Paula-Irene Villa Braslavsky, Genderprofessorin, hat ein FAQ zu Mythen über die Gender Studies erstellt. Ich wollte sie nach und nach hier besprechen:
Heute:
Das Geschlecht ist „nur konstruiert“, sagen die Gender Studies. Was soll das heißen?
Tatsächlich heißt es für viele Feministinnen genau das: Das geschlechtliche Verhalten hat keine feste Grundlage, es ist allein eine Konstruktion der Gesellschaft. Daraus wird dann hergeleitet, dass es abänderbar ist und damit keine Grundlagen für Unterschiede im Verhalten im Schnitt bestehen.
Aus dem FAQ:
Dieser Satz beruht auf einem Mißverständnis – denn so einfach ist es beileibe nicht. Korrekter wäre es zu sagen, dass das Geschlecht auch sozial konstruiert ist. Die Gender Studies negieren nicht biologische oder medizinische Forschungen, das ist ein populäres Missverständnis.
Doch, leider machen sie genau das. Sie können es nur nicht zugeben. Man sieht es auch bereits daran, dass sie das nicht an Beispielen erläutern kann. Oft kennen sie die medizinische Forschung gar nicht und auf Nachfrage kommt dann so etwas wie „wir akzeptieren, dass Frauen schwanger werden können und Männer nicht“, was sie allerdings im modernen Feminismus bereits zu TERFS macht.
Zu den Unterschieden verweise ich auf meine Übersichtsartikel:
Manchmal wird dieses Missverständnis auch als Argument gegen die Gender Studies vorgebracht, um deren Forschung zu diskreditieren (zum Beispiel weil diese Forschung mit Emanzipation von Frauen oder der Akzeptanz von Homosexualität in Verbindung gebracht wird).
Die Akzeptanz von Homosexuellen lässt sich aus meiner Sicht sogar weitaus besser mit Biologie in Verbindung bringen, ebenso auch die Emanzipation der Frau. Ich vermute mal, dass sie hier unwissenschaftliche Biologie meint, die von absoluten Unterschieden ausgeht und nicht Unterschieden im Schnitt und daraus herleitet, dass Frauen in die Küche gehören und Homosexuelle ein „Fehler der Natur ist, den man beseitigen muss“ oder etwas in der Art.
Wofür sich die Gender Studies besonders interessieren ist, wann und weshalb der Geschlechterunterschied sozial und kulturell relevant wird. So gibt es zum Beispiel gesellschaftliche Kontexte die mehr und solche, die weniger stark über Geschlecht definiert sind. Und es lässt sich beobachten, dass und wie sich – zum Beispiel Männer und Frauen – als Männer und Frauen erst einmal darstellen (quasi: konstruieren) müssen, um als solche (zum Beispiel als “echter Mann”) ernst genommen zu werden.
Faszinierend wie damit das Thema Biologie anscheinend abgehakt ist. Dabei ist doch gerade einer der Kritikpunkte, dass Biologie in einem engen Verhältnis zu den Geschlechterrollen steht und damit eine Prüfung, welche gesellschaftlichen Kontexte wirksam sind ohne ein Verständnis der biologischen Grundlage gar nicht möglich ist. Statt „echter Mann“ kann man eben auch darauf abstellen, welcher Typus in der intrasexuellen und intrasexuellen Konkurrenz besonders gefragt war bzw welche Eigenschaften einen in dieser ganz besonders gut abschneiden lassen. Verordnet man das hingegen einfach unter „Sozialer Konstruktion“ und nicht als Ergebnis eines Selektionsvorganges, dann versteht man auch die kulturellen Ausgestaltungen nicht, die eben in der jeweiligen Zeit dazu dienen, bestimmte Eigenschaften darzustellen. Wenn es in der Steinzeit vielleicht die Jagdbeute war wird heute ein über die Schulter geworfenes gehäutetes Reh nicht mehr die damalige Wirkung erziehlen, ein teures Auto als Beleg für einen hohen Verdienst aber evtl schon.
