Wie kommen wir feministisch korrekt durch die Corona-Krise (Teil2): „Es sind die Frauen, die das Land rocken“

Ein Artikel im Tagesspiegel hat ausgemacht, dass eigentlich nur die Frauen Deutschland noch am laufen halten und leitet daraus her, dass sie dann auch besser bezahlt werden müssen:

Die Coronavirus-Krise fordert den Menschen mehr Fürsorge ab. Für Kranke, für Schwache, für Kinder. Doch die Arbeit ist meist unterbezahlt, oft unbezahlt, scheinbar unsichtbar. Und: Fast immer ist es Frauenarbeit.

Schon lange vor dem Ausbruch des Coronavirus haben Frauen in Deutschland laut OECD die Hauptlast bei der Kindererziehung und der Pflege von Angehörigen getragen, fast 80 Prozent dieser Aufgaben werden von Frauen erledigt. Nun kommt hinzu: Frauen arbeiten oft in genau den Berufen, die jetzt als „systemrelevant“ bezeichnet werden.Eindrücklich zeigt das eine Grafik der Bundesagentur für Arbeit vom Sommer 2019. Demnach sind fast drei Viertel der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Einzelhandel, also etwa die Kassierer im Supermarkt, weiblich. Ganz ähnlich sieht es in den Krankenhäusern aus, wo die Belegschaft zu 76 Prozent aus Frauen besteht. In Kindergärten und Vorschulen ist das Ungleichgewicht noch deutlicher: Nur sieben Prozent der hier Arbeitenden sind Männer, aber 93 Prozent sind Frauen.

Die Liste der „Systemrelevanten Berufe“ ist tatsächlich etwas länger:

Systemrelevante Berufe gem. § 2 Abs. 2 der o.g. Verordnung sind nachfolgend abschließend aufgezählt:
1. Angehörige des Polizeivollzugsdienstes und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Landes, die bei den Polizeipräsidien tätig sind und Vollzugsaufgaben wahrnehmen,
2. Angehörige von Feuerwehren,
3. Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte der Justiz,
4. Bedienstete des Justiz- und Maßregelvollzuges,
5. Bedienstete von Rettungsdiensten,
6. Helferinnen und Helfer des Technischen Hilfswerkes,
7. Helferinnen und Helfer des Katastrophenschutzes,
8. die in der gesundheitlichen Versorgung von Menschen tätigen Angehörigen medizinischer und pflegerischer Berufe, insbesondere
a) Altenpflegerinnen und Altenpfleger nach § 1 des Altenpflegegesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. August 2003
(BGBl. I S. 1691), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. August 2019 (BGBl. I S. 1307) in Verbindung mit § 64 des Pflegeberufegesetzes vom 17. Juli
2017 (BGBl. I S. 2581), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. Januar 2020 (BGBl. I S. 66), oder nach § 58 Abs. 2 des Pflegeberufegesetzes,
b) Altenpflegehelferinnen und Altenpflegehelfer nach § 1 des Hessischen Altenpflegegesetzes vom 5. Juli 2007 (GVBl. I S. 381),
zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Juni 2018 (GVBl. S. 296),
c) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Einrichtungen, die Kindern und Jugendliche im Rahmen der stationären Hilfen zur Erziehung oder der Eingliederungshilfe nach § 35a des Achten Buches Sozialgesetzbuch betreuen,
d) Anästhesietechnische Assistentinnen und Anästhesietechnische Assistenten im Sinne der §§ 1 und 2 der DKGEmpfehlung zur Ausbildung und Prüfung von Operationstechnischen und Anästhesietechnischen Assistentinnen/Assistenten vom 17. September 2013,
e) Ärztinnen und Ärzte,
f) Apothekerinnen und Apotheker,
g) Desinfektorinnen und Desinfektoren,
h) Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger,
i) Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und Gesundheits- und Krankenpfleger,
j) Hebammen,
k) Krankenpflegehelferinnen und Krankenpflegehelfer,
l) Medizinische Fachangestellte,
m) Medizinisch-technische Laboratoriumsassistentinnen und Medizinisch-technische
Laboratoriumsassistenten,
n) Medizinisch-technische Radiologieassistentinnen und Medizinisch-technische Radiologieassistenten,
o) Medizinisch-technische Assistentinnen für Funktionsdiagnostik oder Medizinisch-technischer
Assistenten für Funktionsdiagnostik,
p) Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter,
q) Operationstechnische Assistentinnen und Operationstechnische Assistenten,
r) Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner,
s) Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner,
t) Pharmazeutisch-technische Assistentinnen oder pharmazeutisch-technische Assistenten,
u) Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten,
v) Zahnärztinnen und Zahnärzte
w) Zahnmedizinische Fachangestellte.

