Tag: 10. Januar 2019
Was ist eigentlich ein Nazi?
Gerade ist der Ausspruch „Nazis raus“ auf Twitter sehr aktiv. Er vermischt sich mit der Gewalt gegen einen AfD-Abgeordneten und dem allgemeinen Protest gegen die AfD und rechte Gewalttaten. Angeblich soll die ZDF-Moderatorin Nicole Diekmann wegen dieser Äußerung scharf angegriffen worden sein, andere meinen es lag eher daran, dass sie auf Nachfrage, was für sie eigentlich ein Nazi ist geantwortet hat
„Jede/r, der/die nicht die Grünen wählt.“
Das will sie als Scherz verstanden haben, wie sie später auch noch einmal ausdrücklich schreibt:
Dennoch ist die Frage ja durchaus gerechtfertigt. Denn leider wird der Begriff „Nazi“, der eigentlich für Anhänger einer sozialdarwinistischen Ideologie, die eine überlegene arische Rasse annimmt und andere minderwertige Völker auslöschen möchte oder jedenfalls als untergeordnet und Raumwegnehmend ansieht, vorbehalten bleiben sollte, inzwischen in radikalen Kreisen als allgemeiner Vorhalt gegen nichtlinke und konservative genutzt. Wer etwas linkes kritisiert, der kann sehr schnell als Nazi bezeichnet werden.
Zu sozialdarwinistischen Überlegenheitstheorien zunächst noch der Hinweis auf diese Artikel:
- Sozialdarwinismus
- „Überlegenheit der weißen Rasse“ (white Supremacy)
- Wann geht „rechts“ und „links“ zu weit?
„Nazis raus“ soll die Antwort sein auf „Ausländer raus“. Insofern muss es da natürlich nicht viel Sinn machen, es drückt einfach Ablehnung einer bestimmten Ideologie aus, wenn man es in diesem Kontext benutzt.
Ansonsten macht es aber als Handlungsaufforderung keinen Sinn: Während man Ausländer abschieben kann geht dies eben mit Bürgern eines Landes nicht. Es ist insofern eben nur der Ausdruck einer Ablehnung und wird aber gleichzeitig als „Kampfruf“ genutzt, der auch irgendwie eine aktive Aufforderung enthalten soll, aktiv gegen Nazis zu werden. Damit deckt er alles ab, in radikaleren Kreisen eben auch Gewalt aller Art. Was es wieder zu einer gefährlichen Parole macht, gefährlicher noch, wenn gleichzeitig der Nazibegriff weit von seiner vorherigen Bedeutung ausgeweitet (und damit natürlich auch verharmlost) wird.
Ich halte ihn daher auch für eine wirkliche Auseinandersetzung in politischer Hinsicht wenig geeignet. Denn wer beispielsweise alle AFD-Wähler im Osten zu Nazis erklärt, der bedient genau den „Deplorable Effekt“, der eine Diskussion unmöglich macht: Wenn alle, die etwa die Flüchtlingskrise beenden wolllen, Nazis sind, dann ist Nazi sein nichts schlimmes mehr und die AfD wird normaler und hat einen gemeinsamen Feind. Zudem wird durch radikale Schlachtrufe auch immer der Dialog verhindert, der bezüglich bestimmter Themen eh kaum noch möglich ist, was es radikalen Kräften wie der AfD erlaubt dieses Thema zu besetzen.
Man tut damit der Diskussion keinen Gefallen, weil man sie weiter tabuisiert.
Insofern geht meine Ansicht etwas in die Richtung dieses Tweets:
„Nazis Raus“ ist insofern auch eine klassische Parole, die Diskussionen ersetzt. Man muss sich mit den Gründen, aus denen Leute AfD wählen nicht mehr auseinandersetzen, wenn man sie brüllt. Aber das bewirkt eben nicht, dass Leute die AfD weniger wählen. Es löst überhaupt keine Probleme, eher schafft es durch die Tabuisierung bestimmter Themen weitere. Es bietet keine Lösung, es radikalisiert nur. Und bietet sich an für Virtue Signalling
vgl auch