BMFSFJ-Broschüre legt dar, dass der Rückgriff beim Unterhaltsvorschuß nur bei einem kleinen Teil zusätzlich möglich wäre: Die Mär von den säumigen Vätern

Manuela Schwesig bringt gerade einmal wieder den Führerscheinentzug für säumige Unterhaltsschuldner ins Gespräch:

 

„Die aktuellen Zahlen zeigen, wie schwierig es selbst dem Staat fällt, Unterhalt einzutreiben. Deshalb war es wichtig, Alleinerziehende in einer solch schwierigen Situation nicht allein zu lassen“, so Schwesig, die von 2013 bis 2017 Bundesfamilienministerin war.
(…)

Schwesig sagte, sie habe kein Verständnis für Elternteile, die keinen Unterhalt leisten würden. Sie stimme deshalb Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) zu, dass größere Anstrengungen unternommen werden müssten, um Geld zurückzuholen. „Ich habe vor einigen Jahren ins Spiel gebracht, dass man im schlimmsten Fall säumigen Zahlern der Führerschein entzogen werden sollte“, so die Schweriner Regierungschefin. „Ich bin mir sicher, dass dies sehr schnell dazu führen sollte, dass der eine oder andere doch noch zahlt.“

Gleichzeitig bringt das BMFSFJ eine Broschüre heraus, die aufschlüsselt woran die Rückzahlung des Unterhaltsvorschusses (bzw des Unterhalts) üblicherweise scheitert:

Neue Statistik verdeutlicht: Rückgriff ist besser als angenommen

Auch zum Rückgriff lässt sich Einiges aus der Statistik ablesen: Ein 100-prozentiger Rückgriff ist in der Realität nicht möglich.

Viele Elternteile können keinen Unterhalt zahlen, weil sie ein zu geringes Einkommen haben.

Denn zahlungspflichtig ist beim Kindesunterhalt nur, wer in der Lage ist, zu zahlen oder wer zahlen könnte, wenn alle zumutbaren Anstrengungen unternommen würden. In allen anderen Fällen, etwa wenn der Elternteil nicht mehr verdienen kann, verstorben, nicht auffindbar oder nicht erwerbsfähig ist, werden die Leistungen nach dem UVG als Ausfall Leistung gezahlt. Das bedeutet, dass in diesen Fällen kein Rückgriff bei den Eltern genommen wird. Eine wichtige Aufgabe der Unterhaltsvorschuss-Stellen ist deshalb, die Einkommensverhältnisse der unterhaltspflichtigen Eltern daraufhin zu überprüfen, ob ein Anspruch auf Unterhalt der Kinder besteht oder nicht besteht.
Insgesamt ist erkennbar, dass die laufende Zahlung von Unterhalt überwiegend daran scheitert, dass die Elternteile nicht
zahlen können (Abb.2)

Die Abbildung dazu:

Unterhaltsvorschuss Rückzahlung

Also:

  • Elternteil muss nicht zahlen wegen zu geringen Einkommen: 44%
  • Elternteil muss nur teilweise zahlen -> Anteil für den kein Rückgriff möglich ist: 10%
  • Elternteil muss zahlen, kann aber voraussichtlich nicht (zB Insolvenz, Tod): 7%
  • Elternteil hat noch nicht gezahlt, aber vielleicht bekommen die Stellen noch etwas: 4%
  • Elternteil hat Vorschuss teilweise zurück gezahlt und zahlt weiter ab (zB Ratenzahlung): 22%
  • Elternteil hat Vorschuss vollständig zurück gezahlt: 13%

Damit bleiben als die „säumigen Zahler“ allenfalls die 4%. Auch von denen müssen nicht alle gleich Verbrecher sein, denen man den Führerschein wegnehmen sollte: Es kann auch schlicht sein, dass ihre Zahlungen noch gerade überprüft und berechnet werden, dass sie zunächst nur den laufenden Unterhalt zahlen und etwa Rückstände, die recht schnell entstehen (Etwa wenn man nebenher auch noch ein Haus abzahlt, obwohl der Unterhalt vorrangig ist etc) , später abzahlen müssen etc.

Wie schnell man den Unterhalt nicht zahlen kann hatte ich einmal hier vorgerechnet:

Laut Düsseldorfer Tabelle liegt der Selbstbehalt beim Kindesunterhalt (für minderjährige Kinder) in der folgenden Höhe:

Existenzminimum des unterhaltsberechtigten Ehegatten einschließlich des trennungsbedingten Mehrbedarfs in der Regel:
1. falls erwerbstätig: 1.080 EUR
2. falls nicht erwerbstätig: 880 EUR
Der gleichen Tabelle lässt sich auch der Kindesunterhalt entnehmen, für ein 7-jähriges Kind wäre demnach eine Mindestunterhalt von 289 € (nach Abzug des hälftigen Kindergeldes) zu zahlen.

Demnach müsste die unterhaltspflichtige Person mit einem Kind ein Mindesteinkommen von 1080 € + 289 € = 1369 € haben.Das erfordert bei Steuerklasse I ein Einkommen von ca. 2013 € brutto.

Was für eine ungelernte Kraft oder eine Kraft, die wenig Berufserfahrung hat oder in einem schlecht bezahlten Beruf arbeitet, schon eine ziemliche Hürde ist.

Kommt noch ein zweites Kind hinzu, dann wird dies noch schwieriger. Dann würde man bei einem weiteren Kind in der Altersstufe bereits 1080 € + 289 € + 289 € = 1658 € netto, also ca. 2625 €.

Das verschärft sich noch erheblich, wenn die Kinder zB 12 und 14 sind. Dann beträgt der Mindestunterhalt bereits 379 €.

Das wären dann also:

1080 € + 379 € + 379 € = 1.838 € betto, also 2838 € brutto.

Klar, dass da Leute ohne Berufsausbildung nicht zahlen können und auch viele qualifiziertere Arbeitskräfte, vom normalen Verkäufer bis zum KFZ-Mechaniker, da Probleme haben.

Aber erst einmal so tun als würde da kaum einer zahlen und der Stadt müsse jetzt – neben einer Strafbarkeit der Unterhaltsnichtzahlung – auch noch einen Führerscheinentzug einführen, weil Gefängnis und Geldstrafen da nicht ausreichen.

Dazu auch dieser Tweet:

Eine Entschuldigung wäre eine interessante Sache.