Ich habe mal die fett markiert, bei denen ich mehr Männer vermute.

Bedeutet: Vor allem Frauen kümmern sich aktuell in den Kitas um die Kinder von Ärzten, Krankenschwestern und Polizisten. Ohne sie würde Deutschland aktuell wohl zusammenbrechen.

Die Grafik konnte man schlecht kopieren, sie entsprach aber im wesentlichen dieser hier:

Ich will die Arbeit vieler der dort arbeitenden gar nicht kleinreden, aber die Aussage, dass jetzt in der Krise die Kindergärtnerinnen besonders viel Arbeit haben und Deutschland am Laufen halten ist angesichts des Umstandes, dass die meisten Kitas schlicht bis auf Notgruppen zu haben, dann doch etwas merkwürdig.

Und natürlich würde Deutschland auch ohne die hier nicht erwähnten LKW-Fahrer, Techniker, Frachtlogistiker, etc zusammenbrechen, die neue Waren bringen und dafür sorgen, dass weiterhin alles läuft.

Ganz abgesehen davon, dass eine Tätigkeit in der Sozialversicherung insofern auch kein systemrelevanter Job ist. Und alle im Einzelhändel beschäftigen Frauen zu Heldinnen auszurufen, wenn viele davon dank geschlossener Geschäfte (Einzelhandel ist ja nicht nur Lebensmittel) auch nichts anderes machen, erscheint auch merkwürdig.

Es ist eigentlich ganz interessant, warum da nicht auch technische Berufe aufgenommen sind oder eben LKW-Fahrer oder andere Leute, die auch wichtig sind, damit der Laden weiter läuft, aber die eben eher in männerdominierten Berufen arbeiten:

Kleine Verschwörungstheorie: Technische Berufe muss man nicht aufnehmen, weil Männer eben seltener Kinder betreuen. Sie brauchen keine Zusatzbetreuung, die kann aber bei relevanten Berufen, die eher weiblich besetzt sind oder einen hohen Anteil haben, sehr relevant sein.

Diese Berufsgruppen, und damit den Frauen, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Fernsehansprache am Mittwoch den Rücken gestärkt: „Danke, dass Sie da sind für ihre Mitbürger und buchstäblich den Laden am Laufen halten“, sagte sie in ihrer ersten außerplanmäßigen TV-Ansprache überhaupt.

Merkel sagte:

ich möchte mich bei dieser Gelegenheit zu allererst an alle wenden die als Ärzte oder Ärztin im Pflegedienst oder in einer sonstigen Funktion in unseren Krankenhäusern und überhaupt im Gesundheitswesen arbeiten sie stehen für uns in diesem Kampf in der vordersten Linie sie sehen als erster die kranken und wie schwer manche Verläufe der Infektion sind und jeden tag gehen sie aufs neue an ihrer arbeit und sind für die Menschen da was sie leisten ist gewaltig und ich danke ihnen von ganzem herzen dafür also es geht darum das Virus auf seinem weg durch Deutschland zu verlangsamen (…)

lassen Sie mich auch hier dank aussprechen an Menschen den zu selten gedankt wird wer in diesen Tagen an einer Supermarktkasse sitzt oder Regale befüllt der macht einen der schwersten Jobs die es zur Zeit gibt. Danke dass sie da sind für ihre Mitbürger und buchstäblich den Laden am laufen halten
Es ist  das Richtige und fast selbstverständliche bei einer Krise, die insbesondere medizinisches Personal belastet und noch stark belasten wird. Auch anzuerkennen, dass es gegenwärtig an einer Supermarktkasse nicht einfach ist, kann man sicherlich machen.
Daraus ein Geschlechterding zu machen scheint mir aber vollkommen an dem Inhalt ihrer Rede vorbeizugehen. Merkel scheint mir weit eher dafür werben zu wollen nicht zu hamstern und Mitarbeiter dort freundlich zu behandeln und diesen etwas Mut zu machen.

