„Die Diktatur der Richtigen“ und die Demokratie

Lucas Schoppe hat in einem Artikel mal wieder etwas interessantes geschrieben:

Der WDR-Wirtschaftsredakteur Ulrich Ueckerseifer erklärt im Interview, welche realen Folgen es hätte, Thunbergs implizite Forderung nach einem Ende wirtschaftlichen Wachstums zu erfüllen.

Salopp gesagt: ein bisschen wie China, aber ökologisch. Es müsste sehr starke Vorgaben geben, man würde sehr starke Grenzen setzen, man dürfte keine Umweltverschmutzung mehr produzieren. Dann wird es aber viele Güter nicht mehr geben. […] Das setzt eine hohe Verzichtbereitschaft der Bevölkerung voraus.

In den betonierten Fronten der politischen Diskussionen wurde Ueckerseifer natürlich sogleich vorgeworfen, hier würde ein WDR-Redakteur einer Diktatur das Wort reden. Diese Unterstellung ist falsch, kommt aber nicht aus dem Nichts.

Ich staune selbst darüber, wie alltäglich mittlerweile die Überlegung geworden ist, ob eine Diktatur nicht der Demokratie überlegen wäre: von Robert Habecks Ausführungen dazu bis hin zum Mitarbeiter öffentlich-rechtlicher Sender, der Demokratie für untauglich hält und unbedingt die Notverordnungspolitik wieder aufleben lassen möchte.

Eine Kollegin von einer anderen Schule erzählte mir gerade, dass ihre Schulleiterin sich offen im Kollegium für eine Öko-Diktatur einsetze: Wir hätten über die Jahre hinweg nun einmal zu viel versäumt, und auf demokratischem Wege sei nun nichts mehr zu machen. Panik ist offenbar kein guter Grundgemütszustand für eine Demokratie.

Wenn es nur eine richtige Version gibt, in der Unterdrückte gegen Unterdrücker kämpfen und Macht der Gruppen der einzige Faktor ist, den der Erklärungsansatz kennt, dann ist eine „Diktatur der Richtigen“ (vergleichbar der Französischen Revolution und der staatskommunistischen Idee) eine erstrebenswerte Staatsform.

Das ist etwas, was bei Identitätstheorien mit einem sehr starren Schema von Gut und Böse, aufgebaut auf sozialen Normen, fast zwangsläufig eintreten muss:

Gut und Böse ist klar definiert, wenn auch in den intersektionalen Theorien mit ein paar mehr Kategorien, aber das Prinzip bleibt das gleiche. Es werden Gruppen gebildet, die angeblich um Macht kämpfen, die eine will das Gute erreichen, indem sie die Macht gleichberechtigt verteilt, weswegen sie sie den „Mächtigen“ wegnehmen muss, die anderen klammern sich an die Macht und wollen ihre Privilegien nicht aufgeben. Wer so ein Weltbild hat: Was will derjenige noch mit Demokratie? Sie kann allenfalls Mittel zum Zweck sein um das Gute zu erreichen, aber wenn sich zu viele „an ihre Privilegien klammern“ dann darf man das nicht zulassen, akzeptieren oder als Entscheidung der Mehrheit hinnehmen. Man muss das Gute dennoch durchsetzen, auch zum Wohle der anderen, gerade zu ihrem Wohle, für die bessere Welt.

Bereits im Kommunismus war klar, dass die Revolution blutig werden wird, aber eben für die Herrschaft der Bürger, das Paradies der Arbeitenden.

Wer nur eine Wahrheit akzeptieren kann, der hat wenig Platz für Meinungspluralität. Deswegen ist dort auch immer die Grenze zum Totalitarismus so nah:

Totalitarismus bezeichnet in der Politikwissenschaft eine diktatorische Form von Herrschaft, die, im Unterschied zu einer autoritären Diktatur, in alle sozialen Verhältnisse hineinzuwirken strebt, oft verbunden mit dem Anspruch, einen „neuen Menschen“ gemäß einer bestimmten Ideologie zu formen. Während eine autoritäre Diktatur den Status quo aufrechtzuerhalten sucht, fordert eine totalitäre Diktatur von den Beherrschten eine äußerst aktive Beteiligung am Staatsleben sowie dessen Weiterentwicklung in eine Richtung, die durch die jeweilige Ideologie angewiesen wird.

Typisch sind somit die dauerhafte Mobilisierung in Massenorganisationen und die Ausgrenzung bis hin zur Tötung derer, die sich den totalen Herrschaftsansprüchen tatsächlich oder möglicherweise widersetzen. Als politisches Gegenmodell zum Totalitarismus gilt der demokratisch-freiheitliche, materielle Rechtsstaat mit der durch Grundrechte, Gewaltenteilung und Verfassung gewährleisteten Freiheit der Staatsbürger. Meistens werden sowohl Nationalsozialismus als auch Stalinismus als Prototypen totalitärer Regime eingeordnet.

Natürlich sind wir weit entfernt von einem Totalitarismus mit Tötungen etc. Aber die totalitären Ansätze sind nicht zu verkennen.

Auch hier gilt wahrscheinlich: Wenn sie recht haben, wenn anders die Welt nicht zu retten ist, dann haben sie recht und in gewisser Weise heiligt der Zweck dann die Mittel. Freiwillig werden die Leute, ich hatte es hier bereits ausgeführt, wahrscheinlich in der Tat nicht auf Luxus etc verzichten

Man wird sehen, was die Zukunft bringt.

Interessant ist da auch die Vermischung der intersektionalen Theorien mit dem Kampf gegen die  Klimaerwärmung:

Teilweise scheinen sie gut miteinander auszukommen: Der weiße Mann ist dann doch irgendwie schuld an dem Klimawandel und behindert die Rettung.

Andererseits ist es auch ein Kampf um das effektivere Virtue Signalling: Wird es interessanter an Klimawandeldemonstrationen teilzunehmen als an feministischen Aktionen und bekommen Klimawandelbekämpfer mehr Öffentlichkeit als feministische Kämpfer, dann ergeben sich auch Konkurrenzsituationen.