„Gleichberechtigung: Die Krise der Männer“ von Jana Hensel

Der Zeitartikel „Gleichberechtigung: Die Krise der Männer“ von Jana Hensel wurde recht häufig von verschiedenen Personen aufgegriffen, so dass er sich für eine Besprechung anbietet:

Ganz am Anfang der Corona-Krise, da waren die Schulen und Kindergärten noch geöffnet, habe ich auf Twitter aus nichts als einer Laune heraus gefragt, ob es unter den Virologen in Deutschland eigentlich auch Frauen gäbe, und erntete das, was man einen veritablen Shitstorm nennt.

Die allermeisten fanden, ich fasse das jetzt einmal so freundlich wie möglich zusammen, dass es nun doch wirklich der falscheste Zeitpunkt für solcherart „Gedöns“-Fragen sei. Hätte ich denn nicht begriffen, wie ernst die Lage sei? Dass es doch völlig nebensächlich sei, ob Männer oder Frauen oder Männer und Frauen mit Migrationsgeschichte uns retteten? Denn ja, im Moment ginge es um nichts anderes als unser Überleben.

Aus der Sicht von jemanden, der einer Identitätspolitik anhängt kann es natürlich nicht egal sein, wer etwas sagt bzw welche Gruppe die Gelegenheit gegeben wird etwas über einen Vertreter zu sagen. Denn alles ist im intersektionalen Feminismus ja nur aus der Sicht dieser Gruppen zu bewerten, es steht damit ein Machtkampf dahinter: Wenn der Experte männlich ist, dann bedeutet es, dass er weibliche Interessen in der Gesellschaft nicht vertreten kann und das Männer als kompetent dargestellt werden und als die, die in einer solchen Krise zu befragen sind und auf deren Meinung es ankommt.

Die „normale“ Ansicht innerhalb der Bevölkerung, die auch zu dem Shitstorm geführt haben dürfte, wäre wohl eher, dass man ein Problem lösen muss und dazu jemanden suchen muss, der auf dem Gebiet klasse ist und eine Lösung bieten bzw das Problem aus seiner Fachsicht erklären kann. Wer es ist ist dabei nicht so wichtig, solange er es gut erklären kann, er erkennbar qualifiziert ist und er (aus Sicht der Medienschaffenden) auch bereit ist vor eine Kamera zu treten und dort nach Möglichkeit gut anzukommen.

Für die Medien dürfte es auch interessant sein, da nicht jedesmal einen neuen Experten vorzustellen, sondern nach Möglichkeit einen Experten zu etablieren, der sowohl fachlich als gut anerkannt wird als auch als vertrauensvoll angesehen wird. Denn der Aufbau eines Experten macht dessen Aussage für die Leute interessanter und wichtiger.

Die Expertendämmerung

Meine Frage auf Twitter hatte also, ohne dass ich es ahnen konnte, in eine Art Wespennest gestochen. Zu diesem Zeitpunkt, ich erinnere noch einmal daran, war das Land ganz versessen auf Christian Drosten und seinen täglichen Podcast. Man soll mich nicht falsch verstehen, ich habe überhaupt nichts gegen Christian Drosten, aber der Virologe war, ohne es zu wollen, so etwas wie die Vorhut einer männlichen Expertendämmerung.

Interessant, dass sie sich auch nicht traut etwas gegen Drosten zu sagen. Noch nicht einmal ein Mansplaining Vorwurf oder etwas in dieser Art.

Er war nur eben die Vorhut der anderen Männer.

Seither hören wir wie gebannt all den männlichen Wissenschaftlern und ihren Zahlenanalysen zu. Wir schauen den männlichen Politikern bei uns und im Ausland zu, wie sie die Pandemie zu lösen und sich wie nebenbei zu profilieren versuchen. Und wenn uns das noch nicht reicht, können wir auch noch stapelweise Interviews und Texte von männlichen Soziologen, Philosophen, Ökonomen, Unternehmern, Schriftstellern und Therapeuten lesen, die uns erzählen, wie sie durch die Krise kommen oder auf welche Art wir anderen es versuchen sollten.

Liegt ja schon meist daran, dass sie eben bereit sind sich vor die Kamera zu stellen, sie die Texte schreiben, sie die Zusatzzeit investieren etwas zu dem Inhalt zu produzieren.