An vorderster Front in dieser Krise mit einmaligen Einschränkungen in der Geschichte der Bundesrepublik sieht sie neben den Kassiererinnen ganz klar die Beschäftigten in Pflege- und Krankenberufen: „Sie stehen für uns in diesem Kampf in der vordersten Linie.“

Es ist eine seltene Anerkennung. Deutlich wird das zum Beispiel bei den Pflegefachkräften. Die empfinden ihren Job als besonders undankbar. Gefolgt von Paketbotinnen, Erzieherinnen und Müllmännern. Das zeigt eine Umfrage des Vergleichsportals Gehalt.de aus dem Jahr 2018 unter knapp 9.000 Personen.

Finden Paketboten und Erzieher ihre Arbeit weniger undankbar? Wäre interessant.

Die Befragten berichten von vielen Überstunden, hoher körperlicher Belastung und Risiken für die eigene Gesundheit. Etwa 17.000 offene Stellen gibt es in der Pflege. Das verschlechtert die Arbeitsbedingungen zusätzlich, etwa durch viele Überstunden und Dauerstress.

Und die Arbeit ist außerdem schlecht bezahlt. Der Mindestlohn für ungelernte Pflegekräfte liegt aktuell bei 11,35 Euro pro Stunde. Bei einer 40 Stunden-Woche entspricht das einem Bruttogehalt von nicht mal 2.200 Euro. Selbst über drei Jahre ausgebildete Kräfte erhalten nur wenig mehr und kommen auf knapp 2.700 Euro brutto.

Auch weil Frauen in Berufen wie diesen arbeiten, kommt es zu einem eklatanten Gehaltsgefälle: Erst diese Woche berichtete das Statistische Bundesamt, dass vergangenes Jahr der durchschnittliche Bruttostundenlohn der Frauen mit 17,72 Euro um 20 Prozent niedriger lag als der von Männern mit 22,61 Euro.

Zudem übernehmen Frauen nach wie vor deutlich mehr unbezahlte Care-Arbeit als Männer – etwa Kinderbetreuung oder Aufgaben im Haushalt. „Frauen weichen deshalb im Job oft auf Teilzeit aus, was langfristig mit deutlichen Einbußen bei den Stundenlöhnen verbunden ist“, sagte jüngst die Forscherin Karin Schulze Buschoff bei der Vorstellung einer entsprechenden Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.

Durch die Belastungen in Folge der Coronavirus-Epidemie wird sich die Situation für die Frauen verschärfen: Fast ganz Deutschland arbeitet seit Montag im Homeoffice, der Druck auf die Verteilung von Erwerbsarbeit, Kinderbetreuung und Haushalt steigt.

Tatsächlich verdienen Männer in Teilzeit sogar weniger als Frauen.

Ich finde die Verbindung zwischen den beiden Teilen sehr merkwürdig:

Er scheint erst einmal das falsche Bild aufzubauen, dass in der Krise die ganze Arbeit bei den Frauen hängen bleibt. Was ja schlicht nicht der Fall ist. Und das ihre Arbeit, die er irgendwie zur Arbeit aller Frauen macht, weil in bestimmten Berufen Frauen überproportional vertreten sind, ganz besonders wichtig ist.
Damit begründet er dann, dass man Frauenberufe besser bezahlen sollte und dann rundet er das noch mit einer Verschärfung der Situation der Frauen in der Krise ab, was wohl eine besondere Handlungsaufforderung sein soll und Dringlichkeit signalisieren soll.

Das Männer und Frauen meist eng verbunden sind und eine finanzielle Krise einer Frau meist die Krise einer Familie oder Partnerschaft ist oder eben dort aufgefangen werden muss kommt in dem Artikel nicht vor. Das Frauen nicht nur in Teilzeit gedrängt werden, sondern das genau die Vorstellung davon ist, wie sie gerne arbeiten wollen, möglichst bis zur Rente (vgl: „85 Prozent der etwa 2000 befragten teilzeitbeschäftigten Frauen fanden es demnach „super“ in Teilzeit zu arbeiten, 75 Prozent erklärten, derzeit „auf keinen Fall“ Vollzeit arbeiten zu wollen, 60 Prozent gaben an, möglichst bis zur Rente in Teilzeit arbeiten zu wollen.“) taucht in dem Artikel auch nicht auf.

Kurz zusammengefasst wäre der Inhalt des Artikels wohl „Seht mal wie wichtig Frauen sind, sie halten die Gesellschaft am laufen und ihr behandelt sie wie Dreck und zahlt ihnen zu wenig, zwingt sie in Kurzarbeit und die Kinder müssen sie auch noch betreuen, weil ihr sie unterdrückt. Und in der Krise wird es noch schlimmer.“

Aber das ist durch die Fakten eben so auch nicht gedeckt.