Wenn wir zum Beispiel in die Welt der Mode, in Zeitschriften oder auch in die Popkultur schauen gibt es eine Unmenge an Beispielen dafür, wie voraussetzungsreich diese Konstruktionsleistungen sind und wie diese funktionieren (oder auch: sich ändern), das kann man erforschen. Wenn man sich mit diesen Forschungen beschäftigt dann wird auch ganz schnell deutlich, dass es ganz und gar nicht so ist, dass wir “unser Geschlecht wie eine Hose wechseln” könnten. Denn eben weil die Konstruktionsleistungen, das was wir alles anstellen, um eine Frau oder ein Mann zu sein, so aufwändig sind können wir nicht einfach “aus unserer Haut” – auch dann nicht, wenn wir das persönlich oder politisch wünschenswert fänden.
Mode wird gerne als Beispiel genommen, weil sie eben sehr wandelbar ist. Aber üblicherweise wird eben – wenn auch mit anderen Mitteln – ganz klassisch ein bestimmter Körperbau dargestellt. Bei Frauen eben die Stundenglasfigur, bei Männern breite Schultern etc.
‚Was aber aus Sicht der Forschung tatsächlich auch “konstruiert” – und hier vielleicht: “nur konstruiert” ist, sind manche angeblich so klaren Geschlechterunterschiede, die auf sozial und historisch gewachsenen Vorurteilen beruhen. Solche Vorurteile besagen zum Beispiel, dass Frauen per se friedlicher seien als Männer, per se zur liebevollen Erziehung von Kindern geboren oder dass Männer qua Geschlecht eben bessere Führungskräfte als Frauen und weniger liebevolle Elternteile seien.
In der Tat sind Frauen auch friedlicher als Männer, alleine schon weil Männer stärker sind und sich auch eher körperlich messen als Frauen. Aber eben nur im Schnitt. Und natürlich kann ein Mann ebenso ein Kind erziehen wie eine Frau, aber Frauen haben eben im Schnitt eine Beziehung dazu, arbeiten im lieber in Bereichen mit Kindern und wollen für diese auch eher aussetzen. Und Männer haben im Gegenzug ein anderes Verhältnis zu Status im Schnitt und sind daher auch eher Führungskräfte als Frauen weil sich für sie der hohe Aufwand durch den erworbenen Status eher „lohnt“. Auch hier sieht man an der Erklärung, dass es eben nicht so einfach ist und man die Biologie nicht einfach ausblenden kann und ebenso wenig die Unterschiede im Schnitt.
Auch mit den ganz realen Folgen solcher Vorurteile befasst sich die Geschlechterforschung, zum Beispiel angesichts der Frage, weshalb Frauen vor Gericht häufig anders behandelt werden als männliche Täter.
Das sind interessante Fragen nur können die Gender Studies darauf keine vernünftigen Antworten finden, weil sie die tatsächlichen Gegebenheiten gar nicht erfassen können. Sie setzen den Strohmann der absoluten Unterschiede ein und rennen diesen nieder, blenden aber die Unterschiede im Schnitt und deren Wirkung vollkommen aus.
- Sehr interessant hierzu ist die Literatur über die Bestrafung (bzw. Entkriminalisierung) von NS-Täterinnen:
Koonz, C. 1987 Mothers in Fatherland: Women, the Family and Nazi Politics, New York: St. Martin’s Press.
Kompisch, K. 2008 Täterinnen. Frauen im Nationalsozialismus, Köln: Böhlau.
Kretzer, A. 2009 SS-Täterschaft und Geschlecht. Der erste britische Ravensbrück-Prozess 1946/47 in Hamburg, Berlin 2009: Metropol Verlag.
Mason, T. 1976 ‘Women in Germany, 1925-40. Family, Welfare, and Work’ in History Workshop Journal, 1/1967: 74-113 and 2/1976:5-32.
- Auch Strafrechtswissenschaften und Kriminologie widmen sich diesen Themen in den Legal Gender Studies. Zusammenfassend vgl. z.B.
Hermann, Dieter (2009) Delinquenz und Geschlecht. In: Kröber HL., Dölling D., Leygraf N., Sass H. (eds) Handbuch der Forensischen Psychiatrie. Steinkopff, S. 175-186.
- Zur Perspektive der Konstruktion von Geschlecht:
“doing gender” im Gender-Glossar https://gender-glossar.de/glossar/item/80-doing-gender
“Die soziale Konstruktion von Geschlecht”, Meißner 2008
Und auch geht es in keinem der Links um eine angemessene Abgrenzung zur Biologie. .
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