Wären da nicht Angela Merkel, Juli Zeh und die Infektiologin Marylyn Addo, man könnte den Eindruck gewinnen, unser Land bestünde ausschließlich aus Männern. Aber, halt! Das ist ja auch so, unser Land besteht in den Chefetagen noch immer größtenteils aus Männern, und wer in all den feministischen Debatten der vergangenen Jahre eventuell den Eindruck bekommen hatte, daran hätte sich irgendetwas geändert, der wird nun mit den kalten Tatsachen konfrontiert. All die Chefs wissenschaftlicher, medizinischer oder virologischer Institute sind größtenteils Männer, die meisten Chefärzte von Kliniken und Pflegeeinrichtungen sind ebenso Männer wie der übergroße Teil der Ökonomen und Politiker. All das ist bekannt. Man weiß das aus allen möglichen statistischen Erhebungen und Faktenanalysen. Nun, in der Krise, wird es uns noch einmal anschaulich und sichtbar vor Augen geführt.

Das ist erst einmal richtig. Aber wie so häufig erklärt es diese Grafiken hier eigentlich ganz gut:

Männer wollen eher einen Job mit einem hohen Lohn, mit Prestige, mit einer Herausforderung, Frauen wollen weitaus eher einen Job, der eine nicht zu hohe Arbeitsstundenzahl erfordert.

Letzteres macht auch die weitere Grafik deutlich:

Arbeitsstunden Bereitschaft idealer Job

Arbeitsstunden Bereitschaft idealer Job

Rechnet man dann noch die Frauen ab, die lange Zeit wegen Kindererziehung ausgesetzt haben und danach auch nur einen Teilzeitjob wollen, dann wird erst recht deutlich, dass es wenig erstaunlich ist, dass weitaus mehr Männer nach oben kommen als Frauen.

Aber das Führungspositionen nicht nur per Geschlecht vergeben werden, sondern eher ein Geschlecht überrepräsentiert ist, weil in diesem eben ein Verhalten vorherrscht, welches einen eher nach oben kommen lässt, ist ein Gedankengang, der einer Feministin wohl als unvorstellbar erscheinen muss.

Markus Söder, Jens Spahn, Olaf Scholz, Armin Laschet, Lothar Wieler, Alexander Kekulé, Hendrik Streeck, Jonas Schmidt-Chanasit, Clemens Fuest und andere, sie alle zusammen bilden das Gesicht dieser Krise. Natürlich haben sie gewiss auch Mitarbeiterinnen und Kolleginnen, aber als sprechfähig betrachtet werden die Männer. Und in den Talkshows werden sie allenfalls flankiert von meist weiblichen Pflegerinnen, Krankenschwestern, Kita-Erzieherinnen, Jugendamtsmitarbeiterinnen, Friseurinnen und Supermarktkassiererinnen, die dann auch mal kurz berichten dürfen, wie es draußen im Land wirklich ausschaut.

Verdammt, der Gesundheitsminister meldet sich zu Maßnahmen bezüglich eines Viruses, wer hätte es gedacht. Und der Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes (Laschet), dazu noch mit einem recht zurückhaltenden Ansatz, der insoweit umstritten ist, ist auch in der Presse. Unglaublich.

Wollte zB  Manuela Schwesig denn in die Talkshows und über die Krise reden? Gibt es entsprechend renomierte weibliche Forscher, die in die Talkshows wollen?

Aber natürlich waren auch weitere Frauen in den Talkshows, etwa Prof. Melanie Brinkmann bei Lanz, weitere Namen in der Presse wären etwa Ulrike Protzer oder Prof. Dr. Karin Mölling.

„Das Virus macht die Gesellschaft wieder viril, männlich“, schrieb die Journalistin Heide Oestreich kürzlich in einer Kolumne. Ich würde ja eher sagen, das Virus zeigt unsere Gesellschaft wieder so viril, wie sie eigentlich ist. Nun jedoch offen, hemdsärmelig und breitbeinig, ohne schlechtes Gewissen und ohne verschämte Gesten.

Wie sagte Markus Söder kürzlich in einem Spiegel-Interview: „In der Krise wird oft nach dem Vater gefragt.“ Obwohl, um einmal im Bild der Familie zu bleiben, von den 1,6 Millionen Alleinerziehenden in Deutschland 1,44 Millionen Frauen sind und ungefähr die Hälfte der Väter keinen Unterhalt zahlen.

Billige Stimmungsmache gegen Väter, die vollkommen unberechtigt ist.

Und wenn Söder anführt, dass in der Krise nach einem Vater gefragt wird, also jemand, der fürsorglich aber bestimmt die Verantwortung und Führung übernimmt, dann hätte er, weil er ja sich selbst meint, wohl kaum anführen können, dass nach einer Mutter gefragt wird.
Aber natürlich hätten Schwesig oder Merkel (eh die Mutter der Nation) ein ähnliches Bild aufgreifen können, wenn sie wollten, es sagt ansonsten wenig aus.

