Der Spiegel berichtet über die Überstunden von Nachwuchs-Wissenschaftlern:
Dabei wird deren Arbeitszeit auf dem Arbeitsvertrag mit dem verglichen, was sie zusätzlich arbeiten, und das üblicherweise kostenlos bzw um ihre eigene Karriere zu fördern
Wissenschaftliche Mitarbeiter, die am Anfang ihrer Karriere stehen und noch keinen Doktortitel haben, kommen demnach sogar auf knapp 13,5 Überstunden pro Woche. Ihre vertraglich festgelegte Arbeitszeit liegt laut DZHW bei durchschnittlich 30 Wochenstunden, die von Postdocs bei 37 Stunden. Letztere arbeiten im Schnitt zehn Stunden pro Woche zu viel.
Letztendlich arbeiten sie nicht zuviel, sie wären eher mit Selbständigen zu vergleichen, die an ihrem eigenen Erfolg arbeiten, weil sie weiterkommen wollen.
Die meisten Überstunden machen demnach Männer, die als wissenschaftliche Mitarbeiter in Teilzeit an deutschen Hochschulen beschäftigt sind. Sie arbeiten im Schnitt rund 17,5 Stunden pro Woche mehr als bezahlt. Bei Frauen in Teilzeit seien es knapp 14,5 Stunden pro Woche.
Also:
Männer: 17,5 Stunden
Frauen: 14,5 Stunden
damit würden Frauen 82% der Überstunden machen, die Männer machen bzw Männer 120% der Überstunden, die Frauen machen. Recht nahe am Gender Pay Gap mal wieder.
Darauf hinzuweisen ist, dass Überstunden, die mit dem Lohn abgegolten sind, nicht erfasst werden und sonst in keiner Statistik, etwa zum Gender Pay Gap, auftauchen.
Auch interessant:
Wenn Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler eine Professur anstreben, gehen sie besonders großzügig mit ihrer Arbeitszeit um: Sie machen laut Auswertung häufiger Überstunden als Wissenschaftler, die es auf eine andere Leitungsfunktion in der Wissenschaft oder auf einen Job in der Wirtschaft abgesehen haben.
Warum sind nur mehr Männer Professoren?
Das müssen diese Privilegien sein.
vgl auch:
- Wie arbeitsintensiv sind Spitzenpositionen?
- „85 Prozent der etwa 2000 befragten teilzeitbeschäftigten Frauen fanden es demnach „super“ in Teilzeit zu arbeiten, 75 Prozent erklärten, derzeit „auf keinen Fall“ Vollzeit arbeiten zu wollen“
- Der Beruf als Berufung
- Welches Verhältnis wollen Frauen zwischen Beruf und Arbeit?
- „Männer wollen viel Geld verdienen und sind bereit dafür viele Stunden zu arbeiten, Frauen eher nicht“
- Trotz Ganztagsschulen arbeiten Mütter trotzdem nicht mehr Stunden
- Überstunden
- Wochenarbeitsstunden: Unterschiede Männer Frauen
Hätte gedacht, es wären mehr.
@yx: wieviel hättest du denn gedacht? >15 Überstunden pro Woche (nicht: Monat!) finde ich recht sportlich…
Ich würde diese Studie mit großer Vorsicht genießen.
Wenn man die offizielle Arbeitszeit und die Überstunden zusammenrechnet, kommt man auf Zeiten vom 45-50 Stunden, und zwar ganzjährig im Schnitt. Solche subjektiven Zeitschätzungen sind notorisch falsch (zu hoch). Insb. ist unklar, ob Mensabesuche und andere privat verwendete Zeiten korrekt herausgerechnet sind, ohne penible Zeitaufschreibung oder Stechuhr schafft man das nicht.
Es ist natürlich generell die Frage, ob die wissenschaftlichen Mitarbeiter für sich selber oder für ihren Arbeitgeber arbeiten. Da gibt es große Unterschiede. Manche können die meiste Zeit selbstbestimmt vor sich forschen, andere werden für die Lehre verheizt. Nur bei letzteren kann man von unbezahlten Überstunden reden.
Dann gibt es auch noch Stipendiaten, die für 2 – 3 Jahre einen festen Betrag bekommen, i.d.R. zwischen 1000 und 2000 Euro im Monat. Die sind aber keine Angestellten und haben auch keine vertragliche Arbeitszeit.
Ja,@mitm, in der Tat kann man ‚Doktoranden‘ sehr schlecht untereinander vergleichen, weil es in den unterschiedlichen akademischen oder fachlichen Bereichen sehr unterschiedliche Usancen und Traditionen gibt. (Oder anders ausgedrückt: ‚DEN‘ Doktoranden gibt es gar nicht…. ;-).
