Männer und Jungen kriegen keine gute Presse, hängt an ihnen doch der Fluch der „toxischen Maskulinität“. Nun kommt das Verdikt von höchster wissenschaftlicher Warte, den 120.000 Mitgliedern des Amerikanischen Psychologen-Verbandes APA. Die Jungs, so der Kern der 30-Seiten-Anleitung für Therapeuten, litten an einer giftigen Ideologie, der „traditionellen Männlichkeit“. Diese predige „Stoizismus, sich auf sich selbst zu verlassen und Konkurrenzdenken“. Überdies wollten Männer „keine Verletzlichkeit zeigen“. „Aggressiv“ und „homophob“ seien sie sowieso.
Ja, da hat die APA einiges abgeladen an negativen. Dabei sind die Vorteile eines Stoizismus, eines auf sich selbst verlassen und auch des Wettbewerbs ja ebenso leicht zu erkenne. Man kann vieles umformulieren: Aus Verletzlichkeit wird dann eben Hart im Nehmen und klingt gleich viel positiver.
Nietzsche, der wie kein anderer die Kulturumbrüche unserer Zeit vorausgesehen hat, sprach von der „Umwertung aller Werte“ und dem Ende der „verwegenen“ Männlichkeit. Doch Stoizismus (das Gegenteil von Hysterie) umschrieb stets die Tugend von Menschen, die ihre Affekte beherrschen und Leid gefasst tragen. Bewundernswert war früher die Eigenständigkeit, in der auch Selbstverantwortung steckt. Wer seine Verwundbarkeit hintanstellte, war ein Held, der „unerhörte Taten“ vollbrachte, sein Selbst dem Ganzen unterwarf. Er schützte die Schwachen und schlachtete die Drachen. Konkurrenzdenken ist auch Frauen nicht fremd, die in die Vorstände und Parteiämter streben. Aggressivität kann tödlich enden, aber ihr feinerer Bruder heißt Mut, während Feigheit in allen Kulturen verachtet wird.
Und das macht diese Umdichtungen eben so simpel: Man konzentriert sich auf die negativen Seiten und blendet aus, was da gleichzeitig alles großartiges dahinter stecken kann. Männlichkeit ist eben genauso etwas positives wie es negativ sein kann, weil alle Eigenschaften im Zuwenig oder Zuviel etwas negatives haben.
Es wird auch verkannt, dass man genau das gleiche Spiel mit Weiblichkeit spielen könnte: Zu passiv, zu weich, nicht genug im Wettbewerb, ohne Biss und viel zu zögerlich auf der einen Seite und vorsichtig, gefühlvoll, auf Ausgleich bedacht, friedfertig und wenig aufbrausend auf der anderen Seite.
Wer ist eigentlich „traditionell männlich“, also ein Kandidat für die Couch? Der junge Werther? Der Krieger Cyrano de Bergerac, der verzagt nach seiner Roxane schmachtet? Willy Brandt, der unaufhörlich „Friedenspolitik“ pries? Gary Cooper, der inZwölf Uhr mittags einsam drei Schurken niederkämpft, nachdem die Männer von Hadleyville ihm angstschlotternd die Hilfe versagt haben? Der Maler Max Beckmann meldete sich 1914 freiwillig zum Militär; dann – „auf Franzosen schieß ich nicht“ – mutierte er zum Pazifisten, der an der Front die Grauen des Krieges in Bilder goss. Heute hoch verehrt, gingen Hans Scholl und Alexander Schmorell 1942 in den Widerstand und endeten auf dem Schafott.
Schließlich die Figur des „Gentleman“, der Stärke mit Selbstzucht paart, entschieden, aber rücksichtsvoll handelt. Er ist das Gegenteil des Machos, der stets seine aggressive Männlichkeit beweisen will. Für den Gentleman gilt grace under pressure, Anstand unter Druck, auch wenn das Testosteron tobt oder ein Hahnenkampf ansteht
Auch das eine schöne Zusammenstellung ganz verschiedener Charaktere, die alle eine gewisse Männlichkeit verkörpern und dabei verschiedene Seiten in sich vereinen. Was auch deutlich macht, dass die einseitige Darstellung im Feminismus eben ein schlecht aufgebauter Strohmann ist, der nur negatives anführt, um es dann als das Böse entarnen zu können.
Es gibt keine „traditionelle“ Männlichkeit; das Spektrum reicht von Caligula, dem sexbesessenen Tyrannen, bis zu Albert Schweitzer und Nelson Mandela, vom Grapscher bis zum Bergretter, der sein Leben für andere riskiert. Richtig: Männer sind leichtsinniger und gewaltbereiter als Frauen; sie suchen den Kick und landen weitaus häufiger hinter Gittern. Aber Männer und Jungen zu pathologisieren, wie es die APA tut, ist Gutdenk, wonach Männlichkeit bloß ein verwerfliches „gesellschaftliches Konstrukt“ ist.
Schön und deutlich gesagt. Männlichkeit ist eben kein rein gesellschaftliches Konstrukt und in vielen Bereichen äußerst positiv.
Den Therapeuten muss man Glück wünschen, wenn sie ideologiebeschwingt Biologie und Evolution wegwischen. Das erinnert an einen befreundeten Harvard-Ökonomen, der seine zweijährigen Töchter genderneutral zu formen gedachte. Er schenkte ihnen einen großen und einen kleinen Spielzeug-Lkw. Fröhlich krähten die Zwillinge: „Mami-Truck und Baby-Truck!“ Die progressive Mutter war auch perplex.
Eine alte Anekdote, die aber passt: genau wie bei Aktionfiguren vs Puppe kann eben ein gleicher „Spielzeugtyp“ vorliegen, aber von beiden Geschlechtern anders genutzt werden. Wer will, dass Mädchen eher mit Autos spielen muss sie nur in Charaktere mit Beziehungen zueinander verwandeln. Natürlich geht das eben mit darauf optimierten Spielzeug eher.