 

Und wie forderte die Werteunion, der sehr konservative Flügel der CDU, auf Twitter: „Diese schlimme Zeit macht jetzt hoffentlich auch dem Letzten klar, dass Professoren für Medizin, Chemie und Biologie unendlich viel wichtiger sind als solche für ‚Gender Studies‘.“

Die Autorin  studierte Romanistik und Neuere Deutsche Literatur. Vielleicht führt sie sich da mit angesprochen. Ich meine sie hätte sich noch nicht einmal als besonders intersektional hervorgehoben, aber ein Angriff auf die Gender Studies steht ja auch immer stellvertretend für einen Angriff gegen den Feminismus.

Obwohl der Anteil von Frauen in den sogenannten systemrelevanten Jobs bei 75 Prozent liegt. Und es gerade solche Wissenschaftlerinnen sind, die sich unter anderem mit der schlechten Bezahlung von Frauen in Pflegeberufen, sogenannter Care-Workerinnen, beschäftigen.

Tatsächlich sind viele dieser Frauen-Jobs auch nicht schlechter bezahlt als andere durchaus wichtige Männerjobs. Und es war ja hier schon häufig Thema, aber die Systemrelevanz bestimmter Berufe ist keineswegs abschließend dafür, dass das System nur diese nicht entbehren kann. Natürlich braucht man weiterhin Techniker, die den Laden am laufen halten etc.

Trotz des sich hartnäckig haltenden Klischees, wonach Feminismus eine Angelegenheit von Besserverdienenden sei, waren es immer wieder Feministinnen, die auf solche sozialen Missstände aufmerksam gemacht und dagegen gekämpft haben. Wo bleibt eigentlich deren Expertise in diesen Wochen?

Da ist wenig Expertise, mit der man wirklich etwas anfangen kann. Es ist überwiegend lediglich die simple Aussage, dass Frauen natürlich besser zu bezahlen sind. Tiefgreifende Analysen kann man da nicht erwarten, wirklich effektive Maßnahmen neben „bekämpft das nebulöse Patriarchat“ und „die toxische Männlichkeit ist schuld“ kommt da nicht.
Will man einen wirklichen Arbeitsmarktexperten oder jemanden, der sich mit Arbeitskampf auskennt dann bringt einem eine Feministin nichts.

Blick in viele kleine Maschinenräume unseres Landes

Solche Wortmeldungen sind nichts anderes als Versuche, traditionelle Rollenvorstellungen wieder wie die natürlichste Sache der Welt aussehen zu lassen und emanzipative und progressive Bewegungen und Diskurse als eine Art Luxusprobleme darzustellen. Krisen erleichtern solche Argumentationen. Krisen lassen solche reaktionären Forderungen als irgendwie logisch und plausibel erscheinen. Und so können Krisen, dafür gibt es genügend historische Beispiele, immer auch genutzt werden, um einen Backlash einzuleiten.

Ja, bei all dem geht es nur darum, dass das Patriarchat seine Macht ausbauen will. Was für ein einfaches Weltbild und eigentlich ein recht guter Beleg dafür, dass es eben schlicht nichts bringt Feministinnen zu irgendwelchen Problemen zu befragen: Es kommt einfach nichts wirklich intelligentes.

Man könnte hier anführen, dass Männer der Krankenschwestern, die evtl freigestellt sind, gerade mehr Kinder betreuen, dass genug Männer sich aufopfern und sich keineswegs toxisch verhalten, dass alle in der Krise zusammen halten müssen und das sich in vielen Fällen eben gerade Männer und Frauen als Team bewehren.

Aber da ist kein frauenbezogenes Opfernarrativ vorhanden, also warum sollte darüber von einer Feministin etwas gesagt werden?

Nicht zuletzt in den Nachkriegsjahren der alten Bundesrepublik gelang es gerade wegen des einsetzenden Wirtschaftswunders, Frauen in die Rolle der Mütter und Hausfrauen zurückzudrängen. Daraus entstand später der Feminismus der Neuen Sozialen Bewegungen. Nach der Wiedervereinigung, auf dem Höhepunkt der Massenarbeitslosigkeit in Ostdeutschland, waren es die Frauen, die meist als erste ihre Jobs verloren. Man setzte darauf, dass die Männer als traditionelle Ernährer sich wieder allein um die Familien kümmern würden. Das gelang zum Glück nicht, die Frauen wehrten sich dagegen.

