dafür einsetzen, dass genau das für alle Menschen möglich wird – unabhängig von ihrem Geschlecht. Männerpolitik heißt daher auch, wohlwollend über Frauen zu sprechen und feministische Anliegen auch dann zu unterstützen, wenn davon auf den ersten Blick vor allem Frauen profitieren.
Männlichkeit hat zum einen viele Facetten, zum anderen sehe ich nicht wie mit dem gegenwärtigen Feminismus mit seiner männerfeindlichen Haltung überhaupt eine positivere Rolle entstehen soll. Die Rolle der Männer wird nicht einfacher mit der Umsetzung feministischer Ideen.
Das immer wieder verständlich zu machen, ist eine große Aufgabe für die gleichstellungsorientierte Männerpolitik, aber umso wichtiger, um sich von antifeminitischen Männerrechtlern abzugrenzen, die insbesondere im Internet gut organisiert sind, teils Frauenhass verbreiten und die wichtige Arbeit von den Männerorganisationen, die geschlechterübegreifend die Gleichstellungsarbeit voranbringen wollen, in Verruf bringen.
Männerpolitik ist für sie verständlich machen, dass Feminismus an erster Stelle steht. Und bloß nicht auf Leute hören, die eine eigenständige, vom Feminismus losgelöste Vorstellung haben.
Warum sollte man sich mit deren Positionen auseinandersetzen, die ja auch gar nicht starre Rollen vorsehen? Lieber pauschal abwerten.