Ein Text widmet sich dem Umstand, dass Frauen häufig in Teilzeit arbeiten:
Warum also setzen die Frauen ihr Arbeitsmarktpotential nicht in vollem Umfang ein?
Die Antwort ist verblüffend: Ganze Kohorten jüngerer Frauen unterschätzten regelmäßig die Kosten, die ihnen durch ihr Muttersein entstehen, vor allem die „emotionalen Kosten“, die durch die Trennung von den Kindern, durch Schuldgefühle gegenüber Familie und Arbeitgeber oder etwa durch zu wenig Schlaf entstehen. Eine realistische Vorstellung davon machten sich junge Frauen kaum, nicht nur in Deutschland. „Man könnte das Mutterwerden als eine Art Informationsschock bezeichnen, der sich dramatisch auf das Verhalten der Frauen niederschlägt“, heißt es in der Studie. Mit erheblichen Folgen: „Die Wahrscheinlichkeit einer Anstellung nach der Geburt des Kindes sinkt für Frauen in den Vereinigten Staaten oder Großbritannien um 30 bis 40 Prozent. Dabei wirkt der Informationsschock nicht nur lange nach. Er verstärkt sich sogar. Frauen, die direkt nach der Geburt einer festen Arbeit gegenüber skeptisch werden, seien es zwei Jahre später erst recht. Und noch stärker sind die Effekte, wenn das zweite Kind geboren wird. Betroffen sind davon vor allem die gut ausgebildeten Frauen. Bei Vätern indes sind derlei Effekte nicht nachzuweisen.
Noch in den 60er und frühen 70er Jahren haben die Frauen ihren Willen und ihre Chancen auf eine Rückkehr an den Arbeitsmarkt nach der Geburt der Kinder regelmäßig viel zu niedrig eingeschätzt, heute tun sie das Gegenteil. „Genau in den Jahren, in denen die Frauen ihre Ausbildungs- und damit Investitionsentscheidungen in ihr eigenes Humankapital treffen, sagen sie die Kosten des Mutterwerdens völlig falsch voraus“, schreiben die Autoren in der Studie.
Caitlyn Collins, Soziologin an der Universität Princeton, hat versucht, diesen Zusammenhängen mit einer Vielzahl von Tiefeninterviews zu Leibe zu rücken, und das Buch „Making Motherhood Work“ dazu verfasst. Dafür hat sie sich nach London, Berlin und Stockholm begeben. Es scheinen vor allem zwei Dinge die hehren Pläne der jungen Mütter zu verändern, sich nach Geburt der Kinder wieder voll ins Berufsleben zu stürzen: Erstens wirkt sich die gemeinsame steuerliche Veranlagung negativ auf die Erwerbsbeteiligung der Frauen aus, denn Paare betrachten ihre beiden Einkommen zumindest in der Zeit, in der es zwischen ihnen einvernehmlich zugeht, als Familieneinkommen. Und zweitens tendieren Frauen, die Mutterschutz und Elternzeit in Anspruch nehmen, dazu, ihren Anteil an der Hausarbeit deutlich auszuweiten, so dass die gefühlte Möglichkeit der Vereinbarkeit immer kleiner wird.
Die gemeinsame steuerliche Veranlagung macht es einfacher, dass einer der beiden Aussetzt, weil dessen Freibetrag dann auch von dem anderen genutzt werden kann und man in der Progression tiefer rutscht. Es bedeutet aber auch: Man kann die finanzielle Absicherung an den Partner abgegeben und muss nicht unbedingt arbeiten
Eine Wertung erfährt diese Entwicklung der so beliebten Teilzeitbeschäftigung bei Frauen erst dann, wenn man sie vor dem Hintergrund bestimmter gesellschaftlicher Zielvorstellungen erzählt, etwa einer möglichst hohen Erwerbsbeteiligung der Frauen. Mit Brachialgewalt hat die CDU-geführte große Koalition einst unter Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) versucht, dies zu erzwingen. Sie hat dafür eine Reform des Unterhaltsrechts durchgesetzt und den Frauen im Scheidungsfall die Unterhaltsansprüche gestrichen. Beide Ehepartner sollten nach der Scheidung auf eigenen Beinen stehen. Das geht jedoch nur, wenn beide auch während der gemeinsamen Zeit vor der Scheidung arbeiten. Aber: Die neue, sehr eindeutige Rechtslage lässt vor allem die Frauen kalt. Zwar hat sich ihre Erwerbsbeteiligung seit der Gesetzesänderung 2008 deutlich erhöht, allerdings fast ausschließlich in Teilzeitbeschäftigung, steht in dem Bericht „Blickpunkt Arbeitsmarkt“ der Bundesagentur für Arbeit vom Juli 2018. Die Zahl der vollzeitbeschäftigten Frauen hat sich demnach faktisch nicht verändert. Bei den Männern hingegen treibt die Zunahme der Vollzeitbeschäftigung deren Arbeitsmarktbilanz.
Das blöde an Änderungen im Familienrecht ist, dass sie keine Sau mitbekommt, wenn sich Fälle nicht im nahen Umfeld zeigen. Aber es ist auch nicht zutreffend, dass der Unterhalt ganz gestrichen wurde. Es gilt nur eine strengere Erwerbsobliegenheit und der Unterhalt ist kürzer als früher, der nacheheliche Unterhalt muss üblicherweise für eine Zeit von „Ehezeit geteilt durch 3“ Jahren gezahlt werden und ehebedingte Nachteile müssen so lange ausgeglichen werden wie sie bestehen. All dies hat anscheinend nicht zu einer Veränderung der Teilzeitbeschäftigung geführt.
Auch mit Blick auf die Unabhängigkeit der Frauen ist der Rückzug in die Teilzeit geradezu fatal. Frauen bleiben von ihren Männern abhängig und werden es häufig auch im Alter noch sein. Im Fall der Trennung sind sie kaum auskömmlich versorgt. 60 Prozent der befragten Frauen gaben nach der Studie des Familienministeriums an, bis zur Rente in Teilzeit bleiben zu wollen, obwohl sie von ihrer eigenen Rente später nicht leben könnten. Ein Viertel will sich damit aber gar nicht erst befassen – zu deprimierend ist das Thema.
Vergessen wird immer: Auch der Mann wird abhängig. Wenn seine Frau nicht arbeitet oder nur gering in die Rente einzahlt, dann ist seine Rente auch stark gefährdet. Wenn sie sich im hohen Alter scheiden lässt, dann werden direkt Rentenpunkte übertragen. Es haben dann beide eine geringe Rente. Und hinter „60% der befragten Frauen wollen bis zur Rente in Teilzeit arbeiten“ verbirgt sich eben auch, dass die meisten Frauen ihre Kinder mit 30-35 bekommen und dann, wenn die Kinder aus dem Haus sind (also bei einem Alter der Frau von etwa 50-55) die Teilzeit dann noch für 12-17 Jahre fortgesetzt wird.
Mehr noch: Einfluss und Gestaltungsmacht erobern sich die Frauen auf diese Art und Weise in der Wirtschaft ganz bestimmt nicht, solange Karrieren noch immer vor allem auf Lebensläufe mit Vollzeitjobs bauen. Die deutsche Wirtschaft ist männlich und wird es auch noch lange bleiben. Das kann an der berühmten „gläsernen Decke“ liegen, an altbewährten, noch immer hervorragend funktionierenden Männerbünden oder gar an einer unbewussten Wahrnehmungsverzerrung in Bezug auf weibliche Qualifikationen. Es liegt aber auch daran, dass sich wegen der Teilzeit-Vorliebe für die Hälfte der erwerbstätigen Frauen eine größere Karriere kaum ergeben kann. Wenn sich das ändern soll – und das wäre aus vielen Gründen wünschenswert –, müssten sich viel mehr Frauen aus der Teilzeit verabschieden als bisher. Sonst ändert sich nichts.
Das stimmt. Es wird aber leider selten als direkter Appell an die Frauen gerichtet. Über Quoten für Frauen wird hingegen unter Ausblendung dieses Umstandes gern geredet.
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