„Man“. Die unbestimmte leitende Instanz. Das Patriarchat im Endeffekt. Gegenübergestellt werden „die Frauen“. Der klassische feministische Kampf. Ob tatsächlich auch Frauen froh waren, dass ihr Mann genug verdiente und sie nicht jeden Job annehmen mussten, weil es ihre Rolle weniger verlangte oder sie sich eher „in den Westen machten“ um sich dort einen zahlungskräftigeren Mann zu suchen kommt da auch nicht vor. Wie auch, das es etwas anderes sein kann als ein Kampf von Männern gegen Frauen um Macht ist unmöglich.

Aber das ist das eine. Das ist die öffentliche und sichtbare Seite der sich momentan wieder so viril zeigenden Gesellschaft. Dann gibt es noch eine andere, bisher eher unsichtbare Seite, die sich nun jedoch in all den Bildern aus den Homeoffices, die man in den sozialen Netzwerken sehen kann, offenbart.

Im Moment lassen uns viele ja in ihre privaten Wohnungen, auf ihre Schreibtische und Balkone sehen. Das lässt sich nicht statistisch erfassen, aber nach meinem Gefühl sind auf den allermeisten Bildern von sogenannten Telefonkonferenzen mehr Männer als Frauen zu sehen.

„Das lässt sich nicht statistisch erfassen aber nach meinem Gefühl“ ist schon mal ein guter Anfang.
Aber selbst wenn es stimmt: Was wäre daran ungewöhnlich? Männer arbeiten eher in der freien Wirtschaft, Frauen eher im öffentlichen Dienst. In der freien Wirtschaft braucht es auch eher Konferenzen. Und sie werden auch eher die Ausrüstung dafür zur Verfügung stellen um so etwas einzurichten. Aber nein, bei ihr ist es schlicht das Geltungsbewußtsein der Männer oder was auch immer.

Auch sie zeigen nicht mehr als die Realität in vielen Büros und Institutionen, wo Frauen oft die Minderheit darstellen. Normalerweise sieht man das nicht, normalerweise schaut man nicht in so viele verschiedene Unternehmen und Institutionen hinein, nun aber wird auch dieses Phänomen öfter als sonst und meist wahrscheinlich eher unfreiwillig, wie ein unerwünschter Nebeneffekt, sichtbar gemacht. Diese Krise, sie ist auch ein Blick in all die vielen kleinen Maschinenräume unseres Landes.

Dieser gefühlte Blick offenbart ihr also erst einmal, dass Männer eher in Unternehmen arbeiten. Warum, da braucht man keine tiefere Analyse zu. Es ist eben das Patriarchat, welches nun endlich seine Fratze ganz deutlich zeigt!

Dabei können wir auch sehen, welche Bücher zum Beispiel auf den Schreibtischen der Politiker liegen. Christian Lindner, Friedrich Merz und Lars Klingbeil lesen demnach wie in einer großen großen Koalition Das Ende der Illusionen des Soziologen Andreas Reckwitz. Dietmar Bartsch von der Linkspartei liest Ulf Poschardts Unmündig und Robert Habeck liest gleichzeitig Albert Camus‘ Die Pest, Rainer Forsts Normativität und Macht und Hans Roslings Factfulness.

Wahrscheinlich ist es kein Zufall ist, dass alle diese Männer Bücher männlicher Autoren lesen.

Es könnte daran liegen, dass Sachbücher weitaus häufiger von Männern geschrieben werden und Männer insgesamt auch eher Autoren sind.

Natürlich sollten sie aber eigentlich alle mal endlich ein paar Feministinnen lesen. Gut, Robert Habeck hätte da nach der grünen Quote zumindest eine Autorin aufnehmen sollen, das ist wirklich anzuprangern.

Eher ist das ein privates Spiegelbild der vorhin beschriebenen Phänomene. Man nennt das übrigens Homosozialität und es bedeutet, dass sich Menschen am liebsten mit Menschen umgeben, die ihnen ähnlich sind. Frauen tun das genauso wie Männer, aber Männer sind eben viel öfter in einflussreichen Positionen. Und all diese einflussreichen Männer suchen in der momentanen Krise offenbar ausschließlich den Rat anderer Männer. Es scheint wie ein Teufelskreis, es ist eigentlich ziemlich ernüchternd. 

Nett auf nur dieses eine Kriterium heruntergebrochen. Qualität spielt keine Rolle und viel wichtiger bei einem Buch, welches auf dem Schreibtisch eines Politikers liegt: Verwertbarkeit des Titels dafür, dass man sich über für seine Rolle wichtige Probleme Gedanken macht spielt auch keine Rolle.