Ich selbst habe in Naturwissenschaften in Deutschland promoviert. Dort (ich glaube auch in Mathe, weiß aber nicht genau) ist es üblich, dass man eine ‚halbe Stelle‘ (BATIIa *0.5) erhält, um an seiner Dissertation zu arbeiten. Das Geld kommt üblicherweise (1) vom Lehrstuhl des Betreuers (‚Berufungsmittel‘, eher in der Minderzahl der Fälle), oder (häufiger) (2) ‚Drittmittel‘, die vom Betreuer für ein bestimmtes Projekt eingeworben wurden bei DFG oder BMBF. (3) Stipendien/Graduiertenkollegs sind ebenfalls verbreitet und stehen steuerlich/sozialversicherungspflichtig auf einem völlig anderen Blatt. Außerdem gibt es auch privatwirtschaftlich gesponsorte Projekte/Doktoranden, die sind mir aber nur äußerst selten begegnet.
Dabei ist Teil der Verabredung, dass man auf der ‚halben Stelle‘ Vollzeit an seiner Dissertation arbeitet. Viele Unis vergeben ihre Doktorgrade auch nur dann, wenn man eine Mindestzeit als Promotionsstudent eingeschrieben war und eine Mindestanzahl an Semestern Übungen für Studenten betreut hat. Das ist unabhängig davon, ob die Mittel Berufungsmittel oder Drittmittel sind. Bei mir waren es Drittmittel und ich mußte drei Semester lang Übungen betreuen (vom FB so festgelegt), was mir tatsächlich als eine Art Ausnutzung erschien. Die Anfertigung einer Dissertation dauert üblicherweise zwischen 2.5 Jahre (Chemie) bis ca. 5 Jahre (Biologie, dazwischen Physik), manchmal auch länger (an meinem Institut habe ich selbst zwei Promovenden gekannt, die sieben Jahre benötigt haben).
Wenn eine Vollzeitstelle in Deutschland üblicherweise 40 Wochenarbeitsstunden und 26 Tage Jahresurlaub beinhaltet, rechnen wir mal kurz meine eigene Arbeitszeit über meine gut 3 Jahre Promotion: Mo – Fr: 08:30h im Labor, 18:00h – 19:00h Feierabend, 0.5 – 0.75h Mittagspause, 0.15h Kaffeepause (ca. 9h/d). Sa frei bis auf Ausnahmen, So manchmal 4h in der Bibliothek. Macht 5*9h = 45h / Woche, plus die Sonntage.
In einem Jahr dieser drei Jahre kam noch jede Woche hinzu: ca. 19:30h – 22:00h (2.5h) Labor Mo – Fr, dh. in DEM Jahr waren es ca. 58h Wochenarbeitszeit. BEZAHLT wurden selbstverständlich 20h/Woche (aber das war ja Teil der Verabredung). Meinen eigenen Urlaub (26d) habe ich jedes Jahr verbraucht, viele Kollegen an meinem Institut ließen durchaus große Anteile davon verfallen.
Soviel zu meiner eigenen ‚gelebten Erfahrung‘. Alles weitere Einzelfälle in meinem Bekanntenkreis:
* Ingenieure, Informatiker und Betriebswirte promovieren deutlich seltener als Naturwissenschaftler. Dort ist es üblich, eine Vollzeitstelle am Lehrstuhl zu bekommen und Übungen sowie administrative Aufgaben für den Lehrstuhl durchzuführen. Das scheint fast die gesamte Woche aufzufressen, an der Dissertation arbeiten die Kandidaten offenbar im wesentlichen in ihrer Freizeit. Promotionen dauern ca. 5 Jahre.
* Juristen promovieren unbezahlt, haben aber üblicherweise einen Halbtagsstelle in einer Anwaltskanzlei und Arbeiten den Rest der Zeit an ihrer Dissertation. Jura-Promotionen dauern ca. 1 Jahr.
* Mediziner arbeiten üblicherweise während ihres Studiums (dh. vor Staatsexamen und Approbation) unter der Woche abends an ihrer ‚Forschung‘ und benötigen ca. 1 Semester für den Dr. med. (Jaaaa, es gibt auch Ausnahmen, die tatsächlich Forschung betreiben und 2 – 5 Jahre promovieren. Nach meiner Schätzung sind das maximal 5% der medizinischen Doktorgrade). Ich glaube nicht, dass die Mediziner für diesen Aufwand bezahlt werden.
* promovierte Geisteswissenschaftler kannte ich nur einen, der hat das vollständig in seiner Freizeit (dh. Zeit, in der er nicht für seinen Lebensunterhalt gearbeitet hat oder sich entspannt hat) gemacht, ohne Bezahlung (und ohne Betreuung).
