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Tag: 15. April 2020
„Adam und Eva waren nicht zwingend Mann und Frau“ Feministische Bibelauslegung
Arne hatte gestern schon berichtet, aber ich möchte den Blödsinn auch noch einmal aufgreifen:
„Gott schuf den Menschen als Mann und Frau“, so steht es in der biblischen Schöpfungsgeschichte. Solche Bibelzitate werden oft herangezogen, um die Zweigeschlechtlichkeit bis heute zu begründen. Und das ist falsch, sagt der Theologe Stefan Schorch.
Stefan Schorch, Professor für Bibelwissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, legt biblische Texte anders aus als es klassischerweise getan wird und begründet das in seinem Vortrag.
Seiner Beobachtung nach wird in der kirchlichen Diskussion sehr verengt auf die Geschlechterfrage geschaut. Biblische Zitate und Belegtexte würden aus dem Zusammenhang gerissen – beispielsweise von erzkonservativen Alt-Bischöfen, die ihre eigenen Vorstellungen durchsetzen wollten.
Aber auch viele liberale Kirchenvertreter gingen nicht anders vor und ließen ebenfalls wesentliche Teile des Kontextes außer Acht. Es gebe durchaus biblische Stellen, in denen sich andere Vorstellungen von Beziehungen und Sexualität widerspiegeln.
„In der hebräischen Bibel finden sich sehr verschiedene kulturelle Entwürfe von Sexualität, Partnerschaft und Familie.“
Heute sind homosexuelle Partnerschaften sogar unter protestantischen Pfarrerinnen oder Pfarrern grundsätzlich erlaubt. Es dauerte jedoch bis zum Jahr 2010, ehe in Deutschland das Dienstrecht für Pfarrer angepasst und somit neue Möglichkeiten des Zusammenlebens eröffnet wurden.
Zwar haben sich die Urtexte in der Heiligen Schrift nie verändert, doch interpretieren wir sie zu verschiedenen Zeiten immer wieder anders.
In eine Bibel reinzulesen, was man dort lieber stehen hätte, ist eigentlich das Gegenteil von Glauben. Entweder man setzt Gottes Wort absolut – dann verbietet sich eine beliebige Auslegung innerhalb der heutigen Kultur und eine Auslegung kann allenfalls nach dem damaligen Empfängerhorizont erfolgen (was dann nicht gut aussieht für homosexuelle Paare und für eine Neuinterpretation von Adam und Eva) oder man gibt den Wahrheitsanspruch Gottes auf.
Natürlich ist es andererseits zu begrüßen, dass Leute sich von den Schriften einer dermaßen alten Kultur lösen und „moderne Lösungen“ finden. Wenn man dazu die Bibel beliebig interpretieren muss, dann kann das einen Weg darstellen.
Nur müssen dazu die Gläubigen vergleichsweise unreligiös, dumm oder ideologisiert sein, damit sie so eine bescheuerte Erklärung akzeptieren, um ihre Praktiken in die Gegenwart zu retten.
Es geht also immer um Exegese, also um die Auslegung der alten Schriften in bestimmten kulturellen Zusammenhängen. Das führt auch Michaela Bauks in ihrem Vortrag an, Professorin für Bibelwissenschaft am Institut für Evangelische Theologie der Universität Koblenz-Landau. Sie erklärt darin unter anderem, dass der hebräische Name „Adam“ mehrere Bedeutungen hat: Mann, Mensch, Menschheit oder Jemand.
War das erste von Gott geschaffene Lebewesen vielleicht sogar androgyn, hat also weibliche und männliche Merkmale in sich vereinigt? Forschende diskutieren diese Frage, die sich Gläubige über die Jahrhunderte nicht gestellt haben, mit großer Intensität. Dabei tauchen nahezu alle denkbaren Formen auf.
Auch hier ist es natürlich eine sehr theoretische Diskussion, eigentlich ein Glasperlenspiel, also ein rein akademisches, theoretisch-abstraktes Gedankenspiel ohne praktischen Zweck bzw nur mit dem Zweck, dass man eben eine schillerndere These als der Kollege zu Stande gebracht hat.
Denn nur Hardcore-Christen, die dann aber wohl kaum eine solche Abweichung vom Wort Gottes akzeptieren, werden wohl davon ausgehen, dass es Adam und Eva tatsächlich gegeben hat. Die allermeisten Menschen werden es für eine reine Geschichte haben, so dass das Geschlecht beider vollkommen theoretisch ist.
