Lucas Schoppe zu weiteren Problemen feministischer Positionen

Lucas Schoppe von Man-tau hatte in einem Kommentar zu dem Artikel zu Problemen feministischer Positionen weitere Probleme aufgeführt:

Das ÖKONOMIEPROBLEM ist in meinen Augen DAS zentrale Problem des intersektionalen Feminismus, gerade weil er als irgendwie linke“ Theorie verstanden werden soll. Tatsächlich aber ist auffällig, dass alle möglichen Kategorien für die obsessiv anmutende Unterteilung von Menschen in Marginalisierte und Privilegierte herangezogen, dass aber ausgerechnet ökonomische Unterschiede dabei kaum beachtet werden. Sie werden lediglich herangezogen, um die Bedeutung anderer Kategorien zu unterstreichen – etwa beim Hinweis, dass Frauen weniger verdienen würden als Männer, oder das Schwarze proportional häufiger in Armut lebten.

Das blendet nicht nur eine Kategorie aus, die wie keine andere verantwortlich ist für soziale Unterschiede – es ist auch ein deutlicher Bruch mit linken Traditionen, in denen die Frage nach der ökonomischen Basis gesellschaftlicher Konflikte lange unverzichtbar war. Deshalb ist es übrigens auch falsch, intersektionalen Feminismus als irgendwie marxistische Theorie einzustufen (ich bin kein Marxist, finde aber trotzdem, das Marx nicht für jeden möglichen Quatsch verantwortlich gemacht werden sollte).

Der Grund für die Ausblendung ökonomischer Aspekte ist zugleich auch der Grund, warum intersektionale Theorien im akademischen Bereich so modisch und, z.T., unumgänglich geworden sind. Die Studis und Dozenten an den Unis können damit vollkommen selbstverständlich ignorieren, wie vielen harten Auschlussprozessen sie es zu verdanken haben, dass sie an der Uni sind und viele andere nicht.

Sie können, und sogar exzessiv, Marginalisierung und Privilegierung verhandeln, aber dabei völlig unter sich bleiben. Marginalisiert sind dann Schwarze, Frauen, Homosexuelle, Transsexuelle, Genderfluide etc., aber nicht die, die draußen bleiben: Denn die sind in der Mehrzahl weiß, hetero, cis und zur Hälfte sogar männlich. Lauter Privilegierte da draußen, während sich an den Unis Menschen sammeln, die sich als marginalisiert wahrnehmen können.

Der intersektionale Feminismus ist keine linke Theorie, sondern eine ideologische Orchestrierung massiver sozialer Privilegien, die mit Versatzstücken aus linker Theorie und sehr viel Geschwätz verdeckt werden.

Damit hängt denn auch das BIOLOGISMUSPROBLEM eng zusammen. Natürlich würden intersektionale Feministinnen selbst empört darauf hinweisen, dass SIE sich doch ganz gewiss nicht auf biologische Kategorien beziehen, sondern lediglich gesellschaftliche Konstruktionen nachvollziehen und bekämpfen, die ihrerseits biologistisch wären.

Das ist natürlich Quatsch. Hier ist eine „Linke“, die sich allen Ernstes auf die Kategorien Rasse, Geschlecht und sexuelle Orientierung fixiert. Gerade weil sie diese Kategorien mit politischen und moralischen Phantasien auflädt, also z.B. „alte weiße Männer“ als Chiffre für Privilegien und Machtmissbrauch verwendet, agiert sie regelrecht prototypisch biologistisch.

Auch das MARGINALISIERUNGSPROBLEM leitet sich vom Ökonomieproblem ab. Denn wenn es zum sozialen, institutionellen Vorteil wird, sich als „marginalisiert“ darstellen zu können – dann werden diesen Vorteil natürlich auch vor allem diejenigen Menschen nutzen können, die eine bessere Position als andere haben.

