Hannover hat einen Flyer herausgebracht, der zu einem Wandel der Verwaltungssprache führen soll.
Noch mal ein paar Auszüge:
Anschreiben
Durch die Nennung von Vor- und Nachnamen lässt sich die Anrede mit
Herr und Frau vermeiden.
Herr und Frau Schulz –> Anita und Konrad Schulz
Frau und Herr Schulz (mit Kindern auf Grund von Einschulung o.ä.)
—> Familie SchulzIn manchen Kontexten ist es (zurzeit noch) unangemessen, eine andere Anrede als „Sehr geehrte Damen und Herren“ zu verwenden. In solchen Fällen kann die Ansprache weiter genutzt werden ebenso wie „Sehr geehrte Frau Musterin“. Sollten Sie die Möglichkeit haben, dies durch die Verwendung anderer Anspracheformen (z.B. „Guten Tag“, „Liebe Gäste“ oder Beispiele oben) zu umgehen, gilt es diese zu verwenden. Sollte gezielt nur ein Geschlecht angesprochen werden (z.B. bei einem Geburtsvorbereitungskurs) wird nur die jeweilige Form verwendet.
Das ist schon herrlich dämlich. Da müssen alle Dokumente und die Software angepasst werden, weil ja jetzt in tausenden von erfassten Adressen ein Textbaustein die Anrede einsetzt. Das wird also schon mal wieder einiges an Geld kosten. Meine Vermutung ist, dass sich die Gender-Experten, die sich das ausgedacht haben, auch wenig damit beschäftigt haben, wie man das am besten in die Software einbaut.
Weitere Alternativen zur Bildung umfassender Sprachformen
Je nach Text oder Zusammenhang bieten sich verschiedene Formulierungen an. Es besteht die Möglichkeit, Institutions- und Kollektivbezeichnungen zu wählen, anstatt die Benennung von Personen zu verwenden.
- die Teilnehmer des Projektes –> das Projektteam/die Teilnehmenden des Projekts
- der Personalvertreter –> die Personalvertretung
- Rat der Psychologin –> psychologischer Rat
- Unterstützung eines Kollegen –> kollegiale Unterstützung
Ähnliches gilt bei der Beschriftung von Anwesenheitslisten. Werden Vorund Nachname abgefragt bzw. aufgeführt, ist die Bezeichnung Frau/Herr in der Regel überflüssig.
Auch wirklich wichtig. „Die Teilnehmer “ ist natürlich das Patriarchat, Die Teilnehmenden, wer denkt da nicht sofort an eine bunte Gruppe von Enbys und Transsexuellen?
GENDERSTAR
Eine geschlechtsumfassende Ansprache ist nicht immer möglich. In diesen Fällen gilt es den Genderstar zu nutzen. Der Genderstar, dargestellt durch ein Sternchen* zwischen der maskulinen und femininen Endung dient als sprachliches Darstellungsmittel aller sozialen Geschlechter und Geschlechtsidentitäten.
- Der Ingenieur / die Ingenieurin –> der*die Ingenieur*in
(in solchen Fällen wird der Genderstar auch zwischen den Artikeln gesetzt, um auf die Vielfalt der Geschlechter hinzuweisen.)- Liebe Kolleginnen und Kollegen –> Liebe Kolleg*innen
Der „Genderstar“. Das wird in der Tat Freude machen. Kann dann zwar kein Schwein mehr lesen, aber ein paar wenige radikale Feministen in Hannover sind immerhin glücklich. Ich vermute mal das Hannoveraner Stimmungsbild wird insgesamt eher negativ ausfallen.
Aus meiner Sicht dürfte er eher andere Leute ausschließen: Sind Programme für Sehbehinderte schon auf geschlechtergerechte Sprache ausgerichtet? Verstehen Menschen, die schlecht deutsch sprechen solche Texte noch? Helfen Übersetzungsprogramme?
Klickt man beim englischen auf Vorlesen klingt es erst einmal fürchterlich.
Ob man dagegen klagen kann eine solche Sprache verwenden zu müssen wäre interessant.
Helfen könnte dort der § 23 VwVfG (Verwaltungsverfahrensgesetz)
§ 23 VwVfG – Amtssprache
(1) Die Amtssprache ist deutsch.
(…)
Auf den wird immerhin im Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetz
(NVwVfG) hingewiesen,
§ 1
(1) Für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden des Landes, der Gemeinden, der Landkreise und der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts gelten die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes mit Ausnahme der §§ 1, 2, 61 Abs. 2, §§ 78, 94 und §§ 100 bis 101 sowie die Vorschriften dieses Gesetzes.
Wäre die Frage, ob dann eine Stadt ein „Spezialdeutsch“ überhaupt vorschreiben darf, welches vom normalen deutsch abweicht.
Verwaltungssprache soll alle Menschen ansprechen. Frauen und Männer und jene, die sich nicht als Frau oder Mann selbst beschreiben. Deshalb sollen zukünftig von der Verwaltung geschlechtsumfassende Formulierungen (z.B. Beschäftigte, Sachgebietsleitung) verwendet werden.
Wenn eine geschlechtsumfassende Formulierung nicht möglich ist, ist der Gender Star (z.B. Antragsteller*innen) zu verwenden. Diese Regelung gilt für sämtlichen Schriftverkehr der Verwaltung – Emails, Präsentationen, Broschüren, Presseartikel, Drucksachen, Hausmitteilungen, Flyer, Briefe – und schließt somit auch Formulare ein.
Mit Zustimmung des Oberbürgermeisters und der Dezernent*innenkonferenz wird mit diesen neuen Regelungen die aus dem Jahr 2003 stammende „Empfehlung für eine zeitgemäße, Frauen und Männer angemessen berücksichtigende Verwaltungssprache“ abgelöst.
Es folgen dann weiter Beispiele:
- Rednerpult –> Redepult
Rednerliste –> Redeliste- Protokollführer ist –> das Protokoll schreibt
- Vertreter –> vertreten durch
- Teilnehmerliste –> Teilnahmeliste
Herrlich bescheuert.
Ich bin mal gespannt, wie es ankommt und wie lange es sich hält.
und natürlich fühlen sich selbst von den Feministinnen nicht alle Vertreten:
Der Vorstoß löste ein riesiges Echo aus – jetzt kommt Kritik von einer feministischen Sprachwissenschaftlerin. Sie findet es schlecht, dass auch das Gender-Sternchen zum Einsatz kommen soll.
„Ich bedaure die Einführung des Gendersterns durch meine Heimatstadt Hannover“, sagte Linguistin Luise F. Pusch. „Die Frauen finden sich als Anhängsel wieder, wie zu Anfang der feministischen Sprachkritik.“
(…)
Pusch, die als eine der Begründerinnen der feministischen Linguistik in Deutschland gilt, sagte: „Ich bin nach wie vor für das Binnen-I, das der von mir bevorzugten Lösung, dem generischen Femininum, noch am nächsten kommt.“ Die Uni Leipzig benutze in ihrer Grundordnung seit einigen Jahren das generische Femininum, also generell die weibliche Form („Teilnehmerinnenliste“) statt der männlichen („Teilnehmerliste“). Der Protest dagegen sei bundesweit lautstark gewesen, sagte Pusch.
Die Form werde sich allerdings nur schwer durchsetzen lassen, weil viele Frauen ihren Männern nicht zumuten wollten, was Frauen routinemäßig zugemutet werde, sagte die Linguistin: „Nämlich, sich in der falschen Genderschublade wiederzufinden.“
Natürlich ist es insoweit nicht gut genug.
Aus meiner Sicht interessantere Kritik:
Die Umstellung ist undemokratisch. Sie wird dem Bürger zugemutet, obwohl er gar nicht danach gefragt hat. Haben die Hannoveraner eine Initiative gründet, sich über Diskriminierung beschwert? Nein, haben sie nicht. Sie müssen sich aber dennoch erziehen und gängeln lassen. Das zu Recht gefürchtete Behördendeutsch wird noch sperriger werden, durchsetzt mit umständlichen Wendungen («antragstellende Person» statt «Antragsteller») und komplizierten Sonderzeichen («Dezernent*innenkonferenz»). Was das für Migranten bedeutet, ist klar: Die Integration wird mit Regeln, die schon einen Muttersprachler verstören, schwerer fallen.
In Hannovers linguistischer Offensive zeigt sich die Kluft, die sich zwischen politischen Eliten und der Bevölkerung auftut. Hätte es eine Volksabstimmung gegeben, wäre es wahrscheinlich nicht zum behördlichen Neusprech gekommen. Für rechte Populisten ergibt sich hier eine offene Flanke: Was sie den Universitäten mit ihren rund 200 Gender-Professuren und den linksorientierten Medien an Sensibilisierungszwängen schon immer vorgeworfen haben – das Binnen-I, der Gender-Gap, der Gender-Stern –, macht sich nun auch in Behörden und Ämtern breit.
Gerade staatliche Institutionen müssten deshalb besonders vorsichtig sein. Der Eingriff in den Sprachgebrauch gehört ins Repertoire autoritärer Regime, nicht in das einer liberalen Gesellschaft. Vorbildlich ist hier das deutsche Justizministerium. 2009 richtete die Bundesregierung dort einen «Redaktionsstab Rechtssprache» ein. Leitlinie: Gesetzesentwürfe müssen sprachlich richtig und, ganz entscheidend, «für jedermann verständlich verfasst sein». Konkret heisst das: Man muss sie laut vorlesen können.
Finde ich durchaus passend.