Tatsächlich ist – was die meisten akzeptieren – der Mensch durch Evolution entstanden und der „erste Menschenmann“ war definitiv ein Mann und die „erste Menschenfrau“ war definitiv eine Frau, schon weil alle unsere Vorfahren zumindest im Säugetierstamm zwei Geschlechter hatten. Die Frage ist nicht, ob es damals bereits zwei Geschlechter gab, sondern allenfalls ab welcher Mutation man von einem „Menschen“ ausgehen kann und nicht von einer Vorstufe, denn der Übergang ist natürlich fließend.
„Einige Texte bezeugen die Erschaffung eines männlichen Paares, andere die eines männlichen und weiblichen Typs.“
Auch befasst sich Michaela Bauks mit der These, bei der Erschaffung des Menschen habe es sich in Wahrheit zunächst um nichts anderes als einen Protoplasten gehandelt – also die kleinste lebensfähige Einheit: der Inhalt einer Zelle, die mit einer Zellwand ausgestattet ist.
Die Bibel retten, indem Adam ein Protoplast war? Erscheint mir etwas weit hergeholt, aber ich bin natürlich kein Bibelexperte. Weit eher ist schlicht anzunehmen, dass die Leute damals schlicht einen Schöpfungsmythos nach der ganz simplen Tatsache erstellt haben, dass man für die Produktion eines Menschen eine Frau und einen Mann braucht. Also musste es ganz essentialistisch gedacht und ohne Wissen um Evolution zunächst zwei Menschen, einen Mann und eine Frau gegeben haben. Und um das Dilemma deren Entstehung zu überwinden braucht man dann einen Gott. Der vorher die Welt, den Himmel und die Tiere schaffen muss, damit es vollständig und umfassend wird (und auch für seine Position als einziger Gott – hat er nicht die Welt geschaffen, dann muss es ja jemand anderes gewesen sein).
Daraus könnten in der weiteren Entwicklung die Menschen entstanden sein. Später geht in den Erzählungen die soziale Bestimmung des Menschen mit dem Geschlechtsakt einher, so Michaela Bauks. Laut Altem Testament hätten sich Frau und Mann miteinander zu „verbinden“, um Nachkommen zu zeugen: Als „Social Gender gepaart mit physical sex“ bezeichnet das Michaela Bauks.
Ein nettes Glasperlenspiel für die heutige Gesellschaft: Sehet, auch nach der Bibel hat erst die Kultur den Mann und die Frau gemacht! Wie es die Gender Studies darlegen!
Am Ende bleibt die Kernfrage weiterhin offen: Wer genau waren Adam und Eva?
Fantasiegestalten in einem Schöpfungsmythos. An die man nur glauben kann, wenn man die evolutionäre Entstehung des Menschen ablehnt. Denn sonst sind diese Namen vollkommen unwesentlich.
„Fluides Geschlecht“ – unter diesem Titel hat die Theologische Fakultät der Universität Halle-Wittenberg am 15. und 16. Januar 2020 ihre Theologischen Tage veranstaltet. Dabei ging es um bibelwissenschaftliche Perspektiven auf Homosexualität, Transsexualität und Jungfrauenschaft.
Der Vortrag der Theologin Michaela Bauks von der Universität Koblenz-Landau trägt den Titel „Der erste Mansch ein Protoplast. Überlegungen zur Genderkonstruktion am Beispiel von altorienrtalischen Schöpfungsmythen im Vergleich mit Genesis 1-3“. Der Bibelwissenschaftler Stefan Schorch von der Uni Halle-Wittenberg spricht über das Thema „Moralisches Chaos oder geschöpfliche Sexualität? Die kirchlichen Diskussionen homosexueller Partnerschaften aus alttestamentlicher Sicht“.
Frau Bauks wird das sicherlich mit tollen Worten und gewichtigen Erklärungen ausgeführt und begründet haben.
Aber es bleibt für mich ein Beispiel für eine „Glaubenswissenschaft“. Darunter verstehe ich eine Wissenschaft, die ihre Grundthesen nicht begründen kann und will, sondern sie als absolut setzt und darauf ausgehend Thesen aufbaut. Hier stoßen zwei Glaubenswissenschaften zusammen:
Einmal die Theologie, die einen Gott voraussetzt und die Auffassung, dass die Bibel Gottes Wort ist und aus dieser heraus argumentiert werden muss ohne das man eine dieser Thesen beweisen kann oder will
Und die Gender Studies, die davon ausgehen, dass alles eine soziale Konstruktion ist, auch wenn sie das nicht beweisen können oder wollen.
Beides zusammen ergibt dann eben die obigen Thesen.