Parallel dazu muss ich an die Mütter denken, die im Moment mit den Kindern zu Hause sind. Auch dafür habe ich keine Zahlen, sondern muss mich auf die Beobachtungen in meinem Umfeld stützen. In eigentlich allen Familien, die ich kenne, gehen nämlich die Männer dennoch ins Büro und lösen die Frauen allenfalls in den späten Nachmittagsstunden mit der Kinderbetreuung ab. Es ist exakt eine Familie, die mir einfällt, in der diese Arbeit tatsächlich paritätisch geteilt wird.

„Auch dafür habe ich keine Zahlen“. Herrlich.

Und warum sollte auch die Arbeit in der Krise paritätisch geteilt sein, wenn der Großteil der Frauen in Teilzeit arbeitet und auch in Teilzeit arbeiten will während sie gleichzeitig Männer attraktiver finden, die gutes Geld verdienen? Es muss dieses verdammte Patriarchat sein.

Schon als klar war, dass Homeschooling und Homeoffice drohten, war zu befürchten, dass es in den Familien nun schnell zurück in alte Rollenmodelle ging – falls die jemals wirklich aufgehoben waren. Frauen in den sozialen Netzwerken berichteten immer wieder, wie sie das nun regeln, wie es manche auch überforderte. Lag das daran, dass Frauen sich mehr mit solchen Fragen beschäftigen?

Diese verdammten alten Rollen, was fällt den Leuten nur ein? Die sollten Verboten werden, vor der Krise war das alles anders. Und natürlich ist es durchaus fordernd mit kleineren Kindern zuhause zu sein. Wir erleben es gerade selbst, eine 1,5jährige zu beschäftigen wenn alles zu hat ist schon mitunter nicht einfach.

Aber es ist ja auch nicht so, dass das unlösbare Probleme sind oder es nicht durchaus auch ganz nett sein kann und das Büros in Coronazeiten ein Ort ewigen Frohlockens sind.

Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass Frauen diese Aufgaben schon vorher angefordert haben, ausüben wollten, es gar nicht einsehen, dass sie „9 Monate Schwanger waren und dann nichts von dem Kind haben“ und Halbtagsarbeit einfacher ausfallen kann bzw eher mit Kinderbetreuung verbunden werden kann als ein Vollzeitjob.

Von den Alleinerziehenden einmal abgesehen, sie trifft natürlich auch jetzt das härteste Los.

Sowieso immer. Aber auch das ist natürlich eine starke Verallgemeinerung. Eine Alleinerziehende muss es durchaus nicht schlecht haben mit etwas älteren Kindern und zuhause. Und vielleicht sogar mit Unterstützung des neuen Partners, der Eltern etc. Und sie kann – auch das war ja in der Krise Thema – durchaus auch den Vater ausschließen, ihm mehr Umgang verweigern, meinen, dass Umgang ausfällt und alles daran setzen, dass er das Kind weniger sieht. (nicht generell, genug werden auch dort zusammenarbeiten, aber das plumpe Bild der Alleinerziehenden, die absolut hilflos ist, während der Vater Geld scheffelt, froh, dass er die Kinder nicht am Hals hat, ist ja nun wirklich etwas stark vereinfacht.

Trotz allem glaube ich nicht, dass die Corona-Krise das Land in einen Backlash stürzen wird. Dafür wird sie trotz all der Einschränkungen nicht lang genug anhalten. Auch wenn freilich noch niemand sagen kann, wie lange sie dauern wird. Aber die Corona-Krise hat uns, als ein unbeabsichtigter Nebeneffekt freilich, gezeigt, wie sehr das Land noch immer von Männern dominiert wird, welche Nebenrollen Frauen in vielen Bereichen noch immer spielen. Oder dass sie dort, wo sie die Hauptlast einer solchen Krise tragen, erschreckend unterbezahlt sind.

Auch interessant, dass sie das in dem Artikel gar nicht wirklich herausarbeitet, mit einem umfassenden Vergleich des Gehalts von Männern und Frauen in entsprehenden Berufen, sondern einfach mal so feststellt, weil es ja gar nicht anders sein kann.

Und das eine Dominanz ausgemacht wird ohne je nach Gründen zu fragen.

In Wahrheit zeigt uns ausgerechnet Corona, wie unglaublich viel noch zu tun ist, wenn wir wollen, dass es in Deutschland für Männer und Frauen wirklich so etwas wie Gleichberechtigung gibt.   

Dazu noch die Annahme, dass Frauen an vielen Bereichen wirklich etwas ändern wollen und es nur die Männer sind, die sie zurückhalten. Und die übliche Verwechselung von Gleichberechtigung mit Gleichstellung.