Jemand muss schon sehr privilegiert sein, um sich noch erfolgreich als marginalisiert verkaufen zu können. Er – oder eben sie – braucht den entsprechenden Habitus (ein Redneck aus dem mittleren Westen hätte da eher geringere Chancen), institutionelle Absicherungen, gute soziale Kontakte, Zugang zu den jeweils gängigen Versatzstücken von Theorien, Verbindungen zu den Medien etc.

Wer soziale Beziehungen allein über „Marginalisierung“ und „Privilegierung“ verhandelt und dabei eine erfolgreiche Selbstdarstellung als „marginalisiert“ prämiert – der wird dafür sorgen, dass eher früher als später vor allem Privilegierte diese Prämien einstreichen können.

Ein Nebenproblem davon ist das STANDPUNKTPROBLEM. Wenn wir keine gemeinsame Wirklichkeit haben, über die wir unsere unterschiedlichen Positionen verhandeln können – sondern wenn die Standpunkte von Marginalisierten und Privilegierten sich radikal unterscheiden – und wenn noch dazu die Marginalisierten als „Opfer“ sozialer Verhältnisse die Definitionsmacht über deren Beschreibung haben müssen: Wer unterscheidet dann überhaupt, wer Opfer ist und wer nicht? Es gibt doch schließlich gar keine objektiven Kriterien, um diese Entscheidung zu treffen.

Gemäß Definitionsmachtkonzept können selbstverständlich nur die Opfer selbst entscheiden, dass sie die Opfer sind – wäre ja auch noch schöner, wenn sie dafür erst einmal die Täter fragen müssten. Das bedeutet: „Opfer“ sozialer Verhältnisse ist schließlich der, der sich selbst am erfolgreichsten als Opfer präsentieren konnte.

Übergreifend ist schließlich das EMPIRIEPROBLEM. Intersektionale Feministinnen beanspruchen, etwas über die soziale Wirklichkeit auszusagen, können aber mit sozialer Wirklichkeit eigentlich gar nichts anfangen. Schließlich ist bei ihnen jede Frage schon beantwortet, bevor sie überhaupt gestellt wurde. Wer marginalisiert ist und wer privilegiert, ist kein Ergebnis einer offenen Diskussion, sondern steht per Definition immer schon fest: Sonst würden in der offenen Debatte ja die Vorteile der „Privilegierten“ zu tragen kommen.

Sonst würde auch zum Beispiel der Hinweis von Männern, dass auch sie als Männer zum opfer sozialer Verhältnisse werden können, nicht ohne weitere Prüfung als „Opferideologie“ abgetan werden können.

Das bedeutet, dass empirische Daten ALS empirische Daten überhaupt keine Rolle spielen. Sie bleiben ausgeblendet, wenn sie dem Immer-schon-Gewussten widersprechen – und wenn sie es bestätigen, werden sie auf wilde, unkontrollierte Weise als Bestätigung verwendet.

Ich war mal bei einem Vortrag von Connell dabei, in dem sie geradezu manisch und völlig beliebig ganz unterschiedliche Situationen aus lauter ganz unterschiedlichen Teilen der Welt assoziativ verknüpfte – so dass sie mir schon leid tat, weil ich dachte, die Anwesenden müssten sie für eine Verrückte oder zumindest für eine seltsame Verschwörungstheoretikerin halten. Aber sie verstanden offenbar sofort, wofür ich eine Weile brauchte – nämlich dass alle diese Situationen irgendwie Beispiele für eine toxische Männlichkeit wären, die ja – wie wir wissen – unterschiedslos weltweit wabert.

Das Empirieproblem ist direkt mit der Abschottung hochprivilegierter gesellschaftlicher Milieus verknüpft, die ich am Anfang beim „Ökonomieproblem“ erwähnt habe. Der größte Teil der gesellschaftlichen Wirklichkeit wird hier einfach ausgeblendet – und das muss man sich erst einmal leisten können.

Fasst denke ich vieles nochmal sehr gut zusammen. Was haltet ihr davon?