Ich halte es auch für sehr schwer, eine Metrik für ‚Überstunden‘ bei Promovenden zu ermitteln. Es hat auch nicht jede(r) meine Arbeitszeiten abgeleistet an den beiden Instituten, die ich während meiner Promotion kennengelernt habe. Da gabs durchaus Leute, die um 10h morgens angefangen haben, um fünf gegangen sind und viel Zeit in der Cafeteria verbrachten….. ;-).
„Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler“
Wer freiwillig so schreibt, ist nicht ganz knusper.
Müsste „Nachwuchs“ nicht auch gegendert werden? Ist schließlich DER Nachwuchs.
Also besser Nachwüchsinnenwissenschaftlerinnen, Nachwuchswisenschaftlerinnern, Nachwüchsinnenwissenschaftler und Nachwuchswissenschaftler. Das rollt doch immer noch ganz leicht von der Zunge.
Wissenschaftende!
und daraus: „Nachwuchswissenschaftende“.
Problem gelöst. Was ist daran so schwierig?
Hört sich bescheuert an? Kann sich gar nicht bescheuert genug anhören!
Wie nennt man denn dann eigentlich junge Menschen aus der Fachschaft? Fachschaffende?
Wäre es nicht eher „Nachwachsende Wissenschaffende“?
nachhaltig nachwachsende Wissenschaffende 😀
und nach Gebrauch einfach in der Biotonne zu entsorgen.
bei der Pharmaindustrie werden unterdessen ja auch lieber die wahren Profis eingestellt:
Doktoranten arbeiten definitiv eine Menge unbezahlt. Ich kenne kaum Beispiele wo die Arbeitszeit auch nur annährend hinkommt.
Das hat auch nix mit selbstständig oder fleiß zu tun, es ist eiskaltes Ausnutzen von den leitenden Personen welche bestimmen können wer weiterkommt.
Das läuft in Deutschland richtig schief.
„Das hat auch nix mit selbstständig oder fleiß zu tun, es ist eiskaltes Ausnutzen von den leitenden Personen welche bestimmen können wer weiterkommt.“
Sie arbeiten ja üblicherweise an Sachen, bei denen sie mit auf die Paper kommen. So war es jedenfalls bei den Wissenschaftlern, die ich kenne. Es ist sozusagen die Grundlage für spätere Möglichkeiten. Insofern arbeiten sie dann eben auch für sich.
Ja, wir brauchen dafür unbedingt ein neues Gesetz. Und ich habe auch schon einen Namen dafür: Doktorandenausnutzungsverhinderungsgesetz (DausverG).
Neee, Gutes Doktorandengesetz…. 😉
Ich habe während meiner Promotionszeit 4 Jahre 40-50 Stunden die Woche gearbeitet, und wurde mit 50% TVL13 vergütet (heute sind es meistens 65%). Das waren netto so 1,400 Euro. Aber ucg
Offiziell wird das damit begründet, daß einem die Uni eben Material und Labor zur Verfügung stellt, um an seiner Karriere zu basteln.
Mein erster PostDoc wurde mit 75% für 40-50 Wochenstunden vergütet, mit dem gleichen Argument. Im Moment sitze ich auf einer halben Wissenschaftlerstelle, die restlichen 25% werden über Drittmittel bezahlt. Mehr darf ich übrigens nicht aufstocken lt. Wissenschaftlerarbeitszeitgesetz. Entfristet bin ich übrigens immer noch nicht, obwohl ich nun fast 10 Jahre hier bin. Soll jetzt irgendwann passieren, aber hängt extrem vom Lehrbedarf ab, den der Fachbereich für die nächsten Jahre ausrechnet. Wenn das nicht passieren sollte, bin ich nach 12 Jahren raus, weil die Unis nicht wollen, weil man sich einklagt.
Klingt alles ganz fair, und es ist auch ganz offensichtlich so, daß bei besseren Vergütungen weniger Leute promovieren können, weil die meisten Unis eh chronisch unterfinanziert sind. Ausserdem ist staatlich bezahlte Forschung natürlich ein Privileg. Dazu kommt, daß der wissenschaftliche Mittelbau eh de facto abgeschafft wurde (zB Akademische Räte, Lektoren), es gibt eigentlich nur noch Profs, Doktoranden und befristete PostDocs, die alle 1-2 Jahre die Stelle und Stadt wechseln. Man darf also eh nicht damit rechnen, daß man lange an den Unis bleibt.
Ein wenig unfairer wird es, wenn man a) sieht, daß 95% der Forschungsarbeit von Doktoranden und PostDocs erledigt werden, und die Uni davon massiv profitiert, zB ein der Einwerbung von Drittmitteln und b) sieht, daß die Unis einen riesigen Administrationsaufwand betreiben mit hunderten von Mitarbeitern und vornehmlich Mitarbeiterinnen, bei denen manchmal nicht klar wird, wofür die eigentlich Geld bekommen.
Die Zahlen erscheinen mir viel zu hoch gegriffen.
„Offiziell wird das damit begründet, daß einem die Uni eben Material und Labor zur Verfügung stellt, um an seiner Karriere zu basteln.“
Hihi, ja, mein Chef hat mir auch auf meine vorsichtige Klage bzgl. ‚halbe Stelle‘ geantwortet, dass ‚früher‘ (TM) die Doktoranden ihre Professoren ja sogar bezahlt hätten. (Stimmt für das Mittelalter wohl auch…).
Ich war auch erstaunt zu erfahren, dass praktisch sämtliche nawi Forschungstätigkeit in D von Doktoranden und PostDocs geleistet wird. In den USA (nicht nur da) gibt es wenigstens noch Staff Scientists an den Instituten, die fürs Forschen bezahlt werden (die werben sich ihre Mittel sogar im wesentlichen selbst ein von der NSF).
Dieses System (Geld einwerben, dann das passende Labor suchen) gibt es in D quasi gar nicht. Auch tenure (also die Einstellung auf einer vollen Stelle, zB als assistant professor, mit der Aussicht auch Entfristung, wenn’s gut läuft) gibt es hier nicht, am ehesten noch die Juniorprofessuren oder Juniorgruppenleiterstellen der Max-Planck-Gesellschaft.
Unterm Strich ist es in der Biologie so: Entweder man ergattert eine Professur, oder man sucht sich eine nicht-universitäre Stelle.
Ist „tenure“ nicht einfach das, was hier ein Professor hat?
@marco0182:
Ja, so in etwa (A tenured appointment is an indefinite academic appointment that can be terminated only for cause or under extraordinary circumstances (…)).
nicht_erforderlich meint sicher eine sog. ‚tenure track position‘, das ist eine (junior) Professur, die in einer ‚tenured position‘ endet (und üblicherweise nach der eigenen Post-Doc-Zeit angetreten wird). Das hat man versucht in Deutschland zu kopieren, indem man die Junior-Professur einführte. Die ist befristet auf 6 Jahre mit Evaluation nach 3 Jahren, danach steht wohl der Ruf auf eine unbefristete Professur an, wenn ich das Konzept richtig verstanden habe…
Jetzt ist es dann soweit…
http://m.spiegel.de/politik/deutschland/brandenburg-parlament-beschliesst-gleichstellungsgesetz-fuer-landtagswahlen-a-1250985.html
Quotenzwang statt Demokratie.
„Die Brandenburger Oppositionsfraktionen von CDU und AfD stimmten gegen das Gesetz. Sie halten es für verfassungswidrig, weil es unzulässig in das Wahlrecht eingreife.“
Dann sollten sie vors Verfassungsricht damit gehen. Ich weiß jetzt gerade nicht, wie das in Brandenburg geregelt ist, aber die sollten eigentlich ein Landesverfassungsgericht haben.
Ich habe selbst promoviert (Dr. phil) und kann das Gejammer halb nachvollziehen, halb ärgert es mich.
Grundsätzlich wirst du klar ausgenutzt – die ersten Monate bekam ich 900 netto. Aber es wird auch keiner gezwungen zum promovieren…
Und klar, es war auch nicht immer einfach, aber letztlich nicht wirklich arbeitsintensiver als eine 40h/Woche. Die Überstunden kamen v.a. dadurch, dass man solche Sachen wie Blogs lesen (weil ja ca. 10% auch mal relevant für die Forschung sind) oder aber auch die tägliche Mittagspause frech unter Arbeitszeit subsummiert hat.
Natürlich muss man auch wenigstens ab und an die Traute haben, gelegentlich Nein zum Prof zu sagen. Wenn ich auf jede Konferenz und jeden Gastvortrag gegangen wäre, der mir vorgeschlagen wurde…
Nervig sind halt die unsicheren Jobaussichten („das ist alles fix mit der Vertragsverlängerung“ gefühlt einen Tag vor Vertragsende) und irgendwelche akademische Selbstverwaltungstreffen und Doktorandenkolloquien. Irgendein Selbstdarsteller hat da immer um 20:30 noch die große Grundsatzdiskussion gestartet…
Ist halt auch immer die Frage, wie sehr man sich ausnutzen lässt. Eine Kollegin am Lehrstuhl war verbeamtet auf Zeit (hat damit ca. das doppelte von mir verdient) und hat täglich eine Stunde mit ihrer Mutter telefoniert (natürlich nicht mit dem privaten Handy).