Tag: 22. Januar 2019
„Männer sind an allem schuld“
Christian Stöcker schreibt in seiner Spiegel-Kolumne:
Eins gleich zu Anfang: Ja, Männer sind an (fast) allem schuld. Sorry.
Holocaust und Inquisition, Kreuzzüge, Genozide, Weltkriege. Drogenkartelle und das Regime Nordkoreas, Menschenhändler und Folterknechte, IS und al-Qaida – das alles sind Männersachen. Das mag man als Mann unangenehm finden, es ist aber nicht zu leugnen. Trotzdem wird allein dieser Absatz wütende Reaktionen hervorrufen – aus einer gerade in den sozialen Medien sehr aktiven Untergruppe des männlichen Geschlechts. Deren Angehörige empfinden solche Fakten als persönlichen Angriff.
Mit alledem ist übrigens nicht gesagt, dass Frauen nicht zu Gewalt, Grausamkeit, himmelschreiender Dummheit oder Rücksichtslosigkeit in der Lage seien. Aber de facto waren bei den größten Scheußlichkeiten der Geschichte eben in aller Regel Männer am Ruder.
Die gute Nachricht ist: Wir haben das eigentlich längst verstanden. Also: wir Männer.
Das ist ja ein gerne genommener Ansatz: Wir Männer waren in der Geschichte die Bösen, wir haben das verstanden, wir müssen uns bessern.
Natürlich unterschlägt das diverse Königinnen, aber auch Bürgerinnen und verbirgt auch, dass die meisten Frauen über die Geschichte damit vollkommen einverstanden waren, wie die Männer handeln. Genug Frauen haben Nazis gewählt, hatten gerne Sklaven und fanden nichts dabei, sie zu kaufen oder zu verkaufen, haben Männer verachtet, die nicht in den Krieg ziehen wollen und waren gerne die Geliebte des reichen Drogenbarons, weil dieser sie mit Luxusgütern versehen hat.
Eine Römerin ging ebenso gerne in das Kolosseum wie ein Römer und eine Südstaatentochter aus gutem Haus wäre entsetzt, wenn sie jemanden hätte heiraten sollen, der keine Sklaven hat, die sie angemessen betreuen. Und auch überzeugte Nazi-Frauen haben Juden verraten oder überzeugte Kommunistinnen den Nachbarn ins Gulag bringen lassen oder gläubige Christinnen eine Hexe enttarnt auf das ihre Seele durch das Fegefeuer geläutert werde.
Alles was Männer erfolgreich gemacht haben, ihren Status oder ihren Reichtum vergrößert hat, dass hat auch Frauen gefallen. Und sei es auch heutiger Sicht noch so verkommen.
Männer mögen eher die Aktiven gewesen sein, aber das waren sie eben auch im Guten: Wenn man ihnen das Schlechte anhängen will, dann müsste man genauso sagen können:
Männer haben im Bürgerkrieg in den USA auch für die Befreiung der Sklaven gekämpft, Männer haben die Zivilisation und große Reiche errichtet, Technik entwickelt, die Medizin erforscht, Gedichte, Geschichten, Kultur geschaffen und Kinder und Frauen mit Nahrung versorgt und sie beschützt. Wenn die obigen Vorhaltungen richtig sind, dann wären es auch die Errungenschaften.
Männlichkeit ist aktiv. „Women are human beeings, Men are human doings“ wäre ein Spruch dazu. Sie sind im Guten und im Schlechten eher vertreten und häufig wirken in beiden Fällen die gleichen Eigenschaften.