Karneval als Mann verkleidet: Frau wird quasi nicht beachtet

Eine Frau verkleidet sich zu Karnveal als Mann und entgeht so der sexuellen Belästigung, merkt aber auch, dass es eine sehr einsame Sache sein kann:

Als ich in diesem Aufzug durch Kölns Straßen laufe, guckt mich kaum jemand an, geschweige denn mir hinterher. Die Blicke vieler Männer heften sich an Frauen in Hexen- oder Krankenschwester-Kostümen. Manche von ihnen bekommen das anscheinend gar nicht mit, sind vertieft in Gespräche mit ihren Freundinnen. Andere ziehen ihre Röcke weiter nach unten. Und ich frage mich wie so oft: Können Frauen sich nicht weiblich anziehen, ohne begafft zu werden? Das einzige Kompliment, das mir währenddessen zugerufen wird, ist: „Guter Charlie, Dude.“ Ich freue mich darüber. Denn offenbar bin ich so gut verkleidet, dass ich jetzt genau das bin: ein Dude.

Meine Freund*innen, einige neue Bekannte und ich gehen tanzen, in einer kleinen engen Bar, die für diesen Abend zur Tanzfläche umfunktioniert worden ist. Es ist heiß, ich ziehe meine Maske ab, mein geschminkter Bart muss für sich stehen. Obwohl sich alle dicht an dicht drängen, alle betrunken sind, einige Pärchen schon wild knutschend in Ecken stehen, werde ich kein einziges Mal bedrängt. Niemand quetscht sich an mir vorbei und lässt seine Hand dabei zu lange auf meiner Brust liegen. Niemand beugt sich an mein Ohr und fragt mich, ob ich öfter hier sei. Während meine Freundin, verkleidet als niedliche Giraffe, immer wieder von fremden Typen angetanzt wird, tanze ich mit mir selbst. Und liebe es.

Eines fällt mir an diesem Abend besonders auf: Sogar die Hetero-Männer, die sich länger mit mir unterhalten, also an meiner Stimme und aus meinen Erzählungen hören müssten, dass ich eine Frau bin, haben offenbar nullkommanull Interesse an mir. Der Bart und mein Outfit scheinen sie so sehr zu verunsichern, dass sie gar nicht erst wissen wollen, wer darunter steckt. Ich meine damit nicht nur sexuelles Interesse. Sie interessiert mein Job nicht, meine Hobbys, mein Humor. Sie sprechen nur gezwungenermaßen mit mir, weil sie sich gerade an meinen Freundinnen abarbeiten, die mich aber weiter ins Gespräch inkludieren wollen.

An der Bar bietet mir niemand Schnaps an, vor der Tür fragt mich niemand nach einer Zigarette geschweige denn nach einem Gespräch. All die anderen Menschen in der Bar, ob sie nun als King Kong, Lady Gaga oder Dinosaurier verkleidet sind, kommen gut beieinander an. Nur ich werde weitgehend übersehen, wie mir scheint. Entweder haben sie alle wahnsinnigen Respekt davor, dass ich mich in meinem Kostüm keinem Geschlecht zuordnen lasse. Oder ich erlebe gerade, wie es ist als sehr kleiner Mann auszugehen: Niemand beachtet dich.

Ein Theorie ist ja immer, dass des einen Geschlechts Hölle des andren Geschlechts Himmel sein kann. Die meisten Männer wären wohl mit einem Karnevalabend, bei dem viele Frauen mit ihnen Flirten und Tanzen wollen voll einverstanden und würden es gut finden, wenn Frauen ihnen an den Hintern greifen oder mit deutlichen Körperkontakt an ihnen vorbei quetschen. Wie lange und von wem wäre eine andere Sache, aber Männer fürchten wohl eher den zweiten Zustand: Alle Freunde werden angetanzt, nur man selbst nicht. Alle wollen sich mit den Freunden unterhalten und man selbst ist das fünfte Rad am wagen, welches allenfalls mühsam von den Freunden ins Gespräch gebracht werden muss.

Sie geht dann noch mal zur Kontrolle sexy los und alles ist beim alten.

Es erinnert natürlich etwas an Nora Vincents Experiment. Ihr Fazit war damals:

Vincent says she’s healed now and glad to be rid of Ned. But her views about men have changed forever.

„Men are suffering. They have different problems than women have, but they don’t have it better,“ she said. „They need our sympathy. They need our love, and maybe they need each other more than anything else. They need to be together.“

Ironically, Vincent said, it took experiencing life as a man for her to appreciate being a woman. „I really like being a woman. … I like it more now because I think it’s more of a privilege.“

Das dieser Gedanke bei einer Feministin nicht eintreten kann ist klar.