Paula-Irene Villa Braslavsky, Genderprofessorin, hat ein FAQ zu Mythen über die Gender Studies erstellt. Ich wollte sie nach und nach hier besprechen:
Heute:
Gleichstellung ist doch längst erreicht, womit beschäftigen sich die GS denn noch?
Das ist gleich erst einmal ein Strohmann, denn die tatsächliche Gegenposition ist ja:
GleichBERECHTIGUNG ist doch bereits erreicht und aus Unterschieden im Ergebnis kann man nicht aus Diskriminierung schließen, vielmehr muss man sich anschauen, ob es nicht gute Gründe dafür gibt, dass ein Geschlecht anders abschneidet, warum beschäftigen sich die Gender Studies nicht mit den Gründen und untersuchen diese ohne direkt auf „Das Patriarchat“ als Grund zu springen, was für eine Wissenschaft keine richtige Vorgehensweise ist
Dass Gleichstellung noch nicht erreicht ist, zeigen nicht nur offizielle Statistiken, so wie die der WHO zum Thema Gewalt gegen Frauen (https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/gewalt-gegen-frauen-zahlen-und-fakten.html), sondern auch aktuelle Debatten zu Themen wie Abtreibung, Altersarmut, Pflegenotstand oder Quotenregelungen. Frauen tragen die Risiken von Schwangerschaft und Geburt, verdienen weniger, arbeiten in schlechter bezahlten Berufen oder andersherum: Berufe, in denen mehrheitlich Frauen arbeiten sind schlechter entlohnt, haben weniger Aufstiegschancen und Prestige. Das führt zu einem erhöhten Risiko von Altersarmut, flankiert von institutionellen und gesetzlichen Arrangements wie dem Ehegattensplitting.
Und da führt sie es im Endeffekt auch gleich ganz wunderbar aus. Tatsächlich leben wir in einer sehr friedlichen Gesellschaft, einer der friedlichsten jemals und Gewalt gegen Frauen kommt natürlich vor, genau wie Gewalt gegen Männer. Tatsächlich erleiden Männer nach wie vor wesentlich mehr Gewalt.
Frauen verdienen auch nicht weniger für die gleiche Arbeit, sondern Frauen verdienen weniger, weil sie andere Arbeiten haben, weniger Überstunden amchen, länger aussetzen, weniger auf eine Beförderung hinarbeiten, wesentlich kürzere Arbeitszeiten wollen etc.
Und wenn Gender Studies das alles tatsächlich wissenschaftlich untersuchen würden, also die jeweiligen Gründe dafür wirklich wissenschaftlich angehen würden, dann wäre es auch okay. Genau das passiert aber nicht. Weit eher wird jeder Versuch auf Gründe für Lohnunterschiede zu verweisen eher als patriarchaler Angriff oder als Versuch gesehen, die Unterdrückung der Frau zu rechtfertigen. Wenn gar jemand anführt, dass Frauen selbst es in der Hand haben, dass sie wesentlich mehr verdienen, wenn sie ihre Berufswahl und ihr Verhalten darauf ausrichten, dann ist man ganz unten durch.
Gleichstellung ist also nur in dem Maße erreicht, wie festgeschrieben ist, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Empirisch aber zeigt sich, das erforschen die Gender Studies mit Methoden der Soziologie und Ökonometrie, dass Frauen nach wie vor ein höheres Risiko haben, arm zu sein und sexualisierter Gewalt zu erfahren, um nur die beiden prägnantesten Marker sozialer Ungleichheit zu benennen.
Gleichzeitig haben Männer eine wesentlich höhere Wahrscheinlichkeit Obdachlos zu sein.
Verdeckte Einkommen und Renten bei den Frauen werden in dieser Betrachtung auch vergessen: Auf dem Papier mag ein Vater zB viel Geld haben, aber wenn er tatsächlich Unterhalt für 2 Kinder an seine von ihm getrennt lebende Frau zahlt, die gleichzeitig in einer neuen Ehe mit einem gut verdienenden Mann lebt, dann ist sein Lebensstandard schlecht und ihrer gut, auch wenn sie auf dem Papier kein Geld hat.
Genauso wird vergessen, dass die Hausfrau später von der Rente bzw Witwenrente ihres Mannes leben kann, die je nach dessem Einkommen ein gutes Leben bringen kann und das es für diesen Mann auch nicht besser ist, weil er den gleichen Lebensstandard wie seine Frau hat, auch wenn sie auf dem Papier eine schlechte Rente und er eine gute Rente hat. Und auch im Fall einer Scheidung hat sie über die Scheidung erhebliche Übertragungsansprüche im Versorgungsausgleich, die bei einer langen Ehe dafür sorgen können, dass beide die gleiche Rente bekommen (und seine größeren Ansprüche plötzlich deutlich kleiner sind).
Das Thema Gleichstellung ist außerdem weitaus komplexer und nicht nur auf die Kategorie Geschlecht begrenzt. Gleichstellung ist damit weder ein linearer Prozess noch bringt Gleichstellung in einem Bereich oder für eine Gruppe automatisch Gleichstellung für andere Gruppen. So würde ein größerer Anteil von Frauen in Führungspositionen zwar für eine ausgewogene Gender-Verteilung sorgen, aber nicht garantieren, dass alle Frauen ungeachtet ihrer unterschiedlichen Lebensrealitäten und sozialen wie kulturellen backgrounds gleichsam profitieren.
Das muss man sich mal wirklich auf der Zunge zergehen lassen:
Die eine feministische These ist, dass Männer die Macht haben, weil Führungspositionen überwiegend männlich besetzt sind. Ein klassischer Gipfeltrugschluss, bei dem man die ganzen Männer, die keine Macht haben, ausblendet. Der Feminismus stellt schlicht auf die Gruppe ab und der Obdachlose Mann hat eben Privilegien, weil Männer im Schnitt mehr verdienen, auch wenn er selbst gar nichts bekommt.
Das ist ein fester Grundsatz feministischer Theorie: In einer Kategorie hat die ganze Gruppe das Privileg.
Jetzt wären plötzlich gleich viele Führungspositionen mit Männern und Frauen besetzt. Aber da darf man dann natürlich nicht innerhalb der Gruppe bleiben, sondern plötzlich müssen Frauen ungeachtet ihrer unterschíedlichen Lebensrealitäten gleichsam profitieren, damit es für Frauen gerecht ist.
Geht es eigentlich noch viel heuchlerischer?
Dies wird besonders auch bei Themen wie Care- und Hausarbeit deutlich, da hier das Zusammenwirken mehrerer Kategorien die Unterschiede zwischen einzelnen Gesellschaftsgruppen – auch innerhalb von Geschlechtszugehörigkeiten – offensichtlich wird. In anderen Worten: wenn mehr Frauen in Vorständen der DAX-Unternehmen sind, müssen “andere” Menschen die Arbeit erledigen, die historisch Frauen zugewiesen wurde, unentgeltlich und unsichtbar zu verrichten:
Wenn Männer in Vorständen von DAX-Unternehmen sind, dann müssen andere Männer dennoch den Müll abholen, die Kanäle reinigen, den Straßenbau machen und im Haushalt die Bohrmaschine benutzen und die männliche „Care-Arbeit“ leisten, indem sie sich um Familie und Partner kümmern.
Sorgen, pflegen, reinigen. Diese “anderen” sind meistens auch Frauen, wie aktuelle Phänomene um die sog. “24 Stunden Pflegekraft aus Polen” eindrucksvoll beweisen. Gleichstellung betrifft also nicht nur akademisch gebildete weiße Frauen in Deutschland und schlägt sich in Quotengesetzen nieder, sondern ist ein vielschichtiges, widersprüchliches und globales Phänomen, mit dem sich die Gender Studies beschäftigen.
Es scheint Feministinnen wirklich schwer zu fallen, eine andere Perspektive als die der Frau einzunehmen, etwa einmal den Mann nicht als Bestandteil einer Gruppe, sondern als handelndes Subjekt zu sehen, welcher nicht von oben Frauen unterdrückt, sondern ebenfalls einen normalen Job hat, seine Frau und seine Kinder unterstützt und dem es auch nicht besser geht als weiblichen Angestellten. Dieser Abschnitt ist ein wirklich überzeugender Beweis für die Blickverengung im Feminismus und die Fähigkeit dort alles durch die ideologische Brille zu sehen, bei der Männer Macht haben und als Gruppe unterdrücken und Frauen niemals Macht haben können, selbst dann nicht, wenn sie sie in gleicher Verteilung hätten wie die Männer, weil man bei Frauen andere Maßstäbe